Czytaj książkę: «Die Ehebrecherin», strona 2

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Die Flucht

Die nächsten Tage sind für Masa die Hölle. Sie kann nur auf dem Bauch liegend schlafen. Auch die Verachtung der Familie schmerzt sie sehr. Ihr neues Gefängnis wird gut bewacht. Sie darf das Zimmer nur zum gemeinsamen Essen mit der Familie verslassen. Zur Verrichtung ihrer Notdurft muss sie sich durch Klopfen an der Tür bemerkbar machen. Ist niemand zuhause, hat sie für den Notfall einen Eimer im Zimmer, in den sie die Notdurft verrichten kann. Nach dem ersten Mal richtet sie es immer so ein, dass das Geschäft nach dem Essen erledigt werden kann, was auch bei der Familie besser ankommt, denn der volle Eimer riecht nicht angenehm.

Am Tisch wird kaum gesprochen. Die Verachtung der Eltern ist allgegenwärtig. Sie hatten so grosse Hoffnungen in Masa gesteckt und gehofft, dass sie in eine angesehene Familie einheiraten könnte, doch das ist jetzt nicht mehr möglich. Es sieht ganz so aus, dass sie noch lange in ihrem Zimmer bleiben muss. Welcher Mann will schon eine Ehebrecherin heiraten?

Nach einer Woche lassen die Schmerzen am Rücken nach. Gleichzeitig steigt ihr Hass auf ihre Familie. Sie ist von ihr sehr enttäuscht. Kein Mitgefühl, einzig die Verachtung ist allgegenwärtig.

«Ich habe versucht», beginnt ihr Vater am Mittagessen an Masa gewandt, «dass die Strafe auf Bewährung ausgesetzt wird, bin aber nicht durchgekommen. Das Urteil bleibt bestehen. Der Prozess gegen Arif hat letzte Woche stattgefunden, das Urteil, eine Geldbusse und dazu noch die Kosten für den Anwalt. Ich habe Arif die Hälfte der Buse bezahlt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er verführt wurde und in milde bestraft. Zumindest zu meinem Bruder wird sich das Verhältnis normalisieren.»

Masa könnte schreien vor Wut. Am Beginn der Rede ihres Vaters war sie gerührt, dass er sich für sie einsetzte, soviel hatte sie nicht erwartet, doch dann, wie er über das Urteil gegen Arif informiert. Das war ein weiterer Peitschenhieb für Masa. Ihrem Vater ist ein gutes Verhältnis zu seinem Bruder wichtiger, als das Wohlergehen seiner Tochter. Die zählt schon lange nichts mehr.

Die nächsten Tage wurde bei Tisch nicht mehr gesprochen. Masa könnte ebenso gut tot sein, sie vermutet, dass die Familie sogar erleichtert wäre. Sie bleibt in ihrem Zimmer und der Hass, welcher sich ihn ihr aufstaut, wird immer grösser. Sie überlegt auch, ob sie sich das Leben nehmen soll. Weiss aber nicht wie.

Nach zwei Wochen klopft sie an die Türe, sie muss dringend. Diesmal ist nur ihr Bruder zuhause. Die Eltern sind beide bei der Arbeit.

«Wie geht es dir?», fragt Elin.

«Dumme Frage», entgegnet Masa, «wie soll es mir schon gehen, das siehst du ja selber.»

«Ja das sehe ich», meint Elin, «deshalb habe ich mir überlegt, ob ich dir zur Flucht verhelfen soll. Ich kann dich nicht so leiden sehen.»

«Natürlich würde ich flüchten», entgegnet Masa, «nur wie soll ich das anstellen, nachher wird alles noch viel schlimmer.»

«Ich könnte dich nachts mit dem Motorrad zum Strand fahren und dir ein Boot mit Essen bereitstellen, den Rest müsstest du selber durchstehen.»

«Das würdest du für mich machen?», Masa ist über seinen Vorschlag überrascht, damit hat sie nicht gerechnet.

«Ich denke, ich könnte es so planen», meint Elin, «dass es niemand bemerkt, dass ich dir geholfen habe und wenn, wäre es nicht schlimm, ich kann dich nicht länger leiden sehen.»

«Ich liebe dich!», Masa ist froh, dass sie ihren Bruder nicht verflucht hatte, «alles ist besser als so weiterzuleben!»

«Es ist gefährlich, wenn dich kein Schiff entdeckt und aufnimmt, wäre das dein Tod.»

«Damit ist mein nächstes Problem gelöst, ich überlege die ganze Zeit, wie ich mich umbringen könnte. So weiterleben bringt nichts, da bin ich lieber Tod.»

«Dann sind wir uns einig», meint Elin, «ich brauche einige Tage, um alles vorzubereiten. Benimm dich ganz normal, nicht dass die Eltern misstrauisch werden. Schlafe jetzt immer am Tag, damit du nachts hellwach bist.»

«Danke», Masa umarmt ihn, «ich hoffe, dass es gelingt und wenn nicht, ist eh alles aus.»

Vier Tage später öffnet Elin mit dem Nachschlüssel, welchen er sich beschafft hat, die Türe zum Zimmer von Masa. Die wartet bereits hinter der Türe und schlüpft durch. Elin schliesst die Türe sofort wieder und die beiden verlassen geräuschlos die elterliche Wohnung. Es ist eine dunkle Nacht. Der Mond ist noch nicht aufgegangen. Das einzige Problem könnte der Hund der Nachbarn sein. Elin erwartet, dass er kurz angibt, aber das kommt regelmässig vor. Wichtig ist, dass er sich schnell wieder beruhigt.

Das Motorrad hat Elin rund zwei Kilometer vom Haus entfernt abgestellt. Erreichen sie das Motorrad, ohne dass jemand Alarm auslöst, ist das Schlimmste überstanden.

Der Hund knurrt nur kurz. Elin kann ihn beruhigen, er kennt seine Stimme und beruhigt sich sofort wieder. Nun eilen die Zwei durch die Nacht. Noch immer vorsichtig jede Deckung ausnützend. Endlich zieht Elin das Motorrad aus seinem Versteck und startet es. Masa springt auf und klammert sich an Elin und schon geht es los.

Auf der Fahrt zu Hafen erwarten sie keine Probleme. Es gibt wenig Verkehr, dass ein Motorrad zum Hafen fährt, ist um diese Zeit nicht aussergewöhnlich, das fällt niemandem auf.

Elin lenkt das Motorrad am Hafen vorbei und fährt den schmalen Weg, welchen die Badegäste benutzen, der Küste entlang. Kurz bevor der Weg endet, hält er an. In der kleinen Bucht, ganz in der Nähe des verhängnisvollen Strands, erreichen sie das Meer.

Versteckt hinter einem Felsen zieht Elin das kleine Boot aus dem Versteck. Es gehört einem Mann aus Riad, welcher ab und zu hierher zum Fischen kommt. Elin weiss, dass er diesen Monat nicht kommt und so ist niemandem aufgefallen, als er das Boot gestern Nacht aus dem Hafen gefahren und hinter dem Felsen versteckt hatte. Die Vorräte wurden schon während drei Tagen heimlich auf das Boot gebracht, es ist alles gut vorbereitet. Ein Zurück gibt es jetzt nicht mehr.

Elin hilft Masa auf das Boot und erklärt kurz, wie sie damit umgehen muss. Das Boot hat einen schwachen Motor. Elin hat keine Ahnung, wie lange das Benzin reicht.

«Wenn du auf dem Meer draussen bist, schalte den Motor aus und zieh an diesem Seil das Segel hoch. Es sind keine starken Winde angesagt, du wirst es schnell lernen, wie du mit dem Segel umgehen musst.»

«Danke für alles», Masa umarmt ihren Bruder und beeilt sich, den Motor zu starten. Sie dürfen keine Zeit verlieren. Elin muss rechtzeitig wieder zuhause sein.

Der Motor startet und Elin hilft noch das Boot ins Meer zu schieben. Der Motor ist leise und es ist um diese Zeit niemand so nahe, dass er den Motor hören könnte. Noch einmal kurz winken, dann ist Masa auf sich allein gestellt.

Als sie keine Lichter mehr sehen kann, stellt sie den Motor ab und lässt sich treiben. Nun ist sie allein, ein Zurück gibt es nicht mehr, denn dann würde sie beschuldigt, wegen der Strafe geflohen zu sein. Nicht auszudenken, wie der Kadi dieses Vergehen ahnden würde.

Masa legt sich hin. Elin hat eine Art Bett vorbereitet. Doch zum Schlafen ist sie zu aufgeregt. Die letzten Tage vor ihrer Flucht hat sie sehr viel geschlafen, sie braucht jetzt keinen Schlaf.

Wie geht ihr Leben jetzt weiter? Sie wagt nicht daran zu denken. Das Einzige was feststeht ist, dass es ihr bisheriges Leben nicht mehr gibt. Sie weint ihm keine Träne nach.

Sie muss dann doch eingeschlafen sein. Beim Aufwachen liegt sie im schaukelnden Boot und schaut auf die Plane, welche über der Liege gegen die Sonne aufgespannt ist. Die Sonne steht schon hoch am Himmel. Vermutlich hat sie sehr lange geschlafen. Langsam wird ihr bewusst, auf welches Abenteuer sie sich da eingelassen hat. Soweit ihr Blick reicht, alles nur Wasser. Zum Glück ist das Meer ruhig. Sie trinkt etwas Wasser aus dem Kanister, dann geht sie nochmals die Ratschläge von Elin durch, die er ihr mit auf die Reise mitgegeben hatte. Das Segel ist unter der Bank deponiert, nun versucht sie es hochzuziehen. Nicht so einfach, doch beim dritten Versuch klappt es und das Segel bläht sich im Wind auf. Auf dem Segel ist mit roter Farbe «SOS» aufgemalt. Sie beobachtet die Sonne und lenkt das Boot so, dass es sich von der Küste Saudi-Arabiens entfernen sollte, denn das wäre das Schlimmste was ihr passieren könnte, wenn sie in Saudi-Arabien stranden würde, dann wäre alles aus!

Nun sitzt sie im Boot und betrachtet das Segel, mehr kann sie nicht tun. Natürlich sucht sie regelmässig den Horizont ab, ob ein Schiff zu erkennen ist, doch da sind keine Schiffe. Elin hat ihr erklärt, dass es sicher einige Tage braucht, bis sie in den Bereich von Schifffahrtsrouten kommt. Im Moment ist es besser, wenn keine Schiffe auftauchen, es währen mit grosser Sicherheit, arabische Fischer und denen müsste sie ausweichen, was allerdings schwierig würde.

Welches Schiff auf der internationalen Schiffsroute zum Suezkanal sie schlussendlich aufnimmt, spiel keine Rolle, da soll sie das erstbeste Schiff anhalten, wenn das überhaupt geht.

Sie sitzt schon stundenlang im Boot. Ab und zu döst sie ein, die restliche Zeit hängt sie ihren Gedanken nach. Sie durchlebt nochmals ihre Erinnerungen. Als kleines Mädchen hatte sie es noch gut. Sie hatten nicht viel und mussten ihrer Mutter zur Hand gehen. Doch das empfand sie nicht als Arbeit. Dazwischen konnte sie mit anderen Mädchen im kleinen Dorf spielen. Natürlich merkte sie, dass ihr Bruder Elin vom Vater mehr beachtet wurde, aber sie kannte nichts anderes.

Ab dem 12. Geburtstag war es vorbei. Die Eltern sperrten sie in ihr Zimmer ein. Als sie fragte warum, hiess es: «Das schreibt der Koran vor.»

Inzwischen weiss sie, dass es mit ihrem Wandel vom Kind zur Frau zu tun hat. Für sie war es ein gravierender Einschnitt in ihr Leben. Sie langeweilte sich zu Tode. Nur wenn die Familie zuhause war, durfte sie in den Wohnraum und in die Küche, wo sie Mutter beim Kochen helfen musste.

Nach zwei Monaten wagt sie den Computer von Elin einzuschalten. Zum Aufladen steckte der den Laptop in ihrem Zimmer ein. Keiner der Familie konnte sich vorstellen, dass Masa sich mit dem Ding beschäftigen könnte. Als sie bemerkte, dass der Laptop immer in ihrem Zimmer aufgeladen wird, achtet sie darauf, wie Elin es bediente. Es brauchte einige Zeit, doch dann konnte sie mit dem Gerät umgehen. Als Erstes lernte sie einige Worte englisch. Das Übersetzungsprogramm hatte sie schnell begriffen.

Sie wagt es nur, die Seiten anzuklicken, welche Elin aufrief. Doch bereits da öffnet sich für Masa eine völlig neue Welt. Nun konnte sie die Stunden, welche sie allein in ihrem Zimmer verbringen musste, gut nützen. Der Hund des Nachbars warnte sie rechtzeitig, so dass sie sich ausloggen konnte. Sie sieht, wie andere junge Frauen leben. Die haben keine Einschränkungen. Warum können die jungen Frauen in Europa und Amerika, das Leben geniessen und Frauen unter der Knute des Islam, werden eingesperrt, das ist einfach ungerecht.

Nachdem sie nach einem Nickerchen aufwacht, beschliesst sie, nur noch in englischer Sprache zu denken. Für sie kennt die Arabische Sprache, nebst dem alltäglichen Umgang, eh nur die endlosen Suren, welche sie immer wieder zitieren muss. Inzwischen weiss sie, dass das zur Kontrolle der Bevölkerung dient. Alle sollen gleichgeschaltet werden, so können sie leichter kontrolliert werden. Sie hasst alles was mit Saudi-Arabien zu tun hat.

Leider kann sie ihren Wortschatz in englischer Sprache momentan nicht erweitern, aber die wenigen Worte die sie kennt, will Masa beherrschen. Sie hat keinen Vergleich, wie ihr Englisch tönt, aber das spielt momentan keine Rolle. Ob ihr je wieder jemand zuhören wird, steht noch nicht fest. Weit und breit keine Schiffe in Sicht. Vielleicht muss sie auf dem Boot sterben, das ist durchaus möglich, aber immer noch besser als die Peitschenhiebe. Was wird dann? Wird sie zu einer der tausend Jungfrauen, welche den Märtyrer zustehen, welche für ihren Glauben sterben? Mit dieser Vorstellung hat sie ein Problem, was sollen die mit ihr anfangen? Zumindest die, welche sich mit einer Bombe in die Luft jagten. Die dürften ein Problem haben, sie zu benutzen.

Ihre Gedanken zum Tod sind überflüssig. Es kommt, wie es kommt. Sie kann es nicht mehr beeinflussen. Nach dem Koran gibt es im Jenseits so oder so nur ein Paradies für Männer. Frauen sind da ausgeschlossen, was mit ihnen geschieht, interessierte die Männer, welche den Koran schrieben, nicht. Die sind eine unbedeutende Nebenerscheinung.

Inzwischen hat sie jedes Zeitgefühl verloren. Sie weiss nicht mehr, wie lange sie im Boot auf dem Meer treibt. Langsam gehen ihr die Vorräte aus. Sie darf nur noch geringe Mengen essen und vor allem trinken, denn der Wasserkanister ist beinahe leer. Die Zeit, in welcher sie dösend, um nicht zu sagen bewusstlos im Boot liegt, wird immer länger. Noch beobachtet sie in den Wachphasen den Horizont und sucht ihn nach Schiffen ab, aber da ist nur Wasser. Dann schläft sie wieder ein, immer mit dem Bewusstsein, dass es das Letzte ist welches sie wahrnimmt, bevor sie für immer einschläft.

Als sie wieder einmal aufwacht, erkennt sie ein Gesicht, welches sich über sie beugt. Beim zweiten Blick stellt sie fest, dass es ein Mann ist. Noch kann sie ihre Situation nicht einschätzen, wo ist sie? Auf jeden Fall ist sie noch am Leben, ihr Leben wird weiter gehen. Nur wie, das steht noch nicht fest.

Der Mann wischt ihr das Gesicht mit einem nassen Lappen ab. Als er bemerkt, dass sie zu sich kommt, flösst er ihr etwas Suppe ein. Dankbar schlürft Masa die Suppe. Ein Grossteil läuft ihr über das Kinn. Der Mann tupft die Tropfen mit einem Tuch weg. Er will sie ins Leben zurückholen. Es reicht nur zu wenigen Löffel Suppe, dann schläft Masa wieder ein.

Noch einige Male erwacht Masa und bemerkt, dass sich jemand um sie kümmert. Ob es immer derselbe Mann ist, kann sie nicht feststellen, sie ist noch zu schwach. Doch langsam erholt sie sich soweit, dass sie wieder zu Denken beginnt. Sie ist gespannt auf ihr zweites Leben.

Als sie wieder einmal aufwacht, bemerkt sie, dass sich niemand sonst im Zimmer aufhält. Verwundert stellt sie fest, dass sie nackt im Bett liegt. Es gibt keine Decke mit der sie sich bedecken könnte. Auf einem Tisch neben dem Bett steht eine Schale mit Reis. Sie löffelt die Schale leer und schläft wieder ein. Langsam kommt sie wieder zu Kräften. Da sie dem Mann nicht traut, spielt sie, wenn der Mann ins Zimmer tritt, weiter die Erschöpfte.

Als der Mann ihr die nächste Schale mit Reis bringt, stellt sie sich weiterschlafend und horcht, was nun geschieht. Sie spürt, wie der Mann ihren Busen streichelt. Dass er dabei mit seinem Schwanz spielt, schliesst sie aus den Geräuschen und dem Wippen des Betts. Sie wagt es nicht, die Augen zu öffnen.

Schon nach kurzer Zeit spürt sie, dass etwas Warmes auf ihren Bauch. Masa zwingt sich ruhig zu bleiben. Kurz darauf wischt der Mann sie mit einem nassen Lappen ab, dann verlässt er schnell den Raum.

Muss sie so dafür bezahlen, dass sie zu essen bekommt? Wenigstens ist sie am Leben. Sie ist dem, oder den Männern ausgeliefert. Das ist die harte Wirklichkeit, denn wenn sie Masa über Bord werfen, würde das niemand bemerken. Sie ist nur froh, dass sie weiter die Schwache gespielt hat. Wer weiss, auf was für Ideen, der oder die Männer sonst noch gekommen wären. Sie muss also das Spiel weiterspielen, das ist ihre einzige Chance. Doch irgendwann, wird das Schiff einen Hafen anlaufen, dann muss sie bereit sein.

Noch einige Male erhält sie das Essen auf gleiche Weise serviert. Da sie nicht hinschauen kann, weiss sie immer noch nicht, ob es immer der gleiche Mann ist. Da sie die Berührungen unterschiedlich wahrnimmt, geht sie davon aus, dass die Männer abwechseln.

Inzwischen kann sie die Zeit, zwischen den Männerbesuchen abschätzen. Es hat sich ein Rhythmus eingespielt, der vermutlich vom Essen bestimmt wird. Masa riskiert jetzt, die unbeobachtete Zeit zu nutzen und durchsucht ihre Kabine. Diese hat nebst dem Bett, einen Schrank und ein Bullauge. Der Blick durchs Bullauge bringt nichts neues, nur Meer, soweit das Auge reicht. Interessanter ist der Schrank. In diesem findet sie ihre Kleidung, schön zusammengefaltet. Das reicht ihr, sie legt sich wieder aufs Bett.

Bei der nächsten männerlosen Zeit, beschäftigt sie sich mit dem Bullauge. Es lässt sich öffnen und ist gross genug, dass sie durchschlüpfen kann. Nur ein Sprung ins Meer ist momentan nicht sinnvoll, aber wenn sie einen Hafen anlaufen, ergibt sich vielleicht eine Möglichkeit zu fliehen.

Bereits zwei Tage später bemerkt sie, dass immer öfter andere Schiffe auftauchen. Noch wagt sie es nicht, durchs Bullauge zu flüchten. Doch sie bereitet sich vor. Sie schläft möglichst viel und isst so viel wie möglich. Dann verlangsamt das Schiff die Geschwindigkeit. Ihr Bullauge erlaubt ihr einen Blick über den Hafen. Die Anlegestelle ist auf der anderen Seite. Ihr Plus rast. Sie muss sich entscheiden, bleiben oder alles auf eine Karte setzen und fliehen.

Die Entscheidung ist schnell gefallen, sie wartet noch die Abenddämmerung ab, dann geht sie zum Schrank und zieht sich an. Jetzt gibt es kein Zurück.

Das Öffnen des Bullauges ist kein Problem. Die nächsten Schiffe sind weit weg, es wird niemandem auffallen. Über dem Bullauge ist eine Vorhangstange montiert, die nutz sie, um sich hochzuziehen. Mit den Beinen voran schiebt sie sich durchs Bullauge. Wenn sie jetzt stecken bleibt, ist alles umsonst. Sie dreht und wendet sich, dann ist sie durch und hängt, sich mit den Händen am Rand festhaltend, an der Schiffsseite. Wie weit es zum Wasser ist, kann sie in der Dämmerung nicht erkennen, noch ein kurzes Zögern, dann lässt sie sich fallen.

Ihr Aufprall auf dem Wasser ist heftig, doch sie taucht wieder auf und schwimmt möglichst nahe an der Schiffswand und horcht, ob sich die Geräusche ändern. Es bleibt bei den üblichen Hafengeräuschen, ihr Sprung ins Wasser wurde nicht bemerkt. Sie schwimmt in Richtung Bug. Nun kann sie die Hafenmauer beobachten. Es herrscht noch viel Betrieb, es ist besser, wenn sie noch etwas wartet. Rittlings setzt sie sich auf die Nase am Bug und wartet ab. Dann realisiert sie, dass je länger sie in der Nähe des Schiffes bleibt, das Risiko steigt, dass man sie entdeckt. Sie muss es wagen. Zwanzig Meter entfernt, führt eine Treppe vom Wasser auf den Steg. Sie stösst sich ab und schwimmt auf die Treppe zu. Klatschnass steigt sie hoch und geht, ohne die Leute zu beachten in Richtung Stadt. Wo ist sie, was erwartet sie? Erleichtert stellt sie fest, die Leute tragen keine muslimische Kleidung. Sie ist weit genug von Saudi-Arabien entfernt.

Vorsichtig folgt sie dem Menschenstrom, welcher sich mehrheitlich vom Hafen in Richtung Stadt bewegt. Alle scheinen ein Ziel zu haben, nur sie nicht. Sie lässt sich treiben. Niemand beachtet sie, sie verschwindet in der Masse. Die Luft ist schwül und ihr Rock ist schon bald wieder trocken. Ein Name auf einem Schild verrät, sie ist in Mumbai gestrandet.

Mumbai

Ihre muslimische Kleidung fällt nicht auf. Auch scheint sie niemand zu suchen. Das ist eine andere Welt. Keinen interessiert, was der andere macht. Ein krasser Unterschied zu ihrer Heimat. Da kontrolliert man jeden Schritt des Nachbarn. Kommt er verspätet zum Gebet? Ist die Kleidung korrekt? Erst in der eigenen Wohnung hat man gewisser Freiheiten, doch selbst da, wachen Vater und Mutter darauf, dass die Regeln eingehalten werden.

Noch immer folgt sie dem Menschenstrom. Bei Kreuzungen wählt sie die Strasse, auf der am meisten Menschen sind. Ein ungewohntes Gefühl, sie wird nicht beachtet. Es ist ihr recht, das Wasser im Hafen war schmutzig und nun sind ihre Haare verklebt. Auch der Rock, der ist jetzt wieder trocken, aber total zerknittert. Noch immer geniesst sie ihre Freiheit. Ohne Kontrolle zu Leben ist etwas Neues für sie.

Während sie durch die Strassen schlendert, beginnt sie nachzudenken. Mumbai? Die Stadt sagt ihr nichts, in Saudi-Arabien hört die Welt nach Riad und Mekka auf, danach gibt es nichts mehr. Einige Gebäude sind mit einer Flagge geschmückt. Nun erinnert sie sich, die Flagge könnte auf Indien hindeuten. Nur, das hilft ihr nicht weiter, über Indien weiss sie nichts, das wurde in der Schule nicht erwähnt und auch Elin hat sich nie mit Indien befasst. Eins ist ihr wichtig, Moslems sieht man hier keine, oder sie sind so gekleidet, dass man sie nicht erkennt. Von der Seite droht wenig Gefahr.

Nun geht es darum, wie und wo sie die Nacht verbringen soll. Noch sind die Strassen voller Leute, die Stadt scheint nicht zu schlafen. Eigentlich braucht sie keinen Schlaf, die letzte Zeit hat sie sehr viel geschlafen. Auch der Hunger hält sich in Grenzen, trotzdem sucht sie nach einem ruhigeren Platz, die Gefahr entdeckt zu werden ist gering. Jetzt muss sie ihr Leben selber in die Hand nehmen.

Nun ändert sie ihr Vorgehen. An Kreuzungen folgt sie der Strasse mit weniger Menschen. Schliesslich legt sie sich in einem verlassenen Park hinter einer Bank ins Gras und döst vor sich hin. Nun ist sie plötzlich allein. Passanten gehen vorbei, ohne sie zu beachten. Sie fühlt sich sicher, hier kann sie einige Stunden bleiben. Erfreut stellt sie fest, die Flucht aus Saudi-Arabien ist gelungen. Zu gerne hätte sie das Gesicht gesehen, welches der Kadi macht, wenn er erfährt, dass die Auspeitschung nicht stadtfinden kann, weil die Delinquentin verschwunden ist.

Es ist noch dunkel, als sie aufwacht. Nun wird ihr bewusst, dass sie das Leben selber in die Hand nehmen muss. Bereits vor Sonnenaufgang erwacht die Stadt, auch in den Aussenbezirken langsam zum Leben. Der erste Tag als freie Frau beginnt. Was wird er ihr bringen? Doch frei sein, heisst auch, sich selber versorgen. Was kommt als nächstes?

Sie steht auf und wagt sich wieder auf eine grössere Strasse. Es beruhigt sie, auch jetzt, da weniger Leute unterwegs sind, nehmen die Leute sie nicht wahr. Jeder hat genug mit sich selber zu tun. Sie gelangt in eine Strasse mit Hütten auf beiden Seiten. Vor der einen hängen Kleidungsstücke an der Wäscheleine. Masa bleibt stehen und beobachtet die Umgebung, weit entfernt sind noch Leute unterwegs, doch die entfernen sich weiter, ohne sie zu beachten.

Die Versuchung ist zu gross. Sie will endlich ihren schwarzen Muslimrock loswerden. Sie schlüpft aus dem Rock und steht nackt auf der Strasse. Dann ergreift sie von der Wäscheleine vier Kleidungsstücke und schlüpft hinein. Nun sieht sie wie eine Einheimische aus. Ihren schwarzen Rock hängt sie an der Stelle auf, wo vorher die gestohlenen Kleider hingen, dann eilt sie davon. Alles bleibt ruhig. Nun beeilt sie sich, den Stadtteil zu verlassen. Zweifel kommen auf, sie hat gestohlen, beruhigt sich aber, es war für sie eine Notlage. Der schwarze Rock war sicher teurer, als dieser indische Rock und die dazu passenden Hosen. Nun fühlt sie, dass sie in der Stadt angekommen ist. Sie bevorzugt wieder die belebteren Strassen.

Nun ist sie weit genug vom Ort ihres Diebstahls entfernt und sie beruhigt sich. Wie geht es weiter? Sie sieht ein Schild, das auf einen Strand hinweist. Zumindest deutet sie das Wellensymbol so, lesen kann sie es nicht, es ist in der lokalen Sprache geschrieben.

Kurz darauf hört sie die Brandung. Vorbei an Verkaufsständen erreicht sie den Sandstrand. Nur wenige Leute stehen am Strand herum. Ab und zu steigt eine Frau bis zu den Knien ins Wasser, aber Leute im Badeanzug, wie sie es auf Bildern gesehen hatte, die Elin angeschaut hatte, sieht man keine. Sie setzt sich an eine Mauer, welche den Strand von einer Strasse trennt und beobachtet die Leute.

In einiger Entfernung entdeckt sie eine Dusche. Eine Frau steht in ihrem Rock darunter und wäscht sich die Haare. Das sieht doch sehr verlockend aus. In einiger Entfernung wartet sie, bis die Frau fertig ist, dann tut sie es ihr gleich. Mit der Hand nimmt sie noch etwas Schaum auf, welcher dem Ablauf zuströmt. Es reicht, ihre Haare schäumen und sie spürt, wie das Öl herausgewaschen wird.

Nach der ausgiebigen Wäsche geht sie zurück an ihren Platz und lässt die Haare und ihre Kleidung trocknen.

Sie beobachte nun erneut die Leute, die mehrheitlich am Strand herumstehen. Sie ist beeindruckt, wie unbekümmert alles abläuft. Wenn sie an die Strandbesuche zuhause denke, wie verkrampft unsicher und ängstlich sich die Leute am Strand bewegen, weil sie Angst haben, sie könnten ein Gesetz des Islams übertreten, da ist die Atmosphäre hier ganz anders, viel gelöster. Es gibt keine Moschee, welche die Männer zu Gebet ruft. Es wird ihr bewusst, wie stark die Religion in Saudi-Arabien das Leben beherrscht. Doch wozu das alles? Ist das Leben nach dem Tod wichtiger als das wirkliche Leben? Hier leben die Leute im Jetzt, was wird aus ihnen nach dem Tod? Auf jeden Fall haben sie keine Angst davor und leben ihr vorbestimmtes Dasein.

Nachdem ihre Haare trocken sind, fallen sie in sanften Wellen auf ihre Schulter. Im Unrat am Strand findet sie sogar einen Kamm und kann die Haare etwas ordnen. Nun kann sie sich wie eine einheimische Schönheit am Strand bewegen.

Nur mit der schönen Haarpracht ist ihr Leben nicht einfacher geworden. Was ist nun das Dringendste? Sie hat bemerkt, dass nur wenige Leute englisch sprechen. Sie muss die örtliche Sprache erlernen. Einfacher gesagt als getan. Ein Sprachkurs kommt für sie nicht in Frage.

Weiter unten am Strand sieht sie eine Gruppe von Kindern, welche zusammen

spielen. Sie nähert sich der Gruppe so weit, dass sie hören kann, was die Kinder rufen. Die sind zum Glück sehr laut, wie sie es auch von Zuhause gewohnt ist. Mit wachem Blick und offenen Ohren verfolgt sie das Spiel der Kinder. Die lassen sich von Masa nicht stören. Masa wirft ihnen ab und zu einen Ball zu, welcher abseits der Gruppe gelandet ist. Die Kinder bedanken sich mit einer Geste.

Am späteren Nachmittag werden die Kinder von der Aufsichtsperson aufgefordert, ihre Sachen zusammen zu räumen und ihr zu folgen.

Masa ist zufrieden, sie hat die Bedeutung von einigen Worten erkannt. Noch reicht es nicht für eine Unterhaltung, aber sie ist mit ihrem Start in die Freiheit zufrieden.

Mit beginnender Dämmerung leert sich allmählich der Strand. Die Leute gehen nach Hause. Einige sind sehr unordentlich und lassen ihren Müll am Strand zurück. Das ist die Gelegenheit für Masa, sie durchstreift den Strand. Zuerst findet sie eine Plastiktasche und beginnt nun alles einzusammeln, was sie für brauchbar hält. Sie findet auch einige Früchte und ein Brot, in einigen Flaschen ist noch ein Rest übrig. Mit ihren Schätzen verlässt sie den Strand und sucht sich einen ruhigeren Ort. Der erste Tag als freie Frau neigt sich dem Ende entgegen. Sie ist zufrieden, das Leben kann weitergehen.

Masa sucht sich in einem Park eine Bank zum Schlafen. Unter den gefundenen Schätzen befindet sich auch eine Decke. Sie wickelt sich in die Decke und legt sich hinter der Bank hin, so können Passanten sie nicht gut sehen.

Als sie aufwacht, fühlt sie sich in Sicherheit. Es ist immer noch dunkel, sie verlässt den Park und schlendert ziellos durch die Strassen. Sie weiss nicht, wo sie sich befindet, spielt auch keine Rolle, alles ist hier fremd. In einer Strasse nimmt sie den Duft von Räucherstäbchen wahr. Etwas Abseits bemerkt sie einen Tempel. Die Bewohner von Mumbai scheinen doch einer Religion zu huldigen. Der Tempel ist schön geschmückt und leuchtet in vielen Farben. Sie beobachtet die Leute, welche sich hinknien. So früh am Morgen sind es noch nicht viele.

Aus der Entfernung beobachtet sie, wie die Zeremonie abläuft. Feste Regeln gibt es nicht, die einen knien kurz hin und gehen weiter, andere verweilen länger. Als keine Leute im Tempel sind, geht sie näher und schaut sich den Tempel genauer an. Der Geruch der Räucherstäbchen sticht ihr unangenehm in die Nase. Zurzeit sind keine Leute im Tempel. Auf einer Art Platte werden kleine Körbchen und verzierte Schalen mit Geschenken an die Göttin hingestellt. Meistens erkennt sie frische Früchte. Das Obst ist nicht vergammelt, wie die Früchte, welche sie am Strand gefunden hat.

Die Versuchung ist gross. Masa schaut sich um, immer noch niemand im Tempel. Sie langt zu und packt einige Früchte in ihre Tasche und entfernt sich schnell in Richtung Stadt. Dort fühlt sie sich sicherer, bereits sind viele Leute unterwegs und sie taucht in der Menge unter. Alles bleibt ruhig, ihr Diebstahl wurde nicht entdeckt. Sie sucht sich eine abgelegene Bank und verzehrt ihr Diebesgut sofort, so bleiben keine Spuren zurück.

Nachdem das so gut gelungen ist, sucht sie nach weiteren Tempeln.

Es gibt anscheinend einige. Bei jedem beobachtet sie genau, ob sie einen weiteren Diebstahl riskieren kann. Noch zwei Mal kann sie Lebensmittel stehlen. Darunter eine Schale Reis und ein totes Huhn. Doch dann sieht man die Sonne aufgehen und es sind zu viele Leute in den Tempeln, für heute muss das reichen.

Mit der Ausbeute ist sie zufrieden. Sie sucht einen Strand, das Hinduwort Beetch kennt sie mittlerweile und findet ihn schnell. Am Strand gedenkt sie, den Tag zu verbringen. Es ist ein anderer Strand als gestern, sieht aber ähnlich verwahrlost aus. Sie hat Glück und entdeckt eine Feuerstelle, welche noch leicht raucht. Sie sucht nach Brennmaterial, um das Feuer neu zu entfachen. Zuerst gibt sie sich mit Plastikabfällen zufrieden. Das Feuer brennt schon wieder stark, stinkt aber erbärmlich. Danach sucht sie nach Holz, welches in der Nacht angeschwemmt wurde. Diese Holzstücke brennen erstaunlich leicht, nur die Oberfläche ist nass. Schon nach kurzer Zeit im Feuer sind sie abgetrocknet und brennen schön und vor allem lange.

Nun hängt sie an einem Stock das Huhn über das Feuer. Der Duft ist verführerisch, das hat sie hat schon lange nicht mehr gerochen. Sogar zuhause gab es selten gegrilltes Huhn. Die Schenkel und Flügel sind am ersten gar zu Essen. Sie geniesst jeden Bissen. Bis sich der Strand mit Leuten füllt, hat sie das Huhn und allen Reis gegessen und löscht das Feuer.

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