Czytaj książkę: «Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg», strona 5

Czcionka:

„Und haben sie auch im Geschäft in Bathurst noch immer keine Nachricht von ihm?" frug Mr. Pitt ärgerlich.

„Keine Silbe," lachte Holleck, „ja, wo soll er auch da oben Dinte und Feder herbekommen! Das sieht wunderbar in den Minen aus." /62/

„Schön," sagte Becker, „hier haben wir denn wenigstens ein lebendiges Individuum, das uns einen genauen, authentischen Bericht über die fabelhaften Goldminen geben kann. Und nun, junger Herr, setzen Sie sich einmal auf den Stuhl da und packen Sie Ihre Neuigkeiten aus, denn wir Alle brennen darauf, etwas Bestimmtes zu hören. Was man hier in der Stadt darüber erfährt, ist gerade genug, einen sonst ganz vernünftigen Menschen verrückt zu machen, und ich möchte nun auch einmal Jemanden sprechen, der gerad' mit der Sache herausrückt und die Flunkereien aufdeckt."

„Flunkereien?" rief aber Holleck lachend. „Mein guter Capitain, da sind Sie an den Unrechten gerathen, denn wenn ich Ihnen nur das erzähle, was ich selber gesehen habe, packen Sie morgenden Tages auf und machen, daß Sie so rasch als irgend möglich selber in die Minen kommen."

„Das wäre mir aber lieb," rief der Capitain, ganz verblüfft von der unerwarteten Bemerkung. Aber Holleck hatte die kleine Gesellschaft nun einmal neugierig gemacht, und da doch an kein anderes Gespräch zu denken war, bis das Minencapitel beseitigt worden, bat ihn sogar Mr. Pitt, ihnen nur, was er da oben erfahren habe, zum Besten zu geben, und Holleck willfahrte gern.

Mit einem ganz eigenen, vortrefflichen Humor schilderte er jetzt seinen Weg in die Berge und das Leben da oben, beschrieb die wunderlichen Charaktere, die dort zusammengeströmt, und die Arbeiten wie Erfolge, und bestätigte dabei so vollkommen selbst die extravagantesten aus den Minen niedergebrachten Gerüchte, daß Capitain Becker wie erstarrt dabei saß und kaum wußte, ob er seinen eigenen Ohren trauen sollte.

Nur in der einen Woche waren schon ganz enorme Quantitäten Goldes ausgegraben und zahllose Nuggets (ein entschieden australisches Wort für größere Goldklumpen), die ein, zwei, drei, ja zehn und zwölf Pfund in reinem Gold gewogen, von glücklichen Arbeitern zu Tage gefördert worden.

Noch während er erzählte, brachte die Magd einen Brief herein, der eben im Hause unten abgegeben worden.

„Von Bathurst?" sagte Mr. Pitt, der den Stempel betrachtete. /63/

„Endlich von Charles!" rief Mrs. Pitt, von ihrem Stuhl aufspringend.

„Nein, es ist eine fremde Hand, die ich gar nicht kenne," sagte ihr Mann, indem er zum Lichte trat, den Brief öffnend.

„Aber doch vielleicht Nachricht von ihm?" sagte die Mutter.

„Wohl kaum J. Sutton?" las Mr. Pitt die Unterschrift.

„Etwas von Charles?" wiederholte seine Frau, deren Blick ängstlich an ihm haftete. Mr. Pitt stand mit dem Gesicht der Lampe zugedreht und kehrte seiner Frau den Rücken zu. - Er schüttelte nur langsam den Kopf und verharrte in seiner Stellung.

Holleck hatte einen Augenblick mit Erzählen inne gehalten, er wollte die Frage nicht stören; als aber Mr. Pitt jetzt ruhig weiter las und die Frau wieder mit einer getäuschten Hoffnung auf ihren Stuhl zurücksank, fuhr er fort, und gab ihnen jetzt in so komischer Weise die Schilderung eines Deutschen, der da oben in den Bergen eine complicirte Maschine hätte aufsetzen wollen und das immer an Stellen ermöglichte, an denen er gar nicht arbeiten konnte, daß Alle laut lachten. Selbst Mrs. Pitt vergaß für den Augenblick die Sorge um den Sohn, die sie sonst selten oder nie verließ.

Mr. Pitt hörte indessen von der ganzen Erzählung kein Wort, denn er hielt Mr. Sutton's Zeilen in den Händen, der ihm mit kurzen Worten den Unfall seines Charles anzeigte und ihn bat, so rasch er könne selber hinauf zu kommen. Der Brief war dem Datum nach schon fünf Tage alt und, wie das Postzeichen ergab, über Bathurst gegangen. - Was sollte er jetzt thun? - seiner Frau den Inhalt mittheilen? - sie wäre ihm vor Angst am Ende selber krank geworden, und jetzt konnte sie ja doch noch nichts helfen, dem Sohne, der sich in guter Pflege befand, nichts direct nützen. Da war es viel besser, sie blieb noch einige Tage in ihrer Ungewißheit, bis sich ihr wenigstens mit Sicherheit die Besserung des Verwundeten anzeigen ließ.

Ganz in Gedanken, und die Gegenwart der Uebrigen in der That total vergessend, war er mit dem Brief in der Hand ein paar Mal im Zimmer auf- und abgegangen. /64/

Mr. Beatty, der ihm zunächst saß, sah aber, daß er die Stirn in düstere Falten zog, und sagte:

„Doch keine unangenehmen Nachrichten, Mr. Pitt?"

„Ach ja," erwiderte der Mann, sich gewaltsam sammelnd - „es scheint doch da oben in Bathurst ganz toll und wild gewirthschaftet zu werden, und es wird mir nichts Anderes übrig bleiben, als selber hinauf zu gehen, um die Sache einmal in Ordnung zu bringen."

„Ja wohl, Charles, das ist recht," rief Mrs. Pitt erfreut, „ich habe Dich schon lange darum gebeten; früher erfahren wir doch nichts von Charley."

„Und wann wollen Sie fort?" frug Capitain Becker und bekam, noch während er sprach, ein ganz rothes Gesicht.

„Am liebsten ginge ich gleich heut Abend, wenn ich wüßte wie," sagte Mr. Pitt, „da das aber unmöglich ist, morgen mit Tagesanbruch."

„Donnerwetter, das ist früh," brummte der Capitain - „wissen Sie wohl, Mr. Pitt, daß ich höllische Lust hätte, Sie zu begleiten?"

„Aha!" lachte Pauline, „bei Ihnen haben Mr. Holleck's Berichte schon gezündet, und ich sehe Sie da oben noch im Schweiße Ihres Angesichts Ihr Gold ergraben."

„Ach ne, Miß," sagte der Capitain verlegen, „wegen des albernen Goldes wahrhaftig nicht; aber zum Wetter auch, man muß sich die Geschichte, wenn man sie so dicht vor der Nase hat, doch wenigstens einmal mit ansehen, oder wird am Ende später darum ausgelacht, in Australien gewesen zu sein und nicht einmal die Minen gesehen zu haben."

„Capitain, Capitain!" drohte Mr. Beatty lachend mit dem Finger - „ich werde nächstens selber hinaufgeschickt werden, um die Minen zu inspiciren; wenn ich Sie dann aber droben mit Schaufel und Waschschüssel erwische, dann nehmen Sie sich in Acht."

„Haben Sie keine Angst - ich werde den Teufel thun und in dem harten Boden nach Gold scharren. Aber was soll ich hier? Ihre Polizeibehörde ist so ausgezeichnet in Sidney, daß jetzt ganze Schiffsmannschaften spurlos verschwinden, ohne daß man einer einzigen Seele wieder auf die Spur /65/ kommt, und allein kann ich mein Schiff auch nicht fahren, das geht nicht - Geld verzehre ich hier wie dort, und da kann mir ein bischen Bewegung ebenfalls nicht schaden. Aber bis Tagesanbruch werd' ich noch nicht klar, Mr. Pitt - können Sie es nicht wenigstens bis morgen Abend aufschieben?"

„Es ist ganz unmöglich, lieber Capitain," lautete aber die Antwort, „denn einen Platz auf der Post finden wir doch nicht in der nächsten Zeit, und ich muß deshalb die Reise zu Pferde machen."

„Zu Pferd, schwere Brett," sagte Capitain Becker, der an einige, eben nicht besonders gelungene, derartige Touren in Valparaiso und auf den Sandwichsinseln dachte - „den ganzen Weg zu Pferd - das ist eine heillose Anstrengung."

„Und noch dazu in einem scharfen Trab."

„Danke Ihnen," sagte der Capitain - „da wäre mir schon bis Paramatta die Seele aus dem Leibe geschüttelt. Ne, da lieber nicht."

„Wenn Sie bis übermorgen früh warten wollen, Capitain," sagte der Polizeilieutenant, „so verschaffe ich Ihnen sichere und bequeme Gelegenheit in einem Einspänner. Ich muß Jemanden nach Bathurst schicken, und der kleine Wagen, den er mitnimmt, ist dorthin verkauft."

„Das wäre famos. Und könnte ich da meinen Steuermann gleich mitnehmen?"

„Wenn Sie wollen, warum nicht?"

„Bravo, dann bin ich außer aller Sorge. Mein Steward mag indessen das Schiff bemuttern, daß es nicht den Anker zwischen die Zähne nimmt und durchgeht."

„Und jetzt entschuldigen mich die Herrschaften wohl," sagte Mr. Pitt, indem er der Thür zuschritt. „Ich habe heut Abend so viel zu besorgen, daß ich noch einmal hinunter in das Comptoir muß."

„Aber ich sehe Dich doch noch, Papa?" rief Pauline ihm nach.

„Gewiß, Kind - ich laufe Euch ja nicht davon," sagte der Vater, grüßte lächelnd noch einmal und verließ dann das Zimmer, wo aber die übrige Gesellschaft, heute in der besten, /66/ heitersten Laune, noch bis elf Uhr zurückblieb. Selbst Mrs. Pitt machte sich heute keine Sorgen mehr, denn morgen früh ging ja ihr Gatte in Person an Ort und Stelle.

7.

Die Werbung.

Vier Tage waren nach jenem Abend in Mrs. Pitt's Hause verflossen, und heute oder spätestens morgen konnte ein Brief aus Bathurst zurück sein - aber ließ es sich auch denken, daß der Vater in der Zeit den Sohn schon aufgefunden hätte, wenn er wirklich noch irgendwo in den Bergen stecke? Die Mutter sorgte sich schon im Voraus vergeblich ab und wollte dem Sohne, wenn er endlich zurückkehrte, recht, recht bittere Vorwürfe über sein langes Schweigen und seinen herzlosen Leichtsinn machen.

Mrs. Pitt war mit Theresen in ihrer eigenen Stube, und Pauline hatte nach dem Luncheon das Parloux wieder aufgeräumt. Sie öffnete eben die Fenster nach dem Hofe und Garten zu, um die jetzt frische wehende Seebrise herein zu lassen, als die Thür aufging und William Holleck auf der Schwelle stand.

Ein Blick überzeugte ihn, daß Pauline allein sei, und mit leichten Schritten sich ihr nähernd, streckte er ihr die Hand entgegen und sagte freundlich:

„Heute hab' ich einmal das Glück, liebes Fräulein, und wenn Sie nicht gerade übermäßig beschäftigt sind, so muß ich Sie schon bitten, sich eine kleine Geschichte von mir erzählen zu lassen."

„Ah, Mr. Holleck," sagte Pauline, verlegen erröthend, während sie ihm aber doch ihre Hand reichte - „soll ich da nicht vielleicht die Mutter dazu rufen?" /67/

„Fürchten Sie sich, mit mir allein zu sein?"

„Nein," sagte das junge Mädchen lächelnd - „weshalb?"

„Schön, dann setzen Sie sich einmal in den breiten, bequemen Stuhl da - es hört sich noch einmal so gut in einem solchen Sessel zu, und gönnen Sie mir für wenige Minuten Gehör."

„Das sind ja gewaltige Vorbereitungen," flüsterte Pauline, und hätte in diesem Moment doch um ihr Leben gern die Mutter dazu gerufen. Aber sie nahm den ihr angewiesenen Platz ein, und Holleck, seinen Hut auf den Tisch stellend, setzte sich in den ihr gegenüberstehenden Stuhl und sagte:

„Und doch will ich keine unnöthigen Worte machen - seien Sie - mir nur nicht böse, wenn ich nur von mir selber rede."

„Und ist nicht das schon eine Vorrede?"

„Sie haben Recht - so hören Sie denn, Pauline. Sie wissen, daß ich mich viele Jahre lang in den Colonien nur eben habe durchbringen können und immer nicht vom Fleck kam, immer nur das verdienen konnte, was ich nothdürftig zum Leben brauchte. Das wäre nun eben nichts Außerordentliches gewesen, denn Tausenden von jungen Leuten geht es hier nicht anders, und sie müssen sich darein fügen. Mir aber nagte es am Herzen, denn - ich liebte ein junges Mädchen, die ich nur gewinnen konnte, wenn ich ihr eine gesicherte Existenz entgegenbrachte - bitte, unterbrechen Sie mich jetzt nicht, bis Sie - nicht wenigstens die Hauptsache erfahren haben.

„In England drüben besaß ich nun noch ein kleines Besitzthum, das ich nicht eher veräußern wollte, bis ich mir hier im australischen Leben die nöthigen Erfahrungen gesammelt hatte und das Capital dann auch mit sicherem Erfolg anlegen und verwerthen konnte. - Das ist jetzt geschehen. Wie Sie sehen, komme ich rasch zur Sache - ich schrieb nach Hause, um Alles, was ich dort besaß, zu Geld zu machen und mir die Wechsel hierher zu senden. Glücklicher Weise traf das Geld gerade in dem Moment hier ein, wo die Entdeckung des Goldes allen Geschäften einen fast fabelhaften Aufschwung gab. Die Aussicht auf eine zwar etwas gewagte, aber sonst treffliche Speculation bot sich mir gleich am ersten Tage - /68/ es war deshalb, daß ich in die Minen fuhr - ich reussirte4 darin, verdreifachte mein kleines Capital in der kurzen Zeit, und kann jetzt wohl sagen, daß ich der Zukunft sorgenfrei in's Auge sehen darf."

„Aber ich begreife nicht -" flüsterte Pauline - sie ahnte, auf was diese ganze Einleitung hinauslief, und ihr Herz fühlte sich dabei so beklommen - sie wußte selber kaum weshalb.

„Ich will keine langen Worte mehr machen, Pauline," fuhr aber Holleck fort, indem er von seinem Stuhl aufstand und auf sie zutrat. - „Ich habe Ihnen erzählt, daß ich jetzt mein Auskommen habe und eine Frau ernähren kann. - ich liebe Sie, Pauline - nur Sie, mit aller Leidenschaft, deren mein Herz fähig ist - ich bin kühn genug zu glauben, daß Sie mir auch ein klein wenig gut sind, denn so lange ich das Glück hatte, in Ihrer Nähe weilen zu dürfen, waren Sie ja immer so lieb und freundlich gegen mich - so beantworten Sie mir denn die einfache Frage, so einfach wie ich sie an Sie stelle: Wollen Sie mir erlauben, bei Ihren Eltern um Sie zu werben? - Wollen Sie mein Weib werden, Pauline?"

Das junge Mädchen war in der Erregung des Augenblicks todtenbleich geworden. Auch sie stand von ihrem Stuhl auf, aber sie war noch nicht im Stande zu antworten, und überließ ihre Hand fast willenlos dem leidenschaftlichen Druck des jungen Mannes. - Was konnte - was sollte sie ihm antworten? Mehrere Jahre schon hatte er ihr Haus als Freund ihres Bruders, ihres Vaters betreten; sie war fast gewöhnt worden, ihn wie mit zur Familie gehörig - wie als einen Bruder zu betrachten. Erst seit kurzer Zeit - seit jenem Tage selbst, wo er in diesem nämlichen Zimmer versucht hatte mit ihr zu sprechen, und damals unterbrochen worden war, stieg die Ueberzeugung in ihr auf, daß sie von William Holleck geliebt werde, und füllte ihr Herz mit einer ganz eigenen Unruhe und Bedrängnis, mit einer Unentschlossenheit, für die sie sich selber keine Ursache angeben konnte. Sie hatte nicht einmal den Muth gehabt, ihr Herz ernstlich zu befragen, was es thun, was lassen würde, bis in diesem Augenblick die Werbung des jungen Mannes sie ängstlich überraschte. Sollte sie ihn zurückweisen? - er war immer so freundlich und aufmerksam /69/ gegen sie gewesen, und wenn auch wohl Manches in seinem Charakter und ganzen Wesen lag, was in ihrer eigenen Seele nicht den rechten Wiederklang fand - konnte das als hinreichender Grund gelten, ihn so tief zu kränken?

Alle diese Gedanken durchkreuzten bunt und jäh in diesem Augenblick ihr Hirn und ließen sie kaum zu einem rechten Bewußtsein kommen.

„Und darf ich hoffen, Pauline, daß Sie mir nur ein klein wenig freundlich gesinnt sind?" drängte Holleck, dem ihre Unentschlossenheit nicht entgehen konnte.

„Oh, wenn Sie mir nur Zeit ließen," hauchte das junge Mädchen, „Sie haben - mich so überrascht - und ich weiß nicht -"

„Geben Sie mir nur eine leise Hoffnung, Pauline; lassen Sie mich nicht wieder allein und einsam in das Leben hinausziehen. Für was arbeiten wir denn hier, für was mühen wir uns ab und trotzen allen Beschwerden und Gefahren, wenn nicht deshalb, uns in dem halb wilden Lande eine eigene und feste Häuslichkeit zu gründen. Sehen Sie mir in's Auge, Pauline," bat er leise und legte seinen Arm um ihre Taille, „sehen Sie mir in's Auge, liebe, liebe Pauline und," fügte er leise und wie scheu hinzu, „glauben Sie mir, daß ich nichts auf der Welt habe, auf das ich noch hoffe, für das ich noch leben und wirken möchte, wie nur Sie - Sie allein, und ich, wenn ich Ihnen entsagen müßte, elend, bodenlos elend werden und in Verzweiflung untergehen müßte."

Er hatte die letzten Worte, wenn auch kaum hörbar, doch mit einer so furchtbaren Leidenschaftlichkeit gesprochen, daß Pauline wirklich erschreckt zu ihm aufschaute - und wie sein Auge glühte, wie seine ganze Gestalt bebte!

In dem Augenblick öffnete sich die Thür, und Mrs. Pitt, die mit der Kleinen in's Zimmer trat, blieb allerdings überrascht auf der Schwelle stehen, als sie die Gruppe bemerkte.

Pauline aber wand sich aus Holleck's Arm, und an der Mutter Brust fliegend, barg sie ihr Haupt an ihrer Schulter und flüsterte leise:

„Meine liebe, liebe Mutter -"

„Meine Pauline," rief die Mutter, denn eine eigene Angst /70/ überkam sie, das Gefühl, als ob ihr das Kind genommen, auf immer genommen werden sollte, und sie legte ihren Arm um sie und preßte sie fest, fest an sich.

„Mrs. Pitt," sagte da Holleck, indem er auf die Mutter Paulinens zuschritt und ihr offen in's Auge sah, „Sie haben uns überrascht - und will ich recht aufrichtig sein, etwas zu früh - früher wenigstens, als ich das süße Jawort von Paulinens Lippen hören konnte. So seien Sie denn jetzt mein Fürsprecher - legen Sie ein gut Wort für mich ein, Mrs. Pitt, und glauben Sie mir, daß Sie mich dadurch zum glücklichsten Menschen der Welt machen."

„Und was sagt meine Pauline dazu?" frug die Mutter mit weicher Stimme, indem sie, die Tochter unterstützend, mit ihr in die Mitte des Zimmers getreten war.

„Ich weiß es nicht, Mutter," flüsterte das Mädchen, ihren Kopf nur noch tiefer an der Mutter Schulter bergend - „viel zu rasch ist Alles gekommen, um ein Wort zu sprechen, das mich für mein ganzes Leben bindet. Laßt mir Zeit - laßt mir Zeit!"

„Ich will Sie nicht drängen Pauline," sagte Holleck, mit einem eigenen Zittern der Stimme, „nicht von dem ersten Augenblick verlangen, was Sie für das ganze Leben binden soll. Nur Eins sagen Sie mir - nur den einen Trost lassen Sie mir, bis Sie mein Geschick entscheiden - daß ich glauben darf, Sie - wären mir ein ganz klein wenig gut, und nicht wenigstens schon jetzt entschlossen, meine treue Werbung zurück zu weisen."

Pauline antwortete ihm nicht. Eine Weile noch blieb sie in derselben Stellung an der Mutter Schulter, dann streckte sie, aber ohne ihn anzusehen, die Hand nach ihm aus, die er ergriff und leidenschaftlich küßte.

„Oh Dank, tausend Dank!" rief er, „und bis morgen, übermorgen, wenn Sie wollen, will ich nun meinen Urtheilsspruch von Ihren Lippen mit Freuden erwarten."

„Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen," sagte in dem Augenblick eine ruhige tiefe Stimme, und auf der Schwelle des Zimmers stand Mr. Pitt, noch in seinem bestäubten Rock, /71/ wie er eben unten im Hof vom Pferd gestiegen, und betrachtete mit ernstem Blick die Gruppe.

„Charles," rief seine Frau, sich rasch und erschreckt gegen ihn wendend. „Du schon zurück - und um Gottes willen, wie todtenbleich siehst Du aus - was ist geschehen? Mein Kind? was ist mit meinem Charley?"

„Beruhige Dich, liebes Herz," sagte Mr. Pitt, „ich bringe Dir keine schlechte Nachricht, wenn ich auch von dem Ritt ein wenig angegriffen aussehen mag. - Ich bin eine weite Strecke in einem Zug galoppirt und die Bewegung eben nicht mehr so recht gewöhnt. Guten Tag, Mr. Holleck. Wenn ich nicht irre, komme ich da eben zu einer Familienscene - wie? - Pauline in Thränen und sehr erregt. Die Mutter auch gerührt und Sie nicht im rothen Minerhemd - darf man da vielleicht gratuliren?"

Es lag in dem Ton, mit dem der sonst so gelassene Mann diese Worte sprach, eine so kalte, bittere Ironie, daß selbst Pauline davon betroffen wurde und überrascht, ja bestürzt zu ihm aufsah. Holleck am wenigsten war das veränderte Benehmen des sonst so gütigen und nur manchmal durch seine Geschäfte zerstreuten Mannes entgangen, und ein eigenes, un- behagliches Gefühl überkam ihn, das er vergebens zu bekämpfen suchte.

„Mein guter Mr. Pitt," sagte er - „ich habe heute gewagt -"

„Charles," fiel aber die Frau ein, „etwas muß geschehen sein, Du bist so sonderbar erregt - so hab' ich Dich kaum noch gesehen!"

„Die Geschäfte, liebes Kind, die Geschäfte," warf der Mann leicht hin und mit einer fast gewaltsam erzwungenen Fröhlichkeit. „Du glaubst gar nicht mehr, wie toll sie es jetzt da oben in den Minen treiben, und was für Mittel und Wege versucht werden, nur Gold, immer nur Gold zu gewinnen. Nicht wahr, Holleck, man muß da manchmal zu ganz sonderbaren Sachen seine Zuflucht nehmen, um das eine und einzige Ziel recht ordentlich und besonders recht rasch zu erreichen?"

„In der That, Mr. Pitt," sagte Holleck, und er mußte sich Mühe geben, dem nicht einmal fest auf ihm haftenden /72/ Blick des Mannes zu begegnen, „aber wenn man Glück und nur ein klein wenig Geschick hat -"

„Das war das rechte Wort, Holleck," rief Mr. Pitt rasch und heiser lachend, „Geschick - sagten Sie nicht so? - Geschick! Das ist das Zauberwort für den Geschäftsmann, und ein klein wenig Glück muß dann freilich dabei sein."

„Aber, Charles, wie bist Du nur heute?" rief Mrs. Pitt, die ihren Mann mit immer steigender Besorgniß betrachtet hatte. Ihr, die ihn so genau kannte, konnte nicht entgehen, daß etwas ganz Außergewöhnliches vorgegangen sein mußte, wenn sich alle ihre Gedanken auch nur noch immer auf den Sohn concentrirten - „bringst Du denn wirklich endlich Nachricht von ihm?"

„Ja" - nickte der Mann ihr freundlich zu - „sorge Dich nicht weiter, ich habe einen Brief."

„Einen Brief?" rief Holleck unwillkürlich aus.

„Nicht wahr, das wundert Sie auch, daß der Schlingel endlich einmal schreibt?" lachte der Kaufmann und suchte in der Brusttasche nach dem erwähnten - „ah, da ist er - aber was der Junge für eine Pfote schreibt - können Sie leicht schlechte Handschriften lesen, Holleck?"

„So ziemlich, wenn sie nicht zu unleserlich sind," erwiderte der junge Mann und fühlte, wie er, trotz der Gewalt die er sich anthat, erbleichte.

„Na, dann versuchen Sie einmal bei der da Ihr Glück," lachte Paulinens Vater, aber sein Lachen klang hohl und unnatürlich, und er reichte zugleich Holleck einen etwas zerdrückten, offenen Zettel, den dieser mit unruhiger Hand nahm und entfaltete. Sein Blick flog dabei scheu durch das Zimmer, aber Mr. Pitt stand vor ihm, und vor seinen Augen schwammen die Züge auf dem Blatte. Gewaltsam faßte er sich und las mit lauter Stimme:

„Der mich beraubte und verwundete, ist -" er schwieg, und entsetzt flog sein Blick zu der drohenden Gestalt vor ihm empor.

„William Holleck!" schrie da der Kaufmann mit donnernder Stimme, indem er einen Revolver aus seiner Tasche riß und spannte. „Schurke und Mörder!" /73/

„Heiliger, erbarmungsvoller Gott!" rief Mrs. Pitt, indem sie in Entsetzen die Hände faltete, „was ist geschehen?"

„Und Du - tausendfacher Bube," rief Mr. Pitt außer sich, „der Du Dich nicht gescheut, die meuchlerische Mordwaffe gegen den Freund zu heben - jetzt wagst Du auch noch in demselben Haus, das Deine Schurkenhand auf den Tod getroffen, um die Tochter zu werben? Nieder auf die Kniee, Canaille, oder beim ewigen Gott, ich besudele meine Hand mit Deinem Blut, das dem Henker gehört. Nieder auf die Kniee, Räuber und Mörder!"

Holleck hatte gefühlt, wie ihn seine Kräfte verließen, als der erste Verdacht seiner Entdeckung über ihn kam. Jetzt, der Mündung der Pistole gegenüber, als die Gefahr nicht mehr drohte, sondern in ihrer ganzen Furchtbarkeit über ihn hereingebrochen war, gewann er im Nu seine Geistesgegenwart wieder.

Er war entdeckt, und Flucht noch das Einzige, was ihn retten konnte.

„Papa! schieß hier nicht im Zimmer!" rief die kleine Therese, die erstaunt und erschreckt die heftigen Worte gehört hatte, ohne sie zu begreifen.

„Vater, um Gottes willen!" rief auch die Frau. Aber der sonst so ruhige Mann war außer sich.

„Zurück da!" rief er, indem er die Gattin rasch bei Seite schob - „zurück von mir! -"

Das war der letzte günstige Moment für den Verbrecher. Die Thür hatte Mr. Pitt verstellt, aber das Fenster nach dem kaum zwölf Fuß tiefer liegenden Hof stand offen. Mit einem verzweifelten Satz sprang Holleck darauf zu, und ehe der Vater nur recht wußte, was er eigentlich beabsichtigte, hatte er schon die Hand auf das Fensterbrett gelegt und schwang sich hinaus.

In dem nämlichen Moment drückte Mr. Pitt ab, und der Schuß dröhnte durch das Haus - Pulverrauch füllte die Stube, und als der Kaufmann nach dem Fenster sprang, erkannte er nur eben noch die Gestalt des Flüchtigen, der sich, ehe er zum zweiten Mal zielen konnte, hinter den Ställen jeder Gefahr entzog. Von dort floh er in und durch den /74/ Garten, und in dem Gewirr der kleinen, hinter diesem liegenden Gäßchen wäre eine Verfolgung unmöglich gewesen.

Pauline war neben der Mutter in die Kniee gesunken und Therese schreiend in ihre Arme geflüchtet. Mr. Pitt aber, wieder vollkommen gesammelt, stieg erst in den Hof hinunter, um vor allen Dingen danach zu sehen, ob er den Verbrecher vielleicht doch getroffen habe und Blutspuren ans dem Boden erkennen könne. Im Haus unten waren die Leute indessen ebenfalls zusammengelaufen, Mr. Pitt bedeutete sie aber, ruhig ihrer Arbeit nachzugehen, die gesuchten Zeichen fand er ebenfalls nicht - er hatte jedenfalls in der furchtbaren Aufregung gefehlt, und langsam schritt er wieder in das Zimmer zu den Seinen zurück.

„Ist er todt?" rief ihm hier, zitternd vor Angst, Mrs. Pitt entgegen, und Paulinens Blick haftete ängstlich an dem Vater.

„Er ist für diesmal noch seiner Strafe entwichen," sagte dieser ruhig, „und vielleicht - ist es auch besser so, daß ich dem Henker nicht vorgegriffen habe; aber daß er seiner Strafe nicht entgeht, das schwör' ich bei dem lebendigen Gott, dafür soll gesorgt werden."

„Und Charley - oh martere mich nicht länger! Etwas Furchtbares muß geschehen sein -" bat die Frau in Todesangst.

„Lebt und ist in der Besserung," sagte Mr. Pitt mit einem tiefen Seufzer, „Gott und den guten Menschen, die sich seiner angenommen, Dank dafür! - Jener Bube aber war dabei, als die Mail vor kurzer Zeit überfallen wurde, Charley hatte ihn unter den Räubern erkannt, und um nicht entdeckt zu werden, suchte er ihn zu tödten und - muß ihn auch wirklich todt und verschollen geglaubt haben, er hätte es sonst nie wagen können, diese Schwelle je wieder zu betreten, ja selber nur in Sidney, in Australien zu bleiben."

„Großer allmächtiger Gott! Und wo ist mein Kind, daß ich zu ihm, daß ich es pflegen kann?"

„So gut aufgehoben, wie im elterlichen Hause," beruhigte sie der Mann, „bei Mr. Sutton in English Bottom."

„Und kann ich zu ihm?"

„Ja,"sagte der Mann. „Der Arzt wollte zwar am ersten Tage dergleichen nicht gestatten, weil er von der Aufregung /75/ durch Dich Gefahr für den Leidenden fürchtete, aber gestern hatte sich die Besserung so entschieden eingestellt, daß er unsern Sohn jetzt bei gehöriger Vorsicht für außer jeder Gefahr hält. Wenn Du willst, kannst Du morgen schon aufbrechen."

„Morgen schon?" rief aber die Mutter mit tiefer Wehmuth, „und heute den ganzen Tag wolltest Du mich hier in Schmerz und Angst zurück und vergehen lassen?"

„Gut, so geh heute," sagte der Mann erweicht. „Ich werde Dir einen Wagen besorgen, und Pauline mein armes, armes Kind," unterbrach er sich rasch, als er einen Blick auf die Tochter warf und die bleiche, zitternde Gestalt der Jungfrau sah „hat Dir der Bube etwa das Leben vergiftet?"

„Nein Vater, nein," rief das Mädchen, sich an des Vaters Brust werfend. „Ein furchtbares Gewicht ist vielmehr von meiner Seele, ein Schleier von meinen Augen genommen. Ich fühle jetzt, daß ich den Elenden nie geliebt, und wenn ich mich hätte durch seine Bitten bewegen lassen, daß ich namenlos elend an seiner Seite geworden wäre."

„Gott sei dafür gepriesen," murmelte der Vater, ihre Stirn küssend, „dann ist das Unglück nicht so groß, und die Sonne wird wieder auf unsern Pfad scheinen, wenn uns auch jetzt Nacht, tiefe Nacht umgeben hat. Du magst mit Deiner Mutter reisen - das wird Dich zerstreuen; Theresen bring' ich dann beute Nachmittag zum Großvater hinaus, bei dem sie ein paar Tage bleiben kann. Der alte Mann hat es immer gewünscht. Ned mag Euch fahren, unsere beiden Braunen sind ausgeruht, die Tour wird ihnen nichts schaden, und unterwegs bei Ruffels soll er die Thiere wechseln, daß er Euch in einer Fahrt hinüber bringt. Seid Ihr das zufrieden?"

„Mein guter, lieber Charles!"

„Das wäre also abgemacht - grüßt mir den Jungen. Und nun - diesen Holleck darf ich nicht zu Athem kommen lassen, daher folge ich Euch erst morgen nach. Denn ich muß jetzt nach Bathurst, um allerlei, was uns durch des Buben Raub zerstört wurde, in Ordnung zu bringen. Auf dem Hinweg sprech' ich bei Euch vor."

Mr. Pitt war nicht der Mann, einen einmal gefaßten und beschlossenen Plan halb ausgeführt zu lassen. Eine Stunde /76/ später rollten die beiden Damen Georgestreet hinaus über Paramatta nach Sutton's Station, und Mr. Pitt selber, der indeß Theresen hinaus zu ihrem Großvater brachte, und damit den alten Mann ordentlich glücklich machte, erzählte diesem nur mit kurzen Umrissen das Vorgefallene, und eilte dann in die Stadt zurück, Mr. Beatty, den Polizeilieutenant, von dem Geschehenen in Kenntniß zu setzen und ihn auf die Fährte des flüchtigen Verbrechers zu bringen.

Zwei Stunden später suchten etwa zwanzig Polizeibeamte den ganzen District ab, in dem sich der Entflohene vielleicht bis zum Einbruch der Nacht verborgen haben konnte, und Boten wurden zugleich auf die Straße hinaus gesandt, die in die Minen führte, um dort ebenfalls auf ihn zu fahnden. Aber von William Holleck fanden sie keine Spur, weder in der Stadt noch unterwegs, und wie in den Boden hinein schien der Verbrecher verschwunden.

8.

In den Bergen.

Wie lange Zeit war es her, daß noch das wunderliche flüchtige Känguru in diesen Bergen umhersprang, und scheu aufhorchte, wenn ein dürres Blatt raschelte? Mußte es doch nach seinem fast eben so schlauen Feind, dem nackten Eingeborenen, umheräugen, der irgend einen benachbarten Gumbaum oder Wattelbusch zur Deckung benutzen konnte, an seine Beute anzuschleichen. Wie lange war es her, daß der listige Dingo oder wilde Hund noch durch diese Schluchten zog, und manchmal stehen blieb und erstaunt die Nase gegen den Wind hob, wenn ihm der leichte Luftzug die Witterung eines Menschen herüber brachte? - Dann kamen einzelne Heerdenbesitzer, die ihre Schafe in die Berge trieben, und Kängurus /77/ wie Dingos zogen sich vor den scharfen, langathmigen schottischen Windhunden zurück, die sie mitbrachten und rastlos damit den Wald durchstreiften.