Czytaj książkę: «Guy de Maupassant – Gesammelte Werke»
Guy de Maupassant
Gesammelte Werke
Romane und Geschichten
Guy de Maupassant
Gesammelte Werke
Romane und Geschichten
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2020
1. Auflage, ISBN 978-3-962817-69-5
null-papier.de/692
null-papier.de/katalog
Inhaltsverzeichnis
Vater Milon und andere Erzählungen
Vorwort des Übersetzers
Vater Milon
Am Frühlingsabend
Der Blinde
Der verhängnisvolle Kuchen
Der Schäfersprung
Aus alten Tagen
Magnetismus?
Ein korsikanischer Bandit
Die Totenwache
Träume
Eine Beichte
Mondschein
Eine Leidenschaft
Briefwechsel
Angeführt
Yveline Samoris
Freund Josef
Das Pflegekind
Bel Ami
Teil 1
Teil 2
Das Haus Tellier und Anderes
Das Haus Tellier
Der Kirchhof Montmartre
Auf dem Wasser
Gedanken des Oberst Laporte
Bertha
Die Geschichte einer Bauernmagd
Im Familienkreise
Simons Papa
Ein Menschenleben
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
XI.
Yvette und Anderes
Paul’s Verhältnis
Eine Landpartie
Im Frühling
Mamsell Fifi
Fett-Kloss
Zwei Freunde
Ein Stückchen Bindfaden
Das Ziehkind
Die Rückkehr
Marroca
Mohammed Cripouille
Der Waldhüter
Der letzte Spaziergang
Zwei Brüder
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Der Horla
Der Horla
Das Loch
Gerettet
Clochette
Der Marquis von Fumerol
Das Zeichen
Der Teufel
Dreikönigstag
Im Walde
Eine Familie
Josef
Das Wirtshaus
Der Landstreicher
Liebe – Aus dem Tagebuch eines Jägers
Mont Oriol
Erster Teil
Zweiter Teil
Herr Parent
Herr Parent
Belhommes Vieh
Zu verkaufen
Die Unbekannte
Das Geständnis
Die Taufe
Unvorsichtigkeit
Ein Wahnsinniger
Ländliche Gerichtsverhandlung
Die Haarnadel
Eine Entdeckung
Die Schnepfen
Auf der Eisenbahn
Ça ira
Einsamkeit
An Bettes Rand
Die beiden kleinen Soldaten
Dickchen
Dickchen
Der Bursche
Allouma
Hautot Vater und Hautot Sohn
Ein Abend
Die Stecknadeln
Duchoux
Das Stelldichein
Die Tote
Nutzlose Schönheit
Nutzlose Schönheit
Das Olivenfeld
Die Fliege
Der Ertrunkene
Die Probe
Die Maske
Das Bild
Der Krüppel
Die fünfundzwanzig Franken der Oberin
Ein Scheidungsgrund
Wer weiß!
Schnaps-Anton
Schnaps-Anton
Freund Patience
Der Schnurrbart
Das Bett No. 29
Bombard
Das Haar
Der alte Mongilet
Der Schrank
Zimmer No. 11
Die Gefangenenen
Die Mitgift
Rogers Mittel
Das Geständnis
Die Teufelin
Der Protektor
Theodul Sabots Beichte
Die kleine Roque
Die kleine Roque
Das Wrack
Der Einsiedler
Fräulein Perle
Rosalie Prudent
Frau Parisse
Julie Romain
Der alte Amable
Die Schwestern Rondoli
Die Schwestern Rondoli
Die Wirtin
Der Fall Luneau
Selbstmorde
Onkel Sosthène
Das Fässchen
Er?
Der Riegel
Der Orden
Andreas’ Leiden
Der Regenschirm
Das Sünden-Brot
Die Begegnung
Der Weise
Châli
Der Liebling
Erster Teil
Zweiter Teil
Stark wie der Tod
Erster Teil
Zweiter Teil
Tag- und Nachtgeschichten
Die Moritat
Rosa
Der Vater
Das Geständnis
Der Schmuck
Das Glück
Der Alte
Ein Feigling
Der Säufer
Die Blutrache
Coco
Die Hand
Der Krüppel
Elternmord
Der Lummen-Felsen
Der Kleine
Timbuctu
Eine wahre Geschichte
Adieu
Erinnerung
Die Beichte
Unser Herz
Erster Teil
Zweiter Teil
Dritter Teil
Miss Harriet
Miss Harriet
Denis
Kellner, ein Bier!
Auf der Reise
Ein Idyll
Die Erbschaft
Der Esel
Der Strick
Die Taufe
Reue
Onkel Julius
Mutter Sauvage
Ein Menschenleben
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
Mondschein
Mondschein
Ein Staatsstreich
Der Wolf
Das Kind
Weihnachtsmärchen
Königin Hortense
Die Verzeihung
Legende vom Mont Saint-Michel
Eine Witwe
Fräulein Cocotte
Die Schmucksachen
Vision
Die Tür
Der Vater
Moiron
Unsere Briefe
Die Nacht – Ein Traumgesicht
Die Schnepfe
Die Schnepfe
Das Schwein der Morin
Die Verrückte
Pierrot
Menuet
Die Furcht
Normannischer Scherz
Die Holzschuhe
Die Rohrstuhlflechterin
Auf See
Ein Normanne
Das Testament
Auf dem Lande
Ein Hahn hat gekräht
Ein Sohn
Sankt Anton
Walter Schnaffs’ Abenteuer
Hans und Peter
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
Der Tugendpreis
Der Tugendpreis
Abgeblitzt
Tollwut?
Das Modell
Die Baronin
Ein Handel
Der Mörder
Die Martin
Eine Gesellschaft
Die Beichte
Scheidung
Vergeltung
Irrfahrten eines Mädchens
Das Fenster
Das Haus
Das Haus
Kirchhofsliebe
Auf dem Strom
Geschichte einer Magd
Daheim
Simons Vater
Die Landpartie
Im Lenz
Pauls Frau
Fräulein Fifi
Zur Einführung
Die beiden Freunde
Liebesworte
Der Weihnachtsabend
Der Ersatzmann
Die Reliquie
Das Holzscheit
Pariser Abenteuer
Der Dieb
Das Bett
Fräulein Fifi
Erwacht
Weihnachtsfeier
Eine List
Der Spazierritt
Eingerostet
Toll?
Frau Baptiste
Marroca
Literaturverzeichnis
Index
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Vater Milon und andere Erzählungen
Vorwort des Übersetzers
Wir beginnen hiermit die Veröffentlichung des Nachlasses von Guy de Maupassant. Er enthält Erzählungen, Novellen, litterarische Chroniken und Aufsätze, an deren geordneter Herausgabe der Verfasser durch einen frühen und jähen Tod verhindert worden ist.
Dieser erste Band enthält eine Reihe von Geschichten, deren Grundidee Maupassant in einigen seiner Bücher wieder aufgenommen und ausgestaltet hat. Sie finden hier ihren natürlichen Platz, denn sie lassen uns – ganz abgesehen von dem Interesse, das sie an sich zu beanspruchen haben, – die Entwickelung des Maupassant’schen Denkens und Schaffens bis in ihre Anfänge zurück verfolgen.
Wir sind uns bewusst, dass die Veröffentlichung dieser in seinen Papieren vorgefundenen und von ihm selbst noch geordneten Arbeiten dazu beitragen wird, das Interesse für den großen Schriftsteller und seinen Ruhm zu mehren.
*
Mit dieser etwas knappen Vorrede beginnt der am heutigen Tage zugleich mit dieser Übersetzung erscheinende posthume Novellenband Guy de Maupassants »Le Père Milon«. Die Kürze der mir gesteckten Frist erlaubte nicht, den oben angedeuteten Gedanken, dass es sich in diesem Bande um mehrere Urbilder später ausgestalteter Werke handelt, des längeren auseinander zu setzen, und muss ich mir diese Aufgabe bis auf weiteres vorbehalten. Ein paar einleitende Worte mögen dennoch am Platze sein.
*
Maupassant erscheint auch in diesem posthumen Bande als der Seelenkünstler und Meister des Styls, als der er geschätzt wird. Jedes der nachfolgenden Genrebildchen ist mit epigrammatischer Kürze wie mit unnachahmlicher Klarheit und Einfachheit hingezeichnet und erschließt in dieser meisterlichen Beschränkung eine ganze reiche Welt. Natürlich hat der große Seelenkenner und Pessimist, der eben, weil er Seelenkenner war, zum Pessimisten wurde, auch in dieser Sammlung mehr die Schattenseiten der menschlichen Natur als ihre Lichtseiten – in freilich virtuoser Weise – herausgearbeitet. Wenn trotzdem kaum eine dieser Novellen einen durchaus unbefriedigenden, quälenden Eindruck hinterlässt, so liegt das wohl daran, dass die bittere Wahrheit stets in die himmelblaue Schönheit feinster Stylkunst getaucht ist, und dass Maupassant neben den Dissonanzen des Menschenlebens auch die wundervollen Akkorde der Natur erklingen lässt, die er wie kein zweiter zu schildern weiß. Impressionistische Naturbilder, wie sie in der Novelle »Ein korsikanischer Bandit« entrollt werden, oder die Schilderung des regungslosen Teiches in der Herbstnacht, oder der Zauber eines Mondaufganges am feuchten Frühlingsabend gehören zu den Perlen Maupassant’scher Kunst und stehen den berühmten Schilderungen der Afrikanischen Reise nicht nach.
Natürlich stehen auch in dieser Sammlung die Weiber im Brennpunkt des Interesses. Wir sehen sie alle, von der Abenteuerin, deren Tochter aus Gram über den leichtfertigen Wandel der Mutter in den Tod geht, und der kleinen Pariser Beamtenfrau, die einen Minister des zweiten Kaiserreiches nasführt, von der jungen Frau, die der ungeliebte Gatte aus blinder sinnloser Eifersucht fast umbringt und sie gerade dadurch zu Misstrauen und Untreue erzieht – bis zu der liebebedürftigen schönen Seele, die an einen langweiligen korrekten Pedanten gekettet ist und in einer zauberischen Mondnacht am Genfer See ihr Herz verliert, bis zu der alternden Frau, die in dem wehmütigen Gedanken: »Wie kurz ist doch ein Menschenleben!« an die fröhlichen und sorglosen Tage ihrer glücklichen Jugend zurückdenkt und unter altem Gerümpel von den Bildern der Vergangenheit wehmütig befallen wird, und bis zu der rührenden Gestalt der alten Jungfer, die in der Frühlingsnacht weint, als sie, das arme, nie geliebte Mädchen, das liebende, schäkernde Brautpaar bewachen soll…
Ich möchte an dieser Stelle eine technische Schlussbemerkung nicht unterdrücken. Es versteht sich von selbst, dass dieses Buch nicht nach beliebter Manier »frei nach Maupassant« erfunden ist, sondern sich eng an das Original anschließt. Wenn ich trotzdem an gewissen Stellen nicht bis zur Grenze des Erlaubten gegangen bin, so glaube ich mich trotzdem nicht am Urtext versündigt zu haben, der mir heilig ist. Die französische Sprache hat – ganz abgesehen davon, dass es französische Art ist, alles viel freier, naiver und ungeschminkter herauszusagen, als es bei uns anständig wäre – eine Fülle von Worten, die alles mögliche bedeuten können, während die Äquivalente bei uns – sehr eindeutig sind. Man lese z. B. einen Roman von Zola auf Französisch, und man wird verhältnismäßig wenig direkt Anstößiges darin finden; man lese ihn in »realistischer« Übersetzung, und man wird vorziehen, ihn nicht zu Ende zu lesen. Es heißt darum nicht, einen Autor fälschen, wenn man ihn in einer solchen Abtönung wiedergibt, dass die Wirkung, die er hervorruft, in beiden Sprachen dieselbe bleibt.
Berlin, im Juli 1899.
Friedrich von Oppeln-Bronikowski.
Vater Milon
Seit einem Monat flammt die Sonne mit Macht über der Landschaft. Leuchtend entfaltet sich das Leben unter diesem Feuerregen. Blau spannt sich der Himmel bis an die Ränder der Welt. Die normannischen Höfe, die über die Ebene verstreut sind, sehen von ferne wie kleine Waldungen aus, die ein hoher Buchengürtel umschlingt. Kommt man näher und öffnet das verwitterte Hoftor, so glaubt man in einen Riesengarten zu treten, denn all die alten Apfelbäume, die so knorrig wie die Bauern des Landes sind, stehen in Blüte. Ihre alten schwarzen, gekrümmten und gewundenen Stämme stehen reihenweise im Hofe und entfalten ihre weißen und rosa Blütenwipfel unter dem blauenden Himmel. Der süße Blütenduft mischt sich in die fetten Gerüche der offenen Ställe und die Ausdünstungen des gärenden Düngerhaufens, auf dem es von Hühnern wimmelt.
Es ist Mittag, die Familie sitzt im Schatten des Birnbaums vor der Tür, Vater, Mutter, vier Kinder, zwei Mägde und drei Knechte. Gesprochen wird nicht, nur gegessen. Erst die Suppe, dann wird die Fleischschüssel aufgedeckt, auf der Kartoffeln mit Speck liegen. Von Zeit zu Zeit steht eine Magd auf und geht in den Keller, um den Äpfelweinkrug zu füllen.
Der Mann, ein stattlicher Vierziger, dreht sich nach dem Hause um und blickt auf ein Weinspalier, das noch ziemlich kahl ist und sich wie eine Schlange unter den Läden weg um die Mauer windet. Endlich tut er den Mund auf. »Vater sein Wein« sagte er, »schlägt dies Jahr früh aus. Vielleicht wird er was tragen.«
Die Frau dreht sich gleichfalls um und blickt hin, ohne ein Wort zu sagen.
Dieser Wein ist gerade an der Stelle gepflanzt, wo der Vater erschossen wurde.
*
Es war im Kriege 1870. Die Preußen hatten das ganze Land besetzt. General Faidherbe stand ihnen mit der Nordarmee gegenüber.
Das preußische Stabsquartier befand sich just in diesem Hofe. Vater Milon, der Besitzer, mit Vornamen Pierre, hatte den Feind gut aufgenommen und nach besten Kräften untergebracht.
Die preußische Avantgarde lag seit einem Monat hier in Beobachtungs-Stellung. Die Franzosen standen zehn Meilen entfernt, ohne sich zu rühren, und doch verschwanden allnächtlich Ulanen.
Alle einzelnen Reiter, die auf Patrouille geschickt wurden, auch wenn sie zu zweit oder zu dritt ritten, kamen nie wieder.
Man fand sie am nächsten Morgen im Felde, am Rande eines Gehöfts oder Grabens tot. Selbst ihre Pferde lagen an den Straßen hingestreckt; ein Säbelhieb hatte ihnen die Kehle zerschnitten.
Diese Mordtaten schienen immer von denselben Leuten verübt zu werden, die man nicht entdecken konnte.
Das Land wurde eingeschüchtert, Bauern auf einfache Denunziation hin erschossen, Weiber gefangen gesetzt. Aus den Kindern suchte man durch Drohungen etwas heraus zu pressen. Es kam aber nichts heraus.
Doch da lag eines Morgens Vater Milon im Stall auf der Streu und hatte einen klaffenden Hieb im Gesicht.
Zwei Ulanen mit aufgeschlitztem Leibe lagen etwa drei Kilometer vom Hofe entfernt. Der eine hielt seine blutige Waffe noch in der Faust; er hatte sich gewehrt und gekämpft.
Sofort wurde ein Kriegsgericht auf dem Hofe unter freiem Himmel abgehalten und der Alte vorgeführt.
Er war achtundsechzig Jahre alt, von kleiner Statur, mager, etwas gebeugt, und hatte große Hände wie Krebsscheren. Sein Haar war gebleicht, spärlich und zart wie der Flaum einer jungen Ente; überall ließ es die Kopfhaut durchschimmern. An der braunen, runzeligen Haut des Halses quollen dicke Adern hervor, die unter dem Kinn verschwanden und an den Schläfen wieder zu Tage traten.
Man stellte ihn zwischen vier Soldaten und an den herausgezogenen Küchentisch setzten sich fünf Offiziere sowie der Oberst ihm gegenüber.
Dieser ergriff das Wort auf Französisch.
– Vater Milon, sagte er, seit wir hier sind, haben wir uns über Euch nie zu beklagen gehabt. Ihr seid immer gefällig und sogar aufmerksam gegen uns gewesen. Aber heute lastet eine furchtbare Anklage auf Euch, und die Sache bedarf der Aufklärung. Woher habt Ihr die Wunde, die Ihr da im Gesicht tragt?
Der Bauer antwortete nicht.
– Euer Schweigen verdammt Euch selbst, Vater Milon, fuhr der Oberst fort. Aber ich wünsche, dass Ihr antwortet, versteht Ihr mich. Wisst Ihr, wer die beiden Ulanen getötet hat, die heute Morgen am Kruzifix gefunden wurden?
Der Alte sagte laut und deutlich:
– Das bin ich gewesen.
Der Oberst war betroffen. Er schwieg eine Sekunde und blickte den Gefangenen scharf an. Vater Milon stand ungerührt in seiner schwerfälligen Bauernart und senkte die Augen, als ob er vor seinem Beichtiger stände. Nur eines verriet vielleicht seine innere Bewegung: er schluckte fortwährend mit sichtlicher Anstrengung, als ob ihm die Kehle zugeschnürt wäre.
Seine Familie, d. h. sein Sohn Jean, seine Schwiegertochter und die zwei Kleinen, standen zehn Schritt dahinter, verstört und in ängstlicher Spannung.
Der Oberst fuhr fort.
– Wisst Ihr auch, wer alle Meldereiter unserer Armee umgebracht hat, die seit einem Monat jeden Morgen auf den Feldern gefunden wurden?
Und mit derselben brutalen Gleichgültigkeit antwortete der Alte:
– Das bin ich gewesen.
– Ihr? Ihr habt sie umgebracht?
– Freilich, ich bin es gewesen.
– Ihr allein?
– Ich allein.
– Sagt mir doch, wie habt Ihr das angestellt?
Diesmal schien der Mann bewegt. Der Zwang, lange reden zu müssen, belästigte ihn sichtlich.
Ich… ich weiß nicht. Ich hab’ das getan, wie sich ’s grade machte.
– Ich mache Euch darauf aufmerksam, fuhr der Oberst fort, dass Ihr nichts zu verschweigen habt. Ihr werdet also gut tun, Euch auf der Stelle zu entschließen. Wie habt Ihr sie umgebracht?
Der Bauer warf einen unruhigen Blick auf seine Angehörigen, die hinter ihm horchten, schien noch einen Augenblick zu zaudern und entschloss sich dann plötzlich, zu reden.
– Ich kam eines Abends heim, sagte er. Es war um zehn Uhr, den Tag darauf, wo Sie hergekommen waren. Sie und Ihre Soldaten hatten mir mehr als für fünfzig Taler Futter und eine Kuh und zwei Hammel fortgenommen. Ich habe mir gleich gesagt: So viel mal sie mir zwanzig Taler nehmen, so viel will ich ihnen heimzahlen. Und dann hatte ich noch andere Sachen auf dem Herzen, die will ich Ihnen nachher sagen. Ich sehe da also einen von Ihren Reitern, der sitzt auf meinem Grabenrand und raucht seine Pfeife hinter meiner Scheuer. Ich gehe und nehme meine Sense herunter und schleiche mich ganz sachte von hinten an ihm ’ran, dass er nur ja nichts merkt. Und mit einem Schlage hau’ ich ihm den Kopf ab, wie einen Halm, dass er nicht mal mehr »Uff!« sagte. Sie brauchen nur im Moor nachsehen lassen, da werden Sie ihn in einem Kohlensack finden, mit ’nem Feldstein drangebunden.
Ich hatte so meinen Gedanken dabei; ich nahm alle seine Sachen samt den Stiefeln und der Mütze mit und versteckte sie in der Kalkbrennerei am Martinswald hinter dem Hofe.
Der Alte schwieg. Die Offiziere blickten sich sprachlos an. Das Verhör begann von Neuem und hatte folgendes Ergebnis.
*
Sobald er den Mord vollbracht hatte, hatte er nur noch den einen Gedanken: »Tod den Preußen!« Er hasste sie mit heimtückischem, erbittertem Hass, sowohl als beeinträchtigter Bauer wie als guter Patriot. Er hatte so seinen Gedanken, wie er sagte, und wartete ein paar Tage ab.
Man ließ ihn tun und lassen, was er wollte, und aus- und eingehen, wie er wollte, so demütig, unterwürfig und gefällig hatte er sich gegen die Sieger benommen. So sah er jeden Abend die Patrouillen abreiten und merkte sich die Namen der Orte, wohin sie reiten sollten. Des Nachts ging er dann hinaus, nachdem er im Verkehr mit den Soldaten die paar deutschen Brocken gelernt hatte, die er brauchte.
Er verließ den Hof, schlich in den Wald und erreichte die Kalkbrennerei, schlüpfte bis an’s Ende des langen Ganges und zog sich die Kleider des Toten an, die auf der Erde lagen.
Dann begann er querfeldein zu streifen, kroch in den Geländefalten entlang, um nicht gesehen zu werden, und lauschte, unruhig wie ein Wilddieb, auf das leiseste Geräusch.
Als er glaubte, dass die Zeit gekommen wäre, zog er sich an die Straße heran, versteckte sich da in einem Strauche und wartete. Endlich, um Mitternacht, hörte er den Galopp eines Pferdes auf der harten Straßendecke. Er legte das Ohr auf den Boden, um sich zu vergewissern, ob auch nur ein einziger Reiter käme; dann hielt er sich bereit.
Der Ulan kam im schlanken Trabe daher; er brachte Meldungen zurück. Er hielt das Auge wach und das Ohr gespannt. Als er bis auf zehn Schritte heran war, schleppte sich Vater Milon über die Straße hin und schrie plötzlich »Hilfe! Hilfe!« Der Reiter machte Halt, erkannte einen Reiter ohne Pferd, und hielt ihn für verwundet. Als er nichtsahnend näher kam und sich über den Unbekannten beugte, stach ihm dieser mit dem krummen Säbel mitten in den Leib, sodass er ohne Todeskampf aus dem Sattel sank; nur ein letztes Zucken lief durch seinen Körper.
Da erhob sich der alte Bauer stumm und freudestrahlend und schnitt dem Leichnam zum Spaß noch die Kehle durch. Dann zog er ihn nach dem Graben und warf ihn hinein.
Das Pferd wartete ruhig auf seinen Herrn; Vater Milon setzte sich in den Sattel und galoppierte davon.
Nach etwa einer Stunde erblickte er noch zwei Ulanen, die Schenkel an Schenkel ins Quartier ritten. Er galoppierte stracks auf sie zu und schrie wieder: »Hilfe! Hilfe!« Die Preußen ließen ihn, da sie die Uniform erkannten, ohne irgendwelches Misstrauen herankommen. Der Alte platzte mitten zwischen sie hinein, wie eine Kugel, und machte sie mit Säbel und Revolver unschädlich.
Dann schnitt er den Pferden – es waren ja deutsche Pferde! – die Hälse durch, kehrte in aller Gemütsruhe nach seinem Kalkofen zurück und verbarg das Pferd am Ende des dunklen Ganges, legte seine Uniform ab, zog seine armseligen Bauernkleider wieder an, ging heim und schlief bis zum anderen Morgen,
Vier Tage lang hielt er sich ruhig, um das Ende der angestellten Untersuchung abzuwarten. Am fünften Tage brach er wieder aus und tötete noch zwei Soldaten durch dieselbe Kriegslist. Seitdem ging er allabendlich auf Menschenjagd, durchquerte aufs Geratewohl die Gegend, schlug die Preußen bald hier, bald dort zu Boden und galoppierte im Mondschein als Ulan durch die verlassenen Felder. Hatte er seine Absicht erreicht, so ließ er die Leichen an den Straßen liegen und versteckte Pferd und Uniform wieder im Kalkofen.
Gegen Mittag ging er dann mit dem ruhigsten Gesicht von der Welt wieder hin und brachte seinem Reittier Hafer und Wasser in den unterirdischen Gang, wo es angebunden war, und fütterte es gut, denn es musste ihm viel leisten.
An einem der Abende jedoch setzte sich einer der Angegriffenen rechtzeitig zur Wehr und schlug dem alten Bauern mit dem Säbel ins Gesicht.
Er hatte indessen beide getötet und war noch bis zu seinem Kalkofen gekommen, hatte dort sein Pferd untergestellt und seine unscheinbare Kleidung wieder angelegt. Dann hatte er sich nach Hause geschleppt, war aber unterwegs von einer Schwäche befallen worden, und hatte nur noch den Stall, nicht mehr das Haus erreicht.
Dort hatte man ihn blutüberströmt auf der Streu gefunden.
*
Als er seine Erzählung beendet hatte, erhob er plötzlich den Kopf und blickte die preußischen Offiziere stolz an.
Der Oberst zog an seinem Schnurbart und fragte:
– Weiter habt Ihr nichts zu sagen?
– Nein, weiter ist’s nichts. Die Rechnung stimmt. Ich habe sechzehn getötet, keinen mehr, keinen weniger.
– Ihr wisst, dass Euch der Tod bevorsteht?
– Ich habe Sie nicht um Gnade gebeten.
– Seid Ihr Soldat gewesen?
– Zu meiner Zeit, ja. Außerdem habt Ihr meinen Vater getötet, er war Soldat unter dem ersten Kaiser. Und meinen jüngsten Sohn François, den habt Ihr vergangenen Monat bei Evreux getötet. Was ich Euch schuldig war, ist nun bezahlt. Wir sind jetzt quitt.
Die Offiziere blickten sich an.
– Acht für meinen Vater, fuhr der Alte fort. Acht für meinen Sohn. Nun sind wir quitt. Ich habe den Streit mit Euch nicht gesucht. Ich kenne Euch nicht. Ich weiß nicht einmal, wo Ihr her seid. Ihr seid zu mir gekommen und schaltet in meinem Hause, als ob es bei Euch wäre. Ich habe mich für alles gerächt. Ich bereue nichts.
Der Alte richtete seinen steifen Körper auf und kreuzte die Arme, wie ein schlichter Held.
Die Preußen sprachen lange mit gedämpfter Stimme. Ein Hauptmann, dessen Sohn im letzten Monat gleichfalls gefallen war, verteidigte diesen armen Teufel.