Czytaj książkę: «Drei Zimmer, Küche, Sarg»
Heinz von Wilk
Drei Zimmer, Küche, Sarg
Kriminalroman
Impressum
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alle Rechte vorbehalten
Herstellung: Julia Franze
E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Kanea / shutterstock.com; Butch / stock.adobe.com; Eric Isselée / stock.adobe.com; 218860 / Pixabay.com
ISBN 978-3-8392-6880-3
Vorwort
Es ist eine dieser Geschichten, von denen du bestimmt in der Zeitung gelesen hast. Jedenfalls einen Teil davon. Denn das eine steht in der Zeitung, das andere erzählt man sich hinter vorgehaltenen Händen. Ob diese Geschichte nun tatsächlich so war oder auch nicht, weiß ich nicht. Aber die Toten bleiben tot, und die Lebenden wissen, warum sie nicht drüber sprechen wollen.
Das Leben ist hart.
Das Sterben aber auch.
»›Begrabe alle deine Träume, solange du das noch kannst.‹ Das hat meine Mutter immer zu mir gesagt. Schon als ich ein Kind war. Sie war so eine gescheite Frau, die Mama.« Betrübt schüttelte der Schiermeier sein graues Haupt und fuhr sich über die Augen.
»Echt jetzt?« Max Auer hob sein leeres Bierglas über den Kopf, und die hübsche Bedienung, die am Stehpult neben dem Eingang zum »Stockhammer« stand, hob fragend einen Finger, und dann zwei. Der Auer überlegte kurz, dann streckte er zwei Finger in die Luft und deutete auf den Schiermeier, der ihm gegenübersaß.
»Echt, ja. Aber meine Mutter hat sowieso immer das Gegenteil von dem gesagt, was sie gemeint hat. Papa hat sie deswegen vergöttert. Dabei hat sie ihm geschworen, dass sie keine Kinder von ihm kriegen wird. Nie. Und heiraten, so einen wie ihn? Nie. Er hat sie mal gefragt, ob es bei ihr auch Liebe auf den ersten Blick war wie bei ihm. So, Zack, wie ein Blitzeinschlag. Und sie hat ohne zu überlegen gesagt, nein, bei ihr ging es schneller.«
»Du bist also ein Einzelkind, so was wie ein Betriebsunfall?«
»Nein, wir sind neun. Ich habe noch einen Bruder und sieben Schwestern.« Der Schiermeier trank sein Bier aus, rülpste, was die Gäste am Nebentisch veranlasste, empört rüberzuschauen. Der Schiermeier Alfons winkte ihnen aber nur freundlich zu und drehte sich dann wieder zum Auer: »Touristen. Die vertragen keine bayerische Folklore. Außer sie kommt von Hansi Hinterseer.«
»Der ist ein Österreicher, kein Bayer.«
»Na und? Bist du ein Rassist?«
Die Bedienung stellte zwei frisch gezapfte Helle vor die beiden und nahm die leeren Gläser vom Tisch. Der Biergarten war gut besucht, über den Max-Josefs-Platz flanierten Menschen, Kinder und dazwischen tummelten sich ein paar Hunde, die die gerufenen Befehle ihrer Besitzer als meist unverbindliche Empfehlungen abtaten.
Es war Altweibersommer geworden, ohne dass wir alle das bemerkt hatten. Der Himmel war strahlend bayerisch blau und weiß, wie es sich gehörte, die Blätter der Bäume und Topfpflanzen auf dem großen Platz schimmerten golden und rot und ein paar Tauben stritten sich auf dem Kopfsteinpflaster vor dem Sankt-Nepomuk-Brunnen um ein Stück von einer Breze.
Ich bin gerne hier auf dem Platz, muss ich sagen. Man sitzt an einem der Tische und alle möglichen Leute kommen an dir vorbei. Mir hat mal einer gesagt: »Wenn du in Rosenheim jemanden Bestimmten treffen willst, kauf dir im Biergarten vor dem Stockhammer eine Halbe Bier, lehne dich auf deinem Stuhl zurück und warte. Irgendwann kommt der oder die Richtige an dir vorbei.«
Da ist was dran. Rosenheim hat ja was Italienisches, mit den schönen und vielfältigen alten Haus-Fassaden, den vielen Palmen und Bäumen rings um den Platz mit den Wirtshäusern und Cafés. Der Auer Max redete jetzt schon fast eine Stunde mit dem Schiermeier. Der hatte ihn nachmittags um fünf angerufen, es gäbe da ein Problem. Oder zwei, genau genommen. Ob der Max denn ein bissel Zeit hätte. Das wäre alles ziemlich diffizil, also nichts für am Telefon und so, du weißt schon. Und für den Auer würde es sich finanziell sehr lohnen, wenn man in der Sache zusammenkäme.
Der Schiermeier Alfons, das muss ich jetzt auch noch schnell erklären, der ist einer von diesen Baulöwen, wo keiner so genau weiß, wie der zu seinem ganzen Geld und seinem Einfluss bei den örtlichen Politbonzen gekommen ist. Egal, wer grade am Regieren ist, meistens sind es in diesen Breitengraden ja eh die Schwarzen, da hat der Schiermeier seine Leute im Rathaus sitzen.
Und bei jeder großen Ausschreibung, nimm jetzt bloß mal die Riesenbauten hinter dem Bahnhof oder von mir aus die schon ewig geplante Stadt-Seilbahn oder die Verbreiterung der Innstraße, da ist der Schiermeier immer vorne mit dabei. Irgendwie weiß er immer ganz genau, was die Mitbewerber für Gebote abgegeben haben.
Deswegen kriegt er den Zuschlag. Gut, wenn dann gebaut wird, dann ist es meistens so, dass sich die Bausumme fast verdoppelt. Aber das macht keinem was aus. Am wenigsten den Politikern, wenn das Frauchen vom Osterhasen wieder einmal einen neuen Porsche bekommt oder die SCHIERMEIER-HOLDING für gewisse Politiker einen Golf-Ausflug nach Singapur finanziert. Dort, in weiter Ferne, da kriegen die Fachbegriffe »18 Löcher« und »Happy Ending« gleich einen ganz anderen Klang, ja was glaubst du denn?
Das ist so, wie wenn ein italienischer Ehemann auf die Frage, wie die letzte Nacht war, zungenschnalzend sagt: »Ahhh, uno notte con Buco!« Das heißt übersetzt: »Eine Nacht mit Sahne!« Auch dann, wenn es gar keinen Kaffee oder kein Eis gegeben hat.
Aber zurück zur Geschichte: Ich meine, du kennst ja den Auer. Ein zwangspensionierter Spitzenmann von der Münchner Sitte. So einer wird immer neugierig, wenn er solche Andeutungen hört. Einmal Polizist, immer Polizist. Und außerdem: Pecunia non olet. Selbst dann nicht, wenn es von einem wie dem Schiermeier kommt.
Der fläzte seine Einmeterachtzig schräg zum Tisch, damit der Bauch etwas mehr Platz hatte: »Meine Frau meint, ich werde langsam zu dick. Aber ich glaube, ich bin lediglich zu klein für mein Gewicht. Was meinst denn du dazu, Max?«
»Ich meine, du solltest mir endlich erzählen, um was es geht.«
Der Schiermeier schob sein Glas zur Seite, beugte sich vor und sagte halblaut: »Er hat es wieder mal vermasselt. Und ich soll es wieder mal entmasseln.«
»Wer?«
»Der Josef. Mein Bruder. Kennst du ihn?«
»Nein.«
»Da hast du nichts versäumt. Pass auf: Er war anfangs mit in meiner Firma. Das musste ich der Mama auf dem Totenbett versprechen, dass ich mich um den Trottel kümmere. Der Kerl hat zwei linke Hände, zum Malochen zu gescheit und zum Studieren ist er zu blöd. Kurz gesagt: Vor ein paar Jahren habe ich ihn ausbezahlt. Seitdem tut er nur noch das, was er am besten kann: rumweibern, saufen, haschen.«
»Toller Job.«
Schiermeier zuckte mit den Achseln: »Von mir aus. Auf jeden Fall, vor ein paar Wochen lernt er diese Polizistin kennen. In der Therme in Bad Endorf, hat er mir erzählt. Da ist sie ihm aus Versehen auf den Kopf gesprungen. Sie war Ausbilderin auf der Polizeischule, um die 30, tolle Frau. Ich hab Bilder von ihr gesehen. Das war für mich wie eine Erlösung. Weil ich geglaubt habe, so eine Frau, die hebt den Deppen vielleicht wieder aufs richtige Gleis zurück.«
»War Polizei-Ausbilderin? Warum, was macht sie jetzt?«
»Nichts mehr. Sie ist tot. Erschossen worden, um es genau zu nehmen. Aber in den Zeitungen stand, es wäre Selbstmord gewesen. Alles Blabla. Die ist weggemacht worden.«
»Woher willst du das wissen? Hat der Josef was damit zu tun?«
Schiermeier hob eine Hand: »Nein, so blöd ist der nun auch wieder nicht. Aber er kam zu mir mit der Zeitung in der Hand und meinte, die Susi habe ihm erzählt, dass sie ganz nah an einer Sache dran war, die sie nix anginge. Und das würde einigen Leuten nicht passen. Sie sollte nach Norddeutschland versetzt werden, irgendwohin in so ein Friesen-Kaff.«
»So langsam kapiere ich gar nichts mehr. Was genau hat der Josef denn vermasselt?«
»Seit einiger Zeit brennt es öfters mal in einer meiner Immobilien. Ich habe auch schon solche komischen Briefe bekommen, du weißt schon …«
»Nein, weiß ich nicht.«
»Erpressung. Da schreibt mir wer ›entweder du zahlst zwei Millionen oder deine Häuser brennen‹, so was in der Art.«
Der Auer zog die Brauen hoch: »Hoppala. Das ist aber jetzt schon eher ein Fall für die echte Polizei, oder?«
Schiermeier winkte ab: »Halb so wild. Ich hab das Ganze ja auch nicht so ernst genommen, weil ich von Anfang an geglaubt habe, der Josef steckt dahinter. Er hat in letzter Zeit viel Geld beim Zocken verloren und ist klamm. Deswegen gab es ein paar Gespräche unter uns Männern. Vor zwei Wochen ging seine Nase dabei zu Bruch, und er ist erst heute früh mit der Zeitung in der Hand bei mir zu Hause aufgetaucht. Wegen seiner toten Freundin. Und er hat Angst.«
»Vor wem?«
»Vor seinen Freunden, bei denen er Schulden hat. Die ziehen ihn da in was rein, sag ich dir. Weil, mit den zwei toten Mädchen hat der Josef echt nichts zu tun, das glaube ich ihm auch.«
Auer hob die Hände und beugte sich vor: »Moment. Jetzt auch noch tote Mädchen? Welche toten Mädchen? Kannst du das Ganze mal so erzählen, dass ich da mitkomme?«
Der Schiermeier seufzte, nahm sich eine Breze aus dem Korb und brach sie auseinander: »Okay, es ist so: Der Josef hängt da mit ein paar Schwarzen ab, genau genommen schon seit einiger Zeit.«
»Was für Schwarze? Welche von der CSU?«
»Nein, Mann. Richtige Schwarze.« Der Schiermeier schaute sich vorsichtig um: »Du weißt schon, das ›N‹-Wort. So was sagt man heutzutage nicht mehr laut, aber ausschauen tun die immer noch so. Das ist so eine Gang, die verkaufen Gras oder wie man das nennt, Pillen, Rauschgift, was weiß ich. Der Josef, der Idiot, hat die mit ein paar von seinen Kumpels zusammengebracht. Mir gehört doch das große Mietshaus in der Münchner Straße, das graue mit dem Blechdach. Der Josef hat der Gang eine Wohnung im vierten Stock überlassen. Da feiern die ihre Partys und so. Ich hab das alles erst jetzt richtig mitgekriegt.«
Der Schiermeier steckte sich ein Stück von der Breze in den Mund, kaute und spülte mit Bier nach: »Ich besitze so um die zweihundert Wohnungen alleine hier in Rosenheim. Da kann ich nicht wissen, wer wo wohnt. Und grade in den alten Häusern ist die Fluktuation hoch. Die Mieter, die schon 30, 40 Jahre oder länger da wohnen, die sterben mir so langsam weg. Und weil ich die alten Hütten auch nicht mehr aufwendig sanieren will, ziehen halt jetzt Leute ein, denen man woanders so schnell keine Wohnung überlässt. Obwohl, bei den meisten zahlt sowieso das Amt, und einen besseren Mieter wie das Arbeitsamt kannst du gar nicht bekommen.«
»Schweif nicht ab, Alfons. Die Jungs wohnen also im vierten Stock, machen Party und der Josef ist mittendrin. Wie viele sind in der Wohnung? Weißt du das?«
»Na ja, ich denke mal vier oder fünf. Der Trottel spielt mit denen Poker, Würfel, das Hütchenspiel, was weiß ich, und verliert meistens. Er konnte seine Schulden nicht mehr zahlen. Also haben seine jamaikanischen Freunde gemeint, na super, dann erpressen wir halt deinen älteren Bruder. Sie lassen sich vom Josef ein paar von meinen leer stehenden Wohnungen zeigen und zünden die an. Als Vorspiel, sozusagen. Dann bekomme ich die Briefe. Zahl oder es brennt weiter. Kommst du so weit mit?«
Der Auer nickte und hob sein leeres Glas über den Kopf. Die Bedienung kam an den Tisch: »Na, ihr Hübschen, noch zwei?«
»Wer lange fragt, der gibt nicht gerne«, meinte der Schiermeier, und zum Auer: »In einer Wohnung hat man die Leichen von zwei Frauen gefunden. Das stand doch am Freitag letzter Woche groß in der Zeitung. Hast du das nicht gelesen? Doch? Dachte ich mir. Also, die Wohnung war in einer leer stehenden alten Villa in der Kastenau. Ein Abbruchhaus, im nächsten Jahr wollen wir damit anfangen. Die zwei Frauen hatten da nichts zu suchen. Die Fenster waren vernagelt, die Türen zu. Vorne an der Straße ist ein großes Schild, ›Betreten verboten, pieseln verboten, alles verboten‹.«
»Haben die drin gefeiert?«
Schiermeier schüttelte den Kopf: »Nein. Das hätten die Nachbarn gehört. Einer von denen hat der Polizei erzählt, in der Nacht, als es brannte, wäre kurz vor Mitternacht ein dunkles Auto vorgefahren. Ein paar Männer in dunklen Klamotten trugen zwei Säcke ins Haus, dann noch was, und eine halbe Stunde später brach das Feuer aus.«
»Und was meint die Polizei?«
»Die haben ermittelt, dass eine Gasflasche mitten im Wohnzimmer stand, das Ventil war aufgedreht. Und ein paar Meter weiter fand man Reste einer Kerze. Eingebrannte Wachsflecken, irgend so was. Und die zwei schwarzen Frauen lagen neben der Gasflasche.«
»Wenn jemand lange genug brennt, wird er schwarz, das ist nun mal so.«
»Auer, du hast mich schon verstanden, das waren zwei junge schwarze Frauen, und die waren schon vorher tot. Der Josef ist zwar ein diplomierter Volldepp, aber mit so was hat er garantiert nichts zu tun, glaub mir das.«
Die Biere kamen, der Auer und der Schiermeier lehnten sich zurück und lächelten die Frau an.
»Wo ist der Josef jetzt?«
Schiermeier hob die Schultern: »Frag mich was Leichteres. Er muss abtauchen, hat er mir erzählt. Wahrscheinlich ist er nach Salzburg gefahren, da kennt er ein paar Leute. Vermutlich Zocker-Idioten, genau wie er einer ist. Ich will es auch gar nicht wissen. Was ich will, das ist, dass du dich um die Sache kümmerst.«
»Genau dafür gibt es eine Firma, die nennt sich Polizei. Die haben so was schon öfters gemacht, glaube ich.« Der Auer Max schlürfte den dicken Schaum von seinem Bier, schaute in die Runde und sagte dann: »Was ich nicht kapiere: Was hat die tote Polizistin damit zu tun?«
»Die? Die wollte dem Josef helfen, aus der Sache mit den Jamaikanern rauszukommen. Sie hat ihre Beziehungen spielen lassen und sich umgehört. Dabei ist sie wohl auf was gestoßen, was besser unter der Decke geblieben wäre. Anscheinend war bei den Partys mit Drogen und Mädels auch der eine oder andere Stadtrat oder ein örtlicher Promi dabei.«
»Hast du Namen?«
»Nein.«
Der Auer fischte einen Zwanziger aus seiner Brusttasche und legte ihn auf den Tisch: »Das Bier geht auf mich. Deine Breze auch. Und mit der Sache will ich nichts zu tun haben. Mein Tipp: Geh zur Polizei. Zuerst muss der Josef wieder her. Der sollte auspacken. Nur so kann man meiner Meinung nach die Sache aufdröseln. Vielleicht hat die Frau aus Endorf dem Josef noch was erzählt. Wie hieß die überhaupt?«
»Susanne St., so stand es in der Zeitung. Mehr weiß ich auch nicht. Warte noch schnell einen Moment, Max.«
Schiermeier nahm sich einen Bierdeckel, zog einen Kuli aus der Jacke und schrieb eine Nummer auf den runden Filz, daneben noch eine Zahl. Dann schob er den Deckel neben Auers Hand: »Das hier ist meine private Handynummer. Da kriegst du mich rund um die Uhr. Und die Zahl daneben ist ein Vorschlag für dein Tageshonorar. Plus Spesen natürlich. Wenn du mehr Geld haben willst, sag es mir einfach. Aber du musst dich um die Sache kümmern, ob du willst oder nicht.«
Der Schiermeier ist einer, der kein Nein gelten lässt. Das Wort kennt der gar nicht, außer es kommt von ihm. So war schon sein Vater. Der alte Schiermeier hat als Maurer-Hilfsarbeiter angefangen, war dann aber schnell der Polier auf jeder Baustelle und mit 30 oder so hatte er seine eigene Firma. Besonders klug war er nicht, aber er hatte diese Bauernschläue, du weißt schon, und er konnte gut mit Menschen umgehen. In den 50er-Jahren hat er spottbillig eine Almhütte gekauft, irgendwo oben auf dem Samerberg. Ich habe gehört, er hat nicht mal Geld dafür hingelegt, sondern dem Viehbauern, dem die ganzen Wiesen und Wälder da oben gehörten, einfach einen neuen Stall gebaut. Für 80 Rindviecher und mit einem automatischen Gülle-Abfluss, so was war damals eine Sensation, kann ich dir sagen.
Ja, und dann hat er an vielen Wochenenden zusammen mit ein paar von seinen kroatischen Muskelpaketen die Hütte ausgebaut. Sauna, Wasseraufbereiter, Whirlpool, gescheite Toiletten, weil, mit dem, was er mit der Hütte vorhatte, da brauchst du mit einem Plumpsklo gar nicht erst anfangen.
Warum ich dir das erzähle? Pass auf: Der alte Schiermeier und seine Frau sind mit ihrem VW-Käfer im Jahre des Herrn 1948 oder so nach Italien an die Riviera gefahren. Das haben damals alle gemacht, die sich das leisten konnten.
Und wie der Schiermeier senior auf dem Weg nach Manarola an ein paar potthässlichen Hochhaus-Baustellen vorbeigefahren ist, direkt an der Autobahn standen die, sagt er zu seiner Frau: »Wie machen die das? Vor allen Rohbauten steht ein Schild mit dem Namen ein und derselben Firma, hast du das gesehen?« Und sie verneint das natürlich sofort, weil sie ja immer das Gegenteil von dem gesagt hat, was sie meinte. Obwohl in ihrem hübschen Kopf schon der eine oder andere Gedanke zu der Sache aufkam.
Ich mache es kurz: In Manarola saß der Schiermeier an der Theke von dem damals teuersten und einzigen Fischrestaurant und fragt den Wirt wegen den hässlichen Baustellen, du weißt schon, oben an der Autostrada.
Und der Wirt meint lachend: »Amigo, so machen die das hier. Du brauchst eine Jacht, aber schon was Gescheites, capische? Darauf lädst du die örtlichen Bürgermeister oder Lokalpolitiker und natürlich die Bänker ein. Und ein paar willige, heiße Mädels. So, und nach so einer Nacht auf dem Schiff wird hier in der Trattoria gefrühstückt, mit Schampus und Hummer und was du willst. Und ein paar Wochen später wird der wunderschöne kleine Wald oben an der Straße plötzlich zu Bauland. Oder er brennt ab. Einfach so. Die Herren Bürgermeister oder Politiker bekommen einen neuen Fiat oder auch mal einen Alfa Romeo, und um etwaigen Tripper oder so, den sich der eine oder andere unweigerlich auf der Jacht eingefangen hat, kümmert sich unser Dorfarzt, ganz diskret. Ist das bei euch in Germania anders? Echt jetzt? Wie wollt ihr da zu was kommen, eh?«
Der Schiermeier senior ist in den nächsten Tagen unter seinem Sonnenschirm gesessen und hat seiner Frau beim Schwimmen zugesehen. Aber mit dem Kopf war er natürlich ganz woanders, ja, was glaubst du wohl?
Auf der Rückreise sprach er seinen Plan mit ihr durch, sie meinte: »Vergiss das ganz schnell wieder, das funktioniert nie. Willst du auf dem Samerberg vielleicht eine Jacht hinstellen? Mit Blick auf die Kampenwand?« Dabei blickte sie ihn ganz verliebt an. Und der Schiermeier sah sich ob ihrer verschlüsselten Zustimmung voll auf Kurs.
Als der Alfons Schiermeier die Firma übernahm, erbte er natürlich auch die Almhütte. Die war mittlerweile sehr luxuriös, weil in jedem Jahr was Neues ein- oder angebaut wurde.
Und ich muss sagen, als hiesiger Bauunternehmer bist du heutzutage ohne eine Almhütte oder eine eigene Jagd hier im Süden gar nicht geschäftsfähig. Mit Golfen alleine und ein paar Sado-Maso-Ladys kriegst du heute keine Unterschrift für ein Bürohaus mehr aufs Papier, die Zeiten sind vorbei, das kannst du ruhig glauben.
So viel zum Schiermeier Alfons und seinen Geschäftsmethoden.
Jetzt noch schnell was zum Auer, und dann geht’s flüssig weiter: Wenn du den Auer kennen würdest, so wie ich zum Beispiel, dann wüsstest du, warum er so reagiert hat. Der Auer Max hat prinzipiell vor nichts Angst. In München, bei der Sitte, da haben sie ihn deswegen Mäd Mäx genannt.
Ich weiß noch, dass der Auer mal einen illegalen Puff in Obermenzing im Alleingang hochgenommen hat. Die fünf Mann vom SEK wollten mit einem Rammbock durch die Wohnungstür. Hinter dem Kerl mit dem Türöffner-Gerät standen seine Kollegen. Zwei sicherten das Treppenhaus mit gezogenen Pistolen nach oben und unten. Einer stand hinter dem Rammer und hatte ebenfalls eine Pistole in Kopfhöhe. Damit zielte er auf die geschlossene Tür. Der Max hat sich zwischen die Truppe geschlichen, den Tür-Mann leise zur Seite geschoben und geflüstert: »Ich kenne die dadrinnen. Ihr erschreckt mir die mit dem ganzen Theater bloß unnötig. Solche Leute sind sensibel. Lass mich mal vor.«
Er hat dann, ohne eine Antwort abzuwarten, mit dem Fuß heftig gegen die Stelle unter dem Schloss getreten. Ein knallharter Kick genau da hin, wo die Schließtechnik am empfindlichsten ist. Dann sang, nein, schrie er: »Hier kommt Kurt, ohne Helm und ohne Gurt!«
Drinnen im Wohnzimmer, da waren alle zu Eis erstarrt, was denkst du denn? Drei Frauen und ein nackter Kerl. Die Blonde, die vor dem dicklichen Mann mit den schütteren Haaren kniete, muss sich wohl vor Schreck in seinen Pimmel verbissen haben, denn der Bursche quiekte laut auf wie ein Schwein, verdrehte die Augen und fiel in Ohnmacht. Eins der Mädels, die eigentlich ein Mann war, fauchte mit tiefer Stimme: »Der Mäd Mäx. Ja leck mich doch am Arsch. Von Klingeln oder so hältst du wohl nichts? Und wer sind deine Freunde? Ein Betriebsausflug der Kaminkehrer?«
Sie/er stützte die Hände in die Hüften und schob provokant den Unterkörper vor: »Und ihr wollt alle auf einmal? Das wird sogar bei mir eng werden.«
Seitdem nannte man den Auer Max ganz offiziell Mäd Mäx. Bei der Bullerei, in den verrauchten Hinterzimmern und auf der Straße.
Was ich damit sagen will: Dem Max erzählst du nix. Wenn der nein sagt, heißt das nein. Eine Ausnahme gibt es allerdings, und das ist seine Rosi. Aber dazu kommen wir jetzt.