Czytaj książkę: «Der Himmel Von Nadira»
Giovanni Mongiovì
DER HIMMEL VON NADIRA
Regnum
Titelblatt: Die Augen von Luana (mit freundlicher Erlaubnis);
Normannischer Schild, Athen, Kriegsmuseum
Autor: Giovanni Mongiovì
Übersetzt von: Susanne Tigano-Müller
giovannimongiovi.com
Copyright © 2021 - Giovanni Mongiovì
Vorwort
TEIL I – DER AM PFAHL GEFESSELTE FREMDE
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
TEIL II - DER KRIEG DER QĀ’ID
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
TEIL III – DER WAFFENSTILLSTAND DES MUḤARRAM
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
TEIL IV - DIE RÜCKKEHR CONRADS
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
TEIL V - DIE FÄDEN DER MACHT
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
TEIL VI - DER FLUCH VON PENTHESILEA
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
TEIL VII - DIE BEDINGUNGEN FÜR DIE FREIHEIT
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Regnum - Der Korallensucher
Romane des Autors
Biografie
Ich muss nicht über das Unbeschreibliche schreiben,
dass ich es wage, das immens Perfekte zu beschreiben,
das Bewusstsein, zu dem ich aufsteige, ist bereits Poesie,
das Höchste und Reinste, geschrieben von immateriellen Händen,
von einem erhabenen Geist konzipiert,
inspiriert von einem grenzenlosen Herzen;
Meine Liebste, wir stehen in der Gunst Gottes:
„dass ein Wesen ein anderes mit immer unauslöschlicher Liebe liebt“.
Dass ich dich jeden Tag noch mehr liebe…
An Valentina und Tommaso… Glanz meiner Augen…
Vorwort
So viele tausend Flüsse ins Meer fließen, sie werden niemals die Namen der Wasser haben, in die sie fließen. Dies aus dem vernünftigen Grund, dass das Meer nicht der Grund für einen Fluss sein kann. Ebenso kann das Prinzip weder die Definition des Endes sein noch seine Bedeutung überschreiten. Schauen Sie sich die Quelle eines Flusses an, die hohen Klippen, aus denen er geboren wird. Trinken Sie sein Wasser und geben Sie ihm einen Namen, der auf seinem Geschmack basiert.
Es ist nicht die Handlung, die den Menschen macht, es ist nicht die Hand, die die Handlung ausführt, sondern das Herz, wo der Grund entsteht, der Grund für alles. Das Wesen der ursprünglichen Sünde war nicht, die Frucht zu ergreifen, sondern das, was diese Geste bewegte.
Und so kann sich die Gier hinter allem verstecken: im saftigen Fleisch, in der Farbe des Weins, in den Formen eines Mädchens… oder zumindest auf diese Weise denjenigen rechtfertigen, der sich ihr hingibt. Aber die Wahrheit ist, dass sich die Gier ausschließlich in den Augen und im Herzen derer verbirgt, die dieses verzehrende Feuer, diese verschlingende Flamme, die die Begierde ist, in sich spüren.
Unter den berühmten, antiken Menschen griechischer Abstammung wurde eine Geschichte erzählt, die die Taufe des Christentums und das Schwert des Islams überlebt hat. Penthesilea, die mächtige Amazone wurde gerufen, um die Trojaner zu verteidigen. Sie war eine schöne Frau und wie es in den griechischen Mythen oft vorkommt, beneideten sie die Göttinnen um ihre Schönheit. Aus diesem Grund wollte Aphrodite sie mit der schlimmsten Pein strafen: Jeder Mann, der sie erblickte, sollte den unwiderstehlichen Wunsch haben sie zu besitzen, sodass er sicher versuchen würde sie zu vergewaltigen. Penthesilea versteckte sich unter ihrer Rüstung, solange sie konnte, bis Achilles sie während einer Schlacht erschlug und ihr den Helm vom Haupt löste. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde deutlich, wie sehr die von Aphrodite ausgesprochene Verurteilung selbst den Tod Penthesileas überdauerte… Achilles konnte nicht widerstehen…
Kann es jenseits des Mythos wirklich etwas so außergewöhnlich Unwiderstehliches und Verfluchtes geben, dass es die Wünsche jener, die sie betrachten, unwiederbringlich erschüttern kann? Eine Schönheit dieses Ausmaßes, die die Abgründe der Herzen hervortreten lässt, aber auch ambivalent, da sie fähig ist, die edlen Tugenden in der Seele der Verdienstvollen hervortreten zu lassen.
Die folgende Geschichte ist die erste von vielen… die erste von vielen Geschichten über Männer und Frauen, und von dem Blut, das jeden von ihnen mit der eigenen Vergangenheit und Zukunft verbindet. Es ist die Geschichte dieses Landes, seiner Völker, seiner Kriege, seiner Laster und seiner ruhenden Verdienste. Aber die folgende ist genau die erste, und somit die ursprüngliche…, und deshalb kann sie als Original nur von demselben Wunsch sprechen, der zu Anfang der Zeiten den Menschen zu seiner ersten Sünde verführte.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
TEIL I – DER AM PFAHL GEFESSELTE FREMDE
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
TEIL II - DER KRIEG DER QĀ’ID
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
TEIL III – DER WAFFENSTILLSTAND DES MUḤARRAM
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
TEIL IV - DIE RÜCKKEHR CONRADS
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
TEIL V - DIE FÄDEN DER MACHT
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
TEIL VI - DER FLUCH VON PENTHESILEA
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
TEIL VII - DIE BEDINGUNGEN FÜR DIE FREIHEIT
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Regnum - Der Korallensucher
Romane des Autors
Biografie
Note a piè di pagina
TEIL I – DER AM PFAHL GEFESSELTE FREMDE
Kapitel 1
Winter 1060 (452 seit Hegirae), Rabaḍ von Qasr Yanna
Dort in diesem Tal, in dem die Norien1 nie in ihrer Bewegung still stehen… dort wo der Berg von Qasr Yanna auf seinen Wurzeln ruht… dort auf dem Plateau, wo sich der Rabad2 befindet…
Das Tal am Fuße des antiken Enna verlief in Richtung Osten; Jahrhunderte arabischen Einfallsreichtums hatten es fruchtbarer gemacht als das, was es sonst gewesen wäre. Beim Blick nach Westen, lag hoch auf dem Berg Qasr Yanna3, der Nabel Siziliens. Beim Blick nach Osten, unten am Plateau, verlor sich das Auge in Dutzenden von Hügeln, Wäldern, Wiesen, Weiden und Bächen…, aber auch in den hohen hydraulischen Rädern, die das Wasser aus dem Tal heben konnten, … und in den Kanälen, die ausgegraben wurden, um es zu den Gemüsegärten zu transportieren. Das Dorf hatte nicht viele Häuser, vielleicht dreißig, und nur eine kleine Moschee, als Zeuge der geringen Bedeutung des Ortes.
Die Mittagszeit war gerade beendet und zwei Männer zogen einen fast dreißigjährigen jungen Mann über den Boden, der für den Anbau von Flaschenkürbissen bestimmt war. Es schien, als ob er mit den Füßen die Furchen ziehen wollte, für die normalerweise der Pflug sorgte, so sehr stemmte er seine nackten Füße in den Boden, um sich seiner Gefangenschaft zu entziehen. Er hielt den Blick niedrig, und diejenigen, die die Szene beobachteten, sahen nur den Kopf und sein kurzes Haar. Es war Winter, und jetzt sanken die Knöchel in den kalten Schlamm, der durch den Morgenregen entstanden war.
Der junge Mann trug eine Hose und eine zerrissene Tunika. Die anderen waren in edlere Kleider gekleidet: mit einer breiten, bunten Foggia. Einer der beiden hatte eine Art Turban auf und beide trugen einen Bart und langes Haar.
Als sie mit dem unglücklichen Gefangenen die Straßen des Rabad erreichten, wurden alle neugierig. Alle kannten sich im Dorf und alle kannten die Bewohner des letzten Hauses am Ende der Straße vor den Gemüsegärten, das Haus der einzigen Christen im Rabad.
Man arbeitete sehr hart im gesamten Gebiet, um das Land ertragreicher zu machen. Das gesamte Gebiet war landwirtschaftlich geprägt, und die Familien verteilten sich in den Dörfern, die zwischen den Hügeln verstreut lagen. Es gab keinen Adligen und keinen Krieger, sondern nur Bauern, die im eigenen Namen und im Namen des Schuldeintreibers des Qā’id4 von Qasr Yanna arbeiteten.
Gerade das Haus des letzteren befand sich genau gegenüber dem Haus der Christen, am höchsten Punkt. Ein großer Innenhof, teilweise eingezäunt, öffnete sich vor dem großen Haus, und hier kamen die drei an, nachdem sie die labyrinthartigen Gassen und Innenhöfe, die typisch für die Zentren arabischer Anlagen waren, hinter sich gelassen hatten. Genau an dem Punkt, an dem der Markt aufgebaut wurde, und genau in der Mitte dieses Ortes, fesselten sie den misshandelten jungen Mann. Sie fesselten ihm die Hände an einen Pfahl. Dann zogen sie das Seil an und blockierten es an einer natürlichen Gabelung des Pfahlholzes, über dem Kopf des Verurteilten, damit sich dieser weder setzen noch verbiegen konnte.
Nun betrat ein Mann der Qā’id, der für seine Aufgabe zu jung war, ein gewisser Umar, die Bühne. Er war ein gutaussehender Mann: Von Berber-Herkunft hatte er einen leicht olivfarbenen Teint, schöne tiefe schwarze Augen und eine gerade gut proportionierte Nase. Der Bart versteckte sein Alter und ließ ihn mehr seinem Vater Fuad ähneln. Auch er war ein Schuldeintreiber des Qā’id und wurde seit fast zwei Jahren vermisst.
Aus der Abgabenstube kommend, die neben dem Haus lag, zog Umar den Kopf des Gefangenen an den kupferblonden Haaren hoch und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. So wie das Gesicht des letzteren geschwollen war, mussten sich die beiden beim Verprügeln richtig ausgelassen haben.
Sie schauten sich also gerade an, und nichts lenkte diese stolzen schwarzen Augen davon ab, in die noch stolzeren grünen Augen des Gefangenen zu starren.
„Und so hast du geglaubt, dass du mich beleidigen und damit davon kommen kannst…“, sagte Umar.
Aber der andere antwortete nicht; nicht, weil er die arabische Sprache nicht verstand, sondern weil jedes Wort vergebens gewesen wäre.
„Es lohnt sich nicht unsere Zeit zu verschwenden.“ ergänzte der Schuldeintreiber.
Dann nickte er mit dem Kopf in die Richtung von einem der beiden, die ihn gefesselt zurückgebracht hatten. Dieser riss dem Gefangenen die Tunika vom Leib und peitschte ihn daraufhin mit einem nassen Seil.
Die Dorfbewohner waren alle da, und doch hatte niemand den Mut, einen Fuß über die Abgrenzung des Hofes zu setzen. Das Stöhnen, das aus der Kehle dieses Mannes kam, machte nicht mehr Eindruck als die blutroten Striemen, die sich auf seinem Rücken bildeten.
Sie bestätigten sich untereinander, dass so etwas im Rabad noch nie geschehen war. Die Angehörigen des jungen Mannes versteckten sich indessen in der Menge und waren auf ihr eigenes Leben bedacht, klug genug, nichts zu sagen. Die einzigen abwesenden waren die aus dem Hause des Schuldeintreibers, die Mutter, die Frau und die Schwester, die es vorzogen, sich nicht in die Angelegenheiten des Familienoberhaupts einzumischen.
Als dann der Folterknecht seinen Dienst beendet hatte und den jungen Mann, der an den Mast gebunden war, zurückließ, kehrte die Menge zu seinen Aufgaben zurück. Sie ließen ihn dort, der Kälte des Abends und dem Nachtfrost ausgeliefert.
Erst gegen Mitternacht hatte jemand Mitleid und die Erlaubnis, ihm eine Decke zu bringen. Die Männer von Umar ließen es zu, da sie verstanden, dass es zu viel für jeden gewesen wäre, die Nacht im tiefsten Winter im Freien zwischen den Bergen von Qasr Yanna verbringen zu müssen.
Viele sahen den jungen Mann zittern und hüpfen, um sich über einen großen Teil der Nacht in Bewegung zu halten. Dann am Morgen, als sie den Markt um den Hof herum aufbauten, sahen sie ihn schlafend an den Handgelenken hängen; er sah aus wie ein Sack, der an einen Baumstamm gebunden war. Einige glaubten auch, dass er gar tot war, und wollten ihm eine Ohrfeige geben, um sicher zu gehen.
Es wurde wieder Nachmittag; jetzt hatte der Verurteilte seit einem ganzen Tag nichts gegessen und getrunken. Eine Herde kahler Ziegen hielt sich im Hof auf, blökte und kaute an Grashalmen. Dieser Gesang der Weidetiere und die Furcht, dass sie ihm seine Knie brechen und seine Handgelenke abreißen würden, ließen den Mann, der an dem Pfahl gefesselt war, wieder erwachen…. Dann, an einem bestimmten Punkt, als er eine Art Präsenz spürte, öffnete er die Augen; tatsächlich beobachtete ihn jemand schon seit einer ganzen Weile. Drei Schritte entfernt starrte ihn ein Mädchen mit weit geöffneten Augen an. Wunderschöne, wunderbar geformte Augen, die von den meisten Menschen nie gesehen wurden, die aber der Verurteilte und alle anderen im Rabad kannten. Türkisblaue Augen, so intensiv, dass man sich in ihnen verlieren und nie wieder finden konnte. Eine merkwürdige Farbe, die die Iris in einem dunklen Blau wie in den Tiefen des Meeres nach außen verwischte. Augen, die dazu führen können, den Verstand zu verlieren und die Herzen zu verdammen.
Das Mädchen trug ein schönes, grünes Kleid mit gelben und blauen Verzierungen, das typisch für die Menschen aus Nordafrika war. Um ihr Angesicht zu verbergen, hielt sie den Saum ihres Schleiers fest. Der physische Aspekt mit exotischem Charakter, der sich so sehr von dem der Eingeborenen der Insel unterschied, war die Grundlage für den unermesslichen Ausdruck ihrer Augen, die völlig unverwechselbar hervorstachen. Eine rebellische Locke entkam dem Zwang des roten Schleiers, und enthüllte somit den braunen Farbton des Haares.
Als der Gefangene sie sah, senkte er wieder seinen Blick, schaute sie jedoch kurz danach wieder an und sprach langsam:
„Kennst du, oh mein Herr, den Himmel von Nadira, die Grenzen ihrer Augen?”
Sie sah ihn verloren an und fragte:
„Woher kennst du diese Worte?“
„Seit dem Besuch der Qā’id haben sich die Verse dieses Gedichts über das ganze Dorf und darüber hinaus verbreitet.“
Dann flehte er sie mit besorgtem Blick an:
„Befreie mich, Nadira, meine Herrin, ich bitte dich!
Aber sie schien unbeeindruckt, verloren in dieser Bitte, die sie nicht erfüllen konnte.
„Ich kenne die Grenzen deiner Augen nicht, Nadira…, aber ich kann dir die Ursprünge erklären, wenn du es wünschst… gib mir doch wenigstens ein bisschen Wasser…“
Daraufhin ging Nadira ohne sich umzudrehen und ohne dieser Bitte Gehör zu schenken in das Haus zurück; das Klimpern Ihrer Fußkettchen hallte über den ganzen Hof, während sie, wegen der zu leichten und für das Freie ungeeigneten Kleidung, frierend zum Eingang lief.
Das Wasser erreichte den Verurteilten nie, aber als Nadira das Haus betrat und Umar, ihren Bruder, sah, wie er Geld auf einem Tisch zählte, fragte sie ihn:
„Was hat der Christ getan, dass du ihm solch eine Behandlung zukommen lässt?“
Jetzt bedeckte sie nicht mehr das Gesicht und man konnte sehen, wie ihre vollen Lippen und ihre perfekte Nase ihre Augen harmonisch unterstrichen.
„Wer?“
„Der Mann, der dort draußen am Pfahl gefesselt ist.“
„Seine Familie hat sich geweigert, die Jizya5 zu bezahlen.“
Umar zählte sein Geld am Tisch weiter und glaubte, dass er sie mit einem einzigen Satz liquidiert habe.
„Er wird erfrieren! Er ist jetzt schon seit zwei Tagen an diesen Pfahl gefesselt.“
„Seit wann liegt dir das Schicksal der Ungläubigen am Herzen?“
„Heute Morgen habe ich seine Kinder gesehen, wie sie um den Mann herumspielten. Du hättest sehen müssen, wie ihn die Kleine ansah!»
„Ich werde ihn befreien, beruhige dich… aber eine weitere Nacht im Freien wird ihm nicht schaden.“
„Komm schon, Umar, heute Nacht könnte es noch kälter werden.“
„Sie werden ihm eine weitere Decke bringen. Hast du nicht gesehen, dass ich nicht verhindert habe, dass seine Schwester ihm Hilfe gewährte?“
„Umar der Großmütige! Sie fragte sarkastisch: „Wie denkst du über diesen Namen?“
Woraufhin er stöhnte und mit einer Geste einem Stapel Silberdirham6, die er mit Steuern und Handel verdient hatte, einen Schlag mit dem Arm gab.
Mit wütender Stimme fragte er: „Sollte ich mich von diesen Leuten beleidigen lassen?“
„Du hast gesagt, dass sie sich geweigert haben zu zahlen; weißt du, ob sie es vielleicht nicht konnten? Diese Familie ist die ärmste im ganzen Rabad. Ich erinnere mich daran, wie unser Vater oft auf eine Abgabe oder einen Tribut verzichtete, um die armen Menschen nicht zu unterdrücken.“
„Die Dhimmi7 haben immer bezahlt, auch bei unserem Vater.“
„Besser so! Wenn die Beschützten immer bezahlt haben, was bedeutet dann ein einziges Mal?»
„Dieser Corrado, dieser rothaarige….. Ohne die Abgabe zum Schutz der Ungläubigen mit sich zu bringen, trat sein Vater hervor, sah mich herausfordernd an und sagte zu mir:
„Wir arbeiten seit zwanzig Jahren für Ihre Familie… Wenn die Jizya fällig wird, werden wir sie dir bezahlen, ansonsten begnüge dich mit der einfachen Tatsache, dass wir für dich arbeiten.“
Dann ging er zu seinen Gemüsegärten, als ob nichts gewesen wäre. Wie hätte ich ihn behandeln sollen?»
„Aber das, nachdem du seinem Vater auf die Wange geschlagen hast!“ mischte sich Jala, ihre Mutter, ein, nachdem sie die Geräusche aus dem anderen Raum gehört hatte und sich sorgte, dass die Diskussion zwischen Bruder und Schwester ausarten könnte.
Nadira sah Jala sehr ähnlich, mit Ausnahme der unüblichen azurblauen Augen und der Haut mit einem klareren Farbton. Darüber hinaus war Nadira viel größer als Jala, die gerne mit Stolz sagte, dass ihre Tochter wegen ihrer Statur und des schlanken Körpers einer Frauenhand glich.
Umar stand auf und antwortete, da er sich angegriffen fühlte:
„Du kannst diese Dinge nicht verstehen, Mutter! Wie stellt man fest, ob jemand nicht zahlen kann oder nicht zahlen will? Die Strafe dient dazu, die Lügner abzuhalten.“
„Unsere Gemeinschaft war immer eine geeinte Gemeinschaft, weit entfernt von Intrigen und Eifersucht zwischen verschiedenen Rassen und Religionen… und sogar von Kriegen. Das Haus der Christen am Ende der Straße, das einzige des Rabad, wurde immer mit Würde behandelt. Dein Vater wusste, was in dieser Hinsicht richtig war. Vielleicht hast du Recht… aber in Qasr Yanna’s Rabad haben wir uns immer gegenseitig geholfen. Gestern sahen die Leute entsetzt zu, wie du diesen Jungen behandelt hast. Unser Handwerk ist bereits verhasst… doch es ist wichtig, dass sie dich respektieren und nicht, dass sie dich fürchten.»
„Der Qā’id wird von seinem ‘āmil8 Rechenschaft fordern, wenn die Kisten leer sind. Und seit wann ist es eine Straftat, einen Ungläubigen zu schlagen? Wir haben ihnen erlaubt in der Gegenwart eines Bruders sitzen zu bleiben, wir haben ihnen erlaubt das Maultier zu satteln, wir haben ihren Frauen erlaubt die Bäder zusammen mit unseren Frauen zu benutzen…, wenn das anderswo nicht geschieht, könnten sie uns fragen warum wir ihnen gegenüber so großzügig sind.»
„Aber dieser Christ, den du geschlagen hast, hat das Schwert in die Hand genommen, als die Soldaten von Jirjis Maniakis das Dorf ausplünderten, obwohl die Dhimmi vom Krieg befreit sind und keine Waffen tragen dürfen.“
„Dann wisse, dass ich das für falsch halte, und es meine Pflicht ist, die Ordnung der Dinge wiederherzustellen. Auch Sie werden sich dem Islam unterwerfen, ebenso wie viele der Christen vor ihnen, die diese Länder bewohnten, wenn sie nicht anders behandelt werden wollen.“
Nadira antwortete nun:
„Und seit wann denkst du auf diese Weise? Seit du der Schwager des Qā’id geworden bist?“
„Und du, Kind, wann hast du gelernt, dich deinem Walī9, Beschützer und Garanten, entgegenzustellen? Seit der Qā’id seine Augen auf dich gerichtet hat und du ihm als Braut versprochen wurdest? Überlege mal, wenn ich ihm erzählen würde, dass du dich mit einem Christen unterhalten hast, der an einem Pfahl gefesselt ist.“
„Mein Herr Ali hätte Mitgefühl mit diesem Mann.“
„Nun, soll er es mir vorwerfen, wenn du es ihm erzählst…, wenn ich dir nicht vorher die Zunge herausreiße, weil du diese Vertrautheiten mit einem Fremden pflegst.“
Nadira ging enttäuscht und wütend und rannte in ihr Zimmer. Beim Vorbeigehen des Mädchens wendete sich die neugierige Dienerschaft schnell ab. Sie warf sich auf ihr Bett, umarmte die vielen Kissen, die es bedeckten und begann zu weinen.
„Nadira, mein Mädchen.“ rief Jala.
Sie hob ihren Kopf, jetzt mit den unbedeckten großen, unbändigen Locken und hörte zu.
„Nadira, Tochter, es kann grausam sein, zu erkennen, dass du zu jemandem gehören wirst, den du nicht genug kennst; und du bist erst neunzehn Jahre alt… vielleicht scheint dir das viel, aber du bist in allem unerfahren!
„Könnte er mir wirklich die Zunge herausreißen?“
„Denk nicht an deinen Bruder. Aber eines ist klar: Niemals und nie wieder möchte ich dich mit diesem Mann sprechen sehen!»
„Ich habe nicht mit ihm gesprochen! Er war es, der mich um Wasser bat.“
„Und was hat er dir sonst noch gesagt?“
„Nichts!“
„Gut, du musst wissen, dass dies ein gefährlicher Mann der schlimmsten Art ist, Nadira. Und dein Bruder hat Recht, wenn er ihn bestrafen will.“
„Vorhin hast du das Gegenteil gesagt…“
„Ich habe Umar gesagt, wie sich sein Vater verhalten hätte… zu dir sage ich, was ich denke. Jetzt geh nachsehen, ob deine Schwägerin Hilfe braucht. Deshalb bist du noch nicht die Frau vom Qā’id…, um sie bei ihrer Schwangerschaft zu unterstützen.“
So vergingen die Stunden des zweiten Tages dieses Winters im Jahr 1060 - dem 452 nach dem Hegirae -10 , in dem Corrado der Christ wie ein dickköpfiges Tier gefesselt und gedemütigt worden war.