Er steht da, ziemlich sicher noch auf den Beinen. »Firma heißt?«
»Klemmzig und Lange«, sagt Kufalt atemlos, während der Krüger Adi mit einem Stadtplan grinsend im Hintergrund auftaucht.
»Klemmzig«, sagt Berthold und macht einen Griff mit der Hand. »Klemmt sich was, siehste, Strohkopf? – Lange …«, sagt Berthold und macht einen Griff mit der Hand. »Langt sich was, siehste, Idiot? Barmbeck – barmt sich was, hörste, Flachkopf? Grüß die anderen Trottel von mir, grüß sie schön, grüß sie vom Berthold …«
Kufalt ist längst fortgeschossen, das Hirn erleuchtet von zehntausend Kilowatt Kerzen.
Die sieben Reingelegten hatten einen einzigen Trost: die Abrechnung mit Herrn Patzig am nächsten Tag. Umsonst! Umsonst! Kein Patzig ließ sich sehen.
»Hat deine Stelle im Export bekommen, todsicher«, flüstert Kufalt zu Maack.
»Darum hat er auch so angegeben, feiger Stubben der, feiger.«
»Den erwischen wir doch noch mal«, sagt Jänsch zu den beiden und streicht an ihnen vorbei zum Farbbandkasten.
»Mein Farbband wird auch so grau«, sagt Maack zu Kufalt und streicht nach.
»Ich muss doch auch mal …«, sagt Kufalt zu niemandem als zu sich selbst und stellt sich zu denen.
»Vielleicht hat er doch bei Jauch gequatscht«, sagt Jänsch zu Maack.
»Musst du auch hier stehen!« protestiert Maack gegen Kufalt. Und zu Jänsch: »Hoffentlich nicht. O Gott, nun kommt auch noch Deutschmann! Mensch, wenn Jauch uns hier zusammen sieht …?«
»Farbband ganz blass«, knurrt Deutschmann. »Und Jauch telefoniert endlos. Ich kann’s von meinem Platz durch die Tür hören. Wegen einem großen Auftrag. Ich denk immer …«
»Genau wie ich«, unterbricht ihn Maack. »Der Stubben, der Patzig, hat uns zuerst gar nicht verkohlen wollen. Mit dem Auftrag auf Dreihunderttausend, das stimmt, das geht in Ordnung. Erst wie wir ihn dann so gebettelt haben wegen der Adresse, da ist er auf die Idee gekommen, uns reinzulegen.«
»Das kann stimmen«, pflichtet Kufalt bei. »Vielleicht reist er selber auf die Tour mit dem großen Auftrag?«
»Aber er kann ihn doch nicht allein machen.«
»Wer weiß, mit wem er die Sache schieben will!«
»Wer will die Sache schieben …?!!« sagt direkt zwischen ihnen Jauchs böse Stimme. Die vier, in ihrem Farbbandeifer, sie haben nicht die plötzlich tiefe, nebengeräuschfreie, arbeitsam schmetternde Stille der Schreibstube beachtet, auch nicht das warnende Räuspern Sagers.
Jauch steht unter ihnen, rot angelaufen, beinahe zitternd vor Wut. »Hier wird wohl ein Verbrechen verabredet, ja, meine Herren? Hier reißen ja Zustände ein, Zustände …«
Er steigert sich zum Schreien. Die Tür zum Nebenzimmer öffnet sich, die Köpfe der beiden nicht vorbestraften Mitarbeiterinnen erscheinen, die größere, die Zibbe, sagt: »Nicht so laut, Herr Jauch. Es sitzt doch Kundschaft in der Diktatstube.«
Und sie schauen ungeniert weiter der Szene zu.
»Wir haben«, sagt Maack, »über Herrn Patzig gesprochen, wie der das wohl geschoben hat –: Die Aushilfsstelle im Export sollte ich doch kriegen. – Wegen Verbrechen und so aber werde ich mich bei Herrn Pastor Marcetus beschweren.«
Maack ergreift ein Farbband und geht ruhevoll an seinen Platz.
»Ich dito!« sagt Jänsch. »So was haben Sie überhaupt nicht zu sagen, in Gegenwart von denen …«
Kopfbewegung zur Tür mit den Mädchen, und mit einem Farbband geht auch er.
»Ich werde Strafantrag gegen Sie stellen, Herr Jauch«, sagt Deutschmann empört und verschwindet an seinen Platz.
»Meine Herren …«, sagt Jauch atemlos, hilflos. Die ganze Schreibstube glotzt auf ihn. Kufalt will sich wortlos drücken.
»Das ist alles, seit Sie hier sind, Herr Kufalt«, brüllt Jauch in einem neuen Wutanfall. »Halt! Kommen Sie mit! Kommen Sie mit auf mein Zimmer.«
»Lass dir nichts gefallen von dem, Willi«, flüstert Maack ziemlich deutlich.
Und Kufalt, verloren, zerfallen – warum habe ausgerechnet ich immer das Pech? –, und Kufalt zottelt brav hinter Jauch in seine Stube, deren Tür er hinter dem Schreibstubenvorsteher höflich schließt.
Aber noch kommt nicht der gefürchtete Ausbruch. Jauch zwar rennt auf und ab wie ein Stier, der stoßen möchte. Aber schon geht er langsamer, hebt den Kopf, betrachtet einmal die Gestalt an der Tür, geht weiter, nimmt ein Blatt vom Schreibtisch.
Und schließlich stellt er sich ans Fenster und sagt – zum Fenster, nicht zu Kufalt: »Bankier Hoppensaß bekommt viele Bettelbriefe von Vorbestraften. Das hat sich herumgesprochen, dass es sein Steckenpferd ist, Vorbestraften zu helfen, ja.«
Er macht eine lange Pause, Kufalt wartet.
»Bankier Hoppensaß«, sagt Herr Schreibstubenvorsteher Jauch, nicht mehr zum Fenster, sondern mehr gegen die Schreibtischlampe hin, »Bankier Hoppensaß hat eine Idee gehabt, über die ich mir kein Urteil erlaube. Er will jetzt die Recherchen, ob die sich an ihn wendenden Strafentlassenen würdig oder unwürdig sind, durch einen Strafentlassenen machen lassen. Er meint, der wüsste am ersten Bescheid. Ja.«
Kufalt hält den nachdenklich betrübten Blick der bösen Schweinsäuglein drüben aus. Wäre ein herrlicher Posten für mich, ist sein erster Gedanke. Krieg ich doch nie. Mit Speck fängt man Mäuse, sein zweiter.
»Wir sollen ihm also jemand Vertrauenswürdigen empfehlen, ja, Herr Kufalt …?«
Stille. – Lange Stille.
Dann sagt Kufalt, schluckend, aber mit wilder Entschlossenheit: »Wir haben wirklich nur darüber gesprochen, warum Patzig den Aushilfsposten im Export bekommen hat. Patzig schreibt kaum besser als ich.«
»So«, sagt Herr Jauch trocken. »Ihre Ansicht«, sagt Herr Jauch böse. »Ich will Ihnen was sagen«, setzt Jauch an, kommt aber nicht zu dem, was er Kufalt zu sagen hat, denn das Telefon klingelt.
»Schreibstube Presto. – Ja, Herr Jauch ist selber am Apparat. – Wie? Wir müssen endlich zum Abschluss kommen? Ich soll mich entscheiden? – Aber natürlich! Elf Mark ist schon sehr niedrig. Nur weil es dreihunderttausend sind, sonst immer zwölf. – Ihr Adressenmaterial schreibt sich glatt runter? Ja, da müsste ich doch Ihr Adressenmaterial erst mal sehen. – Schön, schön, wenn es sehr gut ist, vielleicht noch eine halbe Mark weniger, ich würde dann sofort mit Herrn Pastor Marcetus sprechen. – Nein, nein, Sie bekämen heute Nachmittag endgültige Nachricht. – Na also, ich komme dann sofort, in einer Viertelstunde bin ich bei Ihnen.«
Jauch hängt den Hörer an. Er hat Kufalt ganz vergessen. Jetzt entdeckt er ihn neben der Tür, aufmerksam die Rückentitel von Nienkammers Güteradressbuch studierend.
»Ich habe jetzt keine Zeit für Sie«, sagt er mürrisch. »Ich muss sofort weg. Wir sprechen uns aber noch nachher.«
»Darf ich noch um etwas bitten?« fragt Kufalt und ist von einer ungewohnt schmeichlerischen Demut. »Ich habe so wahnsinnige Zahnschmerzen. Darf ich nicht mal gleich zum Zahnarzt?«
»Ich kann Ihnen jetzt keinen Schein fürs Wohlfahrtsamt ausschreiben«, erklärt Jauch. »Heute Mittag.«
»Ich geh von meinem Geld, Herr Jauch. Ich will Ihnen doch keine Scherereien machen.« Und ängstlich: »Zahnziehen kostet doch sicher nicht mehr als anderthalb Mark?«
»Ich muss weg«, sagt Jauch.
»Ich mach auch ganz schnell«, erklärt Kufalt. »Ich halt’s wirklich nicht mehr aus.«
»Also meinethalben«, sagt Jauch und rennt aus seinem Zimmer.
Kufalt huscht wie ein Wiesel durch die Schreibstube, im Vorbeilaufen flüstert er Maack zu: »Hat doch nicht gelogen, der Patzig«, und ist schon aus der Tür. – Sicher hat Maack sein hastiges Flüstern gar nicht verstanden.
Mantel und Hut – was das alles dauert! Jauchs Schritt ist schon nicht mehr auf der Treppe zu hören, ach, alles kommt darauf an, dass Jauch nicht fährt, dass er zu Fuß geht. Kufalt kann nicht fahren, er kennt seinen Kassenbestand in der Tasche genau: ein Groschen gleich drei Juno. (Lieber nicht mehr mitnehmen, man kommt doch nur in Versuchung, es auszugeben.)
Straße. Blick nach rechts, Blick nach links: kein Jauch mehr. Unschlüssig stehen hilft nichts, nach dem Stadtinnern zu? Nach den Vororten zu? Textilhaus – also ins Zentrum! Kufalt läuft.
An der nächsten Straßenecke sind es schon drei Möglichkeiten. Kufalt rennt blindlings rechts um die Ecke. Die reine Wilde-Gänse-Jagd – es ist sinnlos.
Kein Jauch. Kein Jauch. So viele Menschen. Kein Jauch. Umkehren? Umkehren!
Kufalt läuft zurück, er kommt wieder an die Kreuzung, die Verkehrsampel ist rot, aber hat er Zeit zu warten? Er hat keine Zeit. Er stürzt zwischen Autos und Elektrische, ist plötzlich eingekeilt, einer flucht, er drängt zurück, wieder auf das alte Trottoir – und, als er sich umsieht, siehe, wer kommt aus dem Eckzigarrengeschäft, eine Zigarre qualmend? Nu, nu, der Herr Jauch!
»Na, Kufalt, wo gehen Sie denn lang?«
»Hier rauf.« Er deutet. Er weiß ja kaum in Hamburg Bescheid, wenn der nach der Straße und dem Namen des Zahnarztes fragt …!
Aber er fragt nicht.
»Machen Sie nur schnell. Sie wissen, Sie haben diese Woche achtzehn Mark zu schaffen. Mit oder ohne Zahnschmerzen. Sie verstehen mich doch? Entschuldigungen gibt’s nicht.«
»Ja«, sagt Kufalt demütig, zieht seinen Hut und bleibt zurück.
Dann schiebt er Jauch, gedeckt von einem Pärchen, nach. Der wandelt dahin, mit dem federnden Zehenspitzenschritt der Dicken, wohlgemut paffend, und wenn er sich einmal umdreht, so sicher nicht nach Kufalt sondern mehr nach den jungen Mädchen in ihren leichten Blusen, mit ihren bloßen Armen, auf ihren raschen Beinen.
»Pickelhengst, verdammter«, flüstert Kufalt und entert sicherheitshalber die andere Straßenseite, um sich besser zu verbergen.
Jauch entert sie ebenfalls. Kufalt wechselt zurück und sieht Jauch um eine Ecke drüben verschwinden. Kufalt nach – oh, welch unangenehm leere Straße! Hier wird’s schwer. Er muss ziemlich zurückbleiben. Jauch um die Ecke, Kufalt Dauerlauf nach. Und Herr Jauch ist weg. Wie sagt man? Vom Erdboden verschluckt!
Kufalt steht keuchend. Also war es doch umsonst! Weg, endgültig weg, in einem dieser Häuser.
Schließlich besinnt sich Kufalt auf seinen Verstand und bedenkt, dass eine Textilfirma einen Laden oder mindestens ein Schild an der Haustür hat, dass höchstens zehn, zwölf Häuser in Frage kommen – und er fängt an zu suchen.
Laden? Nein, keiner. Und Firmen – an fünfzehn Häusern finden sich zwei Schilder, die in Frage kommen: »Lemcke & Michelsen, Kinderkonfektion en gros« und »Emil Gnutzmann, Stielings Nachf., Textil-Versand«.
Alles in Butter, denkt Kufalt erleichtert, fasst hinter einer Anschlagsäule Posto und sieht richtig zwanzig Minuten später Herrn Jauch aus dem Haus treten, stehenbleiben, gegen den Himmel schauen, eine Zigarre aus der Tasche holen, sie abschneiden, anbrennen, zur Straßenecke gehen, rumsteuern …
Und Herr Jauch macht kehrt, geht schlank auf Kufalts Anschlagsäule zu, Kufalt zirkuliert angstvoll, immer rum um die Säule. Von welcher Seite kommt er? Wenn ich ihm nun direkt vor den Bauch renne?! Hat das Aas mich gesehen – und schon verschwindet Herr Jauch in einem hübschen, kleinen, verhängten Café, und Kufalt begreift plötzlich: Jauch ist direkt vor dem Abschluss, er telefoniert nur noch Marcetus!
Kufalt steht da, immer noch hinter der Litfasssäule, er denkt ganz schnell: Es geht uns weg, es geht uns weg! So ’ne schöne Chance, solch großer Auftrag kommt höchstens zweimal im Jahr … Ich müsste raufgehen. In einer Woche sitze ich doch auf der Straße, achtzehn schaffe ich nicht, solange Liese … Wenn er da hinter den Gardinen sitzt, komme ich nicht mal ungesehen über die Straße. Es ist Wahnsinn, ich gehe um die Ecke, ich gehe auf die Schreibstube, Berthold müsste hier sein, vielleicht schaffe ich doch achtzehn …
Und wagt es und läuft schon und steht im Eingang von Emil Gnutzmann, Stielings Nachfolger, und schielt nach dem Café, ob dort die Tür sich öffnet, ob hinter den Gardinen Jauchs verfluchende Faust erscheint …
Langsam steigt Kufalt die Treppe empor. Beruhigend ist es wenigstens zu wissen, dass man einen tadellosen Anzug trägt, den blauen, mit den weißen Nadelstreifen, dass man ein schickes Oberhemd anhat, dass man überhaupt nicht nach Vorbestraftheit riecht (wenn man sich nur richtig benimmt), sondern dass man so aussieht, wie ein Kufalt eben in seinen besten Tagen aussehen kann.
»Chef zu sprechen?« fragt Kufalt in dem gemacht munteren Ton, den er vor manchem Jahr auf manchem Büro von manchem Geschäftsreisenden gehört.
»Um was handelt es sich denn, bitte?« fragt das nette blonde Fräulein in der Anmeldung mit jenem gemacht höflichen Ton, der in jedem Büro für jeden Unerwünschten von jedem Angestellten mühelos bereitgehalten wird.
»Um den Adressenauftrag«, sagt Kufalt und horcht nach dem Treppenhaus, in dem ein Schritt hörbar wird.
»Das bearbeitet Herr Bär«, sagt das Fräulein. »Aber ich glaub, der Auftrag ist schon vergeben. Augenblick mal. Wenn Sie solange Platz nehmen wollen?«
Der Schritt ist vorbeigegangen, aber deswegen wagt Kufalt doch nicht, sich hinzusetzen, jeden Augenblick kann Jauch eintreten. Er geht auf und ab, sein Herz klopft gewissermaßen im Halse, der Mut der Feigen ist mal wieder weg.
O Gott, in was habe ich mich da eingelassen!
»Herr Bär lässt bitten«, sagt das Fräulein und geht Kufalt voran. Die Tür der fatalen Anmeldung schließt sich hinter ihm, erst einmal ist Kufalt sicher.
»Sie wünschen?« fragt Herr Bär kurz und schneidig.
Kufalt verbeugt sich. Er hat sich Herrn Bär als einen ältlichen, sorgenvollen, dicken Herrn vorgestellt und findet einen jungen, gutgepflegten Sportsmann.
»Wir haben gehört«, sagt Kufalt, aus seiner Verbeugung auftauchend, »dass Sie einen größeren Adressenauftrag zu vergeben haben. Meiner Firma würde sehr viel an diesem Auftrage liegen. Wir sind eine ganz junge Firma, wir machen Ihnen daher Kampfpreise, die von keiner Seite unterboten werden können.«
»Und diese Preise …?«
»Wenn das Adressenmaterial einigermaßen glatt zu schreiben ist, würden wir sagen: zehn Mark fürs Tausend.«
Das Gesicht des jungen Herrn Bär verdüstert sich. »Der Auftrag ist so gut wie vergeben. Ich bin gewissermaßen im Wort.«
Er sieht Kufalt fragend an.
»Nun«, sagt Kufalt hastig. »Wir würden es schließlich für neun Mark fünfzig machen.«
»Neun Mark«, sagt Herr Bär. »Und ich würde sehen, dass ich aus meinem Worte komme.« Kufalt zögert, und Bär erklärt: »Wenn ich mir die Unannehmlichkeiten schon mache, muss es sich wenigstens lohnen.«
»Neun Mark fünfundzwanzig«, setzt Kufalt an, als die Tür sich öffnet, die hübsche Anmeldedame hereinschaut und sagt: »Herr Jauch ist jetzt da, Herr Bär.«
Kufalt sieht fassungslos zur Tür … gleich wird sie sich öffnen … sein Schreibstubenvorsteher … und er in Konkurrenz mit ihm … er ist doch bloß ein entlassener Strafgefangener … und außerdem ist er beim Zahnarzt … Aber gesetzlich ist es verboten, dass man jemandem öffentlich vorwirft, er ist vorbestraft … oder ist es in so einem Falle erlaubt …?
»Soll warten«, knurrt Herr Bär. Und zu Kufalt: »Ihr Konkurrent, wissen Sie. Der macht es für achteinhalb.«
»Nicht unter zehneinhalb«, sagt Kufalt. »Den kenn ich doch.«
»So«, sagt Herr Bär. »Wie heißt übrigens Ihre Schreibstube?«
Kufalts Gehirn versagt … schnell einen Namen! Nur schnell einen Namen!
»Cito … Presto«, sagt er atemlos. Und ruhiger, es war gewissermaßen ein Kurzschluss in seinem Hirn: »Schreibstube Cito-Presto.«
»Ach nee!« lacht Herr Bär. »Sie überbieten Ihre Konkurrenz doppelt. Na ja. Und wann könnten Sie anfangen?«
»Morgen früh«, sagt Kufalt und ihm schwindelt. Keine Schreibmaschinen – kein Geschäftslokal – und Telefon müsste eigentlich auch sein.
»Und wie viel würden Sie täglich abliefern?«
»Zehntausend.«
»Schön. Macht einen Monat. Nee, noch fünf Tage drüber, wenn wir die Sonntage abrechnen.«
»Wir würden in einem Monat dreihunderttausend liefern.«
»Sch-ö-n«, sagt Herr Bär nachdenklich und betrachtet Kufalt, denkt dabei aber sichtlich an etwas anderes. »Sie können dann morgen früh Umschläge und Adressenmaterial abholen lassen. Wo, sagten Sie, ist Ihr Geschäftslokal?«
»Wir sind gerade im Umzug«, sagt Kufalt hastig. »Wir sind noch nicht dort und nicht mehr hier. Sobald wir übergesiedelt sind, gebe ich Ihnen unsere Adresse.« Und denkt verzweifelt: Welch ein Stuss, ich muss doch wissen, wohin wir ziehen!
Aber Herr Bär ist noch immer mit seinen Gedanken anderswo.
»Na schön«, sagt er gedankenvoll. Und plötzlich lebhaft: »Wissen Sie, hören Sie mal …« Er unterbricht sich: »Ich weiß noch nicht mal Ihren Namen, Herr …«
Es kann ja irgendwie schiefgehen, wozu soll ich mir die Sache ans Bein binden? Draußen sitzt Jauch …, denkt Kufalt. Und sagt hastig: »Meierbeer ist mein Name. Meierbeer!«
»Mit dem Komponisten verwandt? Oder hinten mit mir? Hähä!« Herr Bär lacht. »Also, Herr Meierbeer, würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Sie über den Lieferantenausgang hinausließe? Sie wissen, Ihr Konkurrent, Herr Jauch … ich bin da gewissermaßen im Wort … ich muss das irgendwie drehen – Sie verstehen?«
»Aber gerne!« lacht Kufalt erleichtert, und sein Herz beginnt ruhiger zu klopfen. Er begreift plötzlich, dass er heute seinen Glückstag hat. »Wäre mir ja auch peinlich, wenn die Konkurrenz sähe, ich habe ihr den Auftrag weggeschnappt.«
»Na also!« sagt Bär. »Dann kommen Sie man.«
»Wie viel Drucksachen legen Sie denn überhaupt ein?« fragt Kufalt plötzlich.
»Ach, nicht schlimm«, tröstet Herr Bär. »Einen achtseitigen Prospekt falzen und eine Bestellkarte in den Falz.«
»Bestellkarte einlegen macht auch wieder Extraarbeit.«
»Ist ja nicht so schlimm«, tröstet Herr Bär.
»Na, erlauben Sie mal, bei dreihunderttausend! Das sind mindestens vier, fünf Arbeitstage extra!«
»Also neun Mark«, sagt Herr Bär und hält die Hand hin. »Neun Mark fünfzig ist das Äußerste«, sagt Kufalt und versteckt die seine.
Herr Bär entrüstet sich: »Erlauben Sie mal, Sie haben schon neun Mark fünfundzwanzig gesagt.«
»Nicht mit einer Antwortpostkarte«, sagt Kufalt. Er steht auf der obersten Treppenstufe, Herr Bär auf einem Absatz vor der Tür.
»Also lassen wir es«, sagt Herr Bär und nimmt seine Hand wieder an sich. »Herr Jauch wartet.«
»Sie müssen uns auch leben lassen«, sagt Kufalt, sicher, dass Jauch es nie für den Preis tut. »Und Sie bekommen von uns Adressen sauber wie von keiner Firma.«
»Das sagen Sie alle!« grollt Herr Bär. »Nachher kommt die Hälfte unbestellbar zurück.«
»Dann kann es nur am Adressenmaterial liegen.«
»Nicht bei uns, unsere Adressen stimmen alle.«
»Das sagen nun wieder alle Adressenauftraggeber«, lächelt Kufalt.
»Also sagen Sie ein vernünftiges Wort, Herr Meierbeer«, sagt Herr Bär und lächelt, von Neuem bezwungen durch den Namen. »Schreiben Sie sich eigentlich mit a-Umlaut wie ich?«
»Nein, mit Doppel-e«, erklärt Kufalt. »Neun fünfzig.«
»Also sagen wir neun fünfundzwanzig, hier ist meine Hand.«
»Ich will ja auch nicht so sein«, besänftigt sich Kufalt. »Neun vierzig.«
»Herr Jauch sagt, er kann nicht länger warten«, erklärt die Anmeldedame.
»Herr Jauch kann mir …!« schreit Herr Bär wütend. Und einlenkend: »Nein, halt, nein, Fräulein, er kann nicht. Er soll nur noch drei Minuten warten.« Bittend zu Kufalt: »Neun dreißig.«
»Neun fünfunddreißig«, sagt Kufalt. »Meinethalben. Aber bar Kasse alle Zehntausend bei Ablieferung.«
»Abgemacht«, sagt Bär. »Bestätigen Sie mir das schriftlich. Ich gegenbestätige es Ihnen dann.«
»Gemacht«, sagt Kufalt. Und nun treffen sich die Hände. »Also morgen früh …«
»Ich danke auch namens meiner Firma bestens für den Auftrag«, sagt Kufalt, plötzlich wieder sehr formell. Er schüttelt nochmals die Hand des anderen. »Auf weitere gedeihliche Geschäftsverbindung!«
Er steigt würdig treppab, während Herr Bär sich zögernd dem Falle Jauch und seinem zu drehenden Worte zuwendet.