Leben und Leiden während des Dreissigjährigen Krieges (1618-1648)

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Leben und Leiden während des Dreissigjährigen Krieges (1618-1648)
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Martin Bötzinger

Leben und Leiden während des Dreißigjährigen Krieges in Thüringen und Franken

Mit einem Vorwort von Harald Rockstuhl

Der Lebensweg von Martin Bötzinger 1603 - 1673

aufgeschrieben von Werner Rockstuhl

Verlag Rockstuhl

Impressum

Herausgeber: Harald Rockstuhl, Bad Langensalza

Umschlaggestaltung: Harald Rockstuhl, Bad Langensalza

Titelbild: Zeichnung auf dem Umschlag mit dem Titel: „Verlottertes Gesindel“ von Prof. A. Hoffmann

Bisherige Print Auflagen: 1. und 2. Auflage 1997 – 3. Auflage 2001 – 4. Auflage 2005 5. Auflage 2009 –

6.Auflage 2010

ISBN 978-3-934748-57-6, gedruckte Ausgabe

1. E-Bookauflage 2013

ISBN 978-3-86777-545-8, E-Book [ePUb]

Innenlayout: Harald Rockstuhl, Bad Langensalza

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.


Inhaber: Harald Rockstuhl Mitglied des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e.V. Lange Brüdergasse 12 in D-99947 Bad Langensalza/Thüringen Telefon: 03603 / 81 22 46 Telefax: 03603 / 81 22 47 www.verlag-rockstuhl.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort von Harald Rockstuhl

Leben und Leiden während des Dreißigjährigen Krieges in Thüringen und Franken von Martin Bötziner

I. Unglück für einen kleinen Menschen

II. Tanz der Kriegsfackel

III. Diese Lotterkerle

IV. Als der Tod auf euer Bett zutrat

Nachwort von Werner Rockstuhl

Der Lebensweg von Martin Bötzinger 1603 – 1673

Veste Heldburg

Extract aus Hr. Martin Bötzingers Leben. Von Mich. Buchrödern angefangen, von Joh. Christoph Meyern fortgeführet.

Heubach

Auf den Leichen-Text


Der Lebensweg von Martin Bötzinger (1603–1673) zusammengestellt von Werner Rockstuhl, Tüngeda. Zeichung: ARTIFEX - Computerkartographie & Verlag Bartholomäus u. Richter, Bad Langensalza

Vorwort

Die Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648) hat Thüringen und Franken ebenso schlimm gezeichnet wie das übrige Deutschland. Vor allem durch die Ortspfarrer sind uns so manche bruchstückhafte Schilderungen überliefert. In den zwanziger Jahren machten sich Heimatfreunde aus Thüringen daran, sich dieser Überlieferungen anzunehmen.

In verschiedenen Publikationen, wie dem „Pflüger“ und in regionalen Veröffentlichungen, finden wir diese abgedruckt. Dabei ragt eine Schilderung aus allen hervor - Martin Bötzingers Augenzeugenbericht. Zwar nicht mehr vollständig, der Anfang und der Schluß fehlen, finden wir den ersten Abdruck 1730 in Krauß seiner „Hildburghäusischen Kirchen-, Schul- und Landeshistorie”. (In diesem Heft vollständig abgedruckt.)

Der Schriftsteller Gustav Freytag schreibt in „Vom Dreißigjährigen Krieg, Teil I, Die Dörfer und ihre Geistlichen“ auf Seite 17 ff über Martin Bötzinger: „Unter den biographischen Aufzeichnungen protestantischer Pfarrer ist eine der lehrreichsten die des Franken Martin Bötzinger. Sowohl das Dorfleben zur Zeit des Krieges als auch die Verwilderung der Menschen wird aus seiner Erzählung zum Erschrecken deutlich. Bötzinger war kein großer Charakter, und die kläglichen Schicksale, welche er zu ertragen hatte, haben ihn nicht stärker gemacht. Ja, man wird ihm das Prädikat eines recht armen Teufels schwerlich versagen. Dabei besaß er aber zwei Eigenschaften, welche ihn für uns wertvoll machen: eine unzerstörbare Lebenskraft, welche mit nicht geringem Leichtsinn verbunden war, und jenes verzweifelte, deutsche Behagen, das auch der trostlosesten Lage immer noch erträgliche Seiten abzugewinnen weiß. Er war ein Poet. Seine deutschen Verse sind, wie die vorgesetzte Probe zeigt, durchaus erbärmlich, aber sie dienten ihm in der schlechtesten Zeit als zierliche Bettelbriefe, durch welche er sich Mitleiden zu verschaffen suchte. So hat er alle Amtleute und Schösser der Kirchengemeinde Heldburg in einem gewissermaßen epischen Gedicht gefeiert, so die traurigen Verhältnisse von Koburg, wo er eine Zeitlang als Flüchtling verweilte.


Auszug aus dem Jahr 1730: „Hildburghäusischen Kirchen-, Schul- und Landeshistorie“. (Die Originalschrift ist heute leider nicht mehr auffindbar.)


Als Martin Bötzinger in die Gemeinde Heubach kam, begann er das hiesige Kirchenbuch zu schreiben. Die Seite 2 des Kirchenbuches mit der Handschrift von Martin Bötzinger sehen Sie oben. Im Jahr 1997 schickte mir der Heubacher Pfarrer Joachim Neubert die abgebildete Kopie.

Von dem Lebenslauf, welchen er niederschrieb, waren der Anfang und der letzte Teil schon abgerissen, als ihn im Jahre 1730 Krauß seiner Hildburghäusischen Kirchen-, Schul- und Landeshistorie einverleibte. Aus diesem Fragment wird das folgende treu mitgeteilt. ...“


Anno 1897 erschien ein bald 650 Seiten umfassender Roman: „Martin Bötzinger - Ein Lebens- und Zeitbild aus dem siebzehnten Jahrhundert” von Johann Heinrich Löffler (gestorben 1903).

Anno 1897 erschien ein bald 650 Seiten umfassender Roman: „Martin Bötziner - Ein Lebens- und Zeitbild aus dem siebzehnten Jahrhundert” von Johann Heinrich Löffler (gestorben 1903).

Im Jahr 1925 bearbeitete Dr. H. Lilienstein diese Originalausgabe. Dabei kürzte er das Buch um etwa ein Drittel. Trotzdem hatte der „neue” Roman 452 Seiten.

Wahrscheinlich 1920 hat der Eisenacher Verleger und Chronist Oskar Wünscher den damals über 250jährigen handschriftlichen Bericht vom Pfarrer Martin Bötzinger in die Hände bekommen. Oskar Wünscher dazu:



„Verlottertes Gesindel” von Prof. A. Hoffmann.

„Er ist kein Held gewesen, der gute alte Pfarrherr aus dem fränkisch-thüringischen Grenzland, aber offene Augen hat er gehabt und ein immerdar fröhlich Herz und dazu eine Gabe des Erzählens, die stellenweise an die dichterische Kraft des ‘Simplizius Simplizissimus’ von dem gleichzeitigen Hans Jakob Chistoffel von Grimmelshausen heranreicht. ...“.

Oskar Wünscher nahm sich dem Schriftstück an, studierte und bearbeitete es. Dabei hat er es „ergänzt und behutsam dem Deutsch der Gegenwart angenähert“.

1925 wurde das Ergebnis von ihm in zwei Auflagen 10.000 mal herausgegeben.

Ebenso, wie diese Überlieferung seinerzeit den Eisenacher Chronisten und eine große Leserschaft beeindruckte, hat es auch mich in den Bann gezogen. Schon viele alte Bücher habe ich gelesen, aber manche ragen sichtbar heraus. Dazu zählt zweifellos diese Schrift.

Ich möchte Oskar Wünscher noch einmal zu Wort kommen lassen: „Diese Lebens- und Leidensgeschichte Martin Bötzingers ist dem heutigen Geschlechte leider nur als Bruchstück erhalten geblieben, aber auch als Bruchstück ist es ein Kulturdokument allerersten Ranges, weil sie in erschütternder Eindringlichkeit ein Schicksal vor uns aufrollt, wie es im Deutschland des Dreißigjährigen Krieges überall erlebt worden sein kann und also im Einzelfall ein Zeitbild von allgemeiner Bedeutung gibt.“

 

Eine Überlieferung, die heute zwar nur in einer sehr kleinen Auflage erscheint, aber dennoch wieder dem Leser und Heimatforscher zugänglich gemacht werden soll.

Harald Rockstuhl

I. Unglück für einen kleinen Menschen

Es ist ein Unglück für kleine Menschen, in eine Zeit hineingeboren zu werden, in der die Welt alle ihre Angelegenheiten von Grund auf neu ordnet; denn die kleinen Menschen sehen und hören immer nur das, was vor Augen ist, und vermögen sich bloß in den seltensten Fällen einen Begriff davon zu machen, daß auch sie in das große Weltgeschehen eingeordnet sind, und daß ein Kampf um die Zukunft von Heimat, Volk und Vaterland auch durch ihr Verhalten seine Entscheidung findet: seinen Sieg, wenn sie sich aufraffen und ihren Mann stehen, seinen Zusammenbruch, wenn sie sich gehen lassen und bei den Tieren des Waldes verkriechen.

Obwohl ich mich auf den hohen Schulen tüchtig mit Griechisch und Latein, mit Theologie und Philosophie herumgeschlagen hatte, zählte ich doch auch zu diesen kleinen Menschen, die nie fühlen, wie das Schwungrad der Zeit die Welt vorwärts reißt, und obwohl ich in meinem Alter immerhin noch etwas weiter sehen gelernt habe, als die Gartenzäune in meinem Dorfe reichen, will ich doch nur schlecht und recht und immer schön der Reihe nach erzählen, was ich während jener Weltenwende erlebte, die mit dem Fenstersturze zu Prag begann und durch den Frieden von Osnabrück und Münster ihr Ende erreichte.

Lieber Herrgott im hohen Himmel droben, du weißt es ganz genau, was für ein armes und elendes Leben die Menschen damals führten, als die Fürsten und Herrn um des großen Martin Luther willen die Kriegsfackel in unser deutsches Vaterland geschleudert hatten, also daß sich darin die Völker der Erde ein Stelldichein gaben und den seßhaften Bürgern und Bauern das Fell über die Ohren zogen, sobald sie ihr Hab und Gut nicht selbst getragen brachten und mit strahlenden Augen zusahen, wie die Saufer und Mauser aus ihrem Schweiße Wein kelterten und von ihrer Hände Arbeit Brot buken.

Ohne Scham sei es aber auch hierher gesetzt, daß ich als kleiner Lateinschüler oben in meinem engen Stüblein beim Türmer zu St. Moritz in Coburg gar oft weder etwas zu beißen noch zu schleißen hatte, und es ist wahr, daß ich damals mehr als einmal die jungen Dohlen beneidet habe, die zwar nackt und hilflos in den Nestern über dem Glockengestühl lagen, aber den Bauch so mit Leckerbissen vollgestopft kriegen, daß ich glaubte, sie hätten davon platzen müssen.

Und doch wurde mein Jammer noch größer, als ich mich zu Jena dem Studium der Gottesgelehrtheit hingab. In meinem schwarzen Röcklein bin ich wie eine Vogelscheuche durch die Gäßlein geschritten, und das Vaterunser hat man mir durch die Backen blasen können, weil die Suppen an den Freitischen gar dünn und die Fettaugen darauf zu zählen waren.

Ach, es war eine teure Zeit, die über dem Lande stand, und der Mangel an allem, was den Menschen Not tat, war groß. Recht, Ehrbarkeit, göttliche und menschliche Ordnung hatten ihr Ansehen verloren, und Raub, Mord und Brand gehörten zu den alltäglichen Dingen.

Dazu waren neben den Freibeutern und Schnapphähnen der Kriegsheere auch Leute aus den Boden gewachsen, die man Kipper und Wipper nannte, welche das gute Geld also beschnitten, daß es in seinem Gewichte oft um ein Drittel abnahm und dennoch für den vollen Wert in Zahlung ging, oder die es derart verfälschten, daß man in Gulden bezahlen mußte, was früher nur Heller gekostet hatte.

Auch fand sich unehrlich Volk, das überall die kupfernen Kannen und Kochkessel stahl, sie zu Geld münzte und dafür alle Waren und Lebensmittel locker machte, die sich auf Dörfern und Städten nur auftreiben ließen.

Im Fette drohten sie zu ersticken, diese Wucherer und Blutsauger, denn ehe an das gemeine Volk ein Quentlein Mehl oder ein Bröcklein Butter kam, ging es durch ihre Hände, so daß ein Ei sechs Pfennige und eine Elle Ländisch Tuch acht Gulden kostete. Ihre Kinder spielten mit den neugeprägten Füchsen und Goldfasanen wie mit Kieselsteinen, und wir armen Schlucker mußten den Schmachtriemen enger und immer enger ziehen, bis endlich doch die Wut in unsere Fäuste fuhr und wir der Schande mit Gewalt zu Leibe rückten, indem wir die Häuser der schlimmsten Schinder und Halsabschneider in Feuer und Rauch aufgehen ließen und dabei das unterste zu oberst kehrten.

Obwohl ich mich demütig bücken und einen Diener nach den anderen machen mußte; war es doch eine schöne Zeit, die sich mir danach als Pädagogus auf der Feste Heldburg auftat; wußte ich doch, unter welchen Tisch meine Beine gehörten, und wenn mir auch keine Kapaunen und Truthühner aufgetragen wurden, so hatte ich doch immer genug zu essen, also daß mein Gesicht voller wurde und sich sogar mit einem Scheine gesunder Lebensröte überzog. Zudem stand ich während dieser Zeit einen Sonntag um den anderen in Lindenau auf der Kanzel und pflanzte den Bauern die Blumen des Evangelismus wie die roten Geranienstöckchen in die Fenstergärten ihrer Seele und erlebte daran viel Freude und glückhaften Überschwang aller guten Kräfte meines empfindsamen Herzens.

Der Herr Georg Böhme zu Lindenau war ein würdiger Pfarrherr, und in seiner getreuen Frau Barbara lernte ich ein Eheweib kennen, dergleichen weit und breit nicht wieder zu finden war; denn es gab keine Frau landauf, landab, die eine Martinsgans so braun zu braten verstand wie sie, ebenso wie es keinen Pfarrherrn in dem Dreieck zwischen Main, Werra und fränkischer Saale gab, der einen solchen Frankenwein im Keller liegen hatte wie der Pfarrer Georg Böhme. Wäre ein Töchterlein im Hause ein- und ausgegangen, hätte ich sicherlich versucht, mich in ihre Gunst zu nisten; aber der liebe himmlische Vater läßt nicht alle irdischen Seligkeiten beieinander sein, so daß ich mich meines ehrwürdigen Freundes Brudertochter bescheiden mußte, des Herrn Michael Böhmes, Bürgers und Rats zu Heldburg einzigem Kinde Ursula.

Eine Pädagogus darf nun freilich keinen Ehestand gründen, weil leicht ein Wehestand daraus werden könnte. Hab mich deshalb hinter meinen Schwiegervater gesteckt, dessen Hand weit in jene Höhen reichte, wo die großen Herren und die Fürsten wohnen, und habe infolge seiner Fürsprache die Stelle zu Poppenhausen bekommen, um die sich gar viele bemüht hatten, die ebenfalls in schwarzen Röcken durch die Dörfer und die Städte schritten. Denn wenn es auch keine fette Pfründe war, nährte sie doch ihren Mann recht gut, da die Bauern durch meinen Vorfahren im Amte gehalten waren, nicht nur bei Kindtaufen, Trauungen und Todesfällen den Weg ins Pfarrhaus zu finden, sondern gleichermaßen auch bei jeden Schlachtfeste. Sie hatten auch alle Ursache zu solchen Opfern für ihre Pfarrherren, die Bauern zu Poppenhausen; denn von dem unseligen Kriege hatten sie bisher nur wenig am eigenen Leibe zu spüren gehabt, obwohl er bereits neun Jahre lang mit seiner schweren Eisenfaust und dem gierigen Höllenrachen in den Ländern deutscher Sprache lag.

Schon waren meines Pfarrhauses Stuben allesamt mit Tischen, Stühlen, Schränken, Kommoden und Faulbänken ausgestattet worden, in den Kammern harrten breite Himmelbetten der Benutzung, und in der Küche standen allerlei Krüge, Töpfe und Pfannen in wohlgeordneten Reihen, irden Gut zwar bloß, doch nach des Herren Georg Böhmes Ehefrau sachverständigem Urteil zu saftigen Braten und wohlschmeckenden Soßen besser geeignet als die kupfernen Kessel und Kasserollen der Herrschaftsküchen auf Burgen und Vogteien.

Nicht sonderlich erbaut war ich freilich darüber, daß die meisten Schubladen der Truhen und Schränke leer bleiben sollten bis nach dem Einzuge meiner jungen Braut als Pfarrfrau von Poppenhausen. Ach, wie gern wäre ich mitten in der Arbeit an meinen Predigten einmal hin zu den Spinden getreten, hätte die Türen geöffnet und mein Auge ergötzt an dem Schimmer des weißen Leinenzeuges von Tüchern, Hemden und Überzügen. Doch meines Jümperleins Mutter war ängstlicher Art. Mißtraute jedwedem Menschen in Stadt und Land und meinte, daß man das Pfarrhaus von oben bis unten ausräumen werde, wenn ich in ihrem Hause zu Heldburg säße und mir den Himmel auf die Erde hole. Aber obwohl nicht alles so ging, wie es in meinen Sinnen stand, ließ ich mich doch vom schmeichelnden Frühling des seltenen Jahres umblühen wie einer, dem der liebe Gott in eigner Person die Hochzeitskerzen rund um sein Häuslein herum anzündet, damit es immerdar hell sei, wenn er ein Ehemann und Familienvater geworden war.

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