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Czytaj książkę: «Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band», strona 8

Czcionka:

Hopfgarten hatte sich nun den ganzen Weg schon auf einen tüchtigen Streifzug durch das Land gefreut und von Bären-, Panther- und Büffel-Jagden geträumt, Nächte lang – das Alles schwand ihm jetzt wieder unter den Füßen fort, denn mit der frischen Spur seines Wildes vor sich konnte und wollte er nicht daran denken, auch nur einen Tag unnütz hier zu säumen, und den im Land umher Schweifenden vielleicht wieder durch eigene Schuld ganz aus den Augen zu verlieren.

Was aber trieb ihn, den Fremden, rastlos hinter dem Verbrecher her? – die Sucht nach Abenteuern? – hier in Arkansas wäre es mehr als irgendwo an deren Heerd gewesen – Rache für den gespielten kleinen Streich? – er lachte jetzt darüber, wenn er daran zurückdachte. Nein, etwas Anderes ließ ihm nicht Ruh noch Frieden, jetzt mehr als je, wo er noch einem anderen Verbrechen, der doppelten Heirath jenes Nichtswürdigen auf die Spur gekommen – es war der Handschuh, den er auf dem Herzen trug – Clara's Handschuh, mit lachendem Munde, im Scherz damals gegeben und genommen, und jetzt seinem Herzen, er brauchte sich kein Hehl daraus zu machen, ein heilig Pfand, das einzulösen er sich selbst geschworen hatte, und wenn sein eignes Leben den Einsatz zahlen müßte.

Von Hopfgarten war ein eigenthümlicher Charakter; aus einem wackeren Geschlecht, mit noch dem alten edlen, etwas abenteuerlichen vielleicht, aber treuen ehrlichen Blut in seinen Adern, wäre er vielleicht, hätt' ihn sein Schicksal in eine andere Bahn geworfen, ein wackerer Feldherr, ein unerschrockener Entdecker geworden; so, auf sich selber angewiesen, zu Hause in Wohlleben, ja Reichthum erzogen, mit allen Wünschen, kaum ausgesprochen schon erfüllt, lebte er ziemlich sorglos in den Tag hinein, besuchte die Universität und ritt und jagte, als er diese verlassen, reiste in Bädern umher, und suchte die Zeit nach besten Kräften eben durchzubringen. Aber seinem besseren Selbst genügte das zuletzt nicht mehr; an eine Heirath hatte er nicht gedacht, und sehnte sich zuletzt etwas Anderes zu sehn und zu erleben, als eben nur das monotone Einerlei der faden haute volée mit ihren, in ihrem Kreislauf immer wiederkehrenden sogenannten Vergnügungen, die er satt bekam. Er sah Italien und Griechenland, sah Spanien, Schweden und Norwegen, reiste in Frankreich und England, und wieder und wieder Schiffe treffend, deren geblähte Segel gen Westen zogen, und mit überdieß nicht vielmehr Neuem in Europa aufzusuchen, faßte er den Entschluß, wie er eben im letzten Jahr zum zweiten Mal Italien besucht, Amerika zu sehen, einmal etwas Anderes doch, als ihm die alte Welt mehr bieten konnte. Dort wirkten frische Kräfte auf einem Boden, den die Natur noch unentweiht gehalten, ein junges Volk wuchs und gedieh an jenem Strand, und Tausende und Tausende von Deutschen zogen dort hinüber, den Druck des alten Vaterlandes abzuschütteln und sich die neue Heimath, den neuen Heerd »über dem Wasser drüben« zu gründen – 's war immer der Mühe werth das einmal mit anzusehn.

Mit einem, für das Schöne empfänglichen Herzen, interessirte ihn zuerst an Bord das liebe, bildschöne, freundliche Antlitz der jungen Frau Henkel, während ihr heiteres offenes Wesen ihn, je länger er mit ihr zusammen war, desto mehr fesselte und anzog. Ein ganz neues Gefühl wurde in ihm wach – ein Gefühl des Wohlbehagens in ihrer Nähe und Gesellschaft, ohne daß er einer Ursache deshalb nachgedacht. Er hatte sich auch wieder von ihr, wie von den andern Reisegefährten, leicht getrennt, im sorgenfreien Herz nur eben eine liebe Erinnerung mehr mit weiter tragend. Erst als er Henkels Bubenstreich erfuhr, und Mitleid jetzt, zusammen mit dem Wunsch, das arme, so schändlich und bübisch verrathene Weib an jenem Elenden zu rächen, ihm wieder das alte Bild herauf beschwor – als ihm die Möglichkeit sich zeigte, das Wesen, das er bis jetzt nur im Besitz eines Anderen gekannt, frei von diesen Fesseln, mit jenen Schranken fortgethan zu sehn, da wurde er zu seinem eigenen Erstaunen selber erst gewahr, daß das, was er im Anfang nur für reines Rechtlichkeitsgefühl, für jenen Drang gehalten, der Schwachen, Unterdrückten beizustehn, nicht ganz so frei von Eigennutz mehr sei.

Noch kämpfte er freilich dawider an; das alte romantische Gefühl, gegen das er, mancher nicht eben angenehmer Erfahrung wegen, begann mistrauisch zu werden, konnte ihn hier wieder auf ein Feld verlocken, auf dem er keinen Boden für sich fand. Er malte sich vielleicht Manches jetzt im Dunkeln mit allem Fleiß und Eifer aus, das, wenn er es am hellen Tage besah, dem nachher lange nicht entsprach, was er erwartet. Er fing überhaupt an praktischer zu werden in Amerika; die Luft hatte Einfluß auf ihn – oder auch die Kost – jedenfalls behielt er kaltes Blut genug, sich selbst vor irgend einem unbedachten Streiche zu warnen – bis er den alten Herren Dollinger auf der Straße traf und von diesem erst erfuhr wie furchtbar, wie entsetzlich mit kaltem, überlegten Blut von jenem Buben das Glück des Kindes gemordet worden – bis er sie selber wiedersah – freilich nicht mehr das junge blühende lachende Weib mit den klaren, treuherzigen und doch so schelmisch blitzenden Augen. Großer Gott, welche Veränderung waren wenige Monate im Stande gewesen hier hervorzubringen, und doch wie engelschön, wie lieb und rein stand sie da wieder vor ihm. Da – in dem Augenblick war es ihm, als ob sein Schicksal für ewige Zeiten besiegelt worden, und bei der Thräne, die in der Armen Auge blitzte, und schwer und langsam über die bleiche Wange rollte, schwor er es sich, sie nicht allein zu rächen, sondern auch von den Banden, die sie an den Verbrecher noch ketteten, zu befreien – und mit dem Schwur war eine eigene, wunderbare Ruhe in sein Herz eingekehrt. Er hatte ein Ziel gefunden, dem er zustreben durfte – sein Leben lag nicht mehr wild und planlos vor ihm – er konnte noch glücklich werden – konnte vielleicht ein Wesen dem Leben wieder geben, das Gott ja selbst für dessen schönste Sonnenzeit bestimmt und mit seinen herrlichsten Gaben geschmückt und überdeckt hatte. Er war ein anderer Mensch geworden, besser nicht – doch fröhlicher, heiterer und fester wie bisher, und was an frischer Kraft in ihm geschlummert, und nur noch wild und regellos aufgewuchert war bis jetzt, das lenkte dieß Gefühl zu festem Plan, und Hopfgarten war, seit er New-Orleans zum zweiten Mal verlassen, nicht allein ein anderer Mensch – er war ein Mann geworden.

Nach Memphis in Tennessee zurück ging an demselben Abend noch ein anderes, von Fort Gibson niedergekommenes Boot, auf dem er denn auch, ohne weiteren Zeitverlust, Passage nahm, und den vierten Tag die am Mississippi auf hohem steilem Ufer liegende Hauptstadt des Staats erreichte.

Vergebens blieb aber hier seine Nachforschung nach einem Soldegg oder Henkel. Niemand kannte den Namen, hatte ihn je gehört, und der Staatsanwalt wieder, an den er sich auch hier wandte, meinte selber achselzuckend, es wäre mehr als wahrscheinlich, daß ein solcher Bursche in den verschiedenen Staaten auch verschiedene Namen hätte. Übrigens paßte seine Beschreibung ziemlich gut auf einen jungen Mann, der eine Zeitlang, allerdings verheirathet, in Memphis gelebt, fast anderthalb Jahr abwesend und vor wenigen Wochen, wie er ausgesagt, von einem Zug nach den Felsengebirgen im Interesse des Pelzhandels zurückgekehrt war. Dieser hieß Holwich, war freilich ein Amerikaner, sprach aber vollkommen gut deutsch und sollte sich jetzt, vor acht Tagen etwa, mit seiner Frau auf einem stromaufgehenden Dampfboot – wohin, wußte natürlich Niemand – eingeschifft haben.

Zu spät – Hopfgarten, der keinen Augenblick zweifelte, daß er auf der richtigen Spur sei, war außer sich, denn wohin um Gotteswillen, sollte er ihm jetzt in dem ungeheuern Lande folgen, wo er nicht einmal mehr den Namen hatte ihn zu leiten. Und doch war die Möglichkeit da, daß der Verbrecher, so lange er mit der Frau zusammenblieb, schon dieser gegenüber wenigstens den Namen, den sie jetzt führte, beibehalten mußte, aber damit konnte er freilich den Ohio nach Osten oder den Missouri nach Westen, oder den Mississippi nach Norden, wie in alle die kleinen unzähligen Nebenströme eingegangen sein, die in diese Hauptkanäle des mächtigen Reiches mündeten. Ein anderer als Hopfgarten hätte die Verfolgung auch wirklich in Verzweiflung aufgegeben, er aber verlor den Muth noch nicht. Der Zufall, der ihn schon einmal mit dem Verbrecher zusammengebracht, konnte ihm wieder günstig sein, und war nicht am Ende gerade Vincennes der rechte Platz, ihn wieder aufzufinden. Und doch auch nicht, denn dort, unter dem Namen Soldegg gekannt, durfte er sich nicht als Holwich niederlassen. Nach reiflichem Überlegen beschloß er endlich, vorher nach dem Osten zu gehn und New-York und Philadelphia zu besuchen, ob er dort keine Spur des Gesuchten fand, dann aber jenen Theil des westlichen Landes noch einmal zu durchstreifen und Lobensteins zugleich dabei aufzusuchen; wer wußte, ob diese ihm nicht Auskunft geben konnten. Er war einmal unterwegs – wohin, blieb sich ja doch am Ende gleich.

Capitel 6
In Indiana

Auf Lobensteins Farm herrschte ein reges, geschäftiges Leben und Treiben – das große Maisfeld war bestellt, und stand in voller Blüthe mit den hohen, fast tropisch aussehenden Stengeln und den wehenden Blättern, das Haus beendet, was wenigstens die äußeren Wände und Dielen und Fenster betraf, und eine Menge Hände waren jetzt noch beschäftigt es im Inneren so warm und wohnlich als möglich zu machen, dem nächsten Winter, der in den nördlichen Staaten oft ziemlich heftig auftritt, ruhig die Stirn bieten zu können. Eduard hatte es dabei übernommen, die schon getünchten Stuben auszumalen, und wurde hierin von einem anderen Herrn, einem früheren Reisegefährten, und zwar Niemand Anderem, als dem Dichter Theobald, freundlich unterstützt.

Theobald war nämlich viele Monate lang im Lande umhergezogen ein paar »sehr tüchtige Manuscripte« an den Mann zu bringen; obgleich er aber St. Louis und Cincinnati, Milwaukie, Buffalo und Pittsburg besucht, und dort überall deutsche Druckereien, deutsche Zeitungen, auch überall Leute gefunden hatte, die seine Manuscripte in ihren Journalen abdrucken wollten, wobei in Milwaukie nicht einmal das abolitionistische ausgenommen worden, was die übrigen sämmtlich zurückgewiesen, fiel es doch keinen der Herrn Redakteure ein Geld, baares Silber, für eine Sache auszugeben, die sie eigentlich noch bequemer schon in deutschen Blättern und Büchern fanden – Stoff nämlich ihre Zeitschriften zu erhalten, und ihrem Leserkreis »Futter« zu bieten.

Das wenige Geld was der junge Dichter mit nach Amerika gebracht, ging dabei bös auf die Neige; er hatte allerdings einmal eine Art von verzweifeltem Versuch gemacht, wirklich zu arbeiten, und war zu dem Zweck von Cincinnati aus hinausgegangen, wo an der nächsten Eisenbahn gegraben wurde; aber lieber Gott, das hielt er von Morgens, Tagesanbruch an, eben bis zum Frühstück aus, und zog sich unter dem Gespötte der übrigen Arbeiter, meist Deutschen und Iren, während er dem Baas oder Aufseher noch sogar sein Frühstück zahlen mußte und nicht einmal die geleisteten Schaufeln voll Erde in Abrechnung bringen durfte, mit großen Blasen in den Händen vorsichtig nach Cincinnati, zurück. Soviel hatte er dabei gelernt, daß er für schwere Arbeit nicht tauge, und wenn man ihm auch, besonders in Cincinnati, einige leichtere Beschäftigungen antrug, so sträubte sich sein literarischer Stolz dagegen, z. B. Zeitungen auszutragen, die er das Bewußtsein in sich fühlte selber redigiren zu können, oder mit einem Bücherpacket durch's Land zu ziehn und zu kolportiren. Er betrachtete die »fliegenden Buchhändler« überhaupt als eine Entwürdigung des Standes, als einen ungesunden wilden Auswuchs desselben, das ganz abgerechnet, daß es kein Spaß und Vergnügen war, einen so schweren Bücher-Packen fortwährend auf dem Rücken herumzuschleppen.

Da hörte er in Cincinnati ganz zufällig, daß sich eine deutsche Familie, die mit dem nämlichen Schiff herüber gekommen wäre in dem er gelandet, nicht weit von dort, in Indiana, niedergelassen, und der Besitzer der dortigen Farm, ein Professor, neulich einmal bei seiner Anwesenheit in Cincinnati geäußert habe, er wünsche gern einen jungen Mann bei sich zu haben, der mit der Feder umzugehn verstünde, und dem er manche zu arbeitende, und sich auf die agrarischen wie Agricultur-Verhältnisse des Landes beziehende Aufsätze dictiren möchte. Das war ein Vorschlag zur Güte, wenigstens dort vielleicht, ohne genöthigt zu sein, selber Geld auszugeben, das Land etwas mehr kennen zu lernen und sich besonders mit der Sprache, deren Kenntniß ihm noch ganz abging, vertraut zu machen. Verstand er erst einmal Englisch, und war er im Stande in dieser Sprache zu schreiben, so brauchte ihm für seine weitere Existenz nicht bange zu sein; sein Talent brach sich dann schon von selbst die Bahn, und der Name Theobald sollte noch hoffentlich in der Englischen Literatur einen guten Klang bekommen.

Von Lobensteins war er auch freundlich aufgenommen worden, und nach den ersten Tagen im Haus, während dem er allerdings Nichts weiter that, als den regelmäßigen Mahlzeiten eben so regelmäßig beizuwohnen, schwärmte er Natur, und ließ sich von dem Professor dessen Ideen über die nothwendigen Verbesserungen im Amerikanischen Landbau mittheilen, die diesem so am Herzen lagen, daß er sich selbst um den Bau des eigenen Hauses wenig kümmerte. Trotz anderen sehr drängenden Arbeiten hatte er es denn auch für unumgänglich nöthig gehalten jetzt, mit Theobald's Hülfe – denn sein Sohn Eduard war nicht dazu zu bringen – eine Arbeit zu beginnen, von der er sich einen bedeutenden Erfolg versprach, und während draußen im Feld bezahlte oder vielmehr zu »bezahlende« Leute den Mais pflanzten und die Furchen umackerten, die Fenzen herstellten, und neues Land, zur Vergrößerung der Felder, urbar machten, streifte Eduard im Wald umher, Eichhörnchen und kleine Rebhühner, manchmal auch ein Haselhuhn zu schießen, von denen es ziemlich viele in der Gegend gab, und saß der Professor mit Theobald in seinem kleinen Blockhäuschen, das er sich zur »Studirstube« eingerichtet, und theorisirte über das, was draußen in der Wirklichkeit und auf seine Kosten vorging.

Dieses »Werk« war aber jetzt ebenfalls beendet, und lag druckfertig, für die deutsche Schnellpost in New-York bestimmt, im Kasten, während der Professor an einem neuen Plane über die unpraktische Construktion der Amerikanischen Pflüge arbeitete – auf seinem Felde wurde noch immer mit selbst mitgebrachtem, deutschen Ackergeräth gepflügt. Theobald beschäftigte sich indeß, zu keiner anderen Arbeit angehalten, in Haus und Umgegend nach eigenem Gefallen, half Eduard, wenn dieser nicht mit der Flinte im Walde war, einem neulich einmal gesehenen Hirsche nachzustellen, die beabsichtigten Wohnzimmer mit höchst mittelmäßigen Blumen und Fruchtguirlanden zu bemalen, und hatte selber auf eigene Hand an dem nächsten, und noch zur Farm gehörigen Hügelhang, die Anlage eines kleinen Lusthäuschens begonnen, wozu ihm aber auch noch ein anderer Arbeiter beigegeben werden mußte, da er selber nicht im Stande war, mit der Axt soweit umzugehn, einen ordentlichen Baum zu fällen.

Die Frau Professorin arbeitete dagegen in Wirthschaft und Feld, sich um Verbesserungen für den Augenblick wenig kümmernd, und immer nur bedacht, das Nöthigste herbeizuschaffen und in Stand zu halten, aus allen Kräften, und oft über ihre Kräfte, denn mit der Besorgung des Viehs und dem Waschen für so viele Menschen, hatte des Webers Frau schon ohnedieß genug zu thun. Während Anna also, von der Mutter und jüngsten Schwester dabei redlich unterstützt, dem Hauswesen oblag, die Küche und das »Innere Ministerium«, wie sie es scherzweise nannten, besorgte, hatte Marie, neben dem fatalen Scheuern der Gefäße, das »Ministerium des Äußeren« – das heißt das Melken der Kühe und Füttern der Schweine, das Jäten und Hacken im Garten (von Anna, und zeitweise sogar Eduard dabei unterstützt) das Aufkehren des Hofplatzes und die Oberaufsicht über sämmtliche Hühner und ihre Nester – ein höchst schwieriges Geschäft in Amerika, wo die Hühner ebenfalls, nach einem ziemlich unabhängigen Charakter ihre Nester hinmachen, wo es ihnen gefällt, bald in der Maisscheuer, bald unter einen Heuschober, bald hinter einen Busch im Wald draußen, und tausend Listen und oft Indianischer Scharfsinn dazu erforderlich waren, sie herauszubekommen.

Die Hühner spielten überhaupt eine nicht unbedeutende Rolle im Verwaltungsrath, nicht allein ihres Ertrags, sondern auch ihres Besten wegen, indem sie der erste Zankapfel – allerdings nur im freundschaftlichsten Sinne – zwischen den verschiedenen Departements wurden.

Der Garten hatte nämlich noch keineswegs mit einer solchen Einschließung versehen werden können, diesem überaus geschäftigen und neugierigen Geflügel den Eingang nach allen Seiten zu wehren. Die Front nach dem Hofraum zu umzog allerdings ein mit zugespitzten Hölzern wohlgefertigtes Staket, was die ersten Tage auch vollkommen genügte den, oft sehnsüchtig danach hinaufschauenden Hühnern zu imponiren; diese fanden jedoch nirgends einen Anhaltepunkt darauf, auf dem sie hätten ruhen und drüben hinabschauen oder fliegen können, und sie blieben deshalb unten. Das dauerte aber gar nicht lange. – Ein alter Hahn, den sie von einem Nachbar mir sechs gesprenkelten vorzüglich schönen Haubenhühnern gekauft, hatte jedenfalls mit solchen Staketen schon mehr Erfahrung und bestand darauf, die Grenzen desselben kennen zu lernen. Dieser Trieb führte ihn um die nächste Ecke, und sein lautes Krähen verrieth bald dem ganzen Hofstand die glückliche Entdeckung eines Eingangs, in das bis jetzt verbotene Paradies.

Von dem Augenblick an waren die Hühner nicht mehr aus dem Garten zu halten, und als ob sie die Flecke selber gewußt hätten, brauchte der Professor nur irgend eine neue Bohne oder Erbse oder irgend einen anderen Saamen, mit dem er Versuche anzustellen wünschte, zu stecken, und durfte sich dann auch fest darauf verlassen, daß die Hühner in der nächsten Stunde schon nachgesehn hatten, ob noch Nichts aufgegangen; kam er wieder dorthin, fand er den Platz umwühlt und zerkratzt, und keine Spur mehr von dem Saamen.

Er bestand jetzt darauf, die Hühner ganz abzuschaffen; die aber hatte Marie unter ihre besondere Protection genommen, und mit dem Nutzen, den sie dem ganzen Hausstand durch ihre Eier und das zarte Fleisch der jungen Hähne brachten, schlug sich die ganze übrige Familie auf ihre Seite. Marie verlangte ihrerseits eine ordentliche Umzäunung um den ganzen Garten, es den Hühnern gleich von vornherein unmöglich zu machen in den ihnen verbotenen Platz einzudringen, von den Arbeitern konnte aber in dieser Zeit Niemand mehr entbehrt werden – Theobalds Lusthäuschen war noch nicht einmal fertig – und der Professor wurde jetzt oft Morgens früh, in Schlafrock und Pantoffeln, in dem linken Arm einen ganzen Haufen voll Steine und Stücken Holz entdeckt, wie er mit merkwürdigen Sprüngen hinter den kakelnden und wieder einmal auf frischer That ertappten Flüchtlingen hersprang, und sie nach dem vorderen Staket zuzutreiben suchte, dort wenigstens ein Opfer als abschreckendes Beispiel zu erlegen. Dem aber begegnete Marie denn immer auf das Entschiedenste und öffnete gewöhnlich den in die Ecke getriebenen und schreiend am Staket mit gespreitzten Flügeln auf- und abflatternden Lieblingen die kleine Gartenthür, aus der dann der Vater seine Wurfvorräthe ziemlich erfolglos hinter ihnen dreinschleuderte. Ein Abkommen hierüber wurde endlich so weit getroffen, daß der Professor erklärte, die Hühner auch noch ferner, aber nur unter der Bedingung dulden zu wollen, wöchentlich zweimal gebratene Hähnchen auf seinem Tisch zu sehn – an denen konnte er seinen Grimm dann auslassen.

Jedes der Kinder hatte seine eigenen Hühner bekommen und ihnen auch besondere Namen gegeben, an Schlachttagen waren aber die Lieblingsthiere gewöhnlich auf die räthselhafteste Weise verschwunden, um nach Tisch wieder unbefangen und munter, als ob Nichts geschehen sei, zum Vorschein zu kommen.

Die Familie war indessen schon zum Theil in das neue Haus eingezogen, wo ihre guten Meublen besonders luftigeren und besseren Platz hatten, als in dem alten. Eduard und Theobald schliefen aber noch in dem letzteren, wo auch Eduard begonnen hatte, eine Quantität von abgestreiften Vogelbälgen aufzustellen, deren Herbeischaffung und Completirung er sich ungemein angelegen sein ließ. Theobald wünschte ihn darin allerdings zu unterstützen, und ging einige Mal selber mit der Flinte in den Wald, richtete aber dabei nur Unheil an, und mußte es endlich aufgeben.

Das erste Mal hatte er sich nämlich, obgleich kaum fünfhundert Schritt von dem Haus entfernt, so gründlich verlaufen, daß er fünf Meilen von der Farm entfernt an den Ohio kam, und von einem dort wohnenden Ansiedler, mit Beigabe eines Führers, zurückgeliefert werden mußte. Das zweite Mal schoß er eine von Lobensteins Kühen, die hinter einem Busch gestanden, als er einen blauen Heher zu erlegen hoffte, und das dritte Mal ging ihm das Gewehr von selber los – wie? war nie aus ihm herauszubekommen – und nahm ihm die Spitze des kleinen Fingers an der linken Hand mit fort, wonach er den Arm vierzehn Tage in der Binde trug.

Wesentliche Dienste leistete ihnen jedoch ein anderer junger Deutscher, auch ein früherer Zwischendecks-Passagier der Haidschnucke, der sich dem Professor als Ackerknecht angeboten hatte, den hiesigen Landbau von Grund aus kennen zu lernen, und nun mit einem Fleiß dem oblag, der manchen seiner weit stärkeren Mitarbeiter hätte beschämen können. Es war unser alter Bekannter, der junge Georg Donner, der, mit zu wenig Vertrauen zu sich selbst, als Arzt hier in Amerika auf eine Weise aufzutreten, wie es fast nöthig schien, Patienten, d. i. Kunden zu erwerben, den beschwerlicheren, aber sicherern Weg vorzog, von der Pike auf, auf einer Farm zu dienen, und dann mit der kleinen Baarschaft, die er noch bis jetzt unberührt von Deutschland mitgebracht, selber seinen eigenen Heerd zu gründen. Sein Lieblingswerkzeug war dabei die Amerikanische Axt, zu deren Anschaffung sich der Professor endlich, aber erst nach langem Zögern, entschlossen hatte, während er ihr immer noch unverdrossen ihre Vorzüge vor der deutschen absprach. Georg Donner hatte schon eine gewisse Fertigkeit in ihrem Gebrauch erlangt, und wurde deshalb auch nicht allein der Hauptlieferant alles Feuerholzes in die Küche, sondern begann auch, wie das Feld bestellt war, mehr Wald zu lichten, und die kleinen Bäume zu fällen und in bestimmte Längen zu hauen. Der Professor wollte nämlich im Herbst eine eigene Sägemühle anlegen, und nicht allein sein Nutzholz in Breter und Planken verwandeln, sondern auch noch Fenzriegel spalten, und sein Feld vergrößern.

So zuversichtlich Theobald dabei auftrat, der eigentlich gar Nichts that, und, des Webers Meinung nach, nur »zur Verzierung« im Hause saß, so schüchtern und bescheiden hatte sich Georg von der Familie überall zurückgezogen, wo diese ihn nicht selber und fast mit Gewalt sich näher führte. So war er nur mit großer Mühe dahin zu bringen gewesen, ihren Mittags- und Abendtisch zu theilen – das Frühstück wartete er nie im Hause ab, sondern bestand im Anfang darauf, mit den übrigen Leuten, mit denen er in Lohn und Arbeit auf gleicher Stufe stand, auch den Tisch gemeinsam zu haben. Die Frauen hatten den jungen Mann aber, seines bescheidenen ordentlichen Betragens, wie seines musterhaften Fleißes wegen, bei dem er immer noch Zeit fand, ihnen in einer Menge von Sachen beizustehn und zu helfen, viel zu lieb, das zu dulden, und Georg mußte mit »im Hause« essen, während die Weberfamilie mit den übrigen Arbeitern »in der Küche,« wie ihr Blockhaus genannt wurde, tafelte.

Der Professor selber vertrug sich aber am wenigsten mit dem jungen Mann, der seinen Theorieen gar nicht folgen wollte, und die geringste praktische Erfahrung, ob sie alles Andere über den Haufen stieß, höher schätzte, wie sämmtliche Combinationen des gelehrten Mannes. Dieser gab ihm dafür freilich auch oft zu verstehen, wie er seine ganze Lebenszeit daran gesetzt habe das zu ergründen, was er jetzt als Resultat gewonnen, und sich seine Systeme nicht von einem jungen Menschen werde über den Haufen stoßen lassen, der eben erst die Nase in die Öconomie hineinstecke, und statt jetzt zu lernen, und die Gelegenheit zu benutzen, einen tüchtigen Lehrmeister gefunden zu haben, überall klüger sein und Alles besser wissen wolle. Georg hütete sich dabei auf das Sorgfältigste ihm irgend etwas anzufechten, was nicht mit der Verbesserung des Platzes im unmittelbaren Zusammenhang stand; da aber suchte er, von dem Weber meist auf das Festeste unterstützt, seine Meinung geltend zu machen und war auch der Einzige der, trotz allen Einreden des Professors, mit einem Amerikanischen Pfluge arbeitete. Nur dadurch hatte er den gelehrten Mann bewegen können, es zu gestatten, die Sache als ein Experiment zu betreiben.

Mit Theobald vertrug er sich am allerwenigsten; er wollte das Lusthaus nicht gebaut, wenigstens keinen besonderen Arbeiter dazu verwandt haben, so lange sie noch nicht einmal eine ordentliche Scheune für ihr Getreide, keinen Stall für ihr Vieh, und kein Holz gefällt hatten eine kleine Mahlmühle am Bache zu errichten, wozu der Professor schon den Plan entworfen, und die sie nöthiger brauchten als ein Lusthaus; Theobald dagegen nannte ihn einen »rein materiellen Menschen,« der fortwährend nur an Kühe und Schweine und leibliche Nahrung dächte, ohne dem Geist und dessen Ruhe einen einzigen Sonnenblick zu gönnen.

Eduard war aber der Einzige von Allen, der ihn wirklich nicht leiden konnte, weil er ihn selber stets zu ordentlicher Arbeit zu drängen suchte und alles Andere Spielerei nannte, was nicht darauf hinwirkte ihr nächstes Ziel zu erreichen.

So standen die Verhältnisse auf der »deutschen Farm« wie sie von den benachbarten Amerikanern jetzt ihren festen Namen bekommen, als Hopfgarten, der indeß einen vergeblichen Streifzug durch die ganzen östlichen Staaten bis Philadelphia, New-York und Boston gemacht, im July endlich wieder nach Indiana kam, nach New-Orleans zurückzukehren. Soldegg schien in den Boden hinein verschwunden, so gänzlich hatte er seine Spur verloren, und obgleich er mehrere Passagiere der Haidschnucke, besonders von dem Israelitischen Theil derselben im Norden angetroffen, und es an Erkundigungen nicht hatte fehlen lassen, war doch Niemand von Allen im Stande gewesen, ihm auch nur den geringsten Fingerzeig zu geben. Manche derselben hatten als Pedlar oder wandernde Krämer den größten Theil des Landes durchzogen, und wiederum ihrerseits von vielen alten Reisegefährten gehört, die, nach allen Richtungen auseinander gestreut, bald hier bald da sich niedergelassen oder in Arbeit standen, aber über Herrn Henkel wußte ihm Niemand Auskunft. Das Beste was Hopfgarten in diesem Fall glaubte thun zu können war, die ungesunde Jahreszeit für New-Orleans (den Herbst von August bis Ende September oder Anfang October) noch auf eine kleine Reise nach den wunderschönen nördlichen Seeen zu verwenden, und dann von den Fällen des Mississippi im Spätherbst nach New-Orleans zurückzukehren, wohin sich, als der guten Saison, der bis dahin wohl sicher gewordene Verbrecher jedenfalls einmal begeben würde; daß er ihm dann nicht wieder wie in Vincennes eine Nase drehte, sollte seine Sorge sein.

Wie herzlich er von Lobensteins empfangen wurde, läßt sich denken; der Freudenruf, daß er da sei, ging über den ganzen Platz, und Marie, eben mit der wichtigen Arbeit beschäftigt die Kühe zu melken, ließ für den Augenblick Alles stehn und liegen und lief ihm entgegen, ihm die Hand zu geben, und nach Briefen und Nachricht von Clara zu fragen.

An ein flüchtiges Durchreisen durfte er auch, wie ihm von Allen gleich versichert wurde, gar nicht denken, denn einige Zeit wenigstens mußte er bei ihnen bleiben; sie hatten ihn soviel zu fragen, ihm soviel zu erzählen, das ließ sich in einer Woche gar nicht abmachen, dazu brauchte es Monate.

Der kleine Mann lächelte dem herzlichen Willkommen freundlich entgegen; es that ihm wohl, wieder einmal nach dem langen Umherstreifen zwischen lauter fremden, gleichgültigen Menschen, liebe bekannte Gesichter zu sehn, die sich nicht verändert hatten in der langen Zeit und ihm die Hand noch eben so herzlich drückten wie vordem. Er selber aber hatte sich verändert – sehr verändert – er war nicht mehr der fröhliche, stets lachende, zu Lust und Laune stets aufgelegte Junggesell, der er auf dem Schiff, wie nach seinem ersten Betreten des Landes gewesen; er war gesetzt – er war ernst geworden, und wo er früher mit den Kindern gespielt und herumgetobt, nahm er sie jetzt auf den Schooß, küßte sie und wehrte selber, wenn auch freundlich, ihrem wilden jubelnden Muthwillen ab.

Die Mädchen merkten das zuerst; auch sein Aussehn war von dem verschieden, wie sie ihn zuletzt gesehn; er war weit magerer geworden, und sah bleicher aus als früher. – Ihre erste Frage galt auch seinem Wohlsein – ob er krank gewesen? – er verneinte das lächelnd, und sollte nun vor allen Dingen von Clara erzählen, von der sie es sich gar nicht erklären konnten, daß sie nicht geschrieben hatte. Hopfgarten gab darüber im Anfang ausweichende Antworten, als aber am Abend alle übrigen zu Bett, oder wenigstens ihren verschiedenen Schlafstellen zugegangen waren, stattete er den ihm mit todtbleichen Wangen und thränengefüllten Augen gegenübersitzenden Frauen wie dem Professor getreuen Bericht ab über das Geschehene. Du lieber Gott, ein Abgrund öffnete sich hier ihren Blicken, ein Abgrund voll Jammer und Herzeleid, wo sie Glück und Freude vermuthet hatten, und ihre Thränen flossen dem Schicksal der armen Freundin aus vollen, angst- und grambedrückten Herzen.

Am andern Tage ging Hopfgarten mit dem Professor über die ganze Farm, die Verbesserungen anzusehn, die gemacht worden, den wirklich vortrefflich stehenden Mais mit dazwischen gesteckten Wassermelonen und Kürbissen, zu bewundern, und seine weiteren Pläne für die Zukunft anzuhören.

Der Professor schwamm dabei in einem Meer von Wonne; gestand aber doch dem alten Freund, daß das Leben hier ein schmähliches, heidenmäßiges Geld koste, und der ausbezahlte Arbeitslohn, des Webers Jahrgeld noch nicht einmal gerechnet, fast schon sein ganzes mitherübergebrachtes Kapital gefressen habe. Außerdem hatten sie dieses Jahr fast noch Nichts gezogen als Kartoffeln und Gemüse, und mußten jedes Pfund Mehl nicht allein theuer bezahlen, sondern auch noch weit herholen, für die vielen Mägen.

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Data wydania na Litres:
28 września 2017
Objętość:
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