Czytaj książkę: «Die Geburt der Schamanin»

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Hans-Peter Vogt

Die Geburt der Schamanin

(New Generation)

Reihe: Die Macht des Tunnels, Band 5

Real-utopischer Roman / Fantasy - Abenteuer

Deutsche Ausgabe / © vogt multimedia verlag, Reinheim / Ungekürzte Ausgabe für e-book überarbeitet / Alle Rechte vorbehalten / ISBN 978-3-942652-50-6 / Umschlagentwurf und eBook-Konvertierung © vogt multimedia design

Das Buch ist in gedruckter Form erschienen unter dem Titel "Die Tochter der Sonne". Interessierte können die gedruckte Version in jeder Buchhandlung, oder in unserem Internetshop bestellen unter http://www.fahrrad-dvd.de oder direkt unter www.vogt-multimedia-verlag.de

Empfohlene Schriftart: Verdana

Inhaltsangabe

Cover

Titel und Impressum

Inhaltsangabe

Einleitung

Kapitel 1. Die kleine Théra. Die Tochter der Sonne

Kapitel 2. Die neue Welt. Théras Ausflug nach Berlin und Théras Rückkehr nach Peru

Kapitel 3. Erwachsenenspiele und ein paar ernste Worte zur Welt der Erwachsenen

Kapitel 4. Kinderspiele und mehr

Kapitel 5. Die Geborgenheit der Familie. Die Große Krise und die Geburt einer neuen Energie

Kapitel 6. Mau Mau. Das große Geschwätz und die Unterwerfung des Geistes

Kapitel 7. Théras Tal

Kapitel 8. Pferdezucht und Pferdeflüsterer, und die Reisen ins Land der Emire

Kapitel 9. Die Entwicklung der Macht, und die Unterwerfung der Materie

Kapitel 10. Der Vulkan

Kapitel 11. Der Putsch

Anhang (A): Die handelnden Personen im Buch

Anhang (B): Städtenamen, Seen, sonstiges

Anhang (C): Klima und Landschaft

Anhang (D): Der Autor

Einleitung

Dennis ist erwachsen geworden. Er bekommt eigene Kinder mit zwei Frauen (eine in Peru, eine in Berlin). Auch sein ältester Sohn Para, der durch einen Zufall aus der Vergangenheit in die Neuzeit katapultiert wurde, wird mehrfacher Vater. Dieser Band handelt von den Kindern dieser beiden charismatischen Männer.

Mittelpunkt und Heldin des Buches ist Théra, die älteste Tochter von Dennis und der Indianerin Alanque. Das Buch beschreibt die Enwicklung und die Abenteuer von Théras Geburt bis zu ihrem 14. Lebensjahr.

Théra hat die geheimen Kräfte ihres Vaters geerbt. Sie wächst in einem Dorf mitten im Dschungel auf, das von der Ausgrabung einer antiken Königsstadt geprägt ist. Dieses Dorf entwickelt sich langsam zur Stadt. Sie ist nicht nur Teil einer liebevollen Kleinfamilie, sondern auch Mitglied einer großen „Familie“ aus vielen indianischen und weißen Freunden rund um Dennis und ihren Halbbruder Para.

Sie entwickelt enorme Kräfte. Die Kinder von Denis und Para beginnen ihre Fähigkeiten Stück für Stück zu bündeln, um sie noch weiterzuentwickeln. Sie tun dies aber auch, um sich und ihre Gemeinschaft zu schützen, denn es gibt - neben der Geborgenheit ihrer Gemeinschaft - sehr ernste Bedrohungen in ihrer Welt.

Die Kinder beginnen zwischen Berlin und Peru hin und her zu „springen“, und sie „springen“ bald auch an andere Orte. Die Kraft, den Raum zu überwinden, macht ihnen das möglich. Sie verlieren dabei nie den Bezug zu ihrem Dorf, ihrer gerade entstehenden Heimatstadt, der Gemeinschaft der Indianer und zur Natur. Es gibt Hunde und Pferde...

Théra erlebt eine Menge Abenteuer, und sie gilt den Indianern Südamerikas schon bald als Heilerin und als Schamanin. Ihr Name ist 4000 Jahre alt und hat mythische Bedeutung. Er heißt übersetzt “die Tochter der Sonne”. Sie ist tief verwurzelt mit der indianischen Seele. Théra begreift aber auch sehr früh, dass die Welt global aufgestellt ist. Das wird ihre zukünftige Rolle entscheidend prägen.

Kapitel 1. Die kleine Théra, die Tochter der Sonne

1.

Schon als Théra noch im Mutterleib lebte, lernte sie erstmals dieses wundervolle Gefühl der wärmenden Energie kennen, die sich plötzlich von aussen durch die Bauchdecke zu ihr hinbewegte. Sie dehnte und streckte sich und schwamm im Fruchtwasser auf diese Energiequelle zu. Sie berührte mit ihren kleinen Händen diese Energie, die durch die Bauchdecke zu ihr floss. Noch bevor Théra geboren wurde, erlebte sie diesen Strom noch einige Male.

Als sie frisch geboren war und auf dem Bauch ihrer Mutter lag, um erstmals mit ihren Lippen tastend nach der Brust zu suchen, da saß dieser Quell der Energie direkt neben ihr und sie fasste nach diesen warmen Händen und hielt sich dort am Daumen fest. Obwohl sie bereits abgenabelt war, wirkte diese Hand neben ihr wie eine Nabelschnur, durch die Energie zu ihr, zu Théra hinfloß, warm und pulsierend. Es war wunderbar.

Théra wuchs, und sie wurde von ihrer Mutter in diesem Tuch herumgetragen, in dem Indiofrauen ihre Neugeborenen am Körper tragen. Oft wanderte dieses Tuch zu diesem Quell der Wärme, diesem Jungen Para, der magische Hände hatte, der ihr vorsang und ihr mit leisen Worten von der Sonne und den Wolken erzählte. Er erzählte auch von den Vögeln und diesen vielen Steinen, die sie sah, und die sie damals noch nicht als die Reste einer großen untergegangenen Stadt erkennen konnte, die sie bald prägen würde.

Als Théra drei Monate alt war, kam noch jemand, den sie bald genauso liebte. Genauso warm und energievoll wie Para.

Théra wusste damals nicht, dass das ihr Vater war, der überall bei den Indios nur „der Thénnis“ genannt wurde, was soviel bedeutete, wie der „Sonnengott“. Sie wusste damals auch nicht, dass ihr eigener Name Théra war, die „Tochter der Sonne“. Anders als ihre Mutter, die sie nährte und die sie am Leib trug, hatten ihr diese beiden „Väter“ anderes zu bieten, als eine nährende Brust, und viel mehr, als bloß die Wärme eines Körpers. Sie gaben ihr Kraft in Form von Energiewellen, die in Théras Körper und Kopf hineinwanderten, und sich dort bleibend festsetzten.

Als Théra 3 ½ Monate alt war, gab es eine Zeit, wo sie auf Para und Dennis verzichten musste. In dieser Zeit band sie sich als Ersatz ganz an ihre Mutter. Ihre Mutter Alanque hatte in diesen Wochen das Gefühl, dass Théra sie aussaugt, weil sie besonders oft und intensiv nach ihrer Brust verlangte.

In diesen Wochen kämpften Dennis und Para gegen die Mafia in Peru, um ihre Familie zu schützen. Théra hatte davon natürlich keine Ahnung. Sie war ja noch viel zu klein um zu begreifen, dass es wichtige Pflichten für einen Vater gibt, die weit über die persönliche Anwesenheit hinausgehen. Théra litt unter dieser Abwesenheit. Als Para und Dennis dann wieder in ihrem Leben auftauchten, empfand Théra so etwas wie Glück.

Man kann darüber streiten, ob ein vier oder fünf Monate altes Kind bereits den Begriff des Glücks kennt. Physisch und auch psychisch erlebte Théra dieses Glück wirklich. Dieses Glück des Wiedersehens und die Wiederaufnahme dieser wärmenden Energieströme. Diese zärtlichen Stimmen und diese Gesänge, und diese Erzählungen, die so ganz anders waren, als bei ihrer Mutter. Nicht besser oder schlechter. Sie waren anders.

Théra hatte längst die Bewegungen ihrer Mutter in sich aufgenommen, ihre leichten Schritte und ihre Art sich fast schwerelos zu bewegen. Sie hatte die Herztöne der Mutter gehört und sich im Schritt ihrer Bewegungen gewiegt. Sie nahm auch die ruhige Stimme der Mutter auf, warm und doch klar und sicher, wenn sie mit ihren Mitarbeitern sprach. Sie kannte ihre liebevollen Hände, die sie umfassten, badeten und wickelten. Alles an Mutter war vertraut.

Ihren beiden „Väter“ waren anders. Sie hatten dieselbe Zärtlichkeit wie Mama, aber ihr Vater hatte kräftige Hände, viel größer als die ihrer Mutter. Sie hatte das Gefühl, sie konnte sich hineinlegen in diese großen Hände voller Geborgenheit. Paras Hände hatten hingegen nur die Größe von Mamas Händen. Aber es war manchmal, als wenn sie Funken sprühten, die wie ein Goldregen über Théra auf- und niedergingen.

Para und Dennis sorgten wirklich für Théra.

2.

Als Théra vier Monate alt war, zog sie mit ihrer Mutter aus diesem festen Haus (was Théra damals natürlich noch nicht als „das Hotel“ begreifen konnte) in ein kleines Haus aus Holz um. Es war die Zeit, als „ihre beiden Väter“ für eine Weile fortgingen.

Dieses Holzhaus war anders. Es lebte.

Es war nicht nur dieses Material, was Feuchtigkeit und Wärme transportierte und sich ausdehnte und zusammenzog, und manchmal knackte. Es gab hier viele kleine Tiere: Spinnen, Ameisen, Tausendfüssler, Schaben und kleine gepanzerte Insekten, die sich immer, wenn sie danach fasste, zu einer Kugel zusammenrollten.

Théra beobachtete all das mit wachen Augen. Sie war weit entfernt davon, mit diesen Tieren zu sprechen, aber sie nahm vorsichtig den Kontakt auf. Sie beobachtete.

Sie war zunächst viel zu ungelenk, um diese Tiere mit ihren Händen zu begreifen. Fliegen setzten sich oft auf ihren Kopf, ihre Hände oder ihre nackten Beine. Das kitzelte. Manchmal wurde Théra von diesen Fliegen belästigt. Sie machten mit Théra, was sie wollten. Manchmal gefiel Théra das gar nicht. Théra gab unverständliche Laute von sich. Manchmal grifff sie nach diesen Tieren.

Als dann Dennis und Para wieder zurückkamen und ihr diese spezifische Wärme zurückbrachten, die nur Para und Dennis hatten, da wurde Théra immer wacher. Sie begann zu krabbeln, sie begann mit ihren Händen nach den Tieren zu greifen. Para und Papa erzählten von den Tieren, und sie lehrten Théra Unterschiede zu sehen, wenn auch auf einer sehr frühen Entwicklungsstufe.

Später lernte Théra zu unterscheiden.

Als sie ein halbes Jahr alt war, spielte Théra bereits mit all diesen Tieren. Sie hatte längst begriffen, dass man diese Tiere nicht essen konnte. Sie ließ die Tiere auf ihren Armen und ihren Beinen herumspazieren. Sie nahm sie mit ihren patschigen Händchen vorsichtig auf, und setzte sie auch wieder auf den Boden, wo sie manchmal in den Ritzen verschwanden, um woanders wieder aufzutauchen. Théras Laute hatten sich verändert. Sie gurrte, pipste und plapperte.

Auch auf der Wiese vor dem Haus gab es solche Tiere. Viel mehr davon. Es gab kleine Vögel die hin-und herflogen und zwitscherten. Théra hörte zu und zwitscherte mit ihnen. Sie sah, wie die Vögel nach Würmern und Insekten pickten und sie verschluckten.

Es gab in dem Holzhaus Mehlmotten. Théra sah zu, wie ihr Vater die Schlupfwespen rief, um die Mehlmotten zu vertilgen. Ihr Vater rief die Spinnen, um die Silberfischchen aufzuessen.

Sie lernte schnell, aber noch ein wenig diffus, dass die Welt der Tiere durch einen Zyklus aus Leben und Tod bestimmt wird. Zunächst verstand sie nicht, warum ihr Vater diese Tiere rief, um andere Tiere zu töten, doch Papa versuchte ihr das zu erklären. Sie konnte das mit ihren sechs Monaten natürlich noch nicht verstehen.

In dem Holzhaus gab es Mäuse. Auch die lebten von Insekten, aber auch von Getreide, Käse oder Speck, den sie Théras Mutter stahlen. Théra liebte diese Mäuse. Sie nahm Kontakt zu ihnen auf, fiepste mit ihnen, und es war bald so, als würden die Mäuse Théra verstehen.

Théra beobachtete die Mäuse genau. Speck und Käse gab es genug. Sie hatte nichts dagegen, wenn die Mäuse sich bedienten.

Ihr Vater untersagte den Mäusen bald, sich im Haus aufzuhalten. Théra verstand das anfangs nicht. Manchmal lud sie die Mäuse heimlich ein und führte sie in die Speisekammer, aber bald weigerten sich die Mäuse der Einladung zu folgen. Dennis hatte es ihnen verboten. Dennis hatte viel mehr Macht als Théra. Er konnte mit den Mäusen sprechen, er galt bei ihnen als großer Zauberer. Die Mäuse spürten seine Aura und die manchmal gefährliche, ja tödliche Kraft, die in seinen Händen lag. Sie wussten, dass Dennis verstand, was die Mäuse sagten. Er sprach ihre Sprache. Er hatte für die Mäuse eine Miete hinter dem Haus gebaut, in dem alle möglichen Essensabfälle landeten, von denen die Mäuse jetzt gut leben konnten. Er war gütig, er tat ihnen nicht weh und er bat sie manchmal um einen Gefallen. Aber Dennis war strikt, was dieses Verbot anbetraf. Die Mäuse achteten das Verbot des Mannes, der für sie „der Thénnis“ war. In den Augen der Mäuse war Dennis ein Gott.

Théra hatte längst gelernt zu krabbeln und sich überall an Gegenständen hochzuziehen. Sie machte ihre ersten Gehversuche. Ihre Laute wurden immer deutlicher, und sie konnte sich inzwischen mit all diesen Tieren unterhalten. Sie hatte begriffen, dass für die Mäuse eine eigene Futterkrippe hinter dem Haus angelegt worden war. Oft besuchte sie die Mäuse und sah ihnen beim Essen zu. Die Mäuse kannten Théra längst und liefen nicht weg. Vor Théra, vor Dennis und auch vor Para brauchten sie sich nicht zu verstecken. Die drei waren keine Gefahr für die Mäuse.

Mit acht Monaten konnte Théra nicht nur die Mäuse, sondern auch all die anderen Tiere rufen: Die Fliegen, die Spinnen und die Tausendfüssler. Es war ein Gemisch aus Lauten, Körpersprache und einem seltsamen Energiefeld, das Théra ausstrahlte und auf das diese Tiere reagierten. Théra konnte sie mit ihrem Energiefeld rufen und auch wieder wegschicken. Dennis und Para hatten diese Fähigkeit, und sie hatten auch Théra diese unbändige Kraft gegeben.

Théra verstand bald, dass Spinnen von dem Blut und der Körpersubstanz anderer Tiere leben. Sie sah, dass andere Tiere von Zucker, Hautschuppen, Holz, vom Saft von Pflanzen oder von Mehl leben.

Papa und Para erzählten ihr vieles von den Tieren.

Théras Mutter war im Sommer sehr beschäftigt. Sie nahm Théra anfangs mit in die Ausgrabung (die sie leitete), später übergab sie Théra an Dennis und Para, manchmal an ihre Freunde im Hotel, das nur fünfzig Meter neben ihrer Holzhütte lag. Théra lernte all diese Menschen als ihre Familie kennen. Als Menschen, die für sie da waren und die für sie sorgten.

In unmittelbarer Nähe wurde nun auch gebaut. Dort entstanden zwei riesige Hallen, die bis in den Himmel ragten (so kam es der kleinen Théra vor). Sie sah sich das staunend an. Sie sah die Betonmischmaschinen, die Schreiner und die Glaser, sie sah die Dachdecker und schließlich wurden oben auf dem Dach glitzernde Platten angebracht. Später würde sie lernen, dass das Sonnenkollektoren waren.

3.

Théra lernte andere Tiere kennen. Mit sechs Monaten sah sie erstmals einen Hund. Para hatte sich in einen kleinen Hund verwandelt. Sie fand das wunderbar. Zuerst war sie etwas erschrocken, aber das Fell dieses Tieres war weich, seine Schnauze feucht, es gab seltsame wuffende Geräusche von sich und es wedelte mit den Ohren und mit dem Schwanz.

Als Para sich dann in Menschengestalt zurückverwandelte, hatte Théra geweint. Sie verstand nicht, wohin dieses wunderbare kleine Geschöpf hingegangen war. Dann hatte Para wieder gewufft und gewinselt und er sprach mit Théra. Sie begriff bald, dass Para diese Sprache des Hundes sprechen konnte, und sie erlebte diese Verwandlung nun öfters. Sie erlebte, dass Para mal ein Hund und mal der Onkel Para sein konnte.

Dann hatten ihr Papa und Para diesen kleinen schwarzen Hund geschenkt, der so übermütig und lebhaft war und außerdem noch diesen kleinen wuschelweichen grauen Hund, der schon so große Pfoten hatte, als er noch ein Baby war.

Théra lernte schnell, sich mit diesen beiden Hunden zu verständigen. Während der kleine schwarze Hund nur wenig größer wurde, wuchs der kleine graue Hund sehr schnell, und er wuchs und wuchs und wuchs. Er hatte schon bald seinen wuschelweichen Welpenpelz verloren und er überragte Théra.

Manchmal nahm er Théra mit seinen Zähnen auf, wie ein Bündel. Er trug sie wie einen kleinen Hund, und er folgte dann Mama oder Papa mit Théra im Maul in die Küche oder ins Freie. Obwohl der graue Hund Théra gehorchte, wachte er stets über sie, und manchmal setzte er sich über ihren Willen hinweg, um sie Mama oder Papa nachzutragen.

Sie verstand bald, dass sie mit diesem Hund eine Art dritten Vater bekommen hatte. Sie nannte ihn Suse, weil Papa diesen Namen für angemessen hielt.

Damals wusste Théra noch nicht, dass es bei den Tieren Männchen und Weibchen gab. Suse war eine Hündin. Klar wusste Théra, dass Mäuse Kinder haben. Sie sprach mit ihnen. Es gab viele Mäusekinder, aber den Unterschied zwischen einem Mädchen und einem Jungen begriff Théra anfangs nicht. Wenn sie mit Papa und Mama alleine war, sah sie, dass Mama einen Busen hatte und Papa einen Pimmel. Sie durfte das auch anfassen. Papa und Mama erklärten ihr das, aber sie verstand das damals noch nicht.

Sie erlebte, wenn Papa und Mama Liebe machten. Meistens war das, wenn sie schlief. Sie spürte Geräusche, Bewegungen und Hitze. Manchmal wachte sie auf, und wurde dann von Papa oder Mama in die Arme genommen, bis sie wieder eingeschlafen war. Den Unterschied zwischen einem Jungen und einem Mädchen lernte sie erst später.

4.

Papa, Mama und Para waren viel unterwegs. Théra war mal bei dem einen, mal bei dem anderen in Obhut.

Dann gab es noch dieses große Haus, in dem so viele Menschen lebten. Einige davon waren immer da, andere waren nur kurz da und dann kamen andere, um wieder nur kurz da zu sein. Théra lernte schnell zu unterscheiden. „Bübchen“, Moses, der „kleine Spanier“ und ihre Tante Apanache waren immer da. Manchmal wurde Théra auch von Apanache oder von Bübchen herumgetragen. Es gab auch Personal, das immer da war. Théra lernte, zwischen den Hotelgästen zu spielen und in der Küche zu stibitzen.

Sie konnte noch nicht laufen, als sie all das kennenlernte. Sie krabbelte anfangs überall hin, und begann sich bald an Stuhlbeinen oder an den Hotelgästen wackelnd hochzuziehen. Es roch in der Küche gut und es gab dort immer irgendwelche Leckereien, Obst, Quarkspeisen, Pudding und Kuchen. Es gab auch verschiedene Gemüse, Fleisch und Fisch. Sie liebte es, von all diesen Dingen zu kosten. Jedes schmeckte anders. Es gab höllisch scharfe Schoten und verschiedene Kräuter und Nüsse, die an die Speisen gegeben wurden, um sie aromatischer zu machen. Da war dieser Koch, der eine so schwarze Haut hatte, und der ein Freund von Papa war. Er ließ sie naschen, er erzählte und sang mit Théra und er war unendlich geduldig. Manchmal schickte er sie mit einem Lachen aus der Küche. Sie wurde dann von Papa oder Apanache abgeholt. Er müsse jetzt mal was arbeiten, sagte er dann immer, die Gäste müssen versorgt werden. So erfuhr Théra langsam, das ein Dienstleistungsbetrieb bedeutet, dass man nicht immer für Théra da sein konnte. Théra lernte das, bevor sie in der Sprache der Menschen zu sprechen begann.

Théra hatte früh die gute Laune ihrer Mutter geerbt. Auch Papa und Para waren stets freundlich. Théra übernahm das als ihr „Markenzeichen“. Die Gäste im Hotel liebten dieses kleine und immer strahlende Wesen, und als Théra ihre ersten Laufübungen machte, durfte sie manchmal einen Teller an die Tische bringen. Mit ihren kurzen und wackeligen Beinen war das nicht immer einfach. Manchmal verschüttete sie etwas, doch sie lernte schnell, den Teller gerade zu halten und ganz vorsichtig einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Erstaunlicherweise nahm ihr nie jemand übel, wenn sie etwas verschüttete. Sie lernte aber bald, dass man es besser machen konnte. Sie lernte zu unterscheiden zwischen richtig und falsch.

Manchmal wurde sie von den Zimmermädchen mitgenommen. Sie sah zu, wie Betten abgezogen wurden, wie Staub gewischt wurde, wie Waschbecken und Toiletten mit einer scharfen Flüssigkeit ausgewaschen wurden und wie die Betten mit herrlicher duftender Wäsche frisch bezogen wurden.

Das Leben war für Théra wie ein Schlaraffenland.

Sie lernte schnell, dass es Grenzen gibt. Nicht alles war erlaubt. Mama, Papa, Para und die anderen zeigten ihr, dass Tabus und Verbote eingehalten werden müssen. Sie waren in vielen Dingen nachsichtig, in anderen Dingen waren sie streng. Théra probierte bald aus, die Grenzen zu überschreiten, aber die Menschen um sie herum, die wirklich wichtig für sie waren, so wie Mama oder Papa, ließen sich in wichtigen Dingen nur anfangs auf Verhandlungen ein.

Manchmal ließen sie es zu, dass Théra die Grenzen überschritt, aber oft wurde sie belehrt, später wurde sie hinausgeschickt, in die Arme genommen oder weggebracht, wenn sie störte. Wenn sie dann trotzig wurde, dann waren es besonders Papa und Para, die sie liebevoll ablenkten, neckten und ihr erklärten, dass Tabus wichtig sind, um zusammenleben zu können.

Einmal hätte sie in der Küche beinahe einen Großbrand verursacht. Sie hatte Fett verschüttet, es war in Flammen aufgegangen. Eine richtige Stichflamme. Ihre Haare und Augenwimpern wurden versengt. Sie war auf den Boden gefallen, und Théra hatte ein paar schlimme Brandwunden an den Händen und den Armen, die bald höllisch weh taten. Sie weinte vor Schreck und Schmerz. Einer der Köche hatte das Feuer sofort mit einem Schaumlöscher zum Stillstand gebracht, aber das Essen war verdorben. Die Küche kam ziemlich in Unordnung. Damals lernte Théra, dass Regeln wirklich wichtig sind. Sie wurde nicht ausgeschimpft, sie wurde getröstet und gepflegt, und sie erlebte durch dieses Ereignis, dass sie nicht nur sich selbst in Gefahr gebracht hatte, sondern auch alle anderen Menschen, die dort in der Küche arbeiteten.

Papa hatte ihre Brandwunden gekühlt und später mit ihr noch einmal ein Feuer angezündet, im Freien. Sie lernte dort, was Flammen für eine Kraft haben. Sie sah zu, wie sie das Holz verzehrten. Papa hatte aber auch einige Kartoffeln in Folie gepackt und in die Asche gelegt. Er hatte zwei Stöcke aufgestellt und Würstchen aufgespießt, die er mit Théra über dem Feuer briet. Die Kartoffeln und die Würstchen waren heiß, aber sie schmeckten köstlich.

Théra hatte an diesem Abend erfahren, wie vorsichtig ihre beiden Hunde mit dem Feuer umgingen. Suse hatte sie einmal von hinten pepackt und von dem Feuer weggezogen. Sie blieb stets in Théras Nähe und hatte ihre Augen überall.

Manchmal sprühten Funken und es knisterte. Sie sah, wie ihr kleiner Hund (den sie Konni getauft hatte) dann die Flucht ergriff. Sie sah Suse manchmal zucken, und sie sah, wie Suse sie anblickte, um sofort einzugreifen, wenn es gefährlich wurde.

Das Verhalten der Tiere zeigte Théra, wie gefährlich Feuer wirklich sein konnte. Die Hunde hatten vor dem Feuer einen riesigen Respekt, obwohl sie sich später unweit des Feuers niederlegten, um die Wärme in sich aufzunehmen.

Papa hatte genickt und erklärt. Lerne stets von den Tieren. Sie sind in vielen Dingen viel klüger als wir Menschen. Papa ließ einige Kartoffeln abkühlen. Théra gab sie den Hunden zum Dank für ihre Fürsorge. Von den Würstchen bekamen die Hunde nichts. Die Gewürze in den Würsten sind nicht gut für die Hunde, sagte Papa.

So lernte Théra zu unterscheiden zwischen der Gefahr und dem Nutzen des Feuers. Sie lernte, dass das auch für andere Dinge galt. Das Wasser des Flusses konnte gefährlich werden. Es gab im Hotel und auch Zuhause Anweisungen und Regeln. So lernte sie etwa, dass es für die Zimmermädchen einen Kleiderkodex gab, auf den strikt geachtet wurde. Sie lernte, dass die Wachen des Hotels ihr manchmal sagten, sie dürfe sie jetzt nicht stören, sie hätten etwas wichtiges zu tun.

Manchmal standen die Wachen dann nur still in der Ecke des Raumes und beobachteten die Umgebung völlig bewegungslos. Théra verstand das anfangs nicht. Sie taten doch nichts. Dasselbe Verhalten sah Théra bald auch bei den Kellnern und bei vielen anderen im Servicebereich des Hotels. Es gab offenbar geheime Zeichen, dann setzten sie sich plötzlich in Bewegung, brachten einem Gast Essen, Trinken oder eine Serviette. Théra lernte, dass das Leben manchmal nur aus warten, beobachten und einem sehr kontrollierten Handeln bestand. Alles schien in einer seltsamen Art der Ordnung miteinander verwoben zu sein.

Théra bekam zunächst nur ein sehr vages Gefühl für eine Art innere Ordnung, die das Leben bestimmt.

Para hatte ihr das einmal erklärt. Sie saßen in der Holzhütte. Sie beobachteten die Ameisen und Para erklärte Théra, dass auch die Ameisen Gesetze und Regeln haben, die bestimmen, wer als Späher unterwegs war, wer das Futter besorgt und wer als Krieger galt. Théra hatte mit den Ameisen Kontakt aufgenommen und die Ameisen erzählten ihr, dass es da ein System gab, welches das Überleben des Stammes sicherte. Ohne Regeln würden die Ameisen nicht überleben, sagten sie.

Théra war sehr beeindruckt.

Théra verstand langsam immer klarer, dass dies auch bei den Menschen nicht anders war.

Manchmal wurde sie von Para oder Papa mitgenommen zum Fluss. Das Wasser war kalt. Sie badeten. Sie bespritzten sich gegenseitig mit Wasser. Papa legte sie auf seine starken Arme und übte mit ihr schwimmen. Dann schallte ihr glockenhelles Lachen durch das Tal und die Arbeiter, die verstaubt in den Ruinen der alten Stadt standen und nach Schätzen gruben, sahen sich an, und sie lächelten sich gegenseitig zu. Kinder bedeuteten für die Indios Leben. Alle kannten dieses kleine Mädchen, das ihre Mutter Théra genannt hatte, die Tochter der Sonne. Sie war wirklich wie eine kleine Sonne. Théra hatte eine warme Ausstrahlung und sie steckte mit ihrem Lachen alle an.

Théra wurde von Para und Papa ein paar Mal mitgenommen in das Tal des Wasserfalls. Es lag eine Tagesreise entfernt. Es gab dort Wald, Wiesen, einen kleinen Fluß und ein paar Holzhäuser. Théra lernte dort andere Kinder kennen. Viel größere. Sie machte die Bekanntschaft von Hühnern, Gänsen, Ziegen, Lamas und Maultieren. Sie lernte, dass es auch in diesem Tal eine Ordnung gab, die alles zusammenzuhalten schien. Jeder hatte seine Aufgabe und Théra lernte sehr schnell, dass es unter den Hühnern, den Gänsen oder den Maultieren auch eine Ordnung gab. Es gab bei den Tieren Anführer und es gab Regeln. Théra schloss sich mit den Tieren kurz. Sie hörte ihnen zu, sie stellte Fragen und sie beobachtete.

Jetzt begann sie Papa und Para wirklich zu verstehen.

Es gab überall eine Ordnung und das war wichtig, um das Zusammenleben friedlich zu gestalten. Papa hatte zwei Lieblings-Lamas, die bei den anderen Lamas unangefochten als die Leittiere der Gruppe galten. Sie sah bei den Tieren aber auch, dass es dort manchmal Rangstreitigkeiten gab.

Bei den Maultieren bekam sie einmal eine Beisserei mit. Sie lernte, dass die Tiere um die Machtposition in der Gruppe kämpfen, um den Weibchen zu gefallen.

Théra war noch kein Jahr alt, aber die Fürsorge von Para und Papa, ihre Fähigkeit, mit den Tieren zu sprechen, ihre Beobachtungsgabe, ihre Unbekümmertheit und ihr wacher Geist zeigten ihr all das immer klarer auf. Sie lernte, die Welt mit ihrer kindlichen Auffassungsgabe und der Kraft des Tunnels zu begreifen.

Überall wo sie war, wurde sie mit Freundlichkeit aufgenommen, von den Menschen und auch von den Tieren. Das prägte Théras Verhalten.

5.

Unten am Fluß gab es eine Siedlung aus Holzhäusern. Dort wohnten viele Menschen. Es waren Indios, wie sie selbst. Alle diese Indios arbeiteten in der Ausgrabung, die Mama befehligte. Es gab dort aber auch einen Laden. Para, Papa und Mama gingen manchmal mit ihr dahin. In dem Laden gab es alles zu kaufen. Es waren immer irgendwelche Käufer da. Manche brauchten Zucker, andere Getränke, ein Sägeblatt, eine Sense oder ein Brot. Andere wiederum kauften sich Kleidung, Schuhe oder einen Hut. Hier erhielt Théra ihre erste indianische Kleidung. Ein Hemd aus Leinen, Sandalen, und einen Poncho, den sie überziehen konnte, wenn es regnete.

Sie erhielt auch ein Kopftuch und einen Hut. Mama hatte ihr erklärt, sie sei eine Quechua. Darauf müsse sie stolz sein. Ein Quechua Mädchen müsse indianische Kleidung tragen.

Viele der Indios hatten Instrumente. Panflöten, Rasseln, Trommeln, Gitarren und verschiedene andere Zupf-, Streich-, und Blasinstrumente. Abends wurde viel musiziert. Die Indios sangen und tanzten, und oft saßen sie zusammen und lernten miteinander.

Für Théra war das wunderbar. Mama sang oft mit. Jeder, der ein Instrument spielen konnte oder singen konnte, der durfte mitmachen, egal wie falsch das klang. Auch Théra mischte sich mit ihrer kindlichen Stimme ein. Anfangs sehr schüchtern und leise. Später trällerte und sang sie, wobei sie bald darauf achtete den Takt und die Töne zu treffen. Mama machte ihr das vor. Théra sang Mama einfach nach.

Es gab hier einen Imbiss mit einem großen Hof, in dem viele Tische und Bänke standen. Einfach und roh zusammengezimmert. Mama, Papa und Para aßen oft dort. Sie ließen Théra kosten. Es schmeckte ganz anders als im Hotel. Théra lernte den Unterschied zwischen indianischem Essen und der gehobenen Küche kennen, die im Hotel gepflegt wurde. Sie konnte nicht sagen, was besser war. Beides war gut, aber beides war anders. Sie sah auch immer wieder Gäste, die sie schon aus dem Hotel kannte. Sie liebten diese Zusammentreffen der Indios genauso wie Théra.

Nun vielleicht nicht genauso. Für die Fremden war das exotisch. Es war Urlaub. Für Théra war das ihre Kultur, ihre Lebensart. Die Menschen lebten auch in Holzhäusern, so wie sie und Mama. Sie sprachen eine eigene Sprache, die Sprache der Quechua und der Aymara Indianer. Die Fremden sprachen mexikanisch, amerikanisch, deutsch oder etwas anderes. Sie verstanden vieles nicht.

Théra hatte das indianisch und das spanisch von Anfang an gehört. Beides wurde „Zuhause“ gesprochen. Außerdem kannte sie von Dennis und Para diese Tiersprache, und sie lernte auch diese universelle Sprache zu verstehen und zu sprechen, die Papa und Para manchmal benutzten.

Außerdem sprachen Para und Papa manchmal in einem indianischen Dialekt, den Mama nicht verstand. Später sollte sie verstehen, dass dies die Sprache der Théluan und der Peruan gewesen war. Auch diese Laute verstand Théra seltsamerweise.