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Ascension-Saga: 9
Interstellare Bräute Programm: Ascension-Saga
Grace Goodwin


Ascension-Saga: 9 Copyright © 2020 durch Grace Goodwin

Interstellar Brides® ist ein eingetragenes Markenzeichen

von KSA Publishing Consultants Inc.

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Buch darf ohne ausdrückliche schriftliche Erlaubnis des Autors weder ganz noch teilweise in jedweder Form und durch jedwede Mittel elektronisch, digital oder mechanisch reproduziert oder übermittelt werden, einschließlich durch Fotokopie, Aufzeichnung, Scannen oder über jegliche Form von Datenspeicherungs- und -abrufsystem.

Coverdesign: Copyright 2020 durch Grace Goodwin, Autor

Bildnachweis: Deposit Photos: .shock, Angela_Harburn

Anmerkung des Verlags:

Dieses Buch ist für volljährige Leser geschrieben. Das Buch kann eindeutige sexuelle Inhalte enthalten. In diesem Buch vorkommende sexuelle Aktivitäten sind reine Fantasien, geschrieben für erwachsene Leser, und die Aktivitäten oder Risiken, an denen die fiktiven Figuren im Rahmen der Geschichte teilnehmen, werden vom Autor und vom Verlag weder unterstützt noch ermutigt.

Inhalt

Willkommensgeschenk!

Interstellare Bräute® Programm

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Willkommensgeschenk!

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Prolog


Königin Celene – Zellenblock C der Optimus-Einheit

Ich starrte an die Wand und versuchte einmal mehr meine Gabe zu aktivieren.

Nichts. Ich war zu lange nicht mehr in der Zitadelle gewesen, die Verbindung war zu schwach geworden. Ich konnte sie nicht wie früher abrufen.

Das letzte Mal, als ich ernsthaft meine Fähigkeit eingesetzt hatte, hatte sie mir das Leben gerettet. Oft hatte sich meine Flucht wie gestern angefühlt, jetzt aber … fühlte es sich an wie vor einer Ewigkeit.

Ich musste zur Zitadelle zurück und mich wieder mit ihr verbinden. Ich musste wieder stark werden, so wie früher. Meine Töchter brauchten mich. Alera brauchte ihre Königin. Aber als Erstes musste ich entkommen.

Die Priesterschlampe, die meine Töchter bedroht hatte, war seit Tagen nicht mehr aufgetaucht. Ich wusste nicht, ob sie überhaupt noch lebte. Seit ihrem Verschwinden war ich gut behandelt worden, zumindest im Vergleich zum Elend nach meiner Entführung. Egal. Ich musste raus hier. Die Uhr in meinem Kopf tickte wie der Countdown einer Bombe.

Etwas war anders, und zwar erheblich anders. Nachdem dieser Priester meinen narbengesichtigen Wächter ermordet hatte, war alles anders geworden.

Meine Kleider waren wärmer.

Ich wurde nicht mehr geschlagen. Genau genommen hatten die Schläge schon vorher aufgehört, aber jetzt war es, als wäre ich aus einem grausamen Gulag ins Four-Seasons-Hotel umgezogen.

Ich hatte Schuhe und dicke Socken an den Füßen und eine extra Decke auf dem Bett.

Ich musste auch nicht mehr hungern. Ich hatte aufgegeben und alles verspeist, was sie mir gebracht hatten, was nicht nur köstlich, sondern auch nahrhaft war. Wollten sie mich vielleicht für die Schlachtung mästen? Nein. Wenn sie mich vergiften wollten, dann hätten sie es schon vor langer Zeit getan. Abgesehen davon mussten sie nicht auf solch heimtückische Mittel zurückgreifen, um mich zu ermorden. Wenn sie mich töten wollten, dann konnten sie mir einfach die Kehle aufschlitzen und meinen Leichnam ins westliche Meer werfen. Die Küste war im E-Sprinter nur wenige Stunden entfernt und die Kreaturen, die sich dort unter Wasser tummelten, waren sehr viel aggressiver als die harmlosen Haifische auf der Erde. Sie waren echte Raubtiere. Piranha-artige Monster, die die Größe von kleinen Booten hatten. Einige davon waren mit Zähnen ausgestattet, die länger waren als meine Arme.

Ob tot oder lebendig, binnen Minuten wäre nichts als Fischfutter von mir übrig. Binnen Sekunden.

In den letzten zwei Tagen war ich dreimal verlegt worden, als also die Tür aufging und ich zwei junge Garden mit Handschellen in den Händen erblickte, war ich nicht überrascht. Ihre Worte allerdings schockten mich dann doch.

“Wir grüßen sie, Meine Königin. Wir wurden entsendet, um sie zu ihrem neuen Zuhause zu eskortieren.” Einer sprach. Beide verneigten sich.

Was zum Teufel?

Sie wussten, dass ich die Königin war und verwendeten die formale Begrüßung. Was zum Teufel—hätte Destiny jetzt wohl gesagt.

“Wovon redet ihr da? Wo schafft ihr mich hin? Zum Palast?”

Der zweite Garde richtete sich auf, rollte mit dem Schultern und plusterte die Brust raus, als ob er stolz war seine Königin gefangen zu halten. Als ob mich gegen meinen Willen festzuhalten eine verdammte Ehre war. “Unser König ist zurückgekehrt, Meine Königin. Er hat uns angewiesen, sie in ihr neues Zuhause zu bringen, wo er für ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden sorgen wird.”

Der König? Was zum Teufel? Wovon redeten sie da? “Der König ist tot.”

Der erste Wache, jung und gutaussehend und eindeutig naiv, lächelte. “Nein, Meine Königin. Er lebt. Er ist endlich zurückgekehrt, um seinen Platz an ihrer Seite einzunehmen.”

“Endlich zurückgekehrt?”

“Siebenundzwanzig Jahre sind eine lange Zeit, Meine Königin. Wir hatten fast die Hoffnung aufgegeben.” Seine tiefblauen Augen strahlten vor Aufregung, als ob er gleich ein Weihnachtsgeschenk öffnen würde. Seine Emotion war echt. Dieser Vollidiot glaubte, was er da von sich gab. Dabei war er damals noch nicht einmal geboren.

“Der König war siebenundzwanzig Jahre lang verschwunden?”

Der zweite Garde sprach. “Ja, Meine Königin. Er ist zur selben Zeit wie sie verschwunden und ist kurz nach ihren Töchtern zurückgekehrt.”

“Er ist verschwunden, weil er tot ist,” konterte ich. Tot war tot. Ich hatte mitangesehen, wie mein Partner, also König Mykel, erstochen wurde. Ein Anblick, den ich nie vergessen würde.

“Er ist am Leben und wohlauf und kann es kaum erwarten sie zu sehen, Meine Königin.”

Aber … war das möglich? Konnte er irgendwie überlebt haben? Sicher, irgendjemand musste davon gewusst haben; er würde einen ReGen-Tank benötigt haben. Hilfe, um dorthin zu gelangen. Ärzte.

Und dieser Garde hatte er kann es kaum erwarten gesagt. Niemand, der es kaum erwarten konnte, würde siebenundzwanzig Jahre ausharren. Alles klar. Wenn es wirklich Mykel war, warum hatte er dann solange gewartet? Warum jetzt? Wie es aussah, hatte sich die Lage mehr verändert, als mir bewusst war. Oder vielleicht war er es nicht. Sondern jemand anderes, was bedeutete, dass sich nichts geändert hatte. Ich wusste immer noch nicht, wer mich entführt hatte. Wer die Mädchen ermorden wollte. Jetzt wollten sie, dass ich jemand anderes als meinen toten Partner akzeptierte? Dachten sie, dass ich ihn nach dreißig Jahren nicht mehr wiedererkennen würde? Sicher, wir waren nicht lange zusammen gewesen, der Angriff hatte kurz nach unserer Verpartnerungszeremonie stattgefunden, aber ich würde ihn erkennen. Er hatte meine Gluthitze befriedigt, mir sein Leben, seine Liebe versprochen. Und er war gestorben, um mich zu beschützen. Oder etwa nicht?

“Wo ist er dann?” fragte ich den Garden. “Sag ihm er soll zu mir kommen und es mir persönlich erklären.” Ich hatte gesehen, wie ein maskierter Attentäter dem König einen Dolch ins Herz gestoßen hatte. Momente später war ich geflohen. Das war nicht gestellt gewesen. Wem auch immer diese Garden gehorchten, er musste eine Art Hochstapler sein. Ganz sicher. Mykel war schon lange tot. Mein Herz gehörte jetzt Adam. Adam, der weit weg auf der Erde und sicher ganz krank vor Sorge war.

“Meine Königin, er kann sich jetzt noch nicht offenbaren. Er hat uns gebeten, sie persönlich zu ihrer neuen Unterkunft zu begleiten und für ihre Sicherheit zu sorgen.”

Ja, bestimmt hat er das. “Wozu also die Handschellen?”

Der erste Garde senkte entschuldigend den Kopf. “Verzeihung, Meine Königin, aber er fürchtet, dass sie uns nicht glauben und versuchen könnten zu fliehen.”

Der mysteriöse König lag richtig. Aber ich würde es nicht nur versuchen.

Ich setzte mich auf die Bettkante und ließ mir reichlich Zeit, um meine Schuhe anzuziehen; insgeheim hoffte ich, die Garden würden in meine Zelle eintreten.

Meine Geduld wurde belohnt. Als ich fertig wer, standen beide in meiner Zelle und die Tür hinter ihnen war sperrangelweit offen.

Ich stand auf und streckte wie eine brave Hirschkuh die Hände aus. Der nächste Garde trat mit den Handschellen nach vorne.

“Weißt du was,” sprach ich, “die letzte Person, die in meiner Zelle gestanden hat, hatte damit gedroht meine drei Töchter zu ermorden.”

Er riss halb überrascht und halb entsetzt die Augen auf, als ob die Vorstellung eine Zumutung für ihn war. Seltsam, schließlich war ich ihre Gefangene. “Wir entschuldigen uns für diese Entgleisung. Es hat eine Weile gedauert, bis wir sie finden konnten. Ich versichere ihnen, diese Person wird weder ihnen noch den Prinzessinnen Schaden zufügen.”

“Ach was?” Die Handschellen näherten sich und ich musste mir ein Lächeln verkneifen, als der zweite Garde ebenfalls näher trat. Zwei Welpen, diese Stümper. Freundlich, im Gegensatz zu den anderen und daher würde ich sie nur außer Gefecht setzen, anstatt sie zu verletzen.

In einem unachtsamen Augenblick packte ich den ersten Garden am Handgelenk und zog ihn zu mir. Als er nach vorne gebeugt mit dem Gleichgewicht kämpfte, fegte ich mit dem Fuß sein Vorderbein zur Seite, wie einen Fußball. Ohne sein Standbein fiel er um wie ein Redwood-Baum und ihm blieb vor Schreck die Luft weg. Als er zu Boden ging, schnappte ich mir die Handschellen.

Der zweite Garde blinzelte total überrumpelt, weil ich mich tatsächlich bewegt und obendrein noch seinen Kumpel zu Fall gebracht hatte. Ich nutzte die Gelegenheit und ließ die Handschelle um sein Handgelenk zuschnappen. Als er mich anblickte, schenkte ich ihm ein zaghaftes Lächeln. “Tut mir leid.”

Es tat mir echt ein bisschen leid, denn die beiden waren süß, aber sie waren nicht süß genug, um es bleibenzulassen.

Ich ließ die andere Handschelle von seinem Handgelenk baumeln, packte mit beiden Händen seine Hand und drehte. Sein Unterarm verdrehte sich in eine nicht gerade angenehme Richtung—danke Destiny, dass du damals in der neunten Klasse die ganze Familie mit deinen frisch erworbenen Jiu-Jitsu-Kenntnissen gefoltert hast—, bis ihm nichts anderes übrig blieb, als in die Knie zu gehen, während ich sein Schulterblatt in die Mangel nahm. Er musste zu Boden gehen oder ich würde ihm die Schulter auskugeln.

Das Ganze dauerte zwei Sekunden und ich zog die Handschelle durchs Bein meines Bettgestells, dann schloss ich sie ums Handgelenk seines Kumpels. Der erste Garde war wieder zu Atem gekommen, sie schlugen um sich und wollten aufstehen. Da ihre Arme aber unter dem Bettgestell gefangen waren und das Bett am Boden fixiert war, würden sie nicht weit kommen.

Ich blickte runter auf die beiden und fragte mich, ob sie wohl die erbärmlichsten Garden auf dem gesamten Planeten waren oder ob sie mich tatsächlich für die liebe, nette Königin gehalten hatten, die sie sich ihr ganzes Leben lang vorgestellt hatten. Ich konnte nett sein, aber nicht, wenn jemand meinen Töchtern drohte. Ich ging zur offenen Tür, blieb stehen und blickte mich zu den beiden um. Sie kauerten unbeholfen auf allen vieren. “Sie werden euch bald finden.”

Irgendwann würde man schon nach ihnen Ausschau halten. Ich bewegte mich lautlos den Flur entlang und ging weiter, bis ich einen anderen Garden sah. Diesmal bewaffnet.

Gut. Diesem Möchtegern-König würde ich nämlich ein Loch in den Schädel blasen, sobald ich ihn gefunden hatte.

Er zückte sofort seine Waffe, ich aber machte einen auf schwache Frau. “Der Garde, er ist verletzt.” Ich deutete besorgt den Flur entlang und bot ihm eine oscarreife Vorstellung. “Schnell, ich glaube, er braucht einen ReGen-Tank.”

Er trat an mich heran und da er mich nicht als Bedrohung wahrnahm, hatte er bereits seine Waffe gesenkt. Als er vorbeilief, entriss ich ihm die Ionenpistole, stellte sie noch schnell auf Betäuben und feuerte.

Er ging zu Boden und regte sich nicht. Ich beugte mich runter und tätschelte seine Schulter. “Du wirst überleben.” Er würde eine Weile gelähmt sein, da ich aber nicht wusste, wie lange die Betäubung anhielt, ging ich schnell weiter.

Göttin, wie gut es sich anfühlte endlich etwas auszurichten, mich zu wehren, anstatt brav herumzusitzen. In die Offensive zu gehen, statt defensiv zu warten. Zum Glück hatten sie mich in einen weniger bewachten Zellenblock verlegt. Jeden Tag war ich woanders hingebracht worden, als ob sie mich nur mit Mühe verstecken konnten. Als ob nach mir gesucht wurde.

Nun, die Königin war jetzt aus dem Käfig und der gesamte Planet würde davon erfahren. Ich würde diesen Möchtegern-König anlocken. Und sollte es nach all diesen Jahren wirklich Mykel sein, dann würde er bluten.

Ein Alarm ertönte und nach den vielen Tagen in fast völliger Stille taten meine Ohren weh. Ich konnte zwar mit drei Garden fertig werden, aber gegen Kameras konnte ich nichts ausrichten. Die Wände hatten Augen und sie sahen alles. Sie hatten gesehen, wie ich den Garden außer Gefecht gesetzt hatte. Ich ignorierte das schrille Geräusch. Ich musste aus diesem Gefängnisbereich verschwinden und Wachleute finden, die wirklich loyal und keine Gefolgsleute meiner Feinde waren.

Die dritte Wachstation war schließlich besetzt, den Uniformen nach zu urteilen von Mitgliedern der Optimus-Einheit. Zwei Frauen und ein Mann, und alle drei blickte auf, als ich das Schloss an der Tür sprengte und durch ihre Station gelaufen kam. Allen dreien klappte vor Schreck die Kinnlade runter.

“Sie sind die Königin.” Eine der Frauen stand verwundert auf und ihr Stuhl schrammte vor lauter Eile über den Boden. Sie war jünger als meine Zwillinge. Offensichtlich wusste sie nicht, dass ich hier war, was mich zu der Einsicht brachte, dass ich ein Geheimnis gewesen sein musste.

Ich nickte. “Das bin ich. Ich verlange mit Captain Travin Turaya von der royalen Garde zu sprechen, auf einem gesicherten Kanal. Danach werdet ihr mich persönlich zu ihm bringen.”

Sie alle starrten mich an und rührten sich nicht.

“Sofort.”

Ich war nicht sicher, ob es meine königliche Autorität oder die Ionenpistole war, mit der ich auf sie zielte, aber sie machten sich an die Arbeit. Es spielte keine Rolle. Sie führten meinen Befehl aus.

Ich lächelte. Die Königin war zurück.

1


Destiny

Morson. Morson. Wo zum Teufel steckte er?

Nix durchsuchte den Raum von der anderen Seite und bewegte sich wie ein Schatten an der Wand entlang. Unbemerkt von den Gästen. Keine Ahnung, wie das überhaupt möglich war. Er war ein eins-fünfundneunzig großer Hüne aus purer Muskelkraft und rohem Sexappeal; die ganzen Verräter im Raum mussten wohl zu beschäftigt sein den Mord an meiner Mutter zu diskutieren.

Die meisten Leute hier waren auf die eine oder andere Art mächtig. Priester. Lords. Ladys. Ich war noch nicht lange auf Alera und selbst ich konnte das sehen. Mitglieder der Optimus-Einheit waren dabei. Das war wie der Fuchs, der den Hühnerstall bewachte. Die Optimus-Einheit funktionierte wie FBI und Justizsystem in einem. Meiner Meinung nach war dies nicht gerade die cleverste Lösung. Im Sozialkundeunterricht hatten wir die Gewaltenteilung durchgenommen und hier schienen sie noch nie davon gehört zu haben.

Ich scannte ihre Gesichter und suchte nach dem Mann, den ich zuvor flüchtig auf dem Monitor gesehen hatte. Morson. Die einzige Person, die es dem Urteil meiner Schwester Trinity nach wert war, gerettet zu werden.

Das Ticken der Bombe hallte in meinem Fledermausgehör wider, trotz der Tatsache, dass sie über hundert Schritte entfernt und in einem anderen Raum war. Scheinbar hatte sich meine seltsame Superkraft ganz auf das Geräusch eingestellt; eine konstante Erinnerung daran, dass uns die Zeit davonlief.

Tick-tack. Tick-tack. Schlimmer als ein Metronom und unendlich nervtötender.

Stirb-stirb. Stirb-stirb. Das war es, was ich hörte. Das Geräusch brachte mein Blut in Wallung und bescherte mir Kopfschmerzen. Irgendjemand wollte alle in diesem Gebäude umbringen. Jeden vernichten, der über den Vorfall damals mit meiner Mutter Bescheid wusste. Wer auch immer es war, er war nachtragend. Siebenundzwanzig Jahre. Siebenundzwanzig!

Die Leute waren wie die Fliegen gestorben. Einer nach dem anderen, irgendein Psycho wollte sie alle umbringen. Zum Glück hatten Trinity, Faith und ich überlebt. Und Mutter auch, denn ihr Turm leuchtete weiter. Und jetzt plante dieser Wichser—oh ja, er war ein totaler Wichser—den Rest mit einer Bombe zu beseitigen. Der Countdown tickte und ich sah aus, als würde ich mich auf einer Cocktailparty unter die Leute mischen.

Das Risiko störte mich nicht. Nein. Aber mich störte, dass Nix immer noch im Gebäude war. Mein Tod? Nicht das Ende der Welt. Wenn ihm aber etwas passieren sollte, dann würde ich mir das niemals verzeihen.

Das sollte Liebe sein? Herzzerreißende Angst?

Ich dachte zurück an die Momente, in denen ich mir vorstellte, wie Mutter irgendwo in Ketten gelegt vor sich hin rottete, oder wenn meine Schwestern als Kinder einen Unfall hatten.

Oh ja. Herzzerreißende Angst. Sorge. Hilflosigkeit.

Liebe war zum Kotzen. Warum jagten wir ihr nur ein Leben lang hinterher?

“Morson, schön dich zu sehen. Ich wusste, dass du mich nicht enttäuschen würdest.”

Ich riss den Kopf in Richtung dieser Stimme und erspähte meine Beute, Morson, als er gerade mit einer älteren Dame sprach, die ebenfalls die Uniform der Optimus-Einheit trug. Ich hatte keine Ahnung, wer sie war, und es war scheißegal. Bald würde sie tot sein. Genau wie Morson, sollte ich ihn nicht hier rausholen.

Woher aber würde Nix wissen, dass ich ihn gefunden hatte? Er war auf der anderen Seite dieses riesigen Raumes und dutzende Leute waren zwischen uns.

“Es ist eine ganze Weile her,” entgegnete Morson. “Gerne würde ich hören wie die nächsten Schritte aussehen, um den Thron zu übernehmen.”

Hätte Trinity ihn nicht zu einem von den Guten erklärt, dann hätte ich mich wohl kaum zusammenreißen können. Aber dieses Meeting sagte schon alles. Derjenige, der den König auf dem Gewissen hatte und Mutter ermorden wollte, machte weiter. Ich hatte keine Zeit, um herauszufinden wer diese Frau war. Eindeutig kannte sie Morson. Aber warum ermittelte er verdeckt und wie lange schon? Bestimmt nicht seit dem Angriff auf unsere Mutter.

Ich schaute ihn mir noch einmal an.

Nein. Zu jung. Er war etwa in Leos Alter. Als Trinitys Vater getötet wurde, war er wahrscheinlich noch ein Kind. Trotzdem könnte er schon seit Jahren an der Sache dran sein.

Armer Kerl. Ich würde es nicht schaffen. Ich war zu ungeduldig und ich wusste es. Zu risikofreudig. Manchmal waren es auch dumme Risiken. Wie im Büro der Oberpriesterin auf Nixs Schwanz zu reiten, während sie sich hinter der Tür mit einem Profikiller unterhielt.

Gott, was für ein herrlicher Schwanz das war.

Ich suchte Nix. Fand ihn. Unsere Blicke trafen sich und ich senkte das Kinn, damit er näher kam. Diese Augen. So tief. Wunderschön. Und auf mich gerichtet.

Das war die Antwort. Dieser Blick. Das machte den ganzen Herzschmerz wieder wett.

Morsons Gesprächspartnerin verschränkte die Arme vor der Brust und ihr stiefeliger Fuß tippelte offensichtlich genervt auf dem Boden herum.

“Ich hätte geduldig auf einen weiteren Versuch gewartet, aber siebenundzwanzig Jahre?” sagte die Frau; sie sprach mir aus der Seele. “Ich frage mich, ob der König tatsächlich tot ist. So einen Stunt hinzulegen wäre ganz typisch für ihn, allerdings war er nie für seine Geduld bekannt.”

Das ließ mich aufhorchen. Der König könnte noch leben? Das bedeutete … Heilige Scheiße! Wenn er damals hinter dem Putschversuch gesteckt hatte, warum hatte er dann so lange auf einen erneuten Versuch gewartet?

Morson blickte genauso verblüfft drein, wie ich mich fühlte. “Kanntest du ihn gut?”

“Oh ja. Als Kinder sind wir durch die Gärten der Zitadelle getobt. Er war nur wenige Jahre jünger als ich. Schon immer ein egoistischer Mistkerl. Ein Fiesling. Ich habe nie verstanden, was die Königin an ihm gefunden hat.”

Mit meinen Füßen auf den Boden geschweißt und meinem Hirn auf Hochtouren drehte ich mich zu Nix um, meinem Partner und dem einzigen Mann im Universum, der mir im Moment etwas bedeutete. Also Morson war auch wichtig, aber nicht auf dieselbe Art und Weise. Ohne Scheiß. Aber sobald er sicher aus diesem Gebäude raus war, konnte er machen, was er wollte und Nix würde immer noch mir gehören.

Nixs Blick bohrte sich in meinen und er kam näher. Er war aufgewühlt. In seinen Augen erblickte ich dieselbe Angst, die ich Momente zuvor verspürt hatte. Er wollte mich nicht hier haben. Nur meinetwegen war er in diesem Raum. Weil ich ihn darum gebeten hatte. Weil er mich ausreichend respektierte, um mir das zu geben, was ich brauchte, auch wenn es mich in Gefahr brachte. Obwohl, wenn er von der Bombe gewusst hätte, dann hätte er mich wahrscheinlich ans Bett gekettet.

Mir war nicht klar gewesen, was es ihn gekostet hatte. Bis jetzt. Was meine rücksichtslose, wilde Art meine Eltern und meine Schwestern gekostet hatte. Gefahr war für mich bedeutungslos. Schmerz war bedeutungslos. Der Tod? Nun, ich bevorzugte ein nicht allzu voreiliges Ableben, aber selbst das hatte keine wahre Bedeutung für mich. Bis jetzt. Jetzt hatte ich es verstanden.

Verdammt in alle Ewigkeit! Ich hatte mich verliebt. Hals über Kopf. Und ich würde alles tun, um ihn zu beschützen, um ihn glücklich zu machen, ihn zu lieben. Diesen umwerfenden, mürrischen Typen, der sich wie ein Raubtier auf der Pirsch durch den Raum bewegte.

“Schlechtes Timing, Des.” Ich sprach zu mir selbst, während ich mich auf Morson zubewegte und gleichzeitig Nix mit einer Kopfbewegung signalisierte, dass ich unser Ziel gefunden hatte. Er ließ nicht einen Moment die Augen von mir, schlug jedoch eine andere Richtung ein und steuerte auf den nächsten Ausgang zu, der gut zwanzig Schritte entfernt war. Und Morson war groß. Sollte er nicht kooperieren wollen, dann würde ich es verdammt schwer haben, ihn hier rauszubekommen, bevor die Bombe hochging.

Tick-tack. Tick-tack.

“Verzeihung?”

Morson blickte verwundert auf mich herab, als ich meine kleine Hand unter seinen Ellbogen schob und ihn an mich heranzog. Ich heuchelte seiner Gesprächspartnerin ein strahlendes Lächeln vor. Sie hatte recht interessante Infos preisgegeben.

“Würden sie uns kurz entschuldigen?” sprach ich mit meiner Trinity-Diplomatenstimme. “Ich muss mit Morson eine …”—Ich fuhr mit der Fingerspitze über seine Uniform und über seine Brust. Ich konnte praktisch hören, wie Nix aufheulte—“… eine sehr persönliche Angelegenheit besprechen.” Ich zerrte an ihm und meine Wangen schmerzten, weil ich so grotesk breit lächelte. “Könnte ich einen Moment ihrer Zeit haben, ehe das Meeting anfängt?”

Er blinzelte und riss halb misstrauisch, halb überrascht die Augen auf. Er warf er der Dame einen respektvollen, vielsagenden Blick zu und das schien auszureichen, um sie zu besänftigen.

Wenn er tatsächlich verdeckte Ermittlungen betrieb, dann war er verdammt gut. Das musste ich ihm lassen. Hervorragend sogar. Dieser eine Blick hatte bewirkt, dass die Dame keinen Verdacht schöpfte, und zwar trotz der Tatsache, dass gerade etwas Unerwartetes und Seltsames vor sich ging. Hauptsächlich war ich das. Vielleicht wollte er ihr gerade ein paar Infos entlocken und ich hatte sie unterbrochen. Nun, entweder das Gequatsche wäre jetzt vorbei oder er würde draufgehen.

Ihr Kopf ging zur Seite, wie eine Kobra, die zum Biss ansetzte, aber sie nickte. “Selbstverständlich.”

Morson ließ sich von mir wegführen und ich machte fünf Schritte Richtung Ausgang, bis er mich stoppte. Eiskalt.

Zum Teufel mit meiner Körpergröße. Warum konnte ich nicht zwei Meter groß und hundertzwanzig Kilo schwer sein? Dann könnte ich ihn nämlich einfach über die Schulter werfen und abhauen. Es wäre nicht gerade unauffällig, aber es würde wenigstens funktionieren.

“Wer bist du und was willst du von mir?” Er redete zwar leise, um nicht aufzufallen, aber er gab sich streng und unkooperativ. Ich blickte kurz über meine Schulter. Nix näherte sich uns, aber er war nicht nahe genug, um mir zur Hilfe zu kommen. Noch nicht.

Ich wandte mich wieder um und sah Morsons Blick über mein Gesicht schweifen, den Ausdruck in seinen Augen hätte ich fast schon als Verlangen gedeutet, hätte nicht die charakteristische Beule in seiner Hose gefehlt. Diese Aleraner mit ihren schlafenden Schwänzen. Das machte es sehr viel schwerer sie zu verarschen oder zu verführen. Falsche Schmeicheleien und flirten würde mich nirgendwo hinbringen, außer über Nixs Knie für eine heiße, zehenkringelnde Runde Haue auf den Arsch.

Ich langte hoch und schlang meine Hand um seinen Hals, dann um seinen Hinterkopf und zog ihn runter, sodass meine Lippen gegen sein Ohr pressten. Er ließ die gewagte Berührung zu, aber es fühlte sich falsch an. Falscher Mann. Falscher Geruch. Das falsche Gesicht so nahe an meinem.

Egal. Das war der einzige Weg, um mit ihm zu reden, ohne dass jemand mithören würde.

“Mein Name ist Destiny und dieses Gebäude wird in weniger als einer Minute in die Luft fliegen. Sie müssen mit mir kommen. Sofort.” Ich packte ihn einmal mehr am Arm und zog ihn Richtung der Tür.

Er rührte sich nicht. Keinen verfluchten Zentimeter.

“Eine interessante Behauptung von einer hübschen Frau,” konterte er wenig überzeugt. “Woher soll ich wissen, dass das stimmt? Du könntest mich genauso gut in einen Hinterhalt locken.”

“Jetzt mach nicht einen auf Vollidiot,” konterte ich und wedelte mit der Hand durch die Luft. “Raus hier oder wir fliegen in die Luft.”

Als er mich nur blöd anstarrte, musste ich tief durchatmen, um meine innere Giftspritze zu beruhigen. Ich versuchte, meinen eigenen Fluchtinstinkt irgendwie in den Griff zu kriegen. Tick-tack. Tick-tack. Ich konnte die Bombe so deutlich hören wie ihn.

“Na schön,” schimpfte ich wie ein genervter Teenager. “Bleib hier und flieg in die Luft. Ich werde meiner Schwester ausrichten, dass ich es versucht habe. Sie hat mir nämlich gesagt, dass du einer von den Guten bist und dass ich dich retten soll.”

Er zog eine dunkle Augenbraue hoch. “Schwester?”

“Trinity.” Ich klopfte ihm auf die Schulter und beeilte mich Richtung Ausgang. “Nicht besonders helle, oder?”

Ich erreichte eine große, dicke Tür. Sie waren aus einem Alien-Metall gegossen und erinnerten mich an die Tresortüren im Keller der Priesterfestung. Ich hatte meine Handfläche am Griff, als er plötzlich neben mir auftauchte. “Wer bist du wirklich?”

Nix tauchte zu meiner Rechten auf und ersparte mir die Antwort darauf. Ich hasste es, wenn ich mich wiederholen musste. Besonders, da ich es Morson bereits verklickert hatte und er einfach nur einen auf stur machte. Vielleicht war er vorsichtig. Ich konnte ihm sein Verhalten nicht wirklich übelnehmen, im Augenblick blieb uns jedoch keine Zeit. Nix legte den Arm um meine Taille und ich schmiegte mich an ihn. Nur einen Moment lang.

Das reichte. Ich war zu Hause.

“Uns bleiben nur noch Sekunden, Des,” flüsterte er und seine Finger verkrampften sich. Seine Worte waren ruhig, aber er war alles andere als das. “Schnell.”

Morson blickte über meinen Kopf hinweg zu Nix und flüsterte. “Ist sie wirklich die dritte Prinzessin?”

Ich zerrte am Türgriff. Er rührte sich nicht. Houston, wir haben ein Problem. “Scheiße Nix, sie ist abgeschlossen.”

Ich zog die Hände weg und Nix nahm meinen Platz ein, er drückte gegen die Tür und machte sich mit seinem gesamten Körpergewicht am Griff zu schaffen.

“Schau auf mein Komm-Gerät,” befahl Nix.

Das tat ich, ich zog das Gerät aus seiner Tasche und blickte auf den kleinen Bildschirm. “Zweiunddreißig. Einunddreißig. Dreißig.”

Nix presste mit aller Kraft, sein gesamter Körper war angespannt. Ich blickte mich um, suchte nach Fenstern. Türen. Irgendeinen Ausweg.

“Verdammt, sie bewegt sich nicht,” sprach Nix. Er war außer Atem, seine Augen hatten einen leicht aufgewühlten Ausdruck.

“Das mit der Bombe war also ernst gemeint?” Morson blickte von mir zu Nix. “Und was machst du hier, Vennix?”

“Später, Morson. Wir müssen verdammt nochmal raus hier.”

“Sechsundzwanzig.” Nicht, dass ich stören wollte, aber uns blieb keine Zeit für Smalltalk. “Wir könnten zurückgehen.” Der Raum, durch den wir reingekommen waren, stand immer noch zur Option und das Fenster war weiter offen.

“Zu weit weg. Das schaffen wir nicht.” Nix hatte recht. Der Raum lag auf der anderen Seite des Gebäudes und so langsam zogen wir neugierige Blicke auf uns und ich konnte Getuschel hören. Also nicht exakt wir, sondern Nix. Er war fast schon eine planetare Berühmtheit, denn jedes Mal, wenn Trinity oder Faith einen Auftritt hatten, war sein Gesicht auf allen Nachrichtenkanälen zu sehen, während er wachsam hinter ihnen stand. Der ewig treue Garde. Dieser Bekanntheitsgrad war im Moment alles andere als hilfreich.

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116 str. 11 ilustracje
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9783969533475
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