Die Vereinigung der Kraft

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Die Vereinigung der Kraft
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Hans-Peter Vogt

Die Vereinigung der Kraft

(Master of the Animals)

Reihe: Die Macht des Tunnels, Band 4

Real-utopischer Roman / Fantasy - Abenteuer

Deutsche Ausgabe / für ebook überarbeitet / alle Rechte vorbehalten / ISBN 978-3-942652-49-0

© vogt multimedia verlag, Dr. Hans-Peter Vogt, Erlenweg 18, 64354 Reinheim / Umschlagentwurf und ebook-Optimierung © vogt multimedia design

Das gedruckte Buch ist erschienen unter dem Titel "Dennis und der Herr der Tiere". Sie können das im Internetshop bestellen unter http://www.fahrrad-dvd.de, direkt beim Verlag unter www.vogt-multimedia-verlag.de oder in jedem Buchladen.

Inhaltsangabe

Cover

Titel und Impressum

Inhaltsangabe

Einleitung

Kapitel 1. Para. Der Herr des Dschungels

Kapitel 2. Paras Ankunft in der Neuzeit

Kapitel 3. Im Dienste der Stiftung

Kapitel 4. Das Wiedersehen von Vater und Sohn

Kapitel 5. Der Kampf gegen die Mafia

Kapitel 6. Sommer in der heiligen Stadt

Kapitel 7. Intermezzo in Berlin

Kapitel 8. Heilende Hände

Kapitel 9. Das Zentrum der Quechua Indianer

Kapitel 10. Ausgrabungen und Gold

Kapitel 11. Noch ein Intermezzo

Kapitel 12. Gräber, Könige und Rituale

Kapitel 13. Das Zentrum der Quechua (2)

Kapitel 14. Der König der Tiere

Anhang (A) Klima und Landschaft

Anhang (B) Die handelnden Personen im Buch

Anhang (C) Städtenamen, Seen, sonstiges

Anhang (D) Der Autor

Einleitung

Dieses Buch spielt sowohl in der Gegenwart, wie auch in der Vergangenheit. In Berlin, in Bolivien und in Peru. Es ist der vierte Band der Reine „Die Macht des Tunnels“, der hier das Leben und die Erlebnisse von zwei hochbegabten jungen Männern beschreibt, Vater und Sohn.

Der Berliner Dennis entwickelt schon früh übernatürliche Fähigkeiten. Sie ermöglichen ihm unter anderem die Sprache der Tiere zu verstehen und mit ihnen zu sprechen. Er kann auch die Zeit und den Raum überwinden. Er gibt solche Fähigkeiten an seine Kinder weiter.

In diesem Band 4 werden die Abenteuer der vorgherigen Bände fortgesetzt. Dennis kümmert sich zunächst um das Zentrum für Musik in Berlin und dann um die Ausgrabungen in Peru und das von ihm geplante indianische Zentrum. Auf abenteuerliche Weise findet er nun seinen ältesten Sohn Para wieder, der vor 2400 Jahren gestorben ist und durch einen Zeitsprung in der Neuzeit landet.

Normalerweise ist so ein Zeitsprung psychisch nicht zu verkraften, aber Para hat Glück. Er landet in einem abgelegen Bergtal, in dem er schon einmal mit seinen Eltern war. Heute gehört dieses Tal seinem Vater. Er erkennt das Tal wieder, und er findet dort eine Indiofamilie, die ihn aufnimmt und ihn langsam auf diese neue Zeit vorbereitet. Sie stellt schon bald eine Verbindung zu Dennis Frau Alanque her, eine Indianerin, die in einem der Nachbartäler eine Ausgrabung leitet….

Kapitel 1. Der Herr des Dschungels

1.

Als Dennis damals von den Speeren der Karancula Krieger getroffen wurde, hatte die Sonnenkönigin gewütet. Sie vergaß alles, was Dennis sie gelehrt hatte. Sie nahm an den Karancula Kriegern grausame Rache. Sie verschonte selbst die von den Karancula unterdrückten Indiovölker des Urwaldes in Mittelamerika nicht. In einem neun Monate dauernden Feldzug vernichtete sie alles, was sich ihr in den Weg stellte.

Basuna, der weise Minister der Sonnenkönigin sagte nichts. Er wusste: So hätte das der Thénnis nie gemacht. Er hätte mindestens die Buschvölker verschont. Aber mit der Sonnenkönigin war nicht zu reden. Sie war in infamer Weise brüskiert worden. Sie wollte ein Mahnmal ihrer Macht setzen.

Basuna hätte sich selbst in Gefahr gebracht, wenn er etwas gesagt hätte.

2.

Die Buschindianierin Polia, die zweite Geliebte von Dennis, hatte in einer Audienz mit der Königin über den „Thénnis“ gesprochen. Sie würde in ihr Dorf zurückkehren. Sie würde ihre beiden Kinder mitnehmen und sie würde der Königin nicht in die Quere kommen. Faroa, der treue Diener von Dennis würde sie begleiten. Alle andern Diener würden frei sein, so wie sich Dennis das einmal gewünscht hatte. Sie würden die Schule der Thé in eigener Regie und in Gedenken an den Thénnis weiterführen.

Polia nahm nur einen Beutel Gold und Edelsteine, ein paar Decken und Felle, zwei Lamas, Proviant und einen Sack mit Speer- und Pfeilspitzen, sowie einen großen Pack langer Messer für ihr Dorf mit. Alles andere übergab sie der Königin.

Die Königin war großzügig gewesen. Sie hatte Polia gestattet, die Straße durch den Dschungel zu benutzen, der sonst für die Buschindianer ohne Begleitung durch die Thé verboten war. Sie hatte Polia ein goldenes Sonnensymbol mitgegeben, das sie auf Verlangen vorzeigen konnte, um zu zeigen, dass sie in der Gunst der Königin stand. Sie würde den Schutz der Thé Krieger erhalten, sollte das notwendig sein, und Polia würde das Recht haben, sich in den Dörfern mit Nahrung zu versorgen.

Die Reise dauerte über einen Monat. Polia trug ihr kleines Mädchen. Faroa trug ihren Sohn Para, der immer noch unaufhörlich plapperte. Manchmal setzte er Para auf eines der Lamas. Es war wie ein Wunder. Wenn Para mit den Tieren sprach, waren sie gehorsam, und liefen wie von alleine mit.

Para lauschte auch den Vögeln und den Affen im Wald neben der Straße. Manchmal breitete er die Arme aus und begann seinen Singsang, der bald in ein fröhliches Zwitschern überging. Papageien kamen herangeflogen und setzten sich auf Paras ausgestreckte Arme. Para lachte und zwitscherte. Er trällerte und gluckste mit den Vögeln um die Wette.

Manchmal ahmte er den Ruf der Affen nach. Es gab Stunden, da wurden sie von ganzen Affenfamilien begleitet, die neben der Straße von Baum zu Baum sprangen und die kleine Gruppe begleiteten.

Einmal kam ein ganzer Schwarm von Bienen. Es waren Tausende dieser großen, gefährlichen Bienen, die sich von Fleisch ernähren. Heute werden sie Killerbienen genannt. Aber Para stieß seltame girrende und kaum hörbare Laute aus. Die Bienen umschwärmten die Gruppe eine Weile, aber sie griffen nicht an. Die Lamas wollten zunächst die Flucht ergreifen, aber Para hatte sie mit wenigen Worten und ein paar freundliche Klappsen zur Ruhe gebracht. Die Bienen folgten der Gruppe etwa 20 Minuten, dann flogen sie davon.

Faroa kannte diese Bienen. Sie hatten seinen Vater getötet. Er konnte es kaum fassen, was da eben geschehen war. Natürlich kannte er Paras Vorliebe, mit den Tieren zu sprechen, aber so etwas hatte er noch nie erlebt. Er hatte in diesen 20 Minuten eine Todesangst wie selten zuvor. Er sah, dass Para völlig ruhig, fröhlich, ja glücklich schien. Para hatte nicht die Unbeschwertheit eines nichtsahnenden Kindes gezeigt, sondern er hatte sich ganz bewusst und mit klarem Instinkt auf die Bienen eingelassen, sie akzeptiert und auf seine eigene geheimnisvolle Weise beschwichtigt.

Die Folge dieser Erlebnisse war, dass auch die kleine Vera begann, die Töne und Laute von Para nachzuahmen.

Überraschend für Faroa hatte auch Polia in dieser Situation keine Angst gezeigt. Als Faroa sie darüber begann auszufragen, nickte sie ihm freundlich zu. „Ich habe gelernt, den Fähigkeiten von Dennis zu vertrauen. Para hat diese Fähigkeiten geerbt. Ich beobachte das schon lange. Ich habe Para mit den Bären sprechen sehen. Ich habe Para mit Lamas, Vögeln und Affen sprechen sehen. Ich weiß, dass er sich oft zurückgezogen hat, um mit Ratten und Mäusen zu reden. Warum sollte ich Para nicht auch bei den Bienen vertrauen?“

Faroa, der so etwas wie ein väterlicher Freund war, erkannte, dass Para göttliche Fähigkeiten hatte.

 

Die Reise war lang. Polia und Faroa waren in der Tradition der Indios erzogen. Also blieb es nicht aus, dass die beiden Vertrauten von Dennis bald begannen, das Nachtlager miteinander zu teilen. Polia und Faroa hatten ein neues Leben vor sich. Ein Leben, in dem Dennis nur noch in der Erinnerung und in seinen Kindern fort lebte. Sie mussten sich diesem neuen Leben stellen. Es war nur natürlich, dass Faroa begann, die Stelle des Ehemannes und Vaters für die Kinder einzunehmen. Vieles verband Polia und Faroa. Sie stammten aus demselben Dorf. Sie hatten beide die heilige Stadt kennengelernt. Sie hatten gelernt eine Gruppe von Menschen zu führen und sie hatten gelernt, sich in der großen Stadt zu behaupten.

„Dennis hätte das so gewollt“, sagte Polia irgendwann einmal. Damit war das Thema für sie abgeschlossen.

3.

Auf dem langen Weg wurden sie ein paar mal von Kriegern der Thé angehalten, die dort patroullierten. Sie konnten sich ausweisen und durften ungehindert weiterreisen.

Para nahm alles mit großen Augen und all seinen Sinnen auf. Es war ähnlich, wie damals bei der Reise mit Dennis und der Karawane der Händler. Das Reisen gefiel ihm.

Als sie dann die große Straße verließen und in den dichten Urwald eindrangen, war Para zunächst aufgeregt und begann dann alles noch viel intensiver zu betrachten. Das hatte er noch nicht gekannt.

Die Geräusche, das eigentümlich gedämpfte Licht, die Blumen und die Schmetterlinge in den Wipfeln. Das Surren, flattern und gurren erregte Para. Als sie abends Rast machten, machte er neue Erfahrungen. Es gab hier Insekten, die er nicht kannte. Spinnen, Käfer, große rote Ameisen, Würmer. Er betrachtete. Er befühlte. Er sah ihnen zu und er begann seltsame Laute auszustoßen.

Para war noch zu klein um richtig zu sprechen. Er konnte sich mit seiner Mutter unterhalten, aber es war eine Kleinkindersprache.

Man kann nicht sagen, ob es eine Kindersprache war, mit der er sich nun mit all diesen Tieren begann zu unterhalten. Vielleicht hatte er so etwas wie einen „Babybonus“, der Tiere veranlasst, Jungtiere zu beschützen. Manche sagen auch „Welpenschutz“ dazu. Doch würde sich schnell zeigen, dass es viel mehr war. Denn eigentlich akzeptierten nicht alle Tiere einen solchen „Babybonus“. Für manche Tiere war das eine willkommene Einladung, um das Baby zu fressen.

Als erstes machte Para die Erfahrung mit einer kleinen aber sehr giftigen Schlange. Sie war nur einen halben Meter groß, schwarzgelb und züngelte. Faroa bemerkte davon glücklicherweise nichts.

Para betrachtete sie eine Weile, dann begann er hohe, fast unmerkliche Zisch- und Pfeiff-Laute auszustoßen. Die Schlange kroch auf ihn zu. Sie züngelte und erfasste seinen Geruch. Als Beute war Para viel zu groß. Eine Gefahr schien er auch nicht zu sein. Die Laute verwirrten die Schlange. Para bückte sich, streckte seine Hand aus und die Schlange begann auf seine Hand zu kriechen und sich um seinen kleinen Arm zu wickeln. Para fipste weiter.

Er hatte sich ein Stück vom Lager entfernt. Als Polia ihn rief, zuckte der Kopf der Schlange in ihre Richtung. Feindselig. Aber Para fipste weiter. Die Schlange beruhigte sich und Para setzte sie wieder auf den Boden. Dann ging er zu Polia zurück.

Er erzählte von der Schlange, aber er kannte das Wort nicht. Schlangen hatte er zuvor nie gesehen. Langsam begriff Faroa, was Para da gesehen hatte. Es war eine Natterart und ihr Biß war tödlich. Er schnappte sich eines der langen Messer und ging ein Stück in den Wald, aber die Schlange war fort.

Als sie schließlich in ihrem Dorf ankamen, wurden sie mit großem Erstaunen begrüßt. Es hatte sich noch nicht bis hierher rumgesprochen, dass Dennis tot war.

Es war ein großes Hallo und es gab an diesem Tag ein Fest für die Heimkehrer, an dem viel getanzt und gesungen wurde und bei dem sie auch den toten Gott ehrten, der von ihnen gegangen war.

Für Para war alles neu. Der Dschungel, das Lager, die neue Familie, die Hunde. Er war aufmerksam, er war freundlich. Er ging auf die fremden Menschen zu, die nun seine Familie werden sollten. Mit den Hunden nahm er sofort Kontakt auf.

Sie schnupperten zunächst an ihm. Sie kannten ihn nicht, aber die Hunde merkten schnell, dass dieser kleine Junge kein Feind war. Er roch wie ein kleines Kind. Para hatte „Welpenschutz“.

Schon bald begann Para mit den Hunden zu sprechen. Es war kein Gebell oder Gekläff. Es war seine eigene Sprache, die sich bald mit winseln und wuffen mischte. Er fasste die Hunde an, die sich das sonst nicht gefallen ließen. Er befühlte ihre Ohren und Schnauzen. Er wuffte und winselte. Die Hunde nahmen seine Hände in ihr Maul und sie schleckten ihn ab. Sie nahmen ihn in ihre Familie auf. Sie würden ihn beschützen.

Polia sah das alles. Sie hatte immer ein waches Auge auf ihre Kinder. Sie lächelte. Sie stupste Faroa an und machte eine Kopfbewegung in die Richtung von den Hunden. Faroa sah zu Para. Er wollte etwas sagen wie „Hunde sind Hunde“, er meinte damit, dass man ihnen befehlen müsse, aber Polia sah ihn an und lächelte. Sie nahm seine Hand. „Para macht das auf seine Weise.“

Den andern Krieger der Péruan sahen dieses Spiel zwischen Para und den Hunden, aber es war nicht ihr Sohn. Es war nicht ihre Aufgabe, sich da einzumischen, und sein Großvater, der Takilada des Dorfes sah in die Runde. „Para ist einer von uns, aber er hat die weißen Haare und die blauen Augen seines Vaters.“

Alle wussten, was der Takilada damit meinte. Para war der Sohn des Thénnis. Er war ein Sohn Gottes.

4.

Para lebte sich schnell ein. Im Grunde war die Familie der Buschindianer nicht viel anders, als seine bisherige Familie der Knechte und Mägde in der großen Stadt. Es gab andere Kinder. Die Erwachsenen waren freundlich, manche Frauen hatten dicke Bäuche.

Auch mit den andern Kindern schloss er schnell Freundschaft. Sie hatten ihn zunächst scheu und argwöhnisch angesehen, aber sie hatten auch gesehen, dass Para von dem Dorfältesten mit großem Respekt behandelt wurde. Vor dem Dorfältesten wiederum hatten sie großen Respekt. Er war der Anführer des Dorfes. Keines der Kinder hätte es gewagt, dem Takilada zu widersprechen. Sie wären von ihren Eltern oder ihren größeren Geschwistern sofort zur Ordnung gerufen worden.

Die kleine Familie bezog eine der Hütten. Paras Urgroßmutter gesellte sich dazu. Sie begann einen Teil der Erziehung der beiden Kinder zu übernehmen. Vera war noch viel zu klein, um das alles mitzubekommen. Para akzeptierte die alte Frau sofort. Er spürte diese Güte, doch er akzeptierte auch, dass sie streng sein konnte. Es gab hier im Busch vieles, was er erst noch lernen musste.

Er sah Feuer, die den ganzen Tag und die ganze Nacht brannten. Er spürte die Hitze der Flammen und merkte, wie schmerzhaft diese Hitze sein konnte. Er sah das Wasser des Flusses. Er sah, wie sich das Dorf morgens und abends diesem Ritus des Waschens unterzog. Der Fluss war neu für ihn. Wasser machte Spaß.

Aber er sah auch die Blumen auf der Lichtung, die Lianen und Schlingpflanzen, die sich zum Wasser beugten, er sah bald auch die Fische und die Krokodile.

Er merkte sehr schnell, dass mit diesen Krokodilen nicht zu spaßen war. Er merkte, dass sie ihn verstanden, aber er merkte auch, dass sie ihn fressen würden. „Es ist ihre Bestimmung“, sagte Paras Großmutter. „Sie tun, was sie tun müssen. Sie wollen leben. Ein Leben ohne Fressen gibt es nicht.“

Para hatte sie lange angesehen. Er verstand, dass dies anders war. Tiere waren in ihrer Art unterschiedlich.

Was Para mit den Krokodilen nicht gelang, das gelang ihm mit den Fischen. Wenn er ins Wasser ging, dann versammelte er manchmal eine große Anzahl von Fischen um sich. Sie waren ohne Scheu, sie knabberten an seiner Haut. Es kitzelte und es tat gut. Die andern Kinder lachten und warfen sich in den Fischschwarm, so dass alle auseinanderstoben. Para konnte dann ernstlich böse werden.

Die Kinder lachten ihn zunächst aus, doch dann wurde Para richtig grob. Zunächst hatte er auf einen der größeren Jungen einschlagen wollen, der ihn ärgerte, doch er besann sich. Er fing an, hohe surrende Geräusche auszustoßen. Die Kinder lachten zunächst, doch dann begannen sie sich die Ohren zuzuhalten. Es waren unangenehme Geräusche. Bald wimmelte die Luft von großen Bienen, die sich auf die Kinder stürzten.

Die Erwachsenen sahen das und stießen Schreckensrufe aus. Die Kinder tauchten zum Schutz ins Wasser, aber sie konnten die Luft nicht lange anhalten. Wenn sie auftauchten, waren die Bienen sofort wieder da.

Dann waren die Bienen auf einmal weg. Para stand mitten im Wasser. Selbstbewusst und ohne einen einzigen Stich. Die Erwachsenen begannen ihn auszuschimpfen. Doch Para sah sie mit seinen großen Augen an. „Auch Fische muss man achten“, sagte er.

Es wurde an diesem Tag viel über dieses Ereignis geredet.

Der Takilada musste ein Machtwort sprechen. „Ist einem unserer Kinder etwas geschehen?“ fragte er. Die Kinder sahen sich an. Das wurde verneint. Es war unglaublich. Niemand hatte nur einen Stich bekommen.

Der Takilada sah Para an. „Du hast sie gerufen“, fragte er. Para nickte selbstbewusst. Dann begann er mit seinen wenigen Worten zu erklären, dass die Kinder lernen müssen die Tiere zu achten. Er wollte nur eine Warnung aussprechen. Er wollte zeigen: nicht alle Tiere lassen sich quälen. Killerbienen gehören nicht dazu.

Der Takilada sah ihn lange an. „Ich verstehe, dass du die Fische schützen wolltest. Aber wir leben von den Fischen. Wir essen sie.“ Wieder begann Para auf seine kindliche Weise zu erklären. „Jagen ist jagen“, sagte er auf seine Art. „Quälen ist quälen. Beides ist nicht dasselbe. Wenn wir jagen, um die Fische zu essen, dann ist das unsere Bestimmung.“

Der Takilada sah ihn lange an. Dann sah er in die Runde seiner Krieger und der Frauen und Kinder.

„Der kleine Para hat da etwas sehr kluges ausgesprochen. Gibt es irgendjemanden, der etwas dazu zu sagen hat?“

Einige der Dorfältesten meldeten sich. „Wir leben nach dem Gesetz des Dschungels“, sagten sie. Wir töten um zu leben. Aber wir achten die Tiere, die unser Leben sind. Unsere Kinder haben eine Dummheit gemacht, aber Para sollte lernen, dass wir seine Familie sind. Er sollte die Bienen lieber von uns fernhalten, statt sie auf uns zu hetzen. Wir verstehen, dass er eine Warnung ausgesprochen hat, aber so etwas darf nie wieder passieren.“

Die Dorfältesten hatten ausgesprochen, was richtig war. Para und auch die andern Kinder hatten einen Rüffel verdient. Die Kinder wurden an diesem Abend von ihren Eltern ermahnt.

Auch Paras Großmutter sprach an diesem Abend sehr ernsthaft mit ihm. „Wir sind deine Familie“, sagte sie. „Vergiss das nie.“

Para wachte in dieser Nacht auf und er weinte. Polia nahm ihn zu sich und beruhigte ihn mit ihrem warmen Körper.

Die andern Kinder hatten nun gehörig Respekt vor Para. Er wurde zunächst gemieden. Doch es zeigte sich bald, dass Para nicht der Typ war, um ein Außenseiter zu sein. Er nahm teil, wenn sie Blüten und Früchte sammelten. Er fing Fische, er stellte Reusen auf, er tat alles, was auch die andern Kinder auch taten, ohne sich anzubiedern. Sie vergaßen diesen Konflikt. Das Ereignis blieb in den Köpfen haften.

Es gab andere Dinge, die Para den Respekt der Gruppe verschafften.

Er hatte gelernt, mit den Affen zu reden. Er ließ sich zu guten Plätzen führen, in denen es Früchte im Übermaß gab. Er teilte diese Funde. Er begann mit den Schmetterlingen und Faltern zu reden. Selbst die gefährlichsten von ihnen akzeptierten ihn und sie taten ihm nichts.

Er lernte Heilkräuter kennen und ihre Wirkung und er ließ sich auch von den Tieren zeigen, wie sie Wunden und Infektionen behandeln.

Als er größer wurde, durchstreifte er mit seiner kleinen Schwester den Wald. Sie sammelten Kräuter, Beeren, Triebe und Rinden. Vera hatte ein großes Gespür für diese Kräuter. Sie sammelten, sie brühten auf, sie zermatschten. Sie entwickelten sich zu Medizinmännern des Stammes. Es gab bald kein Heilkraut und keine Giftpflanze, die sie nicht kannten und nicht anzuwenden wussten.

 

Sie waren für den Stamm eine große Hilfe. Die anfängliche Angst wich einer großen Bewunderung und Hochachtung für die beiden Kinder. Sie waren höchst ungleich. Vera verstand die Laute der Tiere, sie konnte sie nachmachen, aber es war Para, der wirklich mit all diesen Tieren sprach. Vera hatte diese Fähigkeit nicht, die Tiere zu beeinflussen.

Para lernte, ganz in den Tieren aufzugehen. Es geschah erstmals, als er mit seiner Schwester Beeren sammelte. Sie wurden begleitet von einer Horde von Affen. Para sprach mit ihnen, wie er immer sprach und plötzlich wurde er einer von ihnen. Er nahm ihre Gestalt an.

Vera sah ihn mit großen Augen an. Para begann mit den Affen zu turnen und in die Bäume zu klettern. Dann kehrte er mit einigen seltenen Blüten und Früchten zurück. Dann nahm er wieder die Gestalt des Menschen an. Vera fiel ihm um den Hals. Sie weinte ein wenig. Vor Schreck und vor Glück. Para war selbst überrascht und er bat Vera, nichts davon zu erzählen. Noch nicht.

Nun begann Para das öfter zu tun. Es gelang ihm, sich in die verschiedenen Tiere zu verwandeln. Selbst in Ameisen, Spinnen und Kröten.

Einmal begegneten sie einem Panther. Sie waren leichte Beute. Para rief die Affen zu Hilfe. Während die Affen den Panther ablenkten, beobachtete Para dieses riesige Tier. Dann begann Para zu fauchen. Er ging auf den Panther zu. Er nahm Drohgebärden an und dann verwandelte er sich plötzlich selbst in einen schwarzen Panther. Para griff an. Nicht wirklich. Er drohte. Die Affen schrien. Es war ein irres Spektakel. Die beiden Panther funkelten sich an, dann begann der andere Panther den Rückzug anzutreten. Para folgte ihm eine Weile, dann veränderte er seine Laute und wurde beschwichtigend.

Schließlich liefen sie eine Weile nebeneinander. Sie berochen sich. Der andere Panther sprang schließlich auf einen der Bäume und Para kehrte zurück zu Vera.

Als sie den schwarzen Panther erneut auftauchen sah, blieb ihr das Herz stehen vor Schreck, doch Para verwandelte sich zurück in seine Menschengestalt, und er ging auf seine Schwester zu. Er nahm sie in den Arm und beruhigte sie.

„Machen wir das noch einmal“, schlug er vor. Als Vera ihn ansah, verwandelte er sich wieder in einen Panther, aber diesmal sprach er in seiner eigenen Sprache. „Fass mich an“, bat er und Vera begann, ihm ins Fell zu greifen und die Stärke dieser Muskeln zu spüren, diese unbändige Kraft. Para verwandelte sich zurück.

„Wir müssen lernen, mit den Tieren zu leben“, sagte er. „Sie sind nicht gut und sie sind nicht böse. Sie sind Teile des Waldes, so wie die Früchte und das Wasser. Wir müssen lernen, sie besser zu verstehen.“

Vera nickte. Paras Fähigkeiten hatte sie nicht. Sie konnte sich gegen einen Panther nicht verteidigen, aber vielleicht würde sie lernen mit ihm zu leben. Sie konnte sich das noch nicht vorstellen, wie das gehen sollte. Aber sie nahm sich vor, die Augen und Ohren offen zu halten, um zu lernen.

Auch hier bat Para, dem Dorf zunächst nichts zu erzählen.

5.

Auf Dauer ließ sich das nicht geheim halten. Es gab Situationen, in denen Para seiner Familie beistehen und ihnen helfen musste.

So nahm er immer öfter Tiergestalt an und er lernte mit den Tieren des Waldes zu leben. So wie er mit den Menschen sprach, so konnte er die Tiere rufen und um ihre Hilfe bitten.

Er wusste, dass seine Familie von Fleisch lebt und von Früchten, die auch von den Tieren gegessen wurden. Es gab Konkurrenzsituationen. Aber Nahrung gab es im Urwald im Überfluss.

Para nahm an der Jagd nach Fleisch nicht mehr teil. Er überließ das den anderen Stammesmitgliedern.

Seine außerordentlichen Fähigkeiten begannen sich im Urwald herumzusprechen.

Immer öfter wurden er und Vera von anderen Stämmen um Hilfe gebeten, wenn es galt, kostbare Heilmittel zu finden und sie zuzubereiten. Para und Vera waren bald so etwas wie die heiligen Medizinmänner des Urwaldes. Obwohl sie noch Kinder waren, wurden sie von den Indianern der Péruan mit großer Hochachtung behandelt.

Para hatte nicht nur die Fähigkeiten Kräuter zu finden und sie zuzubereiten. Er entwickelte so etwas wie „heilende Hände“. Es geschah erstmals, als der Häuptling eines Nachbardorfes krank wurde. Niemand wusste, was er hatte. Die Dorfbewohner schickten nach Para und seiner Schwester.

Para setzte sich neben den Kranken. Er legte seine Hand auf die schweißnasse Stirn. Er legte sie ihm auf die Brust und die Arme. Er legte sie auf die Beine, die Füße und Genitalien des Mannes. Er lauschte und schwieg. Er schloss die Augen und hörte in den Kranken hinein. Dann gab er Vera die Anweisung nach einer bestimmten Sorte von Früchten und Blättern zu suchen. „Viele Blätter“, sagte er. „Viele Früchte“. Vera nahm einige der Frauen mit. Sie wusste, wo sie suchen musste.

Während sie in den Wald ging, legte Para seine Hände auf die Brust des Kranken und er begann zu summen. Ein leichtes Zittern ging durch Paras Körper, dann begann sich ein elektrisches Feld um ihn zu spannen. Blau und feingeädert.

Die Péruan sahen das Geschehen mit Entsetzen, aber sie wagten nicht einzugreifen. Para saß da. Das elektrische Feld spann sich zwischen seinen Händen und dem Brustkorb des Kranken. Dann begann sich die Hütte mit Ameisen zu füllen. Schwarze große Ameisen. Sie krochen auf den Körper des Kranken, sie krochen in die Nasenlöcher und die Ohren. Sie bedeckten den ganzen Körper wie eine zweite Haut. Tausende.

Die Péruan waren starr vor Angst.

Dann veränderte sich die Stimme von Para und die Ameisen verschwanden. Der Kranke war trocken. Der Schweiß und das Salz waren von den Ameisen aufgegessen worden. Sie hatten Schleim und Blut aus seiner Nase geholt und verzehrt und sie hatten den Kranken viele Male gebissen, so dass das Gift nun in dem Körper des Kranken wirkte.

Para saß weiter dort und sang. Mal weich und melodisch, mal abgehackt und zerstückt. Das elektrische Feld war immer noch da.

Als Vera kam, bereitete sie die Beeren zu. Sie brachte Para die Blätter, und Para bat, den Kranken ganz mit den Blättern zu bedecken. Er ließ die Hände unter den Blättern liegen. Der Schein des elektrischen Feldes leuchtete durch die Blätter. So saß Para die ganze Nacht. Er sang und brabbelte.

Am nächsten morgen schlug der Takilada die Augen auf. Para befahl, ihm vom Saft der Beeren zu trinken geben. „Kleine Schlucke“, bat er.

Er saß weiter neben dem Kranken und ließ ihn durch Vera ständig mit dem Saft der Beeren versorgen. Am Abend begannen sich seine Wangen zu röten. Er erhielt wieder den Saft der Beeren, und Para saß und wachte auch die zweite Nacht bei dem Kranken.

Am nächsten Morgen hatte der Kranke die Augen ganz offen. Er atmete ruhig. Er verlangte nach Wasser. Para befahl, die Blätter wegzunehmen und den Kranken abzutrocknen. Dann brach Para zusammen.

Vera versorgte den Kranken mit Wasser und dem Saft der Beeren. Sie befahl, Para zuzudecken und ihn schlafen zu lassen.

Am nächsten Morgen setzte sich der Takilada auf. Er sah die Menschen seines Dorfes an. Er atmete tief durch. „Ich fühle mich gut“, sagte er. Er stand auf. Er war noch ein wenig kraftlos, aber das war kein Wunder. Dann ging er zu Para. Er legte ihm die Hand auf die Schulter und sah Vera an. „Lass ihn schlafen“, bat sie. „Er hat viel Kraft verbraucht, um dir zu helfen.“

Para schlief drei Tage und drei Nächte lang. Dann wachte er auf und bat um Wasser. Er sah Vera an. „Der Kranke?“ Vera nickte ihm zu. „Es geht ihm gut. Besser als dir.“ „Dann lasst uns baden“, bat Para und das ganze Dorf ging an die Badestelle am Fluss. Para und der Alte waren noch etwas schlapp, doch das kühle Wasser tat ihnen gut.

„In den nächsten drei Tagen gibt es für den Takilada nur den Saft der Beeren und Wasser“, befahl Para. „Nachts wickelt ihr ihn in die Blätter ein. Er sollte am Morgen und am Abend baden. Das reinigt ihn vom Schweiß und den Ausscheidungen der Haut. Das Gift der Ameisen muss den Körper wieder verlassen. Das dauert noch ein paar Tage. Erst dann darf der Takilada wieder essen. Gebt ihm zuerst Obst. Später darf er etwas Trockenfleisch essen. Aber gebt ihm jeden Morgen etwas rohen Fisch und viel Wasser. Er braucht das.“

„Ich bleibe noch zwei Tage. Ich bin sehr müde. Wenn ich wach bin, werde ich weiter nach dem Takilada sehen."

Es war wie ein Wunder. Dem Takilada ging es von Tag zu Tag besser. Auch Para erholte sich und hatte nach zwei Tagen seine alte Kraft wieder. Er war erst acht und er hatte sich die Dankbarkeit und die Hochachtung des ganzen Dorfes verdient.

Dieses Ereignis sprach sich im Dschungel herum. Es wurde sogar bis in die heilige Stadt getragen.

Die Sonnenkönigin sprach mit ihrer Tochter darüber. Sie waren sich einig, dass Para die Kraft seines Vaters geerbt hatte, wenn alles das so stimmte, wie man ihnen das zugetragen hatte. Die Königin zweifelte nicht daran. Sie wusste längst, dass sich dort im Urwald am Amazonas etwas bedeutendes entwickelte. Sie hatte das Dorf von Abgaben verschont, aber sie hörte die Berichte der Handelskarawanen, die das Dorf in unregelmäßigen Abständen besuchten. Sie war recht gut darüber informiert, was dort geschah.

6.