Czytaj książkę: «Kompetenzorientierte Hochschullehre (E-Book)»
Heinz Bachmann (Hrsg.)
Kompetenzorientierte Hochschullehre
Die Notwendigkeit von Kohärenz zwischen Lernzielen,
Prüfungsformen und Lehr-Lern-Methoden
Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung, Band 1
Eine Publikation der Abteilung Hochschuldidaktik
und Erwachsenenbildung der Pädagogischen Hochschule Zürich
ISBN Print: 978-3-0355-1084-3
ISBN E-Book: 978-3-0355-1117-8
3., überarbeitete Auflage 2018
Alle Rechte vorbehalten
© 2018 hep verlag ag, Bern
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur Reihe Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung
Zum Aufbau des Buches und Lesetipps
Heinz Bachmann Hochschullehre neu definiert – shift from teaching to learning
Hochschullehre im Lichte der Bologna-Reform und neuerer Erkenntnisse aus der Lernforschung
Auf dem Weg zu einer neuen Lehr-Lern-Kultur
Verschiedene Vorstellungen von Lernen und Lehren
Warum Kompetenzen?
Kompetenzprofile
Neue Rolle der Dozierenden und Studierenden
Zusammenfassung
Literatur
Heinz Bachmann
Formulieren von Lernergebnissen – learning outcomes
Grundsätzliche Überlegungen zu Zielen
Was sind learning outcomes?
Lernzieltaxonomien
Fachliche Lernziele
Überfachliche Lernziele
Checkliste zum Formulieren von learning outcomes
Beispiele für Lernergebnisformulierungen
Zusammenhang von beruflichen Anforderungen, Kompetenzen und Lernzielen
Kohärenz von Lernzielen, Lehr-/Lernformen und Prüfungen
Zusammenfassung
Literatur
Tobias Zimmermann
Durchführen von lernzielorientierten Leistungsnachweisen
Aufbau
Weshalb beurteilen wir? – Funktionen von Leistungsnachweisen
Gesellschaftliche Funktion von Leistungsnachweisen – Berechtigung
Didaktische Funktionen von Leistungsnachweisen – Lernoptimierung
Was beurteilen wir – was verstehen wir unter Leistung?
Zu beurteilende Leistungen
Konvergente und divergente Leistungen
Vor welchem Hintergrund beurteilen wir Leistungen?
Zuverlässigkeit und Qualität von Leistungsmessungen
Gütekriterien
Exkurs – Beobachtungs- und Beurteilungsfehler
Zwischenfazit
Formen von Leistungsnachweisen
Schriftliche Klausur
Mündliche Prüfung
Referate
Schriftliche Arbeiten
Wissenschafts-/fachpraktische Tätigkeit
Studientagebücher und Lernjournale
Forumsbeiträge im Internet
Portfolios
Weitere Formen von Leistungsnachweisen
Kompetenzorientierte Leistungsnachweise – Passung von Lernzielen und Prüfungen
Beurteilen, Kommentieren und Benoten von Leistungen
Selbst- und Peerbeurteilung – Einbezug der Studierenden
Wann Feedbacks am meisten nützen
Beurteilungsraster
Notengebung
Checkliste zur Durchführung von Leistungsnachweisen
Zusammenfassung
Literatur
Franziska Zellweger Moser / Tobias Jenert Konsistente Gestaltung von Selbstlernumgebungen
Einführende Gedanken – Selbststudium: Was ist daran neu?
Aufbau des Beitrages
Eine theoretische Annäherung
Prämisse: die oder der aktiv-konstruktive Lernende
Kritische Stimmen
Begleitetes Selbststudium
Ausgangspunkt für die didaktische Ausgestaltung begleiteten Selbststudiums
Begleitetes Selbststudium konzipieren: Erfahrungen und Leitideen
Praxiserfahrungen: Das St. Galler Konzept
Leitideen für die Gestaltung von Selbststudium
Selbststudium gestalten
Lernziele
Methodische Umsetzung
Bedeutung von Prüfungen für das Lernverhalten
Ein kohärenter Dreisprung – Ein Beispiel
Zusammenfassung: Auf den Einzelfall kommt es an
Literatur
Lutz Jäncke
Die Neurobiologie des menschlichen Lernens
Einleitung
Das menschliche Hirn – ein gigantisches Netzwerk
Elemente des Langzeitgedächtnisses
Bewusstes Gedächtnis
Unbewusstes Gedächtnis
Das Gedächtnis als neurophysiologisches Netzwerk
Neuronale Netze und Synapsen
Statistisches Lernen in Netzwerken
Gedächtnis als assoziatives Netzwerk
Vorläufer: Ein semantisches Netzwerkmodell des Gedächtnisses
Weiterentwicklung: Gedächtnismodell des Search for Associative Memory (SAM)
Aufmerksamkeit als Verstärkungsmechanismus
Schlaf und Aktivierung von Aufmerksamkeit
Selektive Aufmerksamkeit
Gefühle als Verstärkungsmechanismus
Typische Eigenschaften des assoziativen Gedächtnisses
Praktische Folgerungen für das Lernen an der Hochschule
Zusammenfassung
Literatur
Anhang
Über die Autorin und die Autoren
Vorwort zur Reihe Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung
Lehren, prüfen, beraten, forschen, organisieren: Diese Themen sind Bestandteil des Aufgabenfelds von Dozierenden. Sie sind die Akteurinnen und Akteure im Wissens- und Technologietransfer durch Weiterbildung und Dienstleistungen, betreiben Projektmanagement und engagieren sich in der Qualitätsentwicklung der eigenen Hochschule.
Lehre und Unterricht an Hochschulen sowie Hochschulentwicklung sind seit der Umsetzung der Bologna-Deklaration herausgefordert: So gestalten Dozierende etwa gemeinsam Curricula oder einzelne Module, planen Leistungsnachweise, integrieren Phasen von selbstorganisiertem Lernen oder implementieren Konzepte wie Problem-Based Learning in ihre Lehrveranstaltungen.
Das Zentrum für Hochschuldidaktik und -entwicklung (ZHE) an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PH Zürich) unterstützt seit 2009 Hochschulen und ihre Dozierenden durch Weiterbildung und Beratung.
Themenschwerpunkte sind dabei Studierendenorientierung, Rollenvielfalt bei Dozierenden, kompetenzorientierte Lehre, erwachsenenbildnerisches Handeln, Mentoring, Tutoring, Beratung, Schreib-, Denk- und Lernförderung in Lehre an Hochschulen und Bildungsorganisationen der Erwachsenenbildung, Hochschulentwicklung, Evaluation und höhere Berufsbildung.
Die Reihe Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung regt Diskussionen über und Auseinandersetzungen mit aktuellen und praxisrelevanten hochschuldidaktischen Fragen an. Sie stellt Dozierenden an Fachhochschulen sowie Aus-/Weiterbildungsverantwortlichen in weiteren Institutionen der Erwachsenenbildung nützliche Reflexions- und Handlungsinstrumente zur Verfügung. Üblicherweise erscheint ein Band jährlich.
Wir hatten uns 2011 für den ersten Band in unserer Reihe dazu entschieden, den Themenbereich «Kompetenzen in der Hochschullehre» näher zu beleuchten. Die Resonanz auf das Thema und die Publikation gab und gibt uns Recht, sie erscheint nun in der dritten Auflage.
Herausgeber dieses Bandes ist Dr. Heinz Bachmann; er leitet unter anderem seit über zehn Jahren den Lehrgang CAS Hochschuldidaktik im ZHE Zentrum für Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung an der PH Zürich.
Geplant sind neu folgende Bände:
Band 8 (2019): Digitalisierung und Weiterbildung (Hrsg. Erik Haberzeth und Irena Sgier)
Band 9 (2020): Evaluation und Qualitätsmanagement an Hochschulen (Hrsg. Michael Frais, Franziska Zellweger, Geri Thomann)
Zu den bereits publizierten Bänden:
https://phzh.ch/de/Weiterbildung/Hochschuldidaktik-und-Erwachsenenbildung/publikationen-projekte/#
Bitte kontaktieren Sie uns für Rückmeldungen oder Ideen. Wir wünschen Ihnen viele Anregungen.
Das Editorialboard der Reihe:
Geri Thomann, Monique Honegger, Dagmar Bach und Tobias Zimmermann Zentrum für Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung
geri.thomann@phzh.ch http://hochschuldidaktik.phzh.ch/
Zum Aufbau des Buches und Lesetipps
Es ist eine Realität, dass Dozierende an Hochschulen neben ihrer Lehrtätigkeit auch in der Forschung tätig sind oder aber wie an Fachhochschulen oft noch in der Wirtschaft arbeiten. Diese Doppelfunktion hat durchaus ihre Vorteile, führt aber mitunter dazu, dass Dozierende häufig nicht über die gewünschte Zeit verfügen, sich vertieft mit der Lehre auseinanderzusetzen. Erschwerend kommt hinzu, dass in den letzten Jahren mit der Bologna-Reform auch die traditionelle Lehre grundsätzlich infrage gestellt wurde. Diesem Umstand will die vorliegende Publikation Rechnung tragen und Orientierung und Anleitung bieten für zeitgemässes Hochschullernen/-lehren. Dabei besteht die Absicht, nicht ein umfassendes didaktisches Werk zu präsentieren, sondern ein Kompendium mit konkreten Hinweisen, wie das Hochschullernen gestaltet werden kann.
Ausgangspunkt der Publikation ist ein CAS-Lehrgang (Certificate of Advanced Studies) in Hochschuldidaktik, mit dem schon weit über 400 Dozierende aus den verschiedensten Fachgebieten ausgebildet worden sind – Ärztinnen, Physiotherapeuten, Juristinnen, Pädagogen, Umweltwissenschafter, Dozierende von Kunsthochschulen, Sprachwissenschafterinnen, Mathematiker etc. Rückmeldungen der Teilnehmenden flossen in die Themenauswahl ein und haben bestätigt, dass wissenschaftsbasierte Ansätze mit konkretem Praxisbezug gefragt sind.
Lehren an Hochschulen bedeutet, sich darüber Gedanken zu machen, was die Lernenden am Schluss «können» sollen. Während die oder der Lehrende traditionellerweise eher spät im Prozess auch an die Formulierung von Prüfungsaufgaben oder Leistungsnachweisen denkt, ist dies häufig der Ausgangspunkt der Studierenden. Was letztlich in der Prüfung kommt, steuert in nicht unerheblichem Masse die Aufmerksamkeit und das Lernverhalten der Studierenden während des Semesters. In der Realität ist die Planung von Lernprozessen meist ein zirkulärer Prozess. Entscheidend ist letztlich ein kohärentes Zusammenspiel zwischen Lernzielen, Prüfungsformen und Lehr-Lern-Methoden.
Im gegenwärtigen Verständnis der lernerorientierten Hochschullehre beginnt eine ideale Lehrveranstaltungsplanung mit Überlegungen zur Lernzielformulierung. Es geht nicht darum, was die oder der Dozierende zu bieten hat, sondern welche Ziele für die Lernenden relevant sind. In einem zweiten Schritt wird eine adäquate Prüfungsform ausgewählt, welche einen Rückschluss darüber erlaubt, in welchem Masse die formulierten Ziele erreicht werden. Erst beim dritten Schritt stellt sich die Frage nach dem Lehrveranstaltungsdesign. Wie können Lernende beim Kompetenzerwerb unterstützt werden? Bei diesem Design sollte nach neueren lernpsychologischen Erkenntnissen der Eigentätigkeit der Studierenden besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dieser Logik der Lernveranstaltungsplanung folgt auch der Aufbau dieses Buches. Im ersten Beitrag finden Sie eine Einführung zur Neuorientierung in der Lehre an Hochschulen. Zudem werden der Begründungszusammenhang und der Rahmen für die nachfolgenden Themen beschrieben. Beitrag II beschäftigt sich mit kompetenzorientierten Lernzielformulierungen. An dieser Stelle geht ein grosses Dankeschön an Pamela Alean (Universität Zürich), die das Gerüst für dieses Kapitel geliefert hat. Beitrag III beschreibt, wie Leistungsnachweise lernzielorientiert und passend zur methodischen Umsetzung von Lehr- und Lernhandlungen gestaltet werden können. Im vierten Beitrag wird ausgehend von den Erfahrungen mit einer Konzeption des begleiteten Selbststudiums an der Universität St. Gallen exemplarisch erläutert, wie Lernumgebungen gestaltet werden können, damit der viel beschworene shift from teaching to learning stattfinden kann.
Der verstärkte Fokus auf dem Lernen der Studierenden setzt bei den Dozierenden ein Grundverständnis für entsprechende Theorien voraus. Jeder Dozent und jede Dozentin ist Fachexperte/Fachexpertin und Lernexperte/ Lernexpertin zugleich. Aus diesem Grund ist dem Thema Lernen ein eigener Beitrag gewidmet. Lutz Jäncke, Inhaber des Lehrstuhls für Neuropsychologie an der Universität Zürich, erklärt in seinem Text, wie menschliches Lernen aus Sicht der Neuropsychologie verstanden wird und welche Konsequenzen sich daraus für die Hochschullehre ableiten lassen.
Diese Einsichten sind umso bedeutender, je mehr Dozierende sich auch mit didaktischen und methodischen Neuerungen und Versprechungen im Bereich des Lernens mit neuen Medien beschäftigen müssen. Der Hoffnung, dass damit das Lernen der Studierenden grundsätzlich auf den Kopf gestellt wird, muss eine Absage erteilt werden. Trotz World Wide Web, E-Learning, Lern-Apps, Software-Programmen, MOOCs (massive open online courses) etc. hat sich die menschliche Biologie, unsere Hardware des Denkens und Behaltens, über Jahrtausende wenig geändert. Lernen findet immer noch an Synapsen im Hirn statt und findet seinen Niederschlag in der Biologie des Gehirns. Der deutsche Neurobiologe Manfred Spitzer bemüht zur Erklärung dieser Vorgänge im Hirn das Bild einer verschneiten Winterlandschaft (Spitzer 2004, S. 46). Ein Mensch, der eine solche Landschaft durchquert, hinterlässt eine Spur. Damit die Spur trotz weiteren Schneefällen Bestand hat, muss sie häufig benutzt werden. Das Gleiche gilt für das Lernen. Um eine Gedächtnisspur zu legen, muss man Inhalte festigen und die Spur in zeitlichen Abständen benutzen. Nur so hat sie Bestand und wird nicht von neuen Schneefällen, sprich Informationen zugedeckt.
Den Flaschenhals des Lernens bildet also die Biologie des Menschen und weniger die Methode der Darbietung, wie immer wieder suggeriert wird. Lernen heisst, sich Zeit zu nehmen, zu üben, Inhalte miteinander in Beziehung zu bringen, zu vernetzen und in konkreten Problemsituationen anzuwenden. Zugegebenermassen kann dies intelligenter oder weniger intelligent gemacht werden, aber die limitierenden Faktoren – die Zeit und die Stoffmenge, respektive Stoffkomplexität – bleiben bestehen. Die menschliche Aufnahme- und Verarbeitungskapazität hat sich über die Jahrtausende nicht wesentlich verändert. Ein Kernproblem der Lehre bleibt also nach wie vor die Stoffreduktion. Was ist es wert gelernt zu werden und mit welcher Nachhaltigkeit? Was kann, ja muss weggelassen werden? Vor allem muss man sich der Herausforderung stellen, dass unter Umständen einmal Gelerntes auch vergessen werden muss – damit man nicht alte Trampelpfade benutzt, statt neue Wege zu begehen. Jeder kennt das Problem – spätestens beim Up-date einer Software, wenn man routiniert immer wieder dieselbe Mausbewegung ausführt, obwohl der entsprechende Button von links nach rechts verschoben wurde. Die Macht der Gewohnheit lässt uns an ständigen Neuerungen oft kläglich scheitern.
Wir ertrinken in einer Informationsflut und hungern trotzdem nach Wissen.
(Rutherford, D. Rogers, Bibliotheksvorstand, Yale, 1985)
Was das menschliche Lernen wirklich einmal grundsätzlich verändern könnte, sind Neuroenhancer, gentechnisch veränderte Menschen oder implantierte Computerchips. Ob das wünschenswert, technisch machbar oder gar unausweichlich ist, ist allerdings nicht Gegenstand der heutigen und unmittelbaren Zukunft in der Hochschullehre.
Mithilfe des Inhaltsverzeichnisses und den Zusammenfassungen am Ende der einzelnen Beiträge können Sie sich relativ rasch einen Überblick über das Buch verschaffen. Checklisten am Ende verschiedener Kapitel fungieren als Erinnerungshilfen beim Umsetzen der einzelnen Themenschwerpunkte. Das Buch wird abgerundet mit einem Glossar, in welchem die wichtigsten Schlagworte der im Text erwähnten hochschuldidaktischen Begriffe erklärt werden. Die Stichworte geben Ihnen Hinweise, welche Themen in der aktuellen Diskussion um das Hochschullernen eine Rolle spielen.
Diese Publikation entstand aus der Überzeugung, dass der in breiten Kreisen diskutierte shift from teaching to learning an Hochschulen mit dem nötigen Bewusstsein, Wissen und Können bei den Dozierenden mit vernünftigem Aufwand erfolgreich umgesetzt werden kann.
Heinz Bachmann
Heinz Bachmann Hochschullehre neu definiert – shift from teaching to learning
Im folgenden Beitrag geht es darum, Ihnen gegenwärtige Entwicklungen in der Gesellschaft und an Hochschulen kurz aufzuzeichnen im Hinblick auf die Relevanz für den Alltag in der Lehre. Die präsentierten Informationen helfen Ihnen zu verstehen, wieso plötzlich von Kompetenzen, Standards, selbstgesteuertem Lernen und vom shift from teaching to learning in der Hochschullehre die Rede ist.
Hochschullehre im Lichte der Bologna-Reform und neuerer Erkenntnisse aus der Lernforschung
Hinter der Bologna-Reform steht die ehrgeizige Vision, Europa zum wettbewerbsfähigsten, dynamischsten und wissenschaftsbasiertesten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Um diesem Ziel näher zu kommen, wurde 1999 die Bologna-Deklaration für eine gesamteuropäische Studienreform unterzeichnet. Mittlerweile haben sich ungefähr 50 europäische Staaten dieser Reformbewegung angeschlossen. Eckpunkte der Bologna-Reform betreffen
die Neustrukturierung der Studiengänge (bachelor/master/doctorate),
die Transparenz, Vergleichbarkeit und Anrechenbarkeit von Studienleistungen europaweit (ECTS, workload, competencies),
Qualitätssicherung der Hochschulbildung (EQF – European Qualification Framework / NQF – National Qualification Framework),
Neuausrichtung der Hochschulen auf gegenwärtige und zukünftig zu erwartende Entwicklungen in einer globalisierten, wissensbasierten Wirtschaft (lifelong learning, employability, mobility).
Im Bologna Process Implementation Report von 2015 wird darauf hingewiesen, dass die Harmonisierung von Studienstrukturen in den Grundzügen umgesetzt worden ist, es aber immer noch wesentliche Qualitätsunterschiede gibt zwischen Hochschulen und Ländern. Diese behindern die Mobilität und Anerkennung von Studienleistungen (European Commission / EACEA / Eurydice 2015).
Das Bewusstsein für die Auswirkungen der Bologna-Reformprozesse auf die Hochschullehre und die damit verbundene pädagogische Neuorientierung, die die Lernenden in den Mittelpunkt stellt, fehlt vielerorts noch. In vielen Ländern ist die studentenzentrierte Lehre zwar in offiziellen Dokumenten als Leitbild verankert; die Dokumentation von Learning Outcomes, hochschuldidaktische Weiterbildung für Dozierende oder studentische Lehrevaluationen wären Pflicht (European Commission / EACEA / Eurydice 2015, S. 73 ff.). Von der offiziellen Politik zur Umsetzung im Alltag ist es an vielen Orten allerdings noch ein weiter Weg. Didaktische Überlegungen zur Gestaltung des Unterrichts an Hochschulen werden oft noch durch tradierte Vorstellungen dominiert. Neben Erwägungen zur Stoffauswahl bleibt dabei eher wenig Raum für weitere didaktische Überlegungen.
Der Begriff «Didaktik» geht auf das griechische Wort didactos zurück, was soviel wie «lehrbar» heisst. Wie die Etymologie zeigt, sind darin schon alle Grundbedeutungen erkennbar, die eine heutige Didaktik ausmachen (Kron 2004, S. 39):
die Tätigkeit, zu lehren,
die Auswahl der Inhalte, die gelernt werden sollen,
die Lehrmittel, also Methoden und Medien,
die Schule und die Klasse verstanden als räumliche und soziale Bedingungen,
das Lernen.
Modern formuliert, könnte man auch verkürzt von Performing-Learning-Teaching sprechen (vgl. the tuning model, González & Wagenaar 2003, S. 4). In einer zeitgemässen Hochschuldidaktik muss dabei in dieser Triade bei Performing begonnen und müssen erst am Schluss Fragen des Teaching behandelt werden. Damit ist Folgendes gemeint: Das formale Aneignen von Wissen, Können und Werthaltungen ist nicht Selbstzweck, sondern immer in Bezug auf Anforderungen zu sehen, welche die Gesellschaft an ihre Akademikerinnen und Akademiker stellt. Vereinfacht ausgedrückt, müssen Studierende befähigt werden, das Leben in einer modernen Gesellschaft zu bewältigen und am gesellschaftlichen Fortschritt mitzuwirken. Von diesen Leistungen (performing) her muss also abgeleitet werden, was und wie gelernt werden soll (learning) und erst in einem letzten Schritt wird überlegt, wie entsprechende Lehre gestaltet werden kann (teaching).
Die aktuellen Diskussionen zu den Erwartungen der Gesellschaft an Leistungen von Hochschulen sind geprägt durch Schlagworte wie Informationsflut, Globalisierung, Wettbewerb, Nachhaltigkeit, Wissensgesellschaft und lebenslanges Lernen, um nur einige zu nennen (vgl. Schuetze & Wolter 2003; Rychen & Salganik 2003). Einer der weltweit wohl am meisten diskutierten Berichte dazu ist der von der UNESCO publizierte Delors Report zur Bildung im 21. Jahrhundert: Learning, The Treasure within (1996). Obwohl die Begriffe «Globalisierung» und «Wissensgesellschaft» kontrovers debattiert und interpretiert werden, ist man sich einig, dass der Übergang von einer Industriegesellschaft zu einer im globalen Wettbewerb stehenden Wissensgesellschaft weitreichende Konsequenzen für das Bildungssystem hat. Dazu Webler (2004, S. 17):
Die drastische Verkürzung der Halbwertszeit des Wissens führt – bis auf einen unentbehrlichen Sockel von Zusammenhangs- und Überblickswissen (Orientierungswissen) – zur (relativen) Abwertung des reinen Faktenwissens und Aufwertung des Wissensmanagements, der Fähigkeit zur Erschliessung, Priorisierung und Strukturierung von Wissen. Nicht die Erzeugung immer weiteren Wissens und dessen elektronische Verfügbarkeit ist das weltweite Problem, sondern der Umgang mit ihm. Daher werden überfachliche, relativ abstrakte Fähigkeiten immer wichtiger. Infolgedessen wird die aktuelle Entwicklung der beruflichen Anforderungen mittlerweile weitgehend konsensual bei aller Kritik im einzelnen mit der Liste der Schlüsselkompetenzen in den vier Gruppen der Fachkompetenz, Selbstkompetenz, Methodenkompetenz und Sozialkompetenz beschrieben. Diese gilt es im Studium zu vermitteln, in die normalen Lehrveranstaltungen zu integrieren und die Studiengänge dementsprechend zu überarbeiten.
Diese Entwicklung weg von der Stoffzentrierung in der Lehre hin zur Kompetenzorientierung im Studium (Wörner 2003) wird mit dem englischen Ausdruck shift from teaching to learning (Webler 2004, S. 24; Welbers & Gaus 2005) umschrieben. In diesem neuen Verständnis von Hochschullehre liegt der Fokus also nicht mehr auf dem Lehren, sondern auf der Optimierung von Lernprozessen. Vor dem Hintergrund neuerer Erkenntnisse der Lernforschung (vgl. Biehler & Snowman 2000; Bransford & Brown & Cocking 1999; Jensen 1998; Spitzer 2002) wird auch deutlich, dass das Vermitteln von Wissen im traditionellen Vorlesungsstil nur noch bedingt Gültigkeit hat.