Czytaj książkę: «Guy de Maupassant – Gesammelte Werke», strona 33

Czcionka:

VIII.

In der zwei­ten Hälf­te des Win­ters ging das Ehe­paar Du Roy oft zu den Wal­ters. Ge­or­ges selbst war sehr häu­fig dort zu Tisch, wäh­rend Ma­de­lei­ne er­klär­te, müde zu sein, und es vor­zog, zu Hau­se zu blei­ben. Sein fes­ter Tag war Frei­tag, und die Frau Di­rek­tor lud an die­sem Tage nie je­mand an­ders ein. Er ge­hör­te dem Bel-Ami, ihm al­lein. Nach dem Es­sen spiel­te man Kar­ten, füt­ter­te die chi­ne­si­schen Fi­sche, kurz man leb­te und amü­sier­te sich im Fa­mi­li­en­krei­se. Es ge­lang Frau Wal­ter meh­re­re Male hin­ter ei­ner Tür oder hin­ter ei­nem dich­ten Ge­büsch im Win­ter­gar­ten oder in ei­ner dunklen Ecke den jun­gen Mann stür­misch zu um­ar­men. Sie press­te ihn mit al­ler Kraft an ihre Brust und flüs­ter­te ihm has­tig ins Ohr: »Ich lie­be dich!… Ich lie­be dich!… Ich lie­be dich zum Ster­ben!« Doch er wies sie je­des Mal kalt zu­rück und er­wi­der­te ihr kurz und tro­cken:

»Wenn Sie wie­der da­mit an­fan­gen, kom­me ich nie wie­der hier­her.«

Ge­gen Ende März sprach man plötz­lich von der be­vor­ste­hen­den Hei­rat der bei­den Schwes­tern. Rose soll­te sich mit dem Gra­fen La­tour-Yve­lin und Suzan­ne mit dem Mar­quis de Ca­zol­les ver­mäh­len. Bei­de Her­ren wa­ren Haus­freun­de ge­wor­den; man be­han­del­te sie mit ei­ner be­son­de­ren Gunst und Rück­sicht und er­wies ih­nen merk­li­che Vor­rech­te. Ge­or­ges und Suzan­ne ver­kehr­ten ganz frei und mit ei­ner brü­der­li­chen Ver­traut­heit mit­ein­an­der; sie plau­der­ten stun­den­lang zu­sam­men, mach­ten sich über alle Welt lus­tig und schie­nen sehr gut zu­ein­an­der zu ste­hen.

Er sprach nicht mehr über eine et­wai­ge Hei­rat des jun­gen Mäd­chens, noch über die ein­zel­nen Be­wer­ber, die in Fra­ge kämen.

Ei­nes Ta­ges hat­te der Di­rek­tor Du Roy zum Früh­stück mit­ge­bracht, Frau Wal­ter muss­te gleich nach dem Es­sen fort, um mit ei­nem Lie­fe­ran­ten et­was zu be­spre­chen, und Ge­or­ges sag­te zu Suzan­ne:

»Kom­men Sie, wol­len wir die Fi­sche füt­tern?«

Je­der nahm sich vom Tisch ein großes Stück Brot und sie gin­gen in den Win­ter­gar­ten.

Rings um das rie­si­ge Be­cken la­gen Kis­sen auf dem Fuß­bo­den, so­dass man be­quem nie­der­kni­en, und die schwim­men­den Tie­re aus der Nähe be­ob­ach­ten konn­te. Die jun­gen Leu­te nah­men sich je­der eins und leg­ten sich ne­ben­ein­an­der, dann beug­ten sie sich über das Was­ser und be­gan­nen Brot­kü­gel­chen hin­ein­zu­wer­fen, die sie zwi­schen den Fin­gern dreh­ten. Als die Fi­sche das merk­ten, dräng­ten sie sich so­fort her­an, sie zuck­ten mit den Schwän­zen und schlu­gen mit den Flos­sen das Was­ser, roll­ten ihre großen her­vor­ste­hen­den Au­gen, dreh­ten sich her­um und tauch­ten dann un­ter, um die ver­sin­ken­den Kü­gel­chen zu ha­schen, dann stie­gen sie gleich wie­der zur Ober­flä­che em­por, um noch mehr Fut­ter zu for­dern.

Der Aus­druck ih­rer Mäu­ler war ir­gend­wie selt­sam und ko­misch; ihre Be­we­gun­gen wa­ren schroff und has­tig, und sie sa­hen wie klei­ne mär­chen­haf­te Un­ge­tü­me aus. Vom Goldsand­grun­de ho­ben sie sich feu­er­rot ab, sie schos­sen wie Flam­men durch das durch­sich­ti­ge Was­ser oder stan­den still und zeig­ten da­bei die blau­en Säu­me ih­rer Schup­pen. Ge­or­ges und Suzan­ne sa­hen ihre um­ge­kehr­ten Ge­sich­ter im Was­ser und lä­chel­ten ih­ren Spie­gel­bil­dern zu.

Plötz­lich sag­te er ganz lei­se:

»Das ist nicht nett von Ih­nen, Suzan­ne, dass Sie Ge­heim­nis­se vor mir ha­ben.«

»Wie­so?« frag­te sie.

»Ent­sin­nen Sie sich nicht mehr, was Sie mir an dem Fest hier an die­ser Stel­le ver­spro­chen ha­ben?«

»Nein, nicht.«

»Sie woll­ten mich je­des Mal um Rat fra­gen, wenn je­mand um Ihre Hand bit­tet.«

»Nun, und?«

»Man hat doch um Sie an­ge­hal­ten.«

»Wer denn?«

»Sie müss­ten das doch bes­ser wis­sen.«

»Nein, ich schwö­re es Ih­nen.«

»Doch, Sie wis­sen’s be­stimmt. Die­ser lan­ge Geck, der Mar­quis de Ca­zol­les.«

»Er ist ers­tens kein Geck.«

»Mög­lich, aber er ist dumm, durch das Spie­len rui­niert und ver­braucht durch Hei­rats­an­trä­ge und Aus­schwei­fun­gen. Das wäre wirk­lich eine schö­ne Par­tie für Sie, die Sie ein hüb­sches, fri­sches und klu­ges Mäd­chen sind!«

Sie frag­te lä­chelnd:

»Was ha­ben Sie denn ge­gen ihn?«

»Ich? Nichts.«

»Aber doch. Er ist gar nicht so, wie Sie ihn schil­dern.«

»Ich bit­te Sie, doch, er ist ein Idi­ot und Int­ri­gant.«

Sie dreh­te sich et­was zur Sei­te und sah nicht mehr ins Was­ser:

»Was ha­ben Sie denn?«

Da sprach er, als hät­te man ihm ein Ge­heim­nis aus dem In­nern sei­ner See­le her­aus­ge­ris­sen.

»Ich … Ich … Ich habe … Ich bin ei­fer­süch­tig auf ihn.«

Sie war et­was über­rascht.

»Sie?«

»Ja­wohl, ich!«

»So! Und wes­halb, wenn ich fra­gen darf?«

»Weil ich in Sie ver­liebt bin, und Sie wis­sen das sehr gut, Sie bö­ses Mäd­chen!«

»Sie sind ver­rückt, Bel-Ami«, sag­te sie streng.

Er fuhr fort:

»Ich weiß es wohl, dass. ich ver­rückt bin. Soll­te ich Ih­nen so et­was ge­ste­hen, ich, ein ver­hei­ra­te­ter Mann? Ich bin mehr als ver­rückt, ich tue un­recht, ich bin bei­na­he ehr­los. Mir bleibt kei­ne Hoff­nung und ich ver­lie­re den Ver­stand, wenn ich dar­an den­ke. Und wenn ich höre, dass Sie hei­ra­ten wer­den, über­fällt mich eine Wut, so­dass ich im­stan­de bin, je­man­den um­zu­brin­gen. Sie müs­sen mir das ver­zei­hen, Suzan­ne, bit­te!«

Er schwieg, und die Fi­sche, die kein Fut­ter mehr be­ka­men, stan­den un­be­weg­lich in ei­ner Rei­he wie eng­li­sche Sol­da­ten und blick­ten die ge­senk­ten Ge­sich­ter der bei­den Men­schen an, die sich nicht mehr um sie küm­mer­ten.

Das jun­ge Mäd­chen flüs­ter­te halb trau­rig, halb lus­tig:

»Es ist so scha­de, dass Sie ver­hei­ra­tet sind. Aber was wol­len Sie denn tun? Man kann dem nicht ab­hel­fen. Es ist er­le­digt.«

Er wand­te sich plötz­lich zu ihr um und sag­te ihr ganz nahe ins Ge­sicht:

»Und wenn ich frei wäre, wür­den Sie mich dann hei­ra­ten?«

Sie ant­wor­te­te und ihre Stim­me klang da­bei ganz auf­rich­tig :

»Ja, Bel-Ami, ich wür­de Sie hei­ra­ten, denn Sie ge­fal­len mir mehr als alle an­de­ren.«

Er stand auf und stam­mel­te:

»Ich dan­ke Ih­nen … dan­ke … ich fle­he Sie an, ge­ben Sie nie­man­dem Ihr Ja­wort. War­ten Sie eine Wei­le. Ich bit­te Sie dar­um. Wol­len Sie mir das ver­spre­chen?«

Sie mur­mel­te ver­le­gen, ohne zu be­grei­fen, was er woll­te:

»Ich ver­spre­che es Ih­nen.«

Du Roy warf ein großes Stück Brot, das er noch in sei­nen Hän­den hielt, ins Was­ser und eil­te hin­aus, ohne sich zu ver­ab­schie­den, als hät­te er den Kopf ver­lo­ren.

Alle Fi­sche stürz­ten sich gie­rig auf den Brot­klum­pen, der her­um­schwamm, ohne von den Fin­gern ge­k­ne­tet zu sein, und sie zerr­ten dar­an mit ih­ren ge­frä­ßi­gen Mäu­lern. Sie schlepp­ten es an die an­de­re Sei­te des Bass­ins, spran­gen und wir­bel­ten um ihn her­um und bil­de­ten eine Art le­ben­di­ger Blu­me, die kopf­über ins Was­ser ge­fal­len war.

Suzan­ne stand un­ru­hig und er­staunt auf und ging lang­sam zu­rück. Der Jour­na­list war fort.

Er ging in vol­ler Ruhe nach Hau­se und frag­te Ma­de­lei­ne, die ge­ra­de einen Brief schrieb :

»Willst du Frei­tags bei Wal­ter es­sen? Ich gehe je­den­falls hin.«

Sie über­leg­te:

»Nein, ich füh­le mich nicht ganz wohl. Ich blei­be lie­ber zu Hau­se.«

»Tue, wie du willst, nie­mand zwingt dich.«

Dann nahm er sei­nen Hut und ging so­fort wie­der weg.

Seit lan­gem spür­te er ihr nach, über­wach­te und be­ob­ach­te­te sie, so­dass er ge­nau wuss­te, mit wem sie ver­kehr­te und was sie trieb. Die Stun­de, auf die er war­te­te, war end­lich ge­kom­men. Der Ton, mit dem sie »Ich blei­be lie­ber zu Hau­se« ant­wor­te­te, hat­te ihn nicht ge­täuscht.

Die fol­gen­den Tage be­nahm er sich sehr nett und lie­bens­wür­dig ihr ge­gen­über. Er schi­en so­gar hei­ter zu sein, was er jetzt im All­ge­mei­nen nicht mehr war, so­dass sie ein­mal zu ihm sag­te:

»Siehst du, jetzt wirst du wie­der nett und lieb.«

Am Frei­tag zog er sich früh­zei­tig an, um, wie er be­haup­te­te, noch ein paar Be­sor­gun­gen zu er­le­di­gen, noch be­vor er zum Chef ging. Dann ver­ließ er um 6 Uhr sei­ne Woh­nung, gab sei­ner Frau einen Kuss und such­te sich eine Drosch­ke auf der Place Notre Dame de Lo­ret­te.

Er sag­te dem Kut­scher:

»Fah­ren Sie nach der Rue Fon­taine und hal­ten Sie ge­gen­über der Num­mer 17. Sie blei­ben da ste­hen, bis ich Ih­nen zu­ru­fe, wei­ter­zu­fah­ren. Dann brin­gen Sie mich nach dem Re­stau­rant Coq-Fai­san, rue Lafa­yet­te.« Der Wa­gen setz­te sich lang­sam tra­bend in Be­we­gung und Du Roy zog die Vor­hän­ge her­un­ter. So­bald er ge­gen­über sei­ner Woh­nung an­ge­langt war, ließ er kei­nen Blick mehr von sei­ner Haus­tür. Nach­dem er zehn Mi­nu­ten ge­war­tet hat­te, sah er, wie Ma­de­lei­ne das Haus ver­ließ und in der Rich­tung nach den äu­ße­ren Bou­le­vards ging. So­bald er sie aus dem Auge ver­lo­ren hat­te, steck­te er sei­nen Kopf durch die Fens­ter und rief: »Wei­ter­fah­ren!«

Die Drosch­ke fuhr wei­ter und setz­te ihn vor dem Coq-Fai­san ab, ei­nem in je­ner Stadt­ge­gend be­kann­ten bür­ger­li­chen Re­stau­rant. Ge­or­ges be­trat den großen Spei­se­saal und aß in al­ler Ruhe und sah da­bei von Zeit zu Zeit auf sei­ne Uhr. Er trank sei­nen Kaf­fee aus, nahm zwei Glas Ko­gnak, rauch­te lang­sam eine gute Zi­gar­re und ver­ließ halb acht das Lo­kal; er hielt eine vor­bei­fah­ren­de lee­re Drosch­ke an und ließ sich nach der Rue La Ro­che­fou­cauld fah­ren.

Ohne den Con­cier­ge was zu fra­gen, stieg er in dem an­ge­ge­be­nen Hau­se drei Trep­pen hin­auf; ein Dienst­mäd­chen öff­ne­te ihm die Tür und er frag­te:

»Ist Herr Gui­bert de Lor­me zu Hau­se?«

»Ja­wohl, mein Herr.«

Er wur­de in einen Sa­lon ge­führt, wo er eine kur­ze Zeit war­te­te, dann er­schi­en ein hoch­ge­wach­se­ner Herr mit Or­dens­band in mi­li­tä­ri­scher Hal­tung und mit grau­en Haa­ren, ob­wohl er noch ziem­lich jung war.

Ge­or­ges be­grüß­te ihn dann und sag­te:

»Wie ich vor­aus­ge­se­hen habe, Herr Po­li­zei­kom­missar, ist mei­ne Frau mit ih­rem Ge­lieb­ten in ei­ner mö­blier­ten Woh­nung, die sie sich in der Rue des Mar­tyrs ge­mie­tet ha­ben.«

Der Be­am­te ver­beug­te sich.

»Ich ste­he Ih­nen zur Ver­fü­gung, mein Herr.«

Ge­or­ges fuhr fort:

»Wir ha­ben bis neun Uhr Zeit, nicht wahr? Nach die­ser Zeit dür­fen Sie nicht mehr in eine pri­va­te Woh­nung ein­drin­gen, um einen Ehe­bruch fest­zu­stel­len.«

»Nein, mein Herr, bis 7 Uhr im Win­ter, bis 9 Uhr im Som­mer; heu­te ist der 5. April, also geht das noch bis 9 Uhr.«

»Also gut, Herr Kom­missar, ich habe einen Wa­gen un­ten­ste­hen, wir kön­nen die Be­am­ten, die Sie be­glei­ten wer­den, ab­ho­len, und dar­in war­ten wir eine Wei­le vor der Tür. Je spä­ter wir kom­men, de­sto mehr Aus­sicht ha­ben wir, sie in fla­gran­ti zu er­wi­schen.«

»Wie Sie wün­schen, mein Herr.«

Der Kom­missar ging hin­aus und kam wie­der zu­rück. Er hat­te einen Über­rock an, der sei­nen drei­far­be­nen brei­ten Gurt ver­deck­te. Er trat bei­sei­te, um Du Roy den Vor­tritt zu las­sen, doch der Jour­na­list, des­sen Ge­dan­ken ganz wo­an­ders schweif­ten, wei­ger­te sich, zu­erst hin­aus­zu­ge­hen und wie­der­hol­te:

»Nach Ih­nen … nach Ih­nen, bit­te.«

Der Be­am­te ver­setz­te:

»Ge­hen Sie doch vor, mein Herr, ich bin doch hier zu Hau­se.«

Du Roy mach­te eine Ver­beu­gung und über­schritt so­fort die Schwel­le. Sie fuh­ren zu­erst nach der Po­li­zei­wa­che und nah­men drei Schutz­leu­te in Zi­vil mit, die auf sie war­te­ten, denn Ge­or­ges hat­te im Lau­fe des Ta­ges an­ge­ge­ben, dass das Ab­fas­sen des Pär­chens am sel­ben Abend statt­fin­den wür­de. Ei­ner der Schutz­leu­te setz­te sich auf den Bock ne­ben den Kut­scher. Die zwei an­de­ren stie­gen in die Drosch­ke, die nach der Rue des Mar­tyrs fuhr.

Du Roy sag­te:

»Ich habe den Plan der Woh­nung. Sie liegt im zwei­ten Stock. Wir kom­men zu­erst in ein klei­nes Vor­zim­mer, dann in das Spei­se­zim­mer und dann in das Schlaf­zim­mer. Alle drei Zim­mer lie­gen der Rei­he nach, eins nach dem an­de­ren. Es gibt kei­nen zwei­ten Aus­gang, der die Flucht er­mög­lich­te. In der Nähe wohnt ein Schlos­ser; er hält sich be­reit für den Fall, dass Sie ihn kom­men las­sen.« Als sie vor das be­tref­fen­de Haus ka­men, war es erst ein vier­tel nach acht; sie war­te­ten schwei­gend auf der Stra­ße noch etwa zwan­zig Mi­nu­ten. Doch als Ge­or­ges fest­stell­te, dass es schon drei­vier­tel neun Uhr schlug, sag­te er:

»Jetzt los, ge­hen wir.«

Sie stie­gen die Trep­pe hin­auf, ohne sich beim Por­tier zu mel­den, der sie auch gar nicht be­merkt hat­te. Ei­ner von den Be­am­ten blieb auf der Stra­ße, um den Ein­gang zu über­wa­chen.

Die vier Män­ner blie­ben im Flur des zwei­ten Stock­werks ste­hen. Ge­or­ges press­te zu­nächst sein Ohr ge­gen die Tür, dann hielt er sei­ne Au­gen an das Schlüs­sel­loch. Er hör­te nichts und sah auch nichts. Er klin­gel­te.

Der Kom­missar sag­te zu sei­nen Leu­ten:

»Ihr bleibt hier drau­ßen und war­tet, bis ich euch rufe.«

Sie war­te­ten. Nach zwei, drei Mi­nu­ten zog Ge­or­ges von Neu­em meh­re­re Male an der Klin­gel. Sie hör­ten im In­ne­ren der Woh­nung ein Geräusch. Dann nä­her­te sich ein lei­ser, kaum hör­ba­rer Schritt. Je­mand kam her­an, of­fen­bar, um hin­aus­zu­spä­hen. Der Jour­na­list klopf­te nun hef­tig mit sei­nem ge­krümm­ten Fin­ger ge­gen die höl­zer­ne Tä­fe­lung der Tür.

Eine Stim­me, eine ver­stell­te Frau­en­stim­me, frag­te:

»Wer ist da?«

Der Po­li­zei­of­fi­zier rief:

»Öff­nen Sie im Na­men des Ge­set­zes.«

Die Stim­me wie­der­hol­te:

»Wer sind Sie?«

»Ich bin der Po­li­zei­kom­missar, öff­nen Sie oder ich las­se die Tür er­bre­chen.«

»Was wol­len Sie?« frag­te die Stim­me wie­der.

Du Roy rief:

»Ich bin es. Es ist zweck­los, uns ent­rin­nen zu wol­len.«

Die leich­ten Bar­fuß­schrit­te husch­ten fort; nach ein paar Se­kun­den ka­men sie wie­der.

Ge­or­ges sag­te:

»Wenn Sie nicht öff­nen wol­len, er­bre­chen wir die Tür.«

Er drück­te die Tür­klin­ke aus Mes­sing nie­der und stemm­te mit sei­ner Schul­ter ge­gen die Tür. Da kei­ne Ant­wort er­folg­te, stieß er so hef­tig und ge­walt­sam da­ge­gen, dass das alte Schloss die­ser mö­blier­ten Woh­nung nicht stand­hielt und nach­gab. Die Schrau­ben flo­gen aus dem Holz, und der jun­ge Mann wäre bei­na­he auf Ma­de­lei­ne ge­fal­len, die nur mit Hemd und Un­ter­rock be­klei­det, mit nack­ten Bei­nen und zer­zaus­tem, auf­ge­lös­tem Haar im Vor­raum mit ei­ner Ker­ze in der Hand stand.

»Da ist sie, wir ha­ben sie.«

Und er stürz­te in die Woh­nung hin­ein. Der Kom­missar nahm sei­nen Hut ab und folg­te ihm. Die jun­ge Frau schritt ver­wirrt und er­schro­cken hin­ter ih­nen her und be­leuch­te­te ih­nen den Weg.

Sie gin­gen durch das Spei­se­zim­mer, der Tisch war noch nicht ab­ge­deckt und die Res­te der Mahl­zeit stan­den dar­auf; lee­re Cham­pa­gner­fla­schen, eine of­fe­ne Gän­se­le­ber­pas­te­te, Hüh­ner­kno­chen und zur Hälf­te auf­ge­ges­se­ne Brot­stücke. Auf dem An­rich­te­tisch stan­den zwei Tel­ler mit lee­ren Aus­tern­scha­len.

Im Schlaf­zim­mer war al­les durch­ein­an­der ge­wor­fen, als wenn ein Kampf statt­ge­fun­den hät­te. Ein Da­men­kleid lag über ei­ner Stuhl­leh­ne. Ein paar männ­li­che Un­ter­ho­sen hin­gen auf dem Arm ei­nes Lehn­stuhls, ein Bein rechts, eins links. Vier Stie­fel, zwei große und zwei klei­ne, la­gert auf der Sei­te ne­ben dem Bett her­um. Es war ein Schlaf­zim­mer ei­ner mö­blier­ten Woh­nung mit ganz ge­wöhn­li­chen Mö­beln; ein wid­ri­ger und fa­der Ge­ruch ei­nes Ho­tel­zim­mers schweb­te in der Luft, ein Ge­ruch, der aus den Gar­di­nen, aus den Ma­trat­zen, aus den Wän­den und aus den Pols­ter­mö­beln zu drin­gen schi­en; ein Men­schen­dunst al­ler de­rer, die in die­ser öf­fent­li­chen Schlaf­stel­le ge­schla­fen oder ge­wohnt hat­ten, sei es nur einen Tag oder ein hal­b­es Jahr, und die von ih­rem ei­ge­nen Ge­ruch et­was zu­rück­ge­las­sen hat­ten; und die­se Aus­düns­tun­gen er­zeug­ten, ge­mischt mit de­nen ih­rer Vor­gän­ger, letz­ten En­des einen un­de­fi­nier­ba­ren süß­li­chen und un­aus­steh­li­chen Ge­stank, der in al­len sol­chen Schlupf­win­keln der­sel­be ist.

Ein Tel­ler mit Ku­chen, eine Fla­sche Char­treu­se und zwei noch halb­vol­le Gläs­chen stan­den auf dem Ka­min. Eine bron­ze­ne Stand­uhr war mit ei­nem Her­ren­hut ver­deckt.

Der Kom­missar dreh­te sich schnell um und sah Ma­de­lei­ne scharf in die Au­gen:

»Sie sind Ma­da­me Claire Ma­de­lei­ne Du Roy, die le­gi­ti­me Gat­tin des hier an­we­sen­den Schrift­stel­lers Herrn Pro­sper Ge­or­ges Du Roy.«

Sie sprach mit er­stick­ter Stim­me:

»Ja­wohl.«

»Was trei­ben Sie hier?«

Sie ant­wor­te­te nicht.

Der Be­am­te fuhr fort:

»Was trei­ben Sie hier? Ich fin­de Sie au­ßer­halb Ihres Hau­ses, fast ent­klei­det, in ei­ner mö­blier­ten Woh­nung. Wa­rum sind Sie her­ge­kom­men?«

Er war­te­te ei­ni­ge Au­gen­bli­cke. Sie schwieg noch im­mer.

Dann fuhr er fort:

»Wenn Sie es mir nicht sa­gen wol­len, Ma­da­me, wer­de ich ge­zwun­gen sein, es fest­zu­stel­len.«

Man sah im Bett die Ge­stalt ei­nes mensch­li­chen Kör­pers, die sich un­ter der Bett­de­cke ver­bor­gen hielt. Der Kom­missar trat her­an und rief:

»Mein Herr.«

Der Mann im Bett rühr­te sich nicht. Er schi­en den An­we­sen­den den Rücken zu dre­hen, den Kopf un­term Kis­sen ver­gra­ben. Der Of­fi­zier be­rühr­te die De­cke, wo die Schul­ter zu sein schi­en, und wie­der­hol­te:

»Mein Herr, ich bit­te Sie, mich nicht zu zwin­gen, zu Tät­lich­kei­ten über­zu­ge­hen.«

Doch der ein­gehüll­te Kör­per blieb ge­nau so un­be­weg­lich, als wenn er tot wäre.

Du Roy trat has­tig ans Bett, zog die De­cke zu­rück und riss das Kopf­kis­sen fort; das to­ten­blas­se Ge­sicht Lar­oche-Ma­thieus wur­de sicht­bar.

Er neig­te sich über ihn und sag­te mit zu­sam­men­ge­press­ten Zäh­nen, zit­ternd vor Be­gier­de, ihn an der Keh­le zu pa­cken und zu er­dros­seln:

»Ha­ben Sie we­nigs­tens den Mut, Ihre Ge­mein­heit ein­zu­ge­ste­hen.«

Der Be­am­te frag­te noch ein­mal:

»Wer sind Sie?«

Der Lieb­ha­ber schi­en den Kopf ver­lo­ren zu ha­ben und gab kei­ne Ant­wort.

Der Kom­missar fuhr fort:

»Ich bin der Po­li­zei­kom­missar und for­de­re Sie auf, Ihren Na­men zu nen­nen!«

Ge­or­ges schrie zit­ternd vor tie­ri­scher Wut:

»So ant­wor­ten Sie doch, Sie Mem­me, oder ich nen­ne Ihren Na­men.«

Der Lie­gen­de stam­mel­te:

»Herr Kom­missar, Sie dür­fen mich nicht be­schimp­fen las­sen von die­sem Kerl. Habe ich mit Ih­nen zu tun? Soll ich Ih­nen oder ihm ant­wor­ten?«

Er schi­en kei­nen Spei­chel mehr im Mun­de zu ha­ben.

Der Of­fi­zier ant­wor­te­te:

»Mir, mein Herr, mir al­lein. Ich fra­ge Sie, wer sind Sie?«

Der an­de­re schwieg. Er hielt die Bett­de­cke fest ge­gen sei­nen Hals ge­drückt und roll­te sei­ne ver­stör­ten Au­gen. Sein hoch­ge­dreh­ter klei­ner Schnurr­bart schi­en ganz schwarz im Ver­gleich zu sei­nem blei­chen Ge­sicht.

Der Kom­missar fuhr fort:

»Sie wol­len nicht ant­wor­ten, dann bin ich ge­zwun­gen, Sie zu ver­haf­ten. Je­den­falls ste­hen Sie auf. Ich wer­de Sie be­fra­gen, wenn Sie an­ge­zo­gen sind.«

Der Kör­per be­weg­te sich im Bett und der Kopf mur­mel­te:

»Ich kann doch nicht vor Ih­nen.«

Der Be­am­te frag­te:

»Wie­so?«

Der an­de­re stam­mel­te:

»Weil … Weil ich … weil ich ganz nackt bin.«

Du Roy grins­te, hob ein Hemd auf, das auf der Die­le her­um­lag, warf es auf das Bett und schrie:

»Los … ste­hen Sie auf … Sie ha­ben sich vor mei­ner Frau aus­ge­zo­gen, Sie kön­nen sich dann vor mir an­zie­hen.«

Dann dreh­te er ihm den Rücken und ging zum Ka­min.

Ma­de­lei­ne hat­te ihre Kalt­blü­tig­keit wie­der­ge­won­nen. Sie sah ein, dass nichts mehr zu ret­ten war und war be­reit, al­les zu wa­gen. Ihre Au­gen blitz­ten höh­nisch und über­mü­tig, sie roll­te in den Hän­den ein Stück Pa­pier zu­sam­men, steck­te es am Ka­min an und zün­de­te wie für einen ge­sell­schaft­li­chen Empfang die zehn Lich­ter an, die in den schä­bi­gen Leuch­tern auf dem Ka­min stan­den. Sie lehn­te sich mit dem Rücken an das Mar­mor­sims, hob einen ih­rer nack­ten Füße und streck­te ihn ge­gen das er­lö­schen­de Feu­er. Dann nahm sie aus ei­ner rosa Papp­schach­tel eine Zi­ga­ret­te, zün­de­te sie an und be­gann zu rau­chen. Der Kom­missar war­te­te in­zwi­schen, bis ihr Ge­lieb­ter auf­ge­stan­den war und trat an sie her­an.

Sie frag­te dreist:

»Üben Sie oft die­sen Be­ruf aus?«

»So sel­ten als mög­lich«, ant­wor­te­te er ernst.

Sie lä­chel­te ihm ins Ge­sicht.

»Dann gra­tu­lie­re ich, sehr sau­ber ist er nicht.«

Sie blick­te nicht auf ih­ren Mann und tat so, als sähe sie ihn gar nicht.

In­zwi­schen klei­de­te sich der Herr im Bett an, er hat­te schon sei­ne Bein­klei­der und Schu­he an und nä­her­te sich, wäh­rend er sei­ne Wes­te zu­knöpf­te.

Der Of­fi­zier wand­te sich zu ihm:

»Jetzt, mein Herr, wol­len Sie mir sa­gen, wer Sie sind?«

Der an­de­re gab kei­ne Ant­wort.

Der Kom­missar er­klär­te:

»Ich sehe mich ge­zwun­gen, Sie zu ver­haf­ten.«

Da­rauf rief der Mann hef­tig:

»Rüh­ren Sie mich nicht an. Ich bin un­ver­letz­lich.«

Du Roy stürz­te sich auf ihn, als woll­te er ihn nie­der­schla­gen, dann brüll­te er ihm ins Ge­sicht:

»Aber Sie sind auf fri­scher Tat er­tappt wor­den … Ja! Auf fri­scher Tat! Ich kann Sie ver­haf­ten las­sen, wenn ich will … ja, ich kann Sie ver­haf­ten las­sen.«

Dann fuhr er mit be­ben­der Stim­me fort:

»Die­ser Mann heißt Lar­oche-Ma­thieu und ist Mi­nis­ter des Äu­ße­ren.«

Der Kom­mis war war ver­blüfft und prall­te zu­rück:

»Nein, bit­te, sa­gen Sie end­lich Ihren Na­men.«

Schließ­lich ent­schloss er sich und sag­te mit fes­ter Stim­me:

»Dies­mal hat die­ser elen­de Kerl aus­nahms­wei­se nicht ge­lo­gen. Ich bin tat­säch­lich der Mi­nis­ter Lar­oche-Ma­thieu.«

Dann streck­te er sei­ne Hand nach Ge­or­ges Brust, an der ein klei­nes Bänd­chen wie ein ro­ter Punkt glänz­te, und fuhr fort:

»Und die­ser Lump trägt noch auf sei­nem Kleid das Ehren­kreuz, das ich ihm ge­ge­ben habe.«

Du Roy wur­de lei­chen­blass. Mit ei­ner hef­ti­gen Hand­be­we­gung riss er aus sei­nem Knopf­loch das kur­ze rote Bänd­chen her­aus und warf es in den Ka­min.

»So! Das ist eine Aus­zeich­nung wert, die von ei­nem Trot­tel wie Sie her­kommt.«

Zäh­ne­knir­schend stan­den sie ein­an­der ge­gen­über. Aufs äu­ßers­te er­regt, mit ge­ball­ten Fäus­ten, der eine ma­ger mit lang­ge­zo­ge­nem Schnurr­bart, der an­de­re dick mit hoch­ge­dreh­tem Schnurr­bart.

Der Kom­missar trat rasch da­zwi­schen und trenn­te sie mit sei­nen Hän­den.

»Mei­ne Her­ren, Sie ver­ges­sen sich, den­ken Sie an Ihre Wür­de.«

Die bei­den Män­ner schwie­gen und dreh­ten sich den Rücken zu.

Ma­de­lei­ne stand noch im­mer un­be­weg­lich und rauch­te lä­chelnd die Zi­ga­ret­te wei­ter.

Der Po­li­zei­of­fi­zier ver­setz­te:

»Herr Mi­nis­ter, ich habe Sie mit der Frau Du Roy, hier an­we­send, über­rascht, Sie wa­ren im Bett, und Ma­da­me bei­na­he nackt. Ihre Klei­dungs­stücke la­gen un­or­dent­lich in der gan­zen Woh­nung her­um. Sie sind of­fen­sicht­lich ei­nes Ehe­bruchs auf fri­scher Tat über­führt. Die Tat­sa­che wer­den Sie nicht leug­nen kön­nen. Ha­ben Sie et­was zu er­wi­dern?«

Lar­oche-Ma­thieu mur­mel­te:

»Ich habe nichts zu sa­gen. Er­fül­len Sie Ihre Pf­licht.«

Der Kom­missar wand­te sich zu Ma­de­lei­ne.

»Ge­ste­hen Sie, mei­ne Dame, dass der Herr Ihr Ge­lieb­ter ist?«

Sie er­wi­der­te zy­nisch:

»Ich leug­ne es nicht, er ist mein Ge­lieb­ter.«

»Das ge­nügt.«

Dann mach­te sich der Be­am­te ei­ni­ge No­ti­zen über den Zu­stand der Woh­nung. Als er fer­tig war, war auch der Mi­nis­ter voll­stän­dig an­ge­zo­gen und war­te­te mit dem Über­zie­her auf dem Arm und den Hut in der Hand.

Er frag­te:

»Brau­chen Sie mich noch, mein Herr? Was soll ich tun? Kann ich jetzt fort­ge­hen?«

Du Roy wand­te sich um und sag­te mit dreis­tem, zy­ni­schem Lä­cheln:

»Wa­rum denn? Wir sind fer­tig. Sie kön­nen sich wie­der hin­le­gen, mein Herr. Wir wer­den Sie jetzt al­lein las­sen.«

Dann leg­te er einen Fin­ger auf den Arm des Po­li­zei­be­am­ten und sag­te:

»Ge­hen wir, Herr Po­li­zei­kom­missar. Wir ha­ben hier jetzt nichts mehr zu su­chen;«

Der Be­am­te folg­te ihm et­was er­staunt; doch an der Tür­schwel­le blieb Ge­or­ges ste­hen, um ihn vor­bei zu las­sen. Der wei­ger­te sich aus Höf­lich­keit.

Doch Du Roy be­stand dar­auf:

»Bit­te ge­hen Sie vor­aus, mein Herr.«

»Nach Ih­nen«, sag­te der Kom­missar.

Da mach­te der Jour­na­list eine Ver­beu­gung und ver­setz­te mit iro­ni­scher Höf­lich­keit:

»Jetzt sind Sie an der Rei­he, Herr Po­li­zei­kom­missar, ich bin hier bei­na­he zu Hau­se.«

Dann zog er lei­se mit ei­ner dis­kre­ten Be­we­gung die Tür hin­ter sich zu.

Eine Stun­de spä­ter er­schi­en Du Roy im Re­dak­ti­ons­bü­ro der Vie Françai­se.

Herr Wal­ter war noch da, denn er fuhr fort, sorg­fäl­tig und ge­wis­sen­haft sei­ne Zei­tung, die jetzt einen rie­si­gen Auf­schwung ge­nom­men hat­te und sei­ne im­mer grö­ßer wer­den­den Ban­k­ope­ra­tio­nen be­güns­tig­te, zu lei­ten und zu über­wa­chen.

Der Di­rek­tor blick­te auf und frag­te:

»Ah! Da sind Sie. Wo kom­men Sie denn jetzt her? Sie sind ein ko­mi­scher Mensch! Wa­rum sind Sie nicht zum Di­ner ge­kom­men?«

Der jun­ge Mann, der des Ef­fekts sei­ner Mit­tei­lung be­wusst war, er­klär­te, in­dem, er je­des Wort be­ton­te:

»Ich habe eben den Mi­nis­ter des Äu­ße­ren ge­stürzt.«

Der an­de­re hielt es für einen Scherz.

»Ge­stürzt t… wie­so?«

»Ich wer­de das Ka­bi­nett um­ge­stal­ten. Wei­ter nichts. Es ist höchs­te Zeit, dass die­ses Aas hin­aus­fliegt.«

Der Alte war ver­blüfft und dach­te, dass sein Re­dak­teur be­schwipst sei.

Er mur­mel­te:

»Ach was, Sie re­den Un­sinn.«

»Aber gar nicht. Ich habe eben Lar­oche-Ma­thieu mit mei­ner Frau auf fri­scher Tat beim Ehe­bruch er­tappt. Der Po­li­zei­kom­missar hat die Sa­che zu Pro­to­koll ge­nom­men. Der Mi­nis­ter ist futsch.«

Wal­ter war sprach­los, er schob sei­ne Bril­le über die Stirn und frag­te:

»Sie ma­chen sich doch nicht über mich lus­tig?«

»Nicht die Spur. Ich will die Sa­che so­gar gleich in die Zei­tung brin­gen.«

»Aber was wol­len Sie tun?«

»Die­sen elen­den Schur­ken und öf­fent­li­chen Mis­se­tä­ter stür­zen.«

Ge­or­ges leg­te sei­nen Hut auf einen Lehn­stuhl und sprach wei­ter:

»Wehe de­nen, die sich mir in den Weg stel­len. Ich ver­zei­he nie.«

Va­ter Wal­ter schi­en die Sa­che noch im­mer nicht ganz zu be­grei­fen.

Er stot­ter­te:

»Und … Ihre Frau?«

»Ich rei­che mor­gen früh die Schei­dungs­kla­ge ein. Soll sie wie­der die Wit­we Fo­res­tier wer­den.«

»Wol­len Sie sich schei­den?«

»Aber ge­wiss. Sie hat mich lä­cher­lich ge­macht. Doch ich war ge­zwun­gen, den Dum­men zu spie­len, um sie zu er­wi­schen. Nun hab’ ich sie. Jetzt bin ich Herr der Lage.«

Herr Wal­ter konn­te noch im­mer nicht zu sich kom­men; er sah Du Roy mit ver­stör­ten Au­gen an und dach­te:

»Don­ner­wet­ter, mit dem Jun­gen soll man sich in acht neh­men.«

Ge­or­ges fuhr fort:

»Nun bin ich frei. Ich habe ein ge­wis­ses Ver­mö­gen, und bei den Neu­wah­len im Ok­to­ber wer­de ich mich in mei­ner Hei­mat, wo ich gut be­kannt bin, als Kan­di­dat auf­stel­len las­sen. Mit die­ser Frau, die in den Au­gen al­ler Welt für eine ver­däch­ti­ge Per­son galt, konn­te ich we­der eine gute Stel­lung noch Ach­tung ge­win­nen. Sie hat mich wie einen rich­ti­gen Dumm­kopf be­tört und be­strickt. Doch seit­dem ich ihr Spiel durch­schaut, habe ich die­se Dir­ne über­wacht.«

Er lach­te und setz­te hin­zu:

»Die­ser arme Fo­res­tier trug Hör­ner… sie be­trog ihn, ohne dass er es ahn­te; er blieb im­mer ver­trau­ens­voll und ru­hig. End­lich bin ich die Bür­de los, die er mir ver­erbt hat­te. Nun habe ich bei­de Hän­de frei, und ich wer­de es weit brin­gen.«

Er setz­te sich ritt­lings auf einen Stuhl und wie­der­hol­te wie in Ge­dan­ken:

»Jetzt wer­de ich es weit brin­gen.«

Va­ter Wal­ter sah ihn noch im­mer mit sei­nen blo­ßen Au­gen an; die Bril­le saß noch im­mer auf der Stirn, und er sag­te sich:

»O ja, die­ser Spitz­bu­be wird es weit brin­gen.«

Ge­or­ges stand auf:

»Ich wer­de gleich eine No­tiz über den Vor­fall schrei­ben, sie muss dis­kret ge­hal­ten wer­den. Aber wis­sen Sie, für den Mi­nis­ter wird sie schreck­lich sein. Der Mann ist er­le­digt, ihm wird nicht mehr zu hel­fen sein. Die Vie Françai­se hat kein In­ter­es­se mehr, ihn zu scho­nen.«

Der Alte zö­ger­te ei­ni­ge Au­gen­bli­cke, dann traf er sei­ne Ent­schei­dung:

»Gut, tun Sie es; umso schlim­mer für die, die sich in so un­sau­be­re Ge­schich­ten ein­las­sen.«

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Ograniczenie wiekowe:
0+
Objętość:
5297 str. 80 ilustracje
ISBN:
9783962817695
Właściciel praw:
Bookwire
Format pobierania:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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