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Czytaj książkę: «Chloes Geschichte», strona 5

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Sechstes Kapitel

An diesem Abend verlor die Herzogin Susanne im Pharao achthundert Pfund aus Verzweiflung darüber, daß sie zwanzig verloren hatte. Erst veranlaßte Caseldy sie, weiter zu spielen: bei achthundert hieß er sie Schluß machen. Er begleitete sie, als sie an der Tür des Spielsaales von zwei jungen Leuten der Art Shipsters angesprochen wurde. Sie hatten getrunken und waren unternehmend. Drückten über ihren Spielverlust ihr Beileid aus mit starken Gesten und Redensarten, womit sie in grotesker Karikatur höfliche vom Kontinent importierte Manieren nachahmten. Gefielen sich darin, immer wieder und in süßesten Tönen ihren Taufnamen und all dessen populäre Varianten auszusprechen, ohne den Übernamen zu vergessen.

»Meine reizende Ochsenschlepp, meine scharmante, entzückende Ochsenschlepp!« Die soeben gemachte Erfahrung über die Zirkulation des Geldes machte sie gleichweise blöde und aufgeregt.

»Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen,« sagte sie.

»Aber ja!« riefen die zweie und schlugen sich aus die Brust, als ob die eine Laute wäre, auf der sie spielten, »aber natürlich weiß sie es l Und wie gut sie es weiß! Die schöne Susi weiß was wir wollen!«

Und begleiteten das mit süß affektierten Ohs! und Ahs! Offenkundige Verhöhnung der fremden Bräuche, die zu imitieren ihnen Spaß machte. Lümmel bedienen sich gern solcher Verfahren, um sich damit zu trösten.

Caseldy war etwas zurückgeblieben. Nun trat er hinzu und mit einer kleinen Verbeugung:

»Wollen die Herren mir sagen, was sie wünschen?«

Er sprach mit einem Ton, in dem der Degen klang. Die beiden Herren kühlten ab. Caseldy führte die Herzogin zu Beamish, der in diesem Augenblick mit Chloe eintrat. Daraufhin zogen sich die beiden gefälschten Elegants zurück, wohl um ihrem tapferen Blute neue Kräfte zuzuführen.

Der Beau ersah, daß sich Caseldy einiges Recht auf seine Erkenntlichkeit erworben hatte.

»Sie hat verloren?« fragte er. Und schien zufrieden, als er die Höhe der verlorenen Summe erfuhr. Er beauftragte Caseldy, die beiden Damen bis zu ihrem Hause zu bringen. »Adieu, Graf,« sagte er, als er sich verabschiedete.

»Wenn Sie einmal zwei drei Scharmützel gehabt haben werden, werden Sie darauf kommen, daß mein seltsamer Grafentitel seine Vorteile hat,« bekam der Beau zur Antwort.

»Vermeiden Sie die Scharmützel, wenn auch ich wohl begreife, daß das Prestige Ihres Titels unsere Krautjunker mit einer heilsamen Unruhe erfüllen kann. Sie sind sicher alle bereit, Sie mit Faustschlägen zu traktieren, aber an der kalten und perfiden Waffe finden sie keinen Geschmack.«

Der Beau verabschiedete die Herzogin mit einem hoheitsvollen Gruß. Sie nahm die Hand Caseldys, um in die Sänfte zu steigen. Er packte die Gelegenheit und sagte:

»Wir wollen die Wahrsagerin fragen, wann wir einen guten Tag haben, und Revanche nehmen.«

»Sprechen Sie mir nicht mehr vom Spiel! Meine Börse ist fast leer. Ich war nie an einem Ort, wo man so schlecht ist wie hier. Ich fühle, daß ich in einen Abgrund gestürzt bin. Und dieser Herr Beamish, der mich von oben herunter grüßt I Sie lassen Chloe warten, Graf.«

»Wo war sie, während wir spielten?«

»Mit Herrn Beamish natürlich.«

Er tat einen schmerzlichen Seufzer.

»Unsere arme Freundin ist untröstlich über ihren Geldverlust«, sagte er zu Chloe, als er sich zu ihr wandte. »Soll sie ein Stück weinen. Und dann servieren Sie ihr einige moralische Maximen.« »Das soll geschehn. – Lieben Sie mich, Caseldy?«

»Ob ich Sie liebe? Zweifeln Sie an mir, der ich ganz Ihnen gehöre? Was wünschen Sie für einen Beweis?«

»Keinen, lieber Freund.«

Das ist eine Frau, die sich leicht imponieren läßt, nicht wahr?

Ein leichter Erfolg beruhigt gewissen Herzen die Gewissensbisse einer perfiden Handlung. Sieht der Verräter das süße Vertrauen, das er einflößt, so beginnt er wieder, wenigstens für ephemere Rückkehr, die Reize der schönen Seele zu betrachten, die zu verlassen er im Begriffe ist. Aber es gibt auch wohlgepanzerte Kavaliere, die gegenteilig mit jetzt um so lebhafterem Eifer die Vorteile des Verrates berechnen. Man bemerke auch noch, daß ihre Gefühle hinsichtlich ihrer Beute voll Wärme sind, und das Urteil, das sie über ihr Opfer fällen, verspürt diese Wärme. Sind sie nicht Gegenstand irgendeines Verdachtes? Es ist eine Probe auf ihre Kaltblütigkeit, von der beleidigt, skandalisiert zu sein ihnen gefiele. Die Eifersucht vermag sie zurückzuhalten, und es passiert, daß Kniffe und Neckereien sie reizen, neue Gelöbnisse auszusprechen. Aber auch die Gleichgültigkeit hat mehr Macht über sie, als irgend dummes blindes Vertrauen. Deren auferlegte Last verachten sie. Der Anblick des von Blindheit geschlagenen Geschöpfes ist geradesoviel rührend, daß sie die Last spüren. Sie verachten die Frau deswegen und verzeihen ihr nicht die ungeheure Anmaßung, in der sie sich befindet, indem sie sie ewig an ein so schwaches Wesen wie das ihre gebunden glauben. Sie schreitet vorwärts geschlossenen Auges, ohne darauf gefaßt zu sein, zu straucheln. Ist es meine Schuld, wenn sie strauchelt? Dies ist die Frage, welche der beleidigte Mann sich im Laufe seines Räsonnements stellt.

Die Vorzüge seines Opfers kommen wieder in seine Erinnerung, aber erregen höchstens sein Mitgefühl. Und sein Mitgefühl erstarrt bei dem Gedanken, dieses selbe Opfer könne sich vielleicht über seinen Weg legen und ihn verstellen.

Sein Gedanke wendet sich dann auf den Gegenstand seines Verlangens, in der Angst ihn zu verlieren. Und sobald eine Frau ein Hindernis ist, erscheint die andere ebenso begehrenswert wie das Leben nach dem Tode. Er muß sie haben. Er sieht diese in den Farben seines Begehrens, jene in den Farben seines Widerwillens. Die Grausamkeit ist nichts als die Anstrengung des Menschen, einen begehrten Gegenstand zu erringen.

Die verblendete Frau täte besser, sich nicht als eine vermuten zu lassen, die aufsteht und den Weg verstellt. Besser wäre es und in ihrem eigenen Interesse, sie ginge aus dem Wege oder erklärte ihm, den Kampf um ihn aufzunehmen. Aber eine stolze und durch eine lange Treue erhärtete Liebe kann sich nicht immer klug bei der Probe zeigen.

Caseldy schritt langsam hinter den beiden Sänften her. Er sah von weitem, was kommen würde. Die beiden jungen Leute hatten sich am Haustor der Herzogin aufgepflanzt, und er bekam einen Schlag, als er der Herzogin die Passage frei machen wollte.

Sie griff lebhaft seine Hand.

»Sind Sie verwundet?«

»Wenn Sie an diesem Abend an mich denken, sagen Sie sich, daß ich Ihnen danke. Ihnen und dem Himmel, für den Schlag, den ich bekommen habe.« Und mit einem Druck der Hand beleuchtete er den flüchtigen Augenblick und umarmte er die kommenden Stunden.

Chloe war gestützt von einem der Träger aus ihrer Sänfte gesprungen. Ihr gestreckter Finger wies auf einen der störenden Eindringlinge und sie rief: .Es ist Blut an Ihnen, kommen Sie mir nicht zu nah!« Das sublimste Zureden wäre nicht so geschickt gewesen in seiner Wirkung auf den Verstand der beiden, die im blassen Mondlicht nun einer den andern anschauten. Auf welchem war Blut? Begegnungen mit blutigem Anhang, das war nicht ihre Absicht gewesen, bloß so einen Spaß wie sie ihn verstanden und um sich andern Tags darüber erzählend klatschend auf den Schenkel zu schlagen. Sie gefielen sich darin, zu gestikulieren wie man es in der ersten Tanzstunde lernt, um die galanten Kavaliere zu markieren, und waren aus ihrem Weg geschleudert worden, als sich Caseldy seiner Herrin zur Verfügung stellte.

»Tun Sie, als sähen Sie sie nicht, Lieber.« sagte Chloe.

»Was denn?«

Er hatte die Stimme ganz rauh und packte ihren Arm mit einer brüsken Lebhaftigkeit. Sie fühlte sich schwach werden wie beim Nahen des Todes.

Oben umarmte und küßte die Herzogin Chloe mit starker Geste. Beide zitterten sie, was die Herzogin auf die Rechnung dieser beiden schlimmen Männer stellte.

»Warum hatten sie es nur auf mich abgesehen?«

Und Chloe antwortete:

»Weil Sie schön sind.«

»Bin ich?«

»Ja, Sie sind schön.« »Ich bin schön!«

»Sie sind sehr schön. Sie sind jung und schön. Ihre Schönheit ist im Erblühen. Sie werden es lernen, so zwei Männer zu entschuldigen. Madame.«

»Trotzdem. Chloe …«

Die Herzogin unterbrach sich mit schwärmerischer Träumerei und seufzte. Dann:

»Ich denke schon, daß ich schön sein muß. Mein Herzog, – aber sprechen wir nicht von ihm. Der liebe Mensch! Er ist zu Bett, schläft schon lang. Ich frage mich, wie er mich hat hierher lassen können. Ich ahne ja, daß ich ihn gequält und gelangweilt habe. Bin ich sehr schön, Chloe, so schön, daß die Männer meiner Schönheit nicht widerstehen können?«

»Sie sind sehr schön, Madame.«

»Also gute Nacht dann. Ich sehne mich nach dem Bett, und ich kann Ihnen keinen Kuß geben, weil Sie dabei bleiben, Madame zu mir zu sagen. Das friert mich wie ein Eiszapfen. Aber ich hab Sie lieb, Chloe.«

»Ich bin überzeugt.«

»Ich weiß ganz genau, ich hab Sie lieb. Ich weiß, ich hab nie die Absicht, schlecht zu handeln. Aber dann, was tun? Wie sollen wir uns denn benehmen, wir andern Frauen? O, ich bin unglücklich! Nein, wie bin ich unglücklich!«

»Sie müßten dem Spiel entsagen.«

»Ja, das ist es! Ich habe mein Geld verloren, ganz vergessen hab ich das. Und ich muß es meinem Herzog beichten, wo er mich doch gewarnt hat. Die alten Herren heben so ihren Finger in die Höh, einen einzigen Finger, und nie vergißt man den oben eingebogenen Finger, sieht aus wie der Henkel von einem Krug, und er kann sich nicht auf einen richten, während man die Lektion gelesen bekommt. Und die Haut am Finger sieht aus wie ein zu weiter Mantel, den man einem guten Alten über die Schultern gelegt hat; oder wenn man in den Fingerwinkel schaut wie eine zerknitterte Decke über einem Toten, die nur das Gesicht sehen läßt. Ja, Chloe, ganz genau so sieht es aus. Heut abend hab ich nicht die geringste Abneigung, von Toten zu sprechen. Ich habe mein Geld verloren, und liegt mir wenig genug daran. Ich bin wieder ein ungebildetes junges Mädchen, schöner noch als damals, wo dieser … er ist ein alter Edelmann, gut und freundlich. Ich mag ihn sehr mit seinem komischen alten Finger und seinem Susann! Susann! Ich bin nicht schlechter als die andern. Alle Welt spielt hier, alle Welt. Sie haben auch gespielt, Chloe.«

»Niemals.«

»Ich hab Sie sagen hören, daß Sie nur einmal, nur ein einziges Mal gespielt hätten und mit dem allergrößten Einsatz, der je gemacht wurde.«

»Das war nicht Geld.«

»Was denn?«

»Mein Leben.«

»Himmlische Güte! Ja, ich verstehe. Ich verstehe alles, diesen Abend, auch die zwei Männer. Das also haben Sie getan, Chloe? Schließlich sind sie nicht so abscheulich schlecht, alles in allem. Ich kann nicht sehen, was es Schlechtes in der menschlichen Natur geben soll, ich meine natürlich, wenn wir mit Maß … Sich von Zeit zu Zeit einen Bal champêtre erlauben, ein bißchen Jeux – und dann schön heimgehen, ins Bett liegen, träumen: ich muß zugeben, daß ich darin nichts Schlimmes sehe … Und deshalb ists wohl auch, daß Sie hier geblieben sind, Chloe, in den Wells. Gefällt es Ihnen da?«

»Ich bin schon daran gewöhnt.«

»Aber wenn Sie den Grafen Caseldy geheiratet haben, dann gehen Sie doch wo anders hin?«

»Dann ja.«

Sie sprach diese Worte ohne irgend Freude aus. Die Herzogin Susanne darauf mit einem Akzent stärkster Zuneigung:

»Sie sind nicht gezwungen, ihn zu heiraten, liebste Chloe.«

»Und auch er ist nicht gezwungen, mich zu heiraten, Madame.«

Ganz impulsiv eilte die Herzogin auf sie zu, um sie zu küssen: daß sie sich ohne Hilfe deshabilieren wolle, sagte sie, da sie allein sein wollte.

Von diesem Abend ab stand die Herzogin Susanne in Flammen.


Siebentes Kapitel

Die beiden Helden, die als die letzten an der Verschwörung gegen die Herzogin teilgenommen hatten, waren verschwunden. Beau Beamish gewann eine hohe Meinung von den Diensten, die Caseldy ihm erweisen konnte. Jene zwei blieben verschwunden, auch sprechen hörte man nicht von ihnen. Statt jeder Reflexion über diesen Gegenstand bemerkte Caseldy, daß er das beste Mittel angewandt habe, solche Sorte Herren zu expedieren. Hatte auch Ihr Geist den Ort verlassen, wie Ihr Leibliches? Man wußte nichts darüber.

Was die Herzogin betraf, so beschäftigte sie sich damit, unter dem Schutze Caseldys Promenaden zu machen, während der Beau die Tage bis zu ihrer Abreise zählte mit der Ungeduld eines Mannes, der Gründe hat, auf die Uhr zu schauen.

Die Herzogin Susanne war jetzt in der Tat nicht mehr trätabel. Sie hatte Anfälle von Revolte und erklärte geradezu, sie habe für die kurze Zeit, die ihr noch für Wells bleibe, die Absicht, ganz nach ihrem eigenen Kopfe zu leben, hinzugehen wo es ihr singe, zu spielen, wenn es ihr gefiele und überhaupt wie eine unabhängige Frau zu leben, bevor sie wieder in ein Schloß gesperrt werde, das nichts weiter sei als eine Sänfte von großer Ausdehnung.

Caseldy erklärte sich ebenso unfähig wie der Beau. Er beschrieb auf sehr belustigende Weise die undankbare Aufgabe, beständig hinter Ihro Durchlaucht Absätzen herzulaufen in allen Windrichtungen; er äußerte den Gedanken, daß sie das Land wohl deshalb ablaufe, um ihren »unbekannten Kavalier« zu finden. Sie habe, sagte er, einige Anspielungen auf so einen Kavalier gemacht, der ihrem Reisewagen einen halben Tag lang gefolgt sei. Er klagte, daß er nie eine Stunde allein mit seiner Chloe verbringen könne. »Und ich, der ich mit ihr zu konferieren gewohnt bin, ich sehe sie wieder zu wenig,« sagte Beamish. »Bald werde Ich sie überhaupt nicht mehr sehen und schon merke ich, daß ich sie verliere.«

Er trug seinen Fall der Herzogin Susanne vor, machte sie darauf aufmerksam, daß sie immer gerade fortgefahren wäre, wenn er käme, daß sie ihm Chloe entführe, wenn er, von seinen Beschäftigungen zurückgehalten, sie nicht begleiten könne, und daß er außerordentlich die allzuhäufige Abwesenheit jener empfinde, die er bald völlig verlieren würde.

Die Herzogin gab ihm darauf rätselhafte Antworten.

»Sie können das alles sehr gut einrichten, Herr Beamish, wenn Sie wollen, und Sie wissen das genau. Natürlich können Sie alles einrichten. Aber Sie lieben es, herumzuflirten. Ganz glücklich sind Sie, wenn Sie die Damen ihre schönen Farben verlieren machen, und haben es gern, sie um Ihre Person festzuhalten und zu sehen, wie sie für Sie verblühen. Ich danke schön. Ich bin zu stolz dafür. Ich hab, wenn es sein muß, meinen Kummer, aber nie würde ich mich so erniedrigen, grünlich und melancholisch zu werden aus Liebe zu einem Mann.«

Und sie reckte sich, schaute sich im Spiegel, der ihr nicht eine Linie bleicher Farbe zurückwarf.

Nach einigem Überlegen hielt es Herr Beamish für geraten, offen mit Caseldy von der Herzogin zu sprechen, aus Angst, sie könnte aus Laune den Sinn dieses Liebhabers verwirren.

»Seien Sie, was mich betrifft, außer Sorge, lieber Beamish,« sagte Caseldy, »ich glaube die Insinuationen Ihrer zärtlichen Durchlaucht etwas anders und ebenso richtig auslegen zu können. Was mich betrifft, ziehe ich blassen Teint dem lebhaften vor, und ich verbürge die Treue Chloes auf das, was ich kostbarstes besitze. Was Schlimmes immer ich die wahnsinnige Grausamkeit, oder besser gesagt das Mißgeschick hatte, dieser Frau mit dem himmlischen Herzen zuzufügen im Verlaufe unseres Daseins, kein Mensch wird je sagen können, daß ich auch nur für einen Augenblick die Gemeinheit beging, ihre Reinheit und Beständigkeit zu bezweifeln. Ich füge bei, daß es mir genügte, mich Ihrer Ehre zu überantworten.«

Der Beau verbeugte sich.

»Sie lassen mir damit nur Gerechtigkeit widerfahren. Und Ihre Deutung?«

»Ihre Durchlaucht hat damit angefangen. Angst vor Ihnen zu haben.«

Beamish riß die Augen auf bei diesen Worten.

»Sie bildet sich nun ein, daß Sie sie vernachlässigen. Und vielleicht unterhält sie diesen echt weiblichen Verdacht, daß Sie mit dieser Vernachlässigung die Absicht haben, sie auf die Probe zu stellen.«

Der Beau zählte mit Feuer seine vielfachen Beschäftigungen auf.

»Wie soll ichs denn anstellen, ihr in jedem Augenblick den Hof zu machen? Und abscheulich wäre das!« Er streichelte zärtlich seine Ärmelspitzen. »Und doch, käme es zum Kampf, so könnte ich, im Interesse meines alten Freundes, ihres Herrn, den zu schätzen ich Gründe habe, könnte ich, sage ich, einen Einfluß dazwischenstellen, der die Ausübung meiner Autorität sehr angenehm machte. Sie hat ein, zweimal den Oberst Poltermore so gewiß angesehn und umgekehrt. Diese Frau ist eine Junirose, mein Herr Caseldy, und ich verzeihe es der ganzen Welt, sie anzusehen, ja sogar anzuseufzen. Aber ich habe nichts Ernsthaftes gesehen.«

»Der Oberst ist morgen beim Ausflug zum Signal dabei,« sagte Caseldy. »Sie selber hat darauf bestanden, und ich gewinne dabei eine Stunde Urlaub.«

»Tun Sie mir den Gefallen, gehen Sie mit und erzählen Sie mir dann, was los war,« sagte der Beau.

Auf solche Weise drängte er Caseldy dazu, ihm Märchen zu erzählen und brachte sich selber instand, diese gläubig zu schlucken. Da war der Oberst da, der Oberst dort, und Poltermore und nochmals Poltermore. – derart, daß Herr Beamish damit endete, den ermüdenden Bourdon Camwells nicht mehr hören zu können mit seinem einzigen Thema: Caseldys Doppelspiel. Er trat mit seiner Meinung über den jungen Mann auf Chloes Seite und bezeigte ihm von da ab fast dieselbe Kälte wie sie. Nach kurzer Zeit war er soweit, höchst verschlagen zu schließen, daß jener fremde Kavalier niemand anderes gewesen sein konnte als eben der Oberst Poltermore. Caseldy hatte ihm das mit Andeutungen suggeriert, und dem sagte er nun: »Ich habe ihn schon entdeckt,« woran er diese Betrachtung schloß, die völlige Zufriedenheit mit sich selber verriet:

»Mit all dem, was Sie im Ausland gelernt haben, lieber Freund, erlauben Sie mir Ihnen zu sagen, daß wir andern Engländer nicht so arg weit hinter Ihnen zurück sind in der Kunst, im Dunklen den Knoten einer Intrige zu lösen.«

Worauf Caseldy antwortete, Herr Beamish hätte wirklich wenig von der Gesellschaft auf dem Kontinent zu lernen.

Der arme Oberst Poltermore, wie man ihn bald nannte, war sichtlich das Opfer von der Herzogin plötzlichen Gunstbezeugungen. Die Umwandlung eines steifen und korrekten Offiziers in einen graziösen kleinen Puck, eifrigen Boten und fröhlichen Pagen konnte nicht unbemerkt bleiben. Die Nachgiebigkeit der Herzogin, ihn auszuzeichnen, zögerte nicht, auf diesen Unglücklichen eine erste Wirkung hervorzurufen. Er versicherte überall, daß, was das Savoir-vivre betreffe, die Herzogin die gerechtfertigsten Ansprüche erheben könne. Und dieses Savoir-vivre besäße sie instinktiv und sie sei, wollte man dem Oberst glauben, große Dame von Natur aus. Solches müsse die Gesellschaft, in der er verkehre, doch erkennen, nämlich den großen Unterschied, der zu machen sei zwischen dieser Herzogin und irgendeiner in den Hochadel geheirateten Bürgersfrau, die immer vulgär bleibe, was jene niemals sei. Aber die Gesellschaft setzte doch einige Zweifel in die vollendete Einfachheit einer jungen Frau, welche die Männer in einer Weise verwandle, daß einer der berühmten Eroberer des Tages ihr demutsvoller und unsicherer Diener werde. Denn auf dieses Niveau war der Oberst durch einen rapiden Sturz gefallen. War er nicht an ihrer Seite, so durchlief er entschlossenen Schrittes suchend und eilig Säle, Alleen, Boskets, bis er sie gefunden und sich an ihre Kleiderfalten geheftet hatte. Merkwürdigerweise war Gegenstand seiner Eifersucht der treue Alonzo! Der Beau hatte was zu lachen, als er das erfuhr.

Inzwischen bewiesen die Erregtheit der Herzogin und ihre leichtsinnigen Gesten nur zu gut Poltermores Erfolg. Da mußte ohne Verzug vorgegangen werden.

Man sprach von dem lebhaft ausgedrückten Wunsch der Herzogin, einen berühmten Wahrsager zu besuchen, der landeinwärts in einer Einsiedelei hauste. Der Beau legte sein Veto dagegen ein. Sie hatte sich seit einiger Zeit darin folgsam gezeigt, daß sie nicht mehr spielte, so erwartete er als bestimmt, daß sie sein Verbot respektierte. Jener Wahrsager war übrigens ein Schwindler, eine Art Astrolog, und gut bekannt durch gewisse Prophezeihungen, die er gewissen Frauen mit sensiblem Herzen machte. Diese verlangten nichts lebhafter, als daß der Lauf der Planeten durch den Zodiakus ihnen ungewöhnliche Aufschlüsse gebe und sie sündigen lasse nach dem Beispiele der himmlischen Konjunktionen. Solches fand der Beau so gottlos wie ungeregelt, und er trug seine solide fundierten Gründe vor, diesen Wahrsager nicht zu besuchen. Trotzdem gab die Herzogin ihrem Verlangen nach. Zu früher Stunde begab sie sich im Wagen dahin, begleitet von Chloe, dem Oberst und Caseldy. Nachher frühstückten sie in einer Schenke, wo man, gabs Gelegenheit, den seinen Herrschaften Fuhrmannsessen vorsetzte, was man apart fand. Man war in Wells zurück, als die Stadt erwachte.

Zu ihrer großen Überraschung kam Herr Beamish inmitten einer Menge Bekannter auf sie zu und fragte sie, ob sie Grund hätten, mit ihrem Schicksal zufrieden zu sein, und zeigte sich außerdem wohlvertraut mit eines jeden privatem Orakel.

»Ihnen, Oberst Poltermore, folgt das Glück bis zur zehnten Etappe, dann wirft Ihr Wagen um und Sie bleiben gelähmt Ihr Leben lang.«

Der Wahrsager hatte dem Oberst viel besseres prophezeit, der lustig sagte: »Ich bin nicht so schlecht wie Sie im Hause sagen.«

»Und Sie, Graf Caseldy, das Glück wird zu Ihrem Befehl sein, nachdem Sie einen Mord begangen haben. Und Ihre einzige Strafe dafür wird sein, daß Sie jeden Abend den Besuch des Kadavers zu erdulden haben.«

»Als Gespenst,« sagte Caseldy mit einem Lächeln auf den Lippen.

Was Chloe betreffe, so hätte sie nicht gewollt, daß man ihr die Zukunft sage, da sie sie bereits kenne.

Der Beau gab ihr einen väterlichen Blick und wandte seine Augen auf die Herzogin:

»Sie, Madame, Sie haben das Urteil bekommen, daß die Devise Liebe, Alles um Liebe Sie zu Fall bringt, so wie sie Sie erhöht hat, und dem Raben ausliefert, was Rechtens dem königlichen Adler zukommt. Ists so?«

»Niemals! Ich glaube nicht an solche Geschichten!« rief die Herzogin, das Gesicht ganz im Feuer.

»Sie leugnen, Madame?«

»Ja, ich leugne. Ich schwöre, es war nicht von Adler noch Rabe die Rede.«

»Sie leugnen, daß von ›Alles um Liebe‹ die Rede war, Madame?«

»Albernheiten solcher Zauberer,« tat sie wegwerfend. »Als ob ich achtgegeben hätte auf den Unsinn!«

»Wagt es die Herzogin von Ochsenschlepp, mir ein Dementi zu geben?«

»Ich heiße nicht so, wie Sie gut wissen,« begehrte sie auf.

»Was ist das?« pfiff der Beau und seine Rede wurde anmaßend. »Was tragen Sie denn da für ein Gewebe?« Und er legte die Hand auf ein Spitzentuch, das sie über ihrem Morgenkleid geschlagen trug, riß es in Fetzen und schwenkte ein Stück davon: und während die Herzogin den Atem verlor und bebte über diese Beleidigung, die ihr die Sympathien aller Damen ebenso eintrug wie sie aus jedem der Herren einen Schützer machte, warf der Beau die Spitze auf den Boden, stellte den Fuß darauf und ließ seine starke Stimme über den allgemeinen Tumult tönen:

»Hören Sie mich an! Es ist ein Verbrechen! Sie trägt das vom Steifen vergilbte Zeug der Betty Worcester als antike Spitze! Alle, die es tragen, mögen derlei von ihren Kleidern entfernen, bevor die Stadt proklamiert, das wir entehrt sind. Ich erkläre Ihnen, daß Betty Worcester gestern in Tyburn wegen Mordes gehenkt worden ist.«

Einige Damen schrien auf.

Die Ansammlung um den Beau zerschmolz alsbald, und er stand allein mitten im Saal, einem Fahnenschafte gleich, um den sich Banner entfalteten. Es war ein Pêle-Mêle von Roben, die sich beeilten, bewegten, rauschten: man konnte an Blätter im Herbst denken, die ein Novemberwind aufwirbelt.

Die Damen waren verschwunden, um sich von den imitierten Spitzen zu befreien, die sie in irgendeiner Weise verbunden zeigten mit dieser blutdürstigen Elisabeth Worcester, gestern ihre Wohltäterin, heute gehenkt und am Galgen baumelnd. Und die keine solchen Spitzen trugen diesen Morgen, nahmen es dem Beau übel, daß er nur auf die andern die allgemeine Aufmerksamkeit gezogen hatte.

Die Herren waren etwas verblüfft über des Beau kühne Machtschau. Zwei von ihnen empfanden die Brutalität gegen die Herzogin besonders stark. Sie begleiteten sie, ebenso wie Chloe.

»Das ist eine Frau, die nichts verliert, wenn sie mich fürchtet,« sagte der Beau zu sich.

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Data wydania na Litres:
06 grudnia 2019
Objętość:
107 str. 12 ilustracje
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