Czytaj książkę: «Quer durch Afrika»

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Über den Autor

Gerhard Rohlfs (1831 – 1896) wurde als Sohn eines Landarztes geboren. Bereits in der Schule zeichnete sich ab, dass Rohlfs wenig für einen bürgerlichen Beruf geeignet war. 1849 verließ er endgültig das Gymnasium und schloss sich der Armee an, wo er sich durch außerordentliche Tapferkeit auszeichnete. Im Jahr 1855 betrat er als Fremdenlegionär in Algerien zum ersten Mal afrikanischen Boden. In den Jahren 1860 bis 1885 unternahm er in diplomatischer Mission im Auftrag Bismarcks mit jeweils immer besserer Unterstützung und größerem Aufwand Expeditionen in ganz Afrika, dank derer er einen eminenten Beitrag zur Erschließung des Kontinents leistete.

Dr. Herbert Gussenbauer (1940 – 2009) war freischaffender Ethnologe und Afrikanist in Wien. Studien- und Forschungsreisen führten ihn alljährlich durch den afrikanischen Kontinent. Er war Mitarbeiter des Österreichischen Rundfunks und beschäftigte sich jahrzehntelang mit ethnohistorischen Themenkreisen.

Zum Buch

Gerhard Rohlfs war der geborene Abenteurer: In seiner Jugend rastlos und wenig für das Leben in der bürgerlichen Welt zu begeistern, zog es ihn im Jahr 1855 als Fremdenlegionär nach Afrika. Als 1860 die Mission als beendet galt und Rohlfs aus dem Dienst schied, begab er sich, nahezu mittellos, zum ersten Mal auf eine lange Reise. In Marokko gelang es ihm, Karriere als Leibarzt des Sultans zu machen. Von hier begann seine rasante Entwicklung vom unsteten Abenteurer zum ernsthaften Forscher. Heute gilt Gerhard Rohlfs vor allem dank seiner zahlreichen waghalsigen Expeditionen durch die Sahara zum Golf von Guinea als einer der schillerndsten Afrikareisenden, der unzählige Gebiete betrat, die nie zuvor ein anderer weißer Mann gesehen hatte sowie als erster Europäer, dem die Durchquerung der Sahara gelang.

Gerhard Rohlfs Erstdurchquerung der Sahara brachte dem deutschen Forschungsreisenden Weltruhm ein: Im Jahr 1865 hatte der mutige junge Mann von Tripolis aus die gesamte Sahara durchquert, wobei er durch Savannen und Urwälder bis nach Lagos am Golf von Guinea vorgedrungen war und aus heutiger Sicht unglaubliche Strapazen erduldete. Rohlfs fundierte Kenntnisse der landestypischen Sitten und Gebräuche, sein Blick fürs Detail und seine unstillbare Neugier machen seinen fesselnd geschriebenen Reisebericht zu einem der bedeutendsten Werke der Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts.

DIE 100 BEDEUTENDSTEN ENTDECKER


Gerhard Rohlfs

Gerhard Rohlfs

Quer durch
Afrika

Die Erstdurchquerung der Sahara von Tripolis bis zum Golf von Guinea

1865 – 1867

Herausgegeben von

Herbert Gussenbauer

Mit 62 Abbildungen


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Alle Rechte vorbehalten

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2012

Der Text wurde behutsam revidiert nach der Edition Erdmann Ausgabe Stuttgart und Wien, 1984

Lektorat: Dietmar Urmes, Bottrop

Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH

nach der Gestaltung von Nele Schütz Design, München

Bildnachweis: akg-images GmbH, Berlin

eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0315-1

www.marixverlag.de/Edition_Erdmann

INHALT

Einleitung des Herausgebers


Erstes KapitelIn Tripolis
Zweites KapitelVon Tripolis nach Rhadames
Drittes KapitelDie Stadt Rhadames und ihre Bewohner
Viertes KapitelMeine Erlebnisse in Rhadames
Fünftes KapitelVon Rhadames nach den Schwarzen Bergen
Sechstes KapitelAnkunft in Fesan
Siebtes KapitelAufenthalt in Mursuk
Achtes KapitelZwischen Fesan und Kauar
Neuntes KapitelKauar und die Tebu
Zehntes KapitelVon Kauar nach Kuka
Elftes KapitelEmpfang und Aufenthalt in Kuka
Zwölftes KapitelDie Hauptstadt Kuka, der Markt und das Reich Bornu
Dreizehntes KapitelReise nach Uandala
Vierzehntes KapitelBeim Sultan von Uandala
Fünfzehntes KapitelWeiterer Aufenthalt in Kuka und Abreise
Sechzehntes KapitelDurch das südwestliche Bornu ins Reich der Pullo
Siebzehntes KapitelIm Reich Bautschi
Achtzehntes KapitelÜber Keffi Abd-es-Senga bis an den Benue
Neunzehntes KapitelAuf dem Benue nach Lokoja
Zwanzigstes KapitelIns Königreich Nyfe (Nupe) und durch die Joruba-Länder an den Golf von Guinea

Worterklärungen

Literaturverzeichnis


EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS

»Der da trinket von den Wassern Afrikas,

der kehret zurück für und für!«

(Arabisches Sprichwort)

»Wie lange ich geschlafen, erinnere ich mich nicht. Als ich erwachte, stand der Scheich der Oase dicht über mich gebeugt vor mir, die rauchende Mündung seiner langen Flinte war noch auf meine Brust gerichtet. Er hatte aber nicht, wie er wohl beabsichtigt hatte, mein Herz getroffen, sondern nur meinen linken Oberarm zerschmettert; im Begriff, mit der Rechten meine Pistole zu ergreifen, hieb nun der Scheich mit seinem Säbel meine rechte Hand auseinander. Von dem Augenblick sank ich auch schon durch das aus dem linken Arm in Strömen entquellende Blut wie tot zusammen … Als ich am folgenden Morgen zu mir kam, fand ich mich allein mit neun Wunden, denn auch noch, als ich schon bewusstlos dalag, mussten die Unmenschen, um mich ihrer Meinung nach vollkommen zu töten, auf mich geschossen und eingehauen haben. Meine sämtlichen Sachen, mit Ausnahme der blutdurchtränkten Kleider, hatten sie weggenommen. Obgleich das Wasser nicht weit von mir entfernt war, konnte ich es nicht erreichen, ich war zu entkräftet, um mich zu erheben, ich versuchte mich hinzurollen, alles vergebens, ich litt entsetzlich vom brennenden Durst.«

Um ein Haar hätte dieser Überfall auf der ersten Reise des Gerhard Rohlfs durch Marokko einem Forscherleben ein Ende gesetzt, noch bevor es richtig begonnen hatte. Doch zum Glück kam es anders. Nach drei Tagen wurde der Halbtote gefunden und in einer elenden Hütte der kleinen Sahara-Oase Hajui soweit wiederhergestellt, dass er die Reise fortsetzen und die Küste des Mittelmeers erreichen konnte. Rohlfs’ Wunsch, seinen nur noch an Haut und Muskeln hängenden linken Arm amputieren zu lassen, wurde ihm von seinem Retter verweigert: »Das kann bei euch Christen Sitte sein, aber wir schneiden nie ein Glied ab, und da du, der Höchste sei gelobt, jetzt rechtgläubig bist, wirst du deinen Arm behalten.« Er behielt ihn tatsächlich, wenn auch etwas verkürzt und zeit seines Lebens mit teilweise steifen Fingern.

Es würde den Rahmen der Einführung bei Weitem sprengen, wollte man das abenteuerliche und ereignisreiche Leben des Afrikaforschers Gerhard Rohlfs hier detailliert schildern. Der an der Person des Entdeckers interessierte Leser sei auf die im Literaturverzeichnis angeführten Werke verwiesen. Wir können hier lediglich versuchen, den Lebensweg einer der größten und berühmtesten, wenn auch nicht immer unumstrittenen Forscherpersönlichkeiten des vorigen Jahrhunderts kurz zu skizzieren.

Gerhard Friedrich Rohlfs wurde am 14. April 1831 in dem kleinen Hafenstädtchen Vegesack bei Bremen als Sohn des dortigen Arztes geboren. In seiner Kindheit und frühen Jugend wie seine sechs Geschwister von Hauslehrern unterrichtet – in Vegesack gab es zur damaligen Zeit noch keine höheren Schulen –, entwickelte der Knabe früh ein unabhängiges, freiheitsliebendes und unternehmungslustiges Wesen, dem jeder Zwang ein Gräuel war. Er war ein eher schlechter Schüler, wie er selbst freimütig bekannte: »So viel ich essen konnte, so faul war ich andererseits in der Schule; nur Geographie, Deutsch und Geschichte habe ich gut gelernt; auch für neuere Sprachen, wie Englisch und Französisch, hatte ich Verständnis; Latein und Griechisch fand ich höchst langweilig, und in der Geometrie habe ich es auch später auf dem Gymnasium nur bis zum Pythagoras gebracht; Algebra blieb mir immer ein Buch mit sieben Siegeln.«

Mit fünfzehn Jahren kam er auf das Gymnasium von Osnabrück, wo ihm der schulische Zwang vollends unerträglich wurde. Er verkaufte seine Uhr, schrieb seinen Eltern in einem Abschiedsbrief, dass er keine Lust mehr zum Studieren habe, und brannte nach Amsterdam durch. Im letzten Augenblick konnte er von seiner Mutter von Bord eines Schiffes geholt werden, auf dem er sich schon als Decksjunge hatte anheuern lassen.

Die nächsten zwei Jahre finden wir Gerhard Rohlfs wieder auf dem Gymnasium, diesmal in Celle. Noch einmal hatten ihn seine Eltern überreden können, seine Schulausbildung fortzusetzen. Im Januar 1849 jedoch verließ er endgültig die Schule und wurde Soldat, zuerst beim Bremer Füsilierbataillon, dann als Unteroffizier beim Schleswig-Holsteinischen Infanteriebataillon. In der Schlacht gegen die Dänen im Jahre 1850 fiel Rohlfs wegen seiner herausragenden Tapferkeit auf und wurde zum Leutnant befördert. Die folgende ruhige Zeit behagte dem unternehmungslustigen Mann jedoch überhaupt nicht. Im März 1851 nahm er seinen Abschied und begann in Heidelberg, später in Würzburg und Göttingen, mit dem Studium der Medizin. Zwei seiner Brüder waren bereits angesehene Ärzte. Der Student Rohlfs schien sich jedoch wieder nicht durch besonderen Fleiß und Erfolg ausgezeichnet, vielmehr ein flottes Leben im Kreis seiner Kommilitonen geführt zu haben. Sein Tatendrang jedenfalls wurde durch die Vorlesungen nicht befriedigt, und Rohlfs fuhr deshalb nach Österreich, um sich abermals in der Armee zu verdingen. Bald wurde ihm auch hier die Routine des täglichen Dienstes zu langweilig. Er desertierte, gelangte auf abenteuerlichen Wegen nach Frankreich und ließ sich in Nîmes von der Fremdenlegion anwerben.

1855 betritt Rohlfs in Algerien zum ersten Mal afrikanischen Boden. Seit dem Jahre 1830 hatte Frankreich begonnen, das nordafrikanische Land zu erobern und zu kolonisieren. Hauptsächlich wurden dafür die Soldaten der 1831 gegründeten Fremdenlegion – ausländische Freiwillige unter französischen Offizieren – eingesetzt, die trotz harter, verlustreicher Kämpfe das Land dreißig Jahre lang nicht vollständig unter ihre Gewalt bekommen konnten.

Wie Rohlfs es fertigbrachte, ohne abgeschlossenes Studium als Arzt und Apotheker, die letzte Zeit sogar als Leiter eines kleinen Feldhospitals in der Legion unterzukommen, entzieht sich unserer Kenntnis. Zweifellos waren es seine Fähigkeiten, sein Draufgängertum, sein Selbstbewusstsein und nicht zuletzt wohl eine gehörige Portion Frechheit, die ihm zu dieser Position verhalfen, in der er ohne Zweifel ein angenehmeres Leben als die gewöhnlichen Fremdenlegionäre führen konnte. In den Schlachten der Jahre 1856 und 1857 gegen die Kabylen, die berberische Bevölkerung Nordostalgeriens, wurde Rohlfs mehrmals mit Tapferkeitsmedaillen ausgezeichnet. Er brachte es bis zum Rang eines Sergeanten, dem höchsten Dienstgrad, den ein Ausländer in der Legion erreichen konnte. 1860 galt Algerien schließlich als mehr oder weniger befriedet, und der »Arzt« wurde ehrenvoll verabschiedet.

Rohlfs selbst hat es zeit seines Lebens vermieden, Aufzeichnungen über seine Erlebnisse während des sechsjährigen Dienstes in der Legion zu machen; nicht einmal im Freundeskreis durfte später dieses Thema angeschnitten werden.

Gerhard Rohlfs war dreißig Jahre alt, als er die Legion verließ. Er wusste nur, dass er in Afrika bleiben wollte. Arabisch hatte er in den Grundzügen gelernt, auch mit den Sitten und der Mentalität der Nordafrikaner war er einigermaßen vertraut. Einem Gerücht folgend, wonach der Sultan von Marokko seine Armee in europäischem Sinne zu modernisieren trachtete, brach Rohlfs von Oran nach Tanger auf, in der Hoffnung, wiederum als Arzt bei den dortigen Streitkräften eine Stellung zu finden. Anfangs wurde er freilich bitter enttäuscht. Der Fremdenhass der von Franzosen wie von Spaniern bedrängten Marokkaner wie auch der religiöse Fanatismus der Bevölkerung dämpften seine anfängliche Begeisterung. Rohlfs beschloss, zumindest äußerlich zum Islam überzutreten, ließ sich den Kopf kahl scheren, kleidete sich marokkanisch und brach mit einem einheimischen Begleiter ins Landesinnere auf. Seine Barschaft betrug ganze fünf englische Pfund, eingenäht in seine Mütze.

Und selbst dieses lächerlichen Betrages konnte er sich nicht lange erfreuen. Eines Tages war sein Reisegefährte samt Mütze, Geld und den übrigen spärlichen Habseligkeiten verschwunden. Rohlfs stand mittellos in einem fremden Land, ohne Besitztümer, außer dem, was er am Körper trug, angewiesen auf die Gastfreundschaft und Barmherzigkeit der Europäern feindselig gesinnten Marokkaner. Mehrmals wurde der »Ungläubige« ernstlich bedroht, weil man ihm nicht abnahm, dass er zum Islam übergetreten war, und nur mit Glück konnte er in solchen Situationen sein Leben retten. Doch Rohlfs gab nicht auf und zog weiter nach Ouezzane, dem Mekka der Marokkaner und Sitz des Großscherifs Sidi el Hadsch Abd es Ssalam. Der gleichaltrige Würdenträger, der schon Frankreich bereist hatte und im Vergleich zu seinen Landsleuten ein hochgebildeter Mann war, empfing den Reisenden mit größtem Wohlwollen, bot dem unerwarteten Besuch Quartier in seinem Palast an, und nach wenigen Tagen waren die beiden enge Freunde. Nur ungern ließ der Großscherif seinen deutschen Gast wieder ziehen. Zum Abschied stattete er ihn mit Maultier und Führer aus und gab ihm ein Empfehlungsschreiben an den Befehlshaber der marokkanischen Streitkräfte mit, mit der Bitte, den fremden Arzt in seinen Sold zu nehmen.

Rohlfs zog weiter nach Fes, der damaligen Hauptstadt des Landes. Und weiter blieb ihm das Glück treu. Der General empfing ihn mit offenen Armen, er wurde dem Sultan und dem Kriegsminister vorgestellt, und schon einen Tag später war der ehemalige Fremdenlegionär Gerhard Rohlfs zum obersten Arzt der gesamten marokkanischen Armee bestellt. Wenn das Salär in Anbetracht der Position auch gering war – es reichte gerade zum Leben –, war er von nun an doch gern gesehener Gast in den vornehmsten Kreisen der maghrebinischen Gesellschaft. Und als der Hof in die Stadt Meknès übersiedelte, wurde ihm überdies gestattet, eine Privatpraxis zu eröffnen. Rohlfs hieß nun Mustafa Nemsi, Tobib ua Dschrahti: Mustafa der Deutsche, Arzt und Wundarzt.

Wenn er seine Patienten auch hauptsächlich mit einheimischen Heilmethoden zu kurieren versuchte, um nicht die Eifersucht der ortsansässigen Ärzte übermäßig anzustacheln – von Brechpulver über Abführmittel bis zu dem im islamischen Raum üblichen Brennen des Körpers mit glühenden Eisenstäben reichten seine Therapien –, hatte er doch ungeheuren Erfolg und auch großen Zuspruch; bald war selbst der Premierminister des Landes bei ihm in Behandlung, und eines Tages erhielt Rohlfs die überraschende Nachricht, dass er zum Leibarzt des Sultans persönlich ernannt worden sei. Vorwiegend hatte er dabei die Haremsdamen zu behandeln, die jung und gesund waren und für die der Besuch des Arztes lediglich eine willkommene Abwechslung in ihrem eintönigen Tagesablauf war.

Und wieder behagten die Ruhe und das geregelte Leben dem tatendurstigen Mann in keiner Weise. Die Langeweile wurde ihm immer unerträglicher. Plötzlich lockten die weißen Flecken auf den Landkarten des afrikanischen Kontinents, die alte Unrast brach wieder hervor, und Rohlfs wollte reisen, forschen und entdecken. Man ließ ihn jedoch nicht ziehen, zu wertvoll war der europäische Arzt für die Spitzen der marokkanischen Regierung geworden.

Die Wende kam in Gestalt des englischen Gesandten in Marokko, Sir Drummond Hay, der am Hof großen Einfluss hatte. Der Sultan erhoffte sich von Großbritannien Hilfe gegen Spanien und Frankreich. Während eines Besuchs des Diplomaten in Meknès gelang es Rohlfs, bis zum Botschafter vorzudringen und ihm seine Pläne darzulegen. Als sich Sir Drummond schließlich für ihn einsetzte, erhielt er endlich die Erlaubnis, nach Belieben und ohne Einschränkungen das Land zu bereisen.

Die Berufung zum Afrikaforscher war Rohlfs nicht in die Wiege gelegt. Im Unterschied zu anderen deutschen Entdeckern seiner Zeit – Heinrich Barth etwa oder Eduard Vogel und Georg Schweinfurth – war Rohlfs kein studierter Gelehrter. Das geistige Rüstzeug eines reisenden Forschers musste er sich selbst in mühevoller Kleinarbeit aneignen.

Rohlfs ging für ein ganzes Jahr zurück zu seinem Freund Sidi el Hadsch Abd es Ssalam, dem Großscherif in Ouezzane, um mit bewundernswertem Eifer und Ehrgeiz seine Kenntnisse der arabischen Sprache und der Sitten, der Lebensart und Religion der Mohammedaner zu vervollständigen. Keinem anderen europäischen Forscher seiner Zeit ist es jemals gelungen, so vollkommen in die Lebensweise und Mentalität der nordafrikanischen Bevölkerung einzudringen und sich ihr in einer Weise anzupassen, dass er schließlich für einen Araber gehalten werden konnte.

Hier nun vollzog sich die Wandlung vom erlebnishungrigen Abenteurer zum ernsthaften Forscher, vom unruhigen Draufgänger und Luftikus zum Entdecker und seriösen Wissenschaftler, wenn auch sein einziges Instrumentarium, als er endlich seine erste Forschungsreise begann, lediglich aus Notizbuch und Bleistift bestand.

Sein Reisebegleiter und Diener war ein spanischer Renegat, welchen Rohlfs angeheuert hatte; zum Transport der wenigen Habseligkeiten kaufte er sich einen Esel. Er zog die Küste entlang südwärts durch Casablanca bis Azzemour, besuchte von hier aus Marrakesch im Landesinneren und wandte sich wieder der Küste zu. In einem Zeltdorf verschwand eines Nachts der Spanier, mit ihm der Esel, das Gepäck und der größte Teil des ersparten Geldes. Rohlfs befand sich in einer ähnlichen Situation wie bei seiner Ankunft im Lande. Und wieder gab er nicht auf, kehrte nicht um, was ein Leichtes gewesen wäre, sondern setzte seinen Weg nach Süden fort. Von Fieberanfällen geschüttelt, gegen welche er keine Medikamente mehr besaß, erreichte er die Hafenstadt Agadir, wandte sich von hier gegen Osten, überstieg die Ausläufer des Atlas und schloss sich einer Karawane nach Taroudant an. Zum Fieber gesellte sich noch eine ruhrartige Darmerkrankung, die ihn wochenlang in diesem Ort festhielt. Mit einer großen Karawane, in der er, um sich seine Mahlzeiten zu verdienen, als Kameltreiber fungieren musste, gelangte er schließlich ins Wadi Draa und von hier zur Oase Tafilalt. Durch eifriges Herumdoktern hatte er sich wieder eine kleine Summe erworben, allerdings den Fehler begangen, dieses Geld dem Scheich der Oase Boanen zu zeigen, dessen Gast er war und mit dem er zehn Tage lang aus der gleichen Schüssel gegessen hatte. Auf der Weiterreise wurde Rohlfs überfallen und beinahe getötet, wie es eingangs geschildert wurde.

Nach längerem Aufenthalt in einem französischen Militärspital traf er in Algier seinen Bruder Hermann, der ihn jedoch nicht überreden konnte, mit ihm in die Heimat zurückzukehren. Eine beispiellose Hartnäckigkeit ist Rohlfs wohl nicht abzusprechen. Jeder andere an seiner Stelle hätte wohl genug von afrikanischen Abenteuern gehabt. Der Kontinent ließ den frischgebackenen Entdeckungsreisenden jedoch nicht mehr los. Die Berichte über die erste Reise seines Bruders in der Tasche, fuhr Dr. Hermann Rohlfs allein zurück nach Deutschland, wo die Tagebücher und Aufzeichnungen, wenn auch noch höchst unvollkommen und wissenschaftlichen Kriterien kaum genügend, in die Hände Petermanns gelangten, der sie in seiner Zeitschrift »Mitteilungen aus Justus Perthes geographischer Anstalt« sofort veröffentlichte.

August Petermann, der große Geograph, Initiator und Förderer zahlreicher Forschungsreisen, dessen Ziel es war, die Erkundung Afrikas voranzutreiben, der stets auf der Suche nach fähigen Männern war und es auch immer wieder verstand, die notwendigen Mittel für die von ihm protegierten Reisenden aufzubringen, erkannte sogleich die Talente des Gerhard Rohlfs.

Inzwischen hatte die französische Regierung eine Prämie von achttausend Franc für denjenigen Reisenden ausgesetzt, dem es gelänge, von Algerien aus auf dem Weg durch die Sahara die legendäre Wüstenstadt Timbuktu zu erreichen, um von dort aus in die zweite Kolonie Frankreichs, den Senegal, zu gelangen. Für den Tatendrang Rohlfs’ war dieses Projekt wie geschaffen. Allerdings galt dieser Preis nur für französische Staatsbürger, und dass Rohlfs sich spontan bereit erklärte, die französische Staatsbürgerschaft anzunehmen, wurde ihm später in der Heimat übel vermerkt. Das Vorhaben der Naturalisierung zerschlug sich jedoch, und hier sprang nun Petermann, den die Idee ebenfalls begeisterte, mit finanzieller Unterstützung ein. Auch sein Bruder Hermann, der eine gut gehende Praxis in Bremen betrieb, stellte eine ansehnliche Summe zur Verfügung.

Im August 1863 brach Rohlfs zu seiner zweiten Forschungsreise auf, diesmal besser ausgerüstet, auch mit den nötigen Instrumenten für wissenschaftliche Beobachtungen. Von Algier aus wollte er über den Sahara-Atlas nach Tuat, wurde aber bald wieder zur Umkehr gezwungen. Im Süden der jungen französischen Kolonie waren neue Unruhen ausgebrochen, die eine Sahara-Durchquerung in gerader Richtung unmöglich machten. Rohlfs ging zurück zur Küste, schiffte sich in Oran nach Tanger ein, wo ihn wieder Sir Drummond Hay mit seinem Einfluss unterstützte, besuchte in Ouezzane nochmals seinen Freund, den Großscherif, und nahm dort seinen Marsch gegen Süden auf. Als erster Europäer überquerte er den Hohen Atlas, ein Wagnis, auf das wegen der räuberischen Bergbewohner selbst die Marokkaner nur in riesengroßen Karawanen eingingen, kam unter unsäglichen Strapazen wieder nach Tafilalt, welches er von seiner ersten Reise her kannte, und zog weiter südlich nach den Oasengruppen von Tuat und Tidikelt. Das Reisen war jetzt erheblich schwieriger, da Rohlfs Messungen vornehmen und seine Beobachtungen regelmäßig notieren musste. Verschiedentlich für einen französischen Spion gehalten, konnte er oft nur mit Mühe die Angriffe gegen seine Person abwehren. Überdies erschwerten Stammesfehden in Südmarokko seine Tätigkeit. Wiederum betätigte er sich häufig als Arzt, dieses Mal nicht um Geld zu verdienen, sondern um den Argwohn der Bevölkerung zu zerstreuen.

Zu In Salah, dem Hauptort der Oasen des Tidikelt, ging sein Geld zur Neige. Rohlfs konnte die Miete für die notwendigen Kamele bis Timbuktu nicht mehr aufbringen, überdies sollte die nächste Karawane in den tiefen Süden erst nach Monaten abgehen; und zu allem Überfluss herrschte Krieg und Hungersnot in der Stadt am Niger. Der ehrgeizige Plan der Sahara-Durchquerung war zumindest vorläufig gescheitert, wenn auch nicht für alle Zeiten aufgegeben.

Rohlfs wandte sich nach Nordosten und erreichte über Rhadames bei Tripolis wieder die Küste des Mittelmeeres. Gerade dieser Teil seiner Reise sollte – zusammen mit seiner Beschreibung der Tidikelt-Oasen – vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet der wertvollste werden, weil Rohlfs auf noch nie von Europäern betretenen Wegen quer durch die Wüste zog und mit seinen Aufnahmen und Beobachtungen einen ganz wesentlichen Beitrag zur präzisen Kartographierung Nordafrikas leistete.

Auf dieser Reise lernte er auch den mächtigen Tuaregfürsten Si-Othman ben Bikri kennen, welcher im vorliegenden Bericht über die dritte Reise noch erwähnt wird und der Rohlfs versprach, ihn bald sicher durch die Große Wüste über das Hoggar-Gebirge nach Timbuktu zu geleiten. Dieses Unternehmen gelangte freilich nie zur Durchführung. Auf seiner folgenden Reise gelang es ihm dennoch, die Sahara zu durchqueren und dabei als erster Forscher bis zum Golf von Guinea an der Atlantikküste vorzustoßen. Überdies konnte er dabei endlich Genaueres über das traurige Schicksal der beiden verschollenen deutschen Entdeckungsreisenden Vogel und Beurmann in Erfahrung bringen, welche wenige Jahre vor ihm den Weg nach Bornu gezogen waren und im Sultanat von Uadai ein gewaltsames Ende gefunden hatten.

Als Rohlfs von seiner großen Reise »Quer durch Afrika« zurückkehrte, hatte er den Durchbruch geschafft. Ihm war der Sprung vom Fremdenlegionär zum angesehenen und gefeierten Afrikaforscher gelungen. Er wurde in Berlin von König Wilhelm, dem späteren deutschen Kaiser, empfangen, er erhielt die goldenen Medaillen der geographischen Gesellschaften von Paris und London und er wurde zum Ehrenmitglied der Berliner Gesellschaft für Erdkunde ernannt. Doch es entsprach seinem Wesen keineswegs, sich auf den errungenen Lorbeeren auszuruhen.

Noch im Jahr seiner Rückkehr begleitete er im Auftrag Fürst Bismarcks als Beobachter ein englisches Expeditionskorps nach Äthiopien und nahm an der Eroberung von Magdala teil. Zurück in der Heimat konnte er sich wieder nur wenige Monate der Niederschrift seiner Reiseerlebnisse widmen.

Von König Wilhelm beauftragt, Geschenke an den Sultan Omar von Bornu zu überbringen, der schon so viele europäische Forscher gastfreundlich an seinem Hof empfangen hatte, war Rohlfs im November 1868 wieder in Tripolis. Die Reise noch einmal zu unternehmen, die er schon drei Jahre vorher gemacht hatte, lockte ihn nicht. Er delegierte den Auftrag an den deutschen Leibarzt des Bei von Tunis, der begierig war, eine Reise ins Innere des Kontinents zu unternehmen, und er gab so den Anstoß zu einer der bedeutendsten Forschungsreisen des Jahrhunderts: Fünf Jahre lang zog Gustav Nachtigal, begleitet von Mohammed dem Gatroner, der schon der Weggefährte von Barth und Rohlfs gewesen war, über Tibesti durch die Sahara zum Tschadsee, durch Bagirmi, Wadai und Darfur zum Nil.

Rohlfs selbst zog es vor, durch die Libysche Wüste zu ziehen. Über Bengasi und Audschila gelangte er bis Siwa, der legendären Oase des Jupiter Ammon. Wiederum kehrte er mit reichen wissenschaftlichen Ergebnissen zurück. Gerhard Rohlfs war zu seiner Zeit weltbekannt. Seine Bücher und zahllosen Vorträge verschafften ihm eine sehr große Popularität, nicht nur in Europa, sondern auch in Übersee. Ein halbes Jahr allein zog er durch Amerika, dort fast jeden Abend vor riesigen Auditorien über seine Erlebnisse und Forschungen berichtend.

Während einer Vortragsreise durch Russland lernte er in Riga eine Nichte des Afrikareisenden Georg Schweinfurth kennen und heiratete sie nach nur dreiwöchiger Bekanntschaft. Rohlfs ließ sich in Weimar nieder, seine Einkünfte sicherten ihm ein sorgloses und von materiellen Problemen unbeschwertes Leben. Zu seinem Freundeskreis zählten unter vielen anderen Persönlichkeiten der Großherzog von Mecklenburg, Walter von Goethe, der Dichter Bodenstedt, Schliemann, der Entdecker Trojas, und der Komponist Franz Liszt. Kaiser Wilhelm I. verlieh ihm den Hofratstitel, die Universität Jena ein Ehrendoktorat.


Gerhard Rohlfs’ Reisen

Doch Rohlfs kam noch immer nicht zur Ruhe. Von Ägypten aus, unterstützt mit viertausend Pfund des Khediven, zog er im Winter 1873/74 abermals auf noch nie betretenen Wegen westwärts in die Libysche Wüste. Allein einen Monat lang zog die bestens ausgerüstete Karawane durch vollkommen wasserloses Gebiet – fünfhundert eiserne Kanister zu je fünfzig Litern hatte Rohlfs anfertigen lassen. Das Buch »Drei Monate in der Libyschen Wüste« ist das Ergebnis dieser Reise. Die Behauptung, dass die geographische Erforschung und die Kartographie dieser Landstriche fast ausschließlich von Rohlfs bewerkstelligt wurden, ist sicher keine Übertreibung.

Eine weitere aufwendig und perfekt ausgerüstete Expedition, die, wenn sie auch das ursprünglich gesteckte Ziel nicht erreichen konnte, so doch für die wissenschaftliche Beschreibung Afrikas von eminenter Bedeutung war, wurde im Dezember 1878 zusammengestellt. Die Wasserscheide des Kongo-Schari- und Benue-Gebietes sollte im Auftrag der kurz zuvor gegründeten »Deutschen Afrikanischen Gesellschaft« erkundet werden. Mit vier Begleitern, darunter der Zoologe Dr. Strecker, brach Rohlfs von Tripolis über Sockna und Audschila nach dem Süden auf. Unter ständiger Lebensgefahr – die Senussi, ein fanatischer Moslemorden, hatten das Gebiet in ihre Gewalt gebracht – erreichten sie als erste Europäer die Kufra-Oasen. Hier allerdings endete die Reise. Zuerst Erpressungen, dann Bedrohungen und schließlich einem Überfall ausgesetzt, bei dem sie ihre ganze Habe verloren und nur durch Flucht in letzter Minute im Schutz der Nacht ihr Leben retten konnten, kehrten sie wie durch ein Wunder wohlauf in die Heimat zurück.

Der Bericht und die wissenschaftliche Beschreibung der Kufra-Oasen jedoch war ein weiteres Ruhmesblatt im Leben des Gerhard Rohlfs. Auf dieser fast einjährigen Reise war er, wie sein Biograph Konrad Guenther erzählt, um Jahre gealtert.

Kein glückliches Geschick war dem kleinen, von Rohlfs auf seiner großen Reise durch Afrika aus der Sklaverei befreiten und mit nach Deutschland gebrachten Negerknaben Noël beschieden. König Wilhelm und seine Frau Augusta kümmerten sich in Berlin persönlich um die Erziehung des Jungen. Er wurde auf die Realschule geschickt, wo seine Erfolge allerdings höchst mäßig waren, er selbst jedoch zum verwöhnten Mittelpunkt der besseren Gesellschaft wurde. Er begann an Wahnvorstellungen zu leiden, hielt sich für einen afrikanischen Prinzen und legte mit der Zeit ein immer unerträglicheres Benehmen an den Tag. Als er sich auch noch ein Lungenleiden zuzog, wurde er als Schreiber an das deutsche Generalkonsulat nach Ägypten geschickt, war dieser Aufgabe jedoch ebenfalls nicht gewachsen. Nach einem kurzen Zwischenspiel als Soldat in einem Freiwilligenregiment in Kairo wollte ihn Rohlfs noch einmal mit auf eine Reise nehmen – es war die Kufra-Expedition 1878 – und traf mit Noël in Malta zusammen. Doch die geistige Umnachtung des jungen Mannes war weiter fortgeschritten und hatte sich zum Wahnsinn gesteigert. Er wurde nach Italien gebracht, wo er noch etwa vierzig Jahre bis zu seinem Tod in der Irrenanstalt von Ancona verbrachte.

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488 str. 64 ilustracje
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9783843803151
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