Die Handtasche ist ein ärmliches, abgegriffenes Ding aus irgendeinem schwarzen Stoff, ohne jeden Geldinhalt. Aber sie riecht stark nach irgendeinem Parfüm. Sie hat ihm die Träume und Begierden eingegeben, die das Mädchen nicht hatte hervorrufen können.
Er ist sehr zeitig ins Bett gegangen. Nein, er will nicht mehr ausgehen. Es wird alles zu gefährlich. Er muss nun bald irgendwelche Beschlüsse fassen, aber nicht heute Abend mehr. Vielleicht morgen früh. Heute Abend hat er zu viel getrunken. Es dreht sich angenehm langsam in seinem Kopf. Er legt ihn auf die Handtasche, und nun ist ihm ganz so, als führe er in einer Schiffskajüte nach fernen Landen. Das Schiff schwankt leise, er meint, die Wellen sanft gegen die Bullaugen klatschen zu hören, und nun riecht er auch den Duft von jenen fernen, blühenden Kokosinseln, denen er zufährt.
Darüber schläft er fest ein.
Dann ist es ihm, als sprächen Männer draußen. Er weiß nicht genau, ist es auf dem Schiff oder wo er ist – ach, richtig, er ist im Kittchen, und die Nachtwache quasselt vor seiner Zelle. Aber er kann auch weiterschlafen.
Dann kann er es doch nicht. Denn eine Stimme, die ihn völlig wach macht, sagt neben ihm: »Wachen Sie gefälligst auf!«
Er möchte das Öffnen der Augen hinausschieben, aber ganz rücksichtslos wird ihm die Bettdecke fortgezogen, und wie er auffährt, steht der Kriminalbeamte von gestern vor ihm. Der nettere von beiden. Aber heute sieht er nicht nett aus.
»Los, los! Werden Sie wach, Mensch! Wir haben noch viel vor.«
Kufalt sieht ihn an. »Wie kommen Sie denn hierher?« fragt er. »Sie haben mir doch Ihr Ehrenwort gegeben.«
»Ach was, Ehrenwort«, sagt der andere. »Lesen Sie das mal.«
Und er hält ihm ein Zeitungsblatt unter die Nase.
Zuerst denkt Kufalt, es ist sein neuester Handtaschendiebstahl. Aber dann ist es ein großes Inserat, mit der Schlagzeile »An die geehrten Herren Einbrecher«. Und Herr Wossidlo kündigt darin seinen Wunsch an, sich direkt mit den Herren Einbrechern in Verbindung zu setzen. Er gibt ihnen sein Ehrenwort, sie nicht bei der Polizei anzuzeigen, und erklärt sich bereit, ihnen zehn Prozent vom Wert der gestohlenen Ware zu bezahlen. »Mehr als Ihnen jeder Hehler bezahlt. Mit der nochmaligen Zusicherung meiner unverbrüchlichen Verschwiegenheit, für die ich mit meinem Namen als ehrlicher Hamburger Kaufmann einstehe, Hermann Wossidlo.«
»Und nu los«, sagt der Kriminalbeamte. »Wo wohnt der Batzke?«
»Batzke?« fragt Kufalt gedehnt.
»Fangen Sie nicht noch einmal mit Ihren Geschichten an«, sagt der Beamte ärgerlich. »Jetzt kommt es auf Minuten an. Vielleicht treffen sich die noch heute früh. Wir lassen zwar Telefon, Post und Laden überwachen. Und der Wossidlo kommt uns auch nicht aus den Augen. Aber wer weiß, was die für Wege finden, sich in Verbindung zu setzen.«
»Glauben Sie denn«, sagt Kufalt ganz erstaunt, »dass der Batzke darauf eingehen wird?«
»Aber natürlich«, ruft der Beamte. »Kein Schwärzer gibt ihm mehr als drei- oder viertausend Mark. Der geht hin – es ist eine Gemeinheit von diesem Wossidlo! Uns Polizei will er vor ganz Hamburg lächerlich machen. Dass er in vierundzwanzig Stunden sich seine Ringe wiederschafft. Also los, wo wohnt Batzke?«
»Ich weiß es nicht«, sagt Kufalt schüchtern. »Er wohnt jede Nacht bei anderen Mädchen.«
»Aber Sie kennen ihn?«
»Ja, das schon.«
»Wie stehen Sie mit ihm? Los, Menschenskind, ziehen Sie sich doch an, während wir reden!«
»Nicht gut«, sagt Kufalt und fängt mit Anziehen an.
»Hat Sie ausgeschifft bei der Sache? Na, ich will Sie nichts fragen. Gehen Sie sofort los, Sie wissen doch, wo er verkehrt, nicht wahr?«
»Ja«, sagt Kufalt leise.
»Also in drei Stunden müssen Sie spätestens seine Adresse haben. Rufen Sie mich sofort an. Apparat 274. Lassen Sie ihn nicht aus dem Auge. Ich finde Sie dann schon, Mensch!«
Der Beamte ist ganz aufgeregt. »Denken Sie doch bloß, die Blamage, wenn heute in den Abendzeitungen steht, der Wossidlo ist mit den Einbrechern zusammengekommen und hat seinen Schmuck wieder. Geben Sie sich Mühe. Sie sollen eine Nummer bei uns haben! Und ich schinde Ihnen bestimmt Geld raus. Sie sollen nicht zu klagen haben. Wie heißen Sie übrigens?«
»Lederer«, sagt Kufalt. »Ernst Lederer.«
»Hauen Sie ab, Mensch«, sagt der Beamte wütend. »Denken Sie, Sie können mir den Unsinn vom Schauspieler aufbinden, den Sie Ihrer Pastorin erzählt haben? Wie Sie heißen, will ich wissen.«
»Bruhn«, sagt Kufalt. »Emil Bruhn.«
»Und weswegen waren Sie drin?«
»Raubmord«, sagt Kufalt leise.
»Sie?« sagt der Beamte. »Sie!«
»Es war eigentlich nur Totschlag«, sagt Kufalt zögernd.
»So. Klingt auch nicht sehr wahrscheinlich, wenn man Sie ansieht. Aber wenn Sie wieder gelogen haben! – Sind Sie übrigens Fetischist?«
»Was?« sagt Kufalt.
»Ob Sie Fetischist sind, frage ich! – Warum schlafen Sie denn mit ’ner Damenhandtasche?« Er deutet auf die schwarze Tasche, die auf dem Kopfkissen liegt.
»Nein, nein«, sagt Kufalt verwirrt. »Die ist von meiner Braut. Die hat sie liegenlassen, gestern Abend.«
»Hier bei der Pastorin ’ne Braut im Bett?« sagt der Kriminalbeamte. »Ich glaube, Bruhn, oder wie Sie heißen, Sie werden sich die nächsten Stunden mächtig Mühe geben müssen, dass wir Sie nicht ein bisschen sehr nahe angucken. Jetzt aber weg mit Ihnen. Rufen Sie mich mindestens alle Stunden einmal an. Wo gehen Sie hin?«
»Ins Gängeviertel«, sagt Kufalt.
»Zu wem da?«
»Zu Lütt. Kugels Ort.«
»Na schön«, sagt der Beamte etwas milder. »Das klingt doch, als ob’s wahr sein könnte. Also jetzt weg mit Ihnen. Und glauben Sie nicht, dass Sie türmen können. Sie greife ich unter allen Umständen.«
Kufalt geht. Und weiß, der zurückbleibende Beamte wird nicht zögern, den Handkoffer zu öffnen.
Er geht sozusagen auf immer.
Kufalt geht wirklich direkt ins Gängeviertel.
Es hat keinen Sinn, jetzt schon zu versuchen, fortzukommen, denn sicher wird er beschattet. Es hat auch keinen Sinn, sich umzudrehen und herauszubekommen, wer ihn beschattet. Er macht die Leute nur misstrauisch und geht erst recht hops.
Er muss sie in Sicherheit wiegen. Er muss ihnen wirkliche Dienste leisten. Dann lassen sie ihm noch Schonzeit. Das weiß er, wenn er erst den Batzke oder die Beute oder beides für die erwischt hat, dann lassen sie ihn hochgehen, von wegen der Handtaschen. Dann ist von Dank keine Rede mehr. Ja, in Kleinigkeiten sind sie groß. Aber sobald es sich wirklich um etwas Größeres handelt …
Jedenfalls hat er seinen besten Anzug an, seinen neuen Mantel und Hut und dazu beinahe siebenhundert Mark in der Tasche. Damit kann man fortkommen. Nur erst fortkommen!
Es ist komisch. Während er so läuft, ist alles weg, was ihn die letzten Wochen beherrscht hat. Niedergedrücktsein, Rachegefühl, Gier auf Geld. Weg! Nur das Gefühl beherrscht ihn, noch einmal loszukommen, noch einmal den Greifern zu entgehen, noch einmal Wochen in Freiheit zu verbringen.
Und wenn gar nichts geschieht in diesen Wochen, wenn er nur spazierenlaufen kann und irgendwo essen und ein Glas Bier trinken und sich in ein sauber bezogenes weißes Bett legen – nur nicht der Bunker – nur jetzt noch nicht der Bunker!
Er kommt ins Gängeviertel und läuft sofort nach Kugels Ort, in die Lüttsche Wirtschaft. Die ist noch leer an diesem Morgen. Es ist ja erst zehn Uhr. Auch Lütt schläft noch. Kufalt macht die Frau des Wirtes mobil. Er erreicht, dass er in die Schlafkammer geführt wird, wo Lütt unter einem rotgewürfelten Deckbett schnauft.
Aber Lütt ist heute Morgen ungnädig. Er hat natürlich keine Ahnung, wo Batzke sein könnte. Er will auch keine Ahnung haben.
»Lassen Sie mich nur zufrieden mit Ihren halbseidenen Geschichten. Ich will nichts mit dir zu tun haben. Hau du bloß ab. Heidepriem! Du bist jetzt wohl angestellt bei der Polente?«
Verdrossen klettert Kufalt die Treppe hinunter. Unten geht er noch an die Theke und trinkt zwei, drei Schnäpse mit der Wirtin, die ihn misstrauisch mustert. Sicher hat sie oben an der Tür belauscht, was er mit Vater Lütt gesprochen hat.
Eigentlich weiß er schon nicht mehr weiter. Wo in aller Welt soll er Batzke suchen? Flüchtig fällt ihm die Reederswitwe in Harvestehude ein. Aber an die glaubt er nun doch nicht mehr.
Er verlässt die Wirtschaft, pilgert zum Großen Neumarkt, trinkt wieder einen Schnaps und telefoniert mit dem Apparat 274. Nein, er weiß noch nichts Bestimmtes. Aber er verfolgt eine Spur. Er muss erst einmal zu einem Mädchen. Emma heißt sie.
Und während er telefoniert, überlegt er krampfhaft, wie er die Adresse dieses Mädchens Emma erfahren soll, mit der Batzke in letzter Zeit öfter zusammen gewesen ist. Man müsste die anderen Huren hier in der Gegend fragen. Aber er weiß nicht, wo sie wohnen, und um diese Morgenstunde ist nicht eine auf der Straße zu treffen.
Er taucht wieder im Gängeviertel unter. Er geht ziellos hin und her. Dann quatscht er einen jungen Briten an, der ihm nur dumm kommt.
Schon ist er im Begriff, es aufzugeben und es mit Türmen zu versuchen, da fällt ihm das Mädchen Ilse ein. An sie hätte er zuerst denken müssen. Sie steht mit Batzke in Verbindung. Von ihr ist noch am ehesten etwas zu erfahren.
Er nimmt sich ein Auto und fährt nach dem Steindamm hinaus. Er klingelt. Aber die Wirtin bedauert, Fräulein Ilse ist weggegangen.
(Sicher hat sie einen Mann auf der Bude.)
»Aber Sie kennen mich doch, Frau Maschioll. Ich bin doch Ilses Bräutigam. Rufen Sie sie nur einen Augenblick auf den Flur. Ich schenke Ihnen auch zehn Mark.«
So etwas zieht. Aber wo nichts ist, ist doch nichts. »Sie können sich gerne selber überzeugen, mein Herr. Gehen Sie doch in das Zimmer von Fräulein Ilse. Sie ist wirklich weg. Sehen Sie doch.«
Und sie stößt die Tür auf.
Ja, sie ist fort. Kufalt sagt verzweifelt: »Aber sie geht doch nie morgens so früh weg. Ich hatte mich doch mit ihr verabredet.«
»Ach, da waren Sie es«, sagt die Wirtin, »der so früh schon angerufen hat.«
»Natürlich habe ich angerufen«, sagt er. »Sie sollte doch hier auf mich warten.«
»Nein«, sagt Frau Maschioll, »mir hat sie gesagt, sie muss in den Stadtpark. Sie hatte da ganz was Wichtiges. Und sie wollte mir auch hundert Mark schenken, wenn alles gut geht.«
»Richtig, im Stadtpark«, sagt Kufalt gedankenvoll. »Wie man das so verquatschen kann.«
Und ist schon fort.
Das Bezahlen der zehn Mark schiebt er fürs nächste Mal auf, trotzdem ihn die Wirtin die ganze Treppe hinunter mit ihrem Geschrei verfolgt.
Eigentlich müsste er jetzt wieder telefonieren und die Polizei in den Stadtpark bestellen. Aber einmal hat er keine Zeit zu verlieren, und dann dämmert eine kleine neue Hoffnung in ihm auf, er könnte die Beute allein fassen. Allen Ruhm für sich ernten und freikommen.
Oder aber vielleicht viel Geld erben. Kippe oder Lampen zieht in solcher Lage immer.
Er ist großzügig. Er nimmt sich wieder ein Auto und fährt die lange Strecke bis zum Stadtpark. Dabei sieht er immer wieder hinten aus dem Fenster, ob er nicht verfolgt wird, aber es kommt ihm nicht so vor. Vielleicht haben die seine Geldmittel unterschätzt und ihm jemand auf die Fersen gesetzt, der kein Geld fürs Auto hat. Oder sie haben seine Spur im Gängeviertel verloren. Ober aber sie trauen ihm einfach.
Er überlegt sich fieberhaft, wo es sein könnte, dass die sich im Stadtpark treffen. Der Stadtpark ist groß, und wenn Batzke auch mutig ist, unvorsichtig ist er keinesfalls. Da mag solch ein Herr Wossidlo zehnmal sein Hamburger-Großkaufmanns-Ehrenwort ins Blättchen setzen. Das zieht bei dem noch lange nicht. Der wird sich schön in acht nehmen, an irgendeinen Platz zu gehen, wo die Polizei ihn überrumpeln kann.
Nein, Batzke hat es sicher nicht umsonst so eilig gehabt. Selbst wenn die Polizei benachrichtigt wird, hat sie keine Zeit mehr, den ganzen Stadtpark abzusperren. Er wird sich eine schöne, große, weite Fläche aussuchen, wo er immer weg kann, selbst wenn zwei, drei Greifer im Hintergrund stehen.
Kufalt steigt bei der Stadthalle aus und bezahlt das Auto. Dann geht er los. Erst durch das Parkcafé, in dem kaum Gäste sitzen, dann um den Parksee herum, und nun hat er die große Fläche der Festwiese vor sich. Hier ist es einsam. Er geht immer hinter den Büschen, am Rande des Weges, und sieht auf die Wiesenfläche, die mit einem leichten Neuschnee bedeckt ist.
Plötzlich bleibt er stehen, und sein Herz fängt an, schnell und freudig zu klopfen. Nein, er ist nicht zu spät gekommen. Dort auf der Wiesenfläche steht ein großer Mann in hellem Überzieher, und – Kufalt fängt an zu grinsen – Batzke ist doch immer ein schlaues Aas!
Da hat er sich einen Fotoapparat mit Stativ mitgebracht. Er ist dabei, ihn hübsch aufzubauen, und seine Braut (Ist das nicht Ilse? Natürlich ist das Ilse!) steht an einem schneebeladenen Baum, in einer hübschen Fotografierpose.
Ausgezeichnet, denk Kufalt, so unverdächtig wie nur möglich!
Und etwas wie Stolz und Rührung über den tüchtigen Kollegen kommen ihn an. Den haben die Bullen noch lange nicht, und wenn sie hinter jedem Busch stehen. Der lässt sich so leicht nicht greifen!
Drüben von der anderen Seite kommt ein großer Mann mit einer Aktentasche über die Wiese gegangen, auf das Pärchen zu. Er trägt eine Hornbrille und einen graumelierten Spitzbart. Er geht harmlos und schlendernd durch den leichten Neuschnee auf die Gruppe zu, bleibt ein paar Schritt davon halten, damit er nicht ins Bild kommt, und scheint etwas zu fragen.
Was er fragt, kann Kufalt nicht hören, dazu ist es zu weit. Er steht gut hinter seinem Busch. Aber scheinbar ist es denen da auch ganz egal, ob Leute hinter Büschen stehen. Sie sehen sich nicht einmal um.
Die Ilse bleibt ruhig weiter bei ihrem Baum. Aber nein, leichtsinnig ist Batzke nicht. Kufalt sieht, dass sie die eine Hand in die Tasche gesteckt hat, etwas gezwungen, mit gewinkeltem Ellbogen. Diese Bewegung kennt er. Sicher hat Batzke seine Braut für diesen Weg mit einer Kanone ausgerüstet.
Unterdes sind die beiden Herren ins Gespräch gekommen.
Sie stehen immer artig in drei Schritt Abstand voneinander. Einigen Respekt scheint doch jeder vor seinem Partner zu haben. Batzke hat das Hantieren am Apparat aufgegeben. Er hat sich in den Schnee gebückt und ist nun dabei, ein rundes Paket auszuwickeln. Keine übermäßig glänzende Verpackung für hundertfünfzigtausend Mark Wert, scheint es Kufalt. Es wird eine richtige alte Konservendose in Zeitungspapier sein, soviel er erkennt.
Batzke ist verflucht wenig ängstlich. Kufalt hätte sich denken können, dass ihm der Austausch der Waren: hier Ringe – dort Geld, einige Schwierigkeiten bereitet hätte. Aber Batzke reicht ruhig seine Konservenbüchse dem Herrn im Spitzbart hinüber. Dann freilich greift auch er in seine Manteltasche.
Doch der Herr sagt lächelnd etwas, und Batzke nimmt die Hand wieder aus der Tasche und sieht gemütlich zu, wie der Herr Stück auf Stück aus der Konservendose nimmt, betrachtet und in seine Aktentasche wirft.
Ja, eine Minute später sind die beiden Geschäftsleute nun schon so weit, dass der Ganove Batzke dem Großkaufmann Wossidlo die Aktentasche hält. Es macht sich besser so, und es geht auch schneller.
Dann wirft der Herr die Konservenbüchse in den Schnee, greift in seine Manteltasche, holt ein Bündel Papier heraus und gibt es Batzke. Batzke klemmt die Aktentasche unter den Arm und fängt an zu zählen. Dieser Großkaufmann Wossidlo scheint ein anständiger Kerl zu sein. Er hat sogar daran gedacht, nicht Tausendmarkscheine mitzubringen, mit deren Wechseln Ganoven immer Schwierigkeiten haben, sondern kleinere Scheine, denn Batzke zählt ziemlich lange.
Dann wechselt die Aktentasche endgültig ihren Besitzer. Ilse verlässt ihren Baum und tritt zu den beiden. Siehe da, der Herr Wossidlo lüftet richtig seinen steifen Schwarzen, und jetzt trennen sich die Parteien wirklich. Herr Wossidlo wandelt zurück zum anderen Rand der Festwiese. Batzke aber, Arm in Arm mit seiner Braut, auf den Kufaltschen Gebüschsaum zu.
Einsam und verlassen, ein schwarzer Fleck in der Schneewüste, bleibt der Fotoapparat auf der Wiese stehen, einziges Zeichen dafür, dass Herr Batzke es vielleicht doch etwas eilig hat.
Die Möglichkeit, Herrn Wossidlo auf einem Umweg zu erreichen und ihn nochmals durch einen kühnen Griff nach der Aktentasche um die Brillantringe zu erleichtern, verwirft Kufalt sofort. Der Absatz solcher Dinge scheint schwieriger, als er geglaubt. Und Bargeld lacht immer. Besonders, wenn man nicht mehr in seine Wohnung zurück kann.
Also Batzke. Batzke ist sicher kein leichter Bissen, aber so etwas hat Kufalt ja nun schon einmal bei ihm versucht, und er ist überzeugt davon, dass es auch diesmal glattgehen wird. Er will auch keine übermäßigen Ansprüche stellen. Er will von den fünfzehn nicht mehr als drei- oder viertausend haben. Eine Summe, auf die Batzke glatt eingehen wird.
Das Paar kommt, mehr zur Stadthalle hin, auf Kufalts Weg. Kufalt muss rasch gehen, um ihm nachzukommen. Ganz gleichgültig sind die beiden, ganz sicher fühlen sie sich, sie sehen nicht einmal um die kleine Wegbiegung, die Kufalt ihren Blicken entzieht.
So kann er denn wirklich ganz überraschend neben ihnen auftauchen und sagen: »Morgen, Batzke. Morgen, Ilse. Schöner Morgen heute Morgen.«
Batzke ist nicht die Spur überrascht, während Ilse leise aufschreit.
»Na, also«, sagt Batzke bester Laune. »Bist du auch da, Willi? Wie viel? Ich hab’s nämlich sehr eilig.«
»Versteh ich«, bestätigt Kufalt. »Ich dito.« Und da er Batzke in so glänzender Stimmung sieht, sagt er leichthin: »Fünftausend.«
»Achthundert, wie ausgemacht«, sagt Batzke.
»Achthundert waren bei fünftausend ausgemacht«, sagt Kufalt, »und die Sache liegt jetzt etwas anders.«
»Also zwei«, sagt Batzke, »damit ich meine Ruhe habe.«
»Vier«, sagt Kufalt hartnäckig.
»Drei«, sagt Batzke abschließend.
»Du wirst doch nicht so dämlich sein!« protestiert Ilse wütend.
»Halt die Klappe«, sagt Batzke, nimmt das dicke Geldpaket aus der Tasche, sieht sich um, sagt befriedigt: »Die Luft ist rein«, und versetzt im selben Augenblick Kufalt einen Faustschlag von unten her gegen das Kinn, dass der zurücktaumelt, die Hände hochhebt …
Aber schon fallen andere Hiebe wie Hammerschläge auf seinen Kopf, alles wird vor seinen Augen erst rot, dann schwarz, und er stürzt zusammen.