Czytaj książkę: «Unschuldig angeklagt und verurteilt»

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George Kardinal Pell

Unschuldig angeklagt und verurteilt

Das Gefängnistagebuch

Band I

Der Kardinal legt Berufung ein

27. Februar bis 13. Juli 2019

Vorwort von George Weigel


Bibliografische Information: Deutsche Nationalbibliothek.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Originaltitel der amerikanischen Ausgabe:

PRISON JOURNAL

Volume 1

The Cardinal Makes His Appeal

27 February – 13 July 2019

© 2020 by Ignatius Press, San Francisco

Die Zitate aus dem Brevier von George Kardinal Pell stammen aus:

The Divine Office, 3 Bände, E. J. Dwyer, Sydney 1974. In deutscher Sprache: Die Feier des Stundengebetes, Lektionar für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes, Hefte I/1 bis I/8, Hrsg. Bischofskonferenzen, 1978–2017.

Die Bibelzitate stammen aus der revidierten Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart 2016.

UNSCHULDIG ANGEKLAGT UND VERURTEILT

Band I

Das Gefängnistagebuch

Übersetzung: Dr. Gabriele Stein, Sr. Cornelia M. Knollmeyer

© Media Maria Verlag, Illertissen 2021

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-9479312-5-5

eISBN 978-3-9479318-0-4

www.media-maria.de

INHALT

Einleitung von George Weigel

Zeittafel

1. Woche: In Untersuchungshaft

2. Woche: Einsamer Aschermittwoch

3. Woche: Die Urteilsverkündung

4. Woche: Erlauchte Gesellschaft

5. Woche: Geistliche Mittelmäßigkeit

6. Woche: Die Erosion des sozialen Kapitals

7. Woche: Vollendung durch Leiden

8. Woche: Die Karwoche

9. Woche: Die Osterwoche

10. Woche: Göttliche Barmherzigkeit

11. Woche: Feindliche Manöver

12. Woche: Fragen ohne Antworten

13. Woche: Tochter der Zeit

14. Woche: Blick voraus

15. Woche: Berufung

16. Woche: Herabkunft des Heiligen Geistes

17. Woche: Mysterium der Dreifaltigkeit

18. Woche: Die Realpräsenz

19. Woche: Ein Netz der Täuschung

20. Woche: Hoffnungen und Träume

Anmerkungen

EINLEITUNG VON GEORGE WEIGEL

Dieses Gefängnistagebuch hätte niemals geschrieben werden dürfen.

Dass es dennoch geschrieben wurde, zeugt von Gottes Gnade, die es inmitten von Niedertracht, Bosheit und Ungerechtigkeit vermag, Einsicht, Großmut und Güte hervorzubringen. Und dass etwas so Schönes daraus entstanden ist, zeugt von der christlichen Gesinnung, die seinen Verfasser, George Kardinal Pell, prägt.

Wie und warum es dazu kam, dass der Verfasser mehr als 13 Monate lang wegen Verbrechen im Gefängnis war, die er nicht begangen hatte und gar nicht hätte begehen können, ist eine andere, weit weniger erbauliche Geschichte. Gleichwohl wird eine Kurzfassung dieser skandalösen Geschichte Ihnen für das, was Sie zu lesen im Begriff sind, den nötigen Hintergrund liefern – einen Hintergrund, vor dem sich noch deutlicher abzeichnen wird, wie bemerkenswert dieses Tagebuch ist.

Am 7. April 2020 fällte der High Court von Australien1 in der Sache Pell vs. The Queen ein einstimmiges Urteil, das den vorangegangenen Schuldspruch aufhob und in einen Freispruch verwandelte. Damit wurde sowohl die unverständliche Verurteilung von Kardinal Pell wegen »lange zurückliegender Fälle von sexuellem Missbrauch« als auch die nicht weniger rätselhafte, mit 2:1 Stimmen gefällte Entscheidung eines Berufungsgerichts im australischen Bundesstaat Victoria, an diesem Fehlurteil festzuhalten, aufgehoben. Der Spruch des Obersten Gerichtshofs befreite einen Unschuldigen aus der ihm zu Unrecht auferlegten Haft, gab ihn seiner Familie und seinen Freunden zurück und ermöglichte es ihm, seine wichtige Arbeit in der katholischen Kirche und für sie wiederaufzunehmen.

Wer die Sache Pell vs. The Queen aus der Nähe beobachtet hat, weiß, dass dieser Fall niemals hätte vor Gericht verhandelt werden dürfen. Bei den polizeilichen Ermittlungen, die zu den Beschuldigungen gegen Kardinal Pell geführt hatten, wurde im Trüben gefischt und es wurden fadenscheinige Ergebnisse zutage gefördert. Die Richterin, die die Verhandlung zur Beweisaufnahme (das australische Pendant zu einem Geschworenengericht)2 leitete, stand unter immensem Druck, eine Reihe von Anklagepunkten zuzulassen, die – wie sie selbst wusste – überaus schwach waren. Als der Fall dann verhandelt wurde, brachten die Staatsanwälte keinerlei Beweise dafür vor, dass das vermeintliche Verbrechen überhaupt begangen worden war, und stützten ihre Argumentation einzig und allein auf die Aussage des Klägers – die sich mit der Zeit als unstimmig und zutiefst fragwürdig erwies. Es gab keine erhärtenden Beweise und keine Zeugen, die die Vorwürfe bestätigten.

Im Gegenteil: Diejenigen, die zur Zeit der angeblichen Straftaten, zwei Jahrzehnte zuvor, in der Kathedrale von Melbourne anwesend gewesen waren, beharrten unter Eid und im Kreuzverhör darauf, dass sich die Ereignisse unmöglich so hatten zutragen können, wie der Kläger sie darstellte. Weder der zeitliche Rahmen, den die Staatsanwaltschaft bei der Schilderung des vermeintlichen Missbrauchs angab, noch die Beschreibung der Kathedral-Sakristei, wo dieser stattgefunden haben sollte, ergaben irgendeinen Sinn. Die Staatsanwaltschaft unternahm keinen ernsthaften Versuch, diese umfangreichen Aussagen zugunsten des Kardinals zu entkräften. Zudem wurde die schiere Unmöglichkeit, dass das, was angeblich geschehen sein sollte, wirklich geschehen war, später von objektiven Beobachtern und Kommentatoren – auch solchen, die zuvor keinerlei Sympathien für Kardinal Pell gehegt hatten, und einem, der zu seinen härtesten Kritikern zählte – bestätigt.

Der Fall Pell vs. The Queen wurde ferner derart verhandelt, dass gravierende Zweifel daran aufkamen, ob die Behörden in Victoria sich wirklich an solche elementaren Grundsätze des im angelsächsischen Raum geltenden Strafrechts wie die Unschuldsvermutung oder die Pflicht des Staates gebunden fühlten, die Anklage »über jeden vernünftigen Zweifel hinaus« zu beweisen. Was das betrifft, hat Mark Weinberg, der Richter, der das Urteil des Berufungsgerichts im August 2019 nicht mittrug, einen entscheidenden juristischen Punkt ins Feld geführt, als er die Begründung seiner Kollegen, die an Kardinal Pells Verurteilung festhielten, auseinanderpflückte: Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Weinbergs Kollegen am Berufungsgericht hätten jede nur mögliche Verteidigungsstrategie dadurch unterlaufen, dass sie die Glaubwürdigkeit des Klägers zum Dreh- und Angelpunkt des gesamten Falls machten. Aufgrund dieses Glaubwürdigkeitskriteriums war es weder erforderlich zu beweisen, dass wirklich ein Verbrechen geschehen war, noch mussten die Beschuldigungen erhärtet werden. Es kam einzig und allein darauf an, dass der Kläger aufrichtig wirkte. Das aber war nach den Maßstäben der jahrhundertealten Tradition des Common Law3 keine seriöse juristische Beweisführung, sondern eine Geltendmachung von Gefühlen oder sogar von Gefühlsduselei – die aber niemals den Ausschlag dafür hätten geben dürfen, einen Mann eines abscheulichen Verbrechens für schuldig zu befinden und ihn um seinen guten Ruf und seine Freiheit zu bringen.

Als sich Juristen und altgediente Rechtsexperten in Australien mit dem außerordentlichen, 200 Seiten starken Minderheitenvotum von Richter Mark Weinberg nach dem Berufungsverfahren auseinandersetzten und als die im Fall Pell verhängte Nachrichtensperre aufgehoben wurde und sich zeigte, auf welch schwachen Füßen die Sache der Anklage stand, war die wachsende Besorgnis der Menschen, die sich Gedanken machten – die zunehmend davon überzeugt waren, dass hier ein schweres Unrecht geschehen war –, nicht nur in Melbourne, sondern auch noch Tausende Meilen entfernt zu spüren. Diese Besorgnis hat sich möglicherweise auf die Entscheidung der höchsten gerichtlichen Instanz, des Obersten Gerichtshofs von Australien, ausgewirkt, eine weitere Berufung (der nicht hätte stattgegeben werden müssen) zuzulassen.

Ähnliche Bedenken regten sich offenbar unter den Richtern des Obersten Gerichtshofs während des strengen Verhörs des Generalstaatsanwalts im Zuge der Berufungsverhandlung im März 2020. Dieses zweitägige Unterfangen machte erneut deutlich, dass die Staatsanwaltschaft nichts vorzubringen hatte, was dem Kriterium einer über jeden vernünftigen Zweifel hinaus erwiesenen Schuld gerecht geworden wäre; dass die Geschworenen beim Wiederaufnahmeverfahren gegen den Kardinal (das stattfand, weil die Geschworenen sich im ersten Verfahren nicht einig geworden waren) zum zweiten Mal ein fragwürdiges und de facto unhaltbares Urteil gefällt hatten und dass die beiden Richter vom Victoria Supreme Court4, die an diesem Urteil festhielten (einer der beiden verfügte übrigens über keinerlei strafrechtliche Erfahrung), schwere Fehler von der Art gemacht hatten, wie sie ihr Kollege, Richter Mark Weinberg, später in seinem Minderheitenvotum beschreiben sollte.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, Kardinal Pell freizusprechen und aus der Haft zu entlassen, war mithin sowohl gerecht als auch begrüßenswert. Die Frage, wie all dies einem der angesehensten Bürger Australiens widerfahren konnte, bedarf hingegen noch der Klärung.

Die feindselige öffentliche Stimmung, die Kardinal Pell insbesondere in seinem heimatlichen Bundesstaat Victoria entgegenschlug, erinnerte an das vergiftete Klima im Kontext der Dreyfus-Affäre im Frankreich des ausgehenden 19. Jahrhunderts. 1894 führte ein Gemisch aus politischer Rohheit, Begleichung von alten Rechnungen, korrupten Beamten, einer fanatischen Presse und massiven religiösen Vorurteilen dazu, dass ein unschuldiger französischer Armeeoffizier jüdischer Abstammung, Hauptmann Alfred Dreyfus, des Verrats für schuldig befunden und verurteilt wurde. Dreyfus wurde aus der Armee entlassen und zur Verbannung und Inhaftierung auf der Teufelsinsel, einer übel riechenden Hölle vor der Küste von Französisch-Guyana, verurteilt. Natürlich kann man das Melbourne Assessment Prison5 und Her Majesty’s Prison Barwon, die beiden Anstalten, in denen George Pell inhaftiert war, nicht mit der Teufelsinsel vergleichen. Doch im Grunde waren die Faktoren, die bei Alfred Dreyfus’ ungerechter Verurteilung und bei dem widerlichen öffentlichen Klima in Victoria während der mehrjährigen Hexenjagd auf Pell eine Rolle spielten, in großen Teilen identisch.

Die Polizei von Victoria, die schon damals wegen des Verdachts der Inkompetenz und Korruption unter Beobachtung stand, suchte mühsam nach »Beweisen« für Verbrechen, von denen bis dato niemand behauptet hatte, dass sie überhaupt begangen worden waren, und manche glauben, dass die Ermittlungen gegen George Pell für sie eine willkommene Gelegenheit war, von ihren eigenen Problemen abzulenken. Die lokale und nationale Presse ließ – abgesehen von einigen wenigen rühmlichen Ausnahmen – die Maske der journalistischen Integrität und Fairness fallen und lechzte nach Kardinal Pells Blut. Der Mob, der während der Verhandlungen das Gerichtsgebäude belagerte, hob professionell gedruckte Anti-Pell-Plakate in die Höhe, die irgendjemand bezahlt haben muss. Und die Australian Broadcasting Corporation6 – ein mit Steuergeldern finanzierter öffentlich-rechtlicher Sender – führte einen antikatholischen Propagandafeldzug, wie man ihn sich primitiver kaum vorstellen kann, und brachte eine Flut von diffamierenden Beiträgen über Kardinal Pell (von denen einer just während der Beratungen des Obersten Gerichtshofes ausgestrahlt wurde).

Dass in einer derart aufgeheizten Situation ein unvoreingenommenes Geschworenengericht unbeeindruckt seiner Arbeit nachgehen konnte, ist kaum vorstellbar und vielleicht sogar unmöglich. Doch das Gesetz in Victoria erlaubte es Kardinal Pell nicht, ein rein richterliches Verfahren ohne die Geschworenen zu beantragen. Und so ähnelte etwas, das eigentlich ein nüchternes Gerichtsverfahren hätte sein sollen, am Ende einem in Zeitlupe und mit juristischen Mitteln ausgeführten politischen Mord.

Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass einige der an der Verfolgung von George Pell beteiligten Personen genau dies beabsichtigt hatten.

Während seines Martyriums war Kardinal Pell, wie dieses Tagebuch beweist, ein Vorbild an Geduld und tatsächlich auch ein Vorbild in seiner priesterlichen Wesensart. Er wusste, dass er unschuldig war und das machte ihn selbst in der Haft zu einem freien Mann. Und er nutzte diese Zeit – zu ausgedehnten Exerzitien, wie er es nannte –, um seinen vielen Freunden überall auf der Welt Mut zuzusprechen und ein ohnehin schon intensives Leben des Gebets, der Studien und des Schreibens noch zu intensivieren. Nun, da er wieder die heilige Messe feiern kann – was ihm mehr als 100 Tage lang verwehrt war –, hege ich keinerlei Zweifel daran, dass Kardinal Pell die Bekehrung seiner Verfolger und die Reform der Justiz in seinem geliebten Heimatland als Anliegen in seine Gebete einschließt.

Als Bürger der Vatikanstadt war Kardinal Pell gesetzlich nicht dazu verpflichtet, seine Arbeit in Rom aufzugeben und nach Australien zurückzukehren, um dort vor Gericht zu erscheinen. Dennoch kam ihm nie der Gedanke, sich auf seine diplomatische Immunität zu berufen. Er war entschlossen, seine Ehre und die Ehre der australischen Kirche zu verteidigen, an deren Spitze er sich selbst jahrelang gegen die Verbrechen und Sünden des sexuellen Missbrauchs (und in vielen anderen Belangen) eingesetzt hatte. George Pell setzte auf die grundsätzliche Fairness seiner Landsleute.

Der Oberste Gerichtshof gab ihm im letztmöglichen Moment recht.

Das Gefängnistagebuch von George Kardinal Pell beweist, dass durch die Entscheidung des höchsten australischen Gerichts ein Mann in die Freiheit entlassen wurde, der nicht gebrochen werden konnte: ein Mann, dessen lebensprühender christlicher Glaube ihn auch unter außergewöhnlichem Druck nicht wanken ließ. Während seiner Promotionsstudien Ende der 1960er-Jahre in Oxford hatte der junge Priester George Pell reichlich Gelegenheit, das treue Zeugnis von Thomas Morus und John Fisher zu erwägen, die unter allergrößtem Druck ihre Standhaftigkeit bewiesen haben. Er konnte damals nicht ahnen, dass auch er ein Opfer von Verleumdungen, öffentlichen Verunglimpfungen und ungerechter Inhaftierung werden sollte. Doch genau wie Thomas Morus und John Fisher setzte George Kardinal Pell sich für die Wahrheit ein im Vertrauen darauf, dass die Wahrheit in des Wortes tiefster und menschlichster Bedeutung frei macht.

Das Tagebuch, das Sie nun lesen werden, zeigt anschaulich, dass der Weg zu dieser Freiheit voller Licht ist.7

George Weigel ist Distinguished Senior Fellow am Ethics and Public Policy Center in Washington und dort Inhaber des William-E.-Simon-Lehrstuhls für Katholische Studien. Sein 27. Buch, »Der nächste Papst: Das Amt des Petrus und eine missionarische Kirche«, ist 2020 beim Media Maria Verlag erschienen. Kardinal Pell und er sind seit 1967 befreundet.

ZEITTAFEL


16. Juli 1996 Papst Johannes Paul II. ernennt Weihbischof George Pell zum Erzbischof von Melbourne, Australien.
26. März 2001 George Pell wird Erzbischof von Sydney, Australien.
21. Oktober 2003 Papst Johannes Paul II. ernennt Erzbischof Pell zum Kardinal.
25. Februar 2014 Papst Franziskus beruft Kardinal Pell in die neu geschaffene Position eines Präfekten des Wirtschaftssekretariats, das die Finanzen des Heiligen Stuhls und des Vatikans verwaltet.
29. Juni 2017 Die australische Polizei wirft Kardinal Pell mehrere lange zurückliegende sexuelle Übergriffe vor.
5. März 2018 Kardinal Pell, der alle Vorwürfe von sich gewiesen hat und freiwillig nach Australien zurückgekehrt ist, erscheint vor dem Magistrates’ Court in Melbourne zur Verlesung der Anklagepunkte.
1. Mai 2018 Nachdem einige Anklagepunkte fallen gelassen worden sind, entscheidet eine Richterin in Melbourne, dass der Kardinal sich für die übrigen vor Gericht verantworten muss.
2. Mai 2018 Die Fälle werden in zwei Verfahren aufgeteilt: Das erste soll sich mit Vorwürfen befassen, die auf die 1990er-Jahre zurückgehen, als Pell Erzbischof von Melbourne war. Im zweiten Verfahren werden Vorwürfe verhandelt, die auf die Anfänge seines priesterlichen Dienstes in den 1970er-Jahren zurückgehen.
20. September 2018 Das erste Verfahren, das am 15. August 2018 begonnen hatte, endet damit, dass die Geschworenen sich nicht einigen können.
11. Dezember 2018 Das Wiederaufnahmeverfahren, das am 7. November 2018 begonnen hatte, endet mit einem Schuldspruch.
26. Februar 2019 Die Staatsanwaltschaft lässt den zweiten Teil der Beschuldigungen, die auf die 1970er-Jahre zurückgehen, fallen.
27. Februar 2019 Kardinal Pell kommt in Untersuchungshaft und wird ins Gefängnis gebracht.
13. März 2019 Kardinal Pell wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt.
5. bis 6. Juni 2019 Beim Supreme Court of Victoria wird über die Berufung verhandelt.
21. August 2019 Die Berufung wird mit 2:1 Stimmen abgewiesen.
10. bis 11. März 2020 Die Anhörung Kardinal Pells erfolgt durch den High Court of Australia am 10. März 2020. Am 11. März 2020 wird sie vertagt.
7. April 2020 Der High Court hebt mit 7:0 Stimmen alle bisherigen Urteile auf. Kardinal Pell wird aus der Haft entlassen.

1. WOCHE
IN UNTERSUCHUNGSHAFT
27. Februar bis 2. März 2019

Mittwoch, 27. Februar 20191

In den letzten Monaten habe ich eigentlich immer gut geschlafen, aber gestern Abend hat es mit dem Einschlafen länger gedauert und heute Morgen bin ich vor dem Weckerklingeln um 6.00 Uhr aufgewacht. Die Messe wurde wie üblich im Esszimmer der McFarlanes gefeiert. Die Wände waren mit Bildern des Herzogs von Wellington, von W. G. Grace2 und Victor Trumper3 geschmückt, die vermutlich noch nie zuvor an einer Werkstagsmesse teilgenommen hatten.

Ich entschied mich für die Votivmesse »Unsere Liebe Frau«, weil ich mich während dieser seit Langem andauernden Misere unter ihren besonderen Schutz gestellt habe. Das Ganze dauert länger, als ich es erwartet hatte, aber ich fühle mich noch immer beschützt. Immerhin haben sie die anderen falschen Beschuldigungen allesamt fallen gelassen.4

Joseph und Susan Santamaria5 kamen mit ihrer Tochter Helen zu Besuch, die gerade aus London zurückgekehrt ist, um mir ihre Unterstützung zu signalisieren.

Chris Meney6 war gestern Abend vorbeigekommen, und nach der Messe und dem Frühstück fuhr Tim [McFarlane]7 uns beide zum Gericht. Die Menge war sehr feindselig, besonders ein armer Mann mittleren Alters, dessen Miene vor Wut verzerrt war. Ich frage mich, was ihm die Kirche angetan hat. Doch die meisten waren Medienvertreter.

Paul [Galbally]8 wartete bereits auf uns, und man konnte erkennen, dass er schlechte Nachrichten hatte. Er erklärte, dass sie es nicht für ratsam hielten, heute Nachmittag beim Berufungsgericht eine Freilassung gegen Kaution zu beantragen. Ich hörte mir an, was [Robert] Richter9 und Ruth [Shann]10 dazu zu sagen hatten, und willigte dann ein. Also würde ich heute Nachmittag im Gefängnis sein.

Ein Großteil der Abschlussdiskussion war surreal und kafkaesk: Der Richter zählte die vielen Gründe auf, weshalb der Übergriff unwahrscheinlich war, um dann Vermutungen über meine Motivation anzustellen! Ruth meinte, dass sogar der Staatsanwalt – und wir kennen auch die Ansichten des Richters – mich für unschuldig hält.

Ich kam in Untersuchungshaft und wurde von zwei Gefängniswärtern durchsucht, Filipinos, die mich beide respektvoll behandelten. Der eine erzählte mir, dass er während des Verfahrens im Gericht gesessen habe und wisse, dass ich unschuldig sei. Drei Mitglieder des Wachpersonals, die während der Verhandlungen auf uns aufgepasst hatten, wünschten mir alles Gute und sagten, sie seien froh, mich kennengelernt zu haben. Offenbar hat sogar David Marr11 gegenüber Richter und Denis Shanahan12 zugegeben, dass er mich in diesem einen Verfahren nicht für schuldig hält! Beinahe hätte ich vergessen, mich beim Verlassen des Saals vor dem Richter zu verneigen.

Für die Fahrt ins Untersuchungsgefängnis legte man mir Handschellen an. Bei der Ankunft durchlief ich mehrere Registrierungen und eine gründliche medizinische Befragung. Alles höflich, aber eine Reihe von Verzögerungen hinter verschlossenen Türen.

Da man glaubte, es bestünde Gefahr, dass ich mir selbst Schaden zufügte, wurde ich die Nacht über regelmäßig kontrolliert. Unter den anderen Gefangenen, die ich nicht zu Gesicht bekommen werde, da jeder seine eigene Zelle hat, war eine Frau, die gelegentlich weinte (zumindest hörte es sich so an). Ein oder zwei andere schrien in ihrer Seelenqual und stießen immer wieder laute Beschimpfungen aus. Mein Name fiel auch ein paarmal.

Ich war ein wenig erschöpft und habe tief und fest geschlafen, bis der Wärter mich weckte. Danach habe ich versucht, wie gewohnt den Rosenkranz zu beten, um wieder einzuschlafen, aber ich habe nur noch vor mich hingedöst.

In jedem Fall ist es eine Erleichterung, dass der Tag vorbei ist. Ich befinde mich nun im Auge des Sturms, wo Ruhe herrscht, während meine Familie, meine Freunde und die Kirche insgesamt mit dem Tornado fertigwerden müssen.

Gott, unser Vater, gib mir die Kraft, dies durchzustehen. Möge mein Leiden mit dem Erlösungswerk deines Sohnes Jesus vereint werden für die Ausbreitung des Reiches Gottes, die Heilung aller Opfer dieser Geißel der Pädophilie, den Glauben und das Wohl unserer Kirche und insbesondere für die Weisheit und den Mut der Bischöfe, die uns aus den finsteren Schatten in das Licht Christi führen müssen.

Donnerstag, 28. Februar 2019

Am Mittwochabend habe ich mit David, Judy und Bec [Pell]13 telefoniert. David war sehr niedergeschlagen, und ich habe vergessen, seinen heutigen Geburtstag zu erwähnen.

Mein zweiter Tag, mein erster ganzer Tag, ist mit der Hauptmahlzeit um 15.30 Uhr offiziell zu Ende gegangen. Früher als in einem Seniorenheim.

Kartya [Gracer]14 und Paul [Galbally] waren da. Die Berufungsverhandlung ist auf den 11. Juni angesetzt, aber der Plan ist, bald nach der Urteilsverkündung am Mittwoch [der übernächsten] Woche (13. März) beim Berufungsgericht eine Freilassung gegen Kaution zu beantragen. Drei Oberste Richter sind ernannt worden, einer von ihnen ist [Mark] Weinberg15, der vermutlich eine entscheidende Rolle spielen wird. Das Team ist sehr zufrieden mit den drei Ernennungen.

Richter wird sich auf eine Seite hinbewegen und Bret Walker16 die Führung überlassen. Robert glaubt, dass wir uns, wenn wir Freilassung gegen Kaution beantragen, vielleicht einen guten ersten Eindruck verschaffen können, wie sie die Beweislage einschätzen, und dass die Kaution vielleicht sogar bewilligt werden könnte.

Meine Uhr wurde mir abgenommen. Es ist nicht möglich, vom Licht, das durch die dunkel getönten Fensterscheiben fällt, und von der Gefängnisroutine auf die Uhrzeit zu schließen.

Meine psychische Verfassung – die von Anfang an gut war – wird inzwischen besser beurteilt, sodass ich einen kleinen elektrischen Wasserkocher und einen Fernseher bekommen habe. Bisher habe ich ihn nur sehr wenig benutzt, weil mein Fall immer noch auf allen Kanälen das Hauptthema ist.

Mein Brevier habe ich gleich vom ersten Tag an behalten dürfen und man hat mir einen Gefängnisrosenkranz in meine Zelle gelegt, nachdem mein eigener Rosenkranz wie die meisten meiner Habseligkeiten konfisziert worden sind.

Heute war ich zum ersten Mal in dem kleinen, heruntergekommenen Außenbereich. Eine ziemliche Enttäuschung: Die gesamte Hoffläche, die unterteilt ist, umfasst etwa 15 mal 10 Meter. Sie ist von hohen Wänden umgeben, wobei die eine Hälfte jeweils überdacht, die andere Hälfte mit einem Gitterwerk bedeckt ist, durch das man den Himmel sehen kann. Nicht gerade ein botanischer Garten.

Kartya hat sich – das hat sie mir gesagt, als sie und Paul bei mir waren – über einen Artikel von John Sylvester17 gefreut, der regelmäßig Polizeikolumnen schreibt und in The Age die Frage aufgeworfen hat, wie es bei einer nicht bestätigten Beschuldigung und 20 widersprüchlichen Zeugenaussagen der Anklage überhaupt zu einem Prozess kommen konnte.

Paul hat meiner positiven Einschätzung von Frank Brennans Artikel in The Australian18 zugestimmt und war über seinen Auftritt in 7.30 Report19 genauso enttäuscht wie ich. Andere – zum Beispiel Cait Tobin20 und Greg Smith21 – waren wohlwollender und haben geltend gemacht, dass Brennan doch erkennbare Zweifel an der Verurteilung geäußert habe.

Das Essen ist zu reichlich, große Portionen mit mindestens drei Gemüsesorten in verschiedenen Farben. Ich habe den Gefängnisdirektor getroffen. Ein stattlicher Mann, beeindruckend und direkt. Er hat mir erklärt, dass meine Sicherheit oberste Priorität habe, und von Schwester Mary O’Shannassy, der Seelsorgerin, weiß ich, dass er sich in seiner zweijährigen Amtszeit für bessere Umgangsformen eingesetzt hat.

Ich habe Sehnenschmerzen im Bein (vor allem links), weil das Bett und der Toilettensitz sehr niedrig sind und es keinen Stuhl in meiner Zelle gibt. Deshalb habe ich um einen erhöhten Stuhl gebeten. Der Direktor meinte, er wolle sich nicht vorwerfen lassen, dass er mir einen bequemeren Stuhl zur Verfügung gestellt hätte, und ich habe ihm geantwortet, dass er ja nicht bequemer, sondern nur höher sein müsse! Daraufhin haben sie drei Plastikstühle aufeinandergestapelt, das hat schon geholfen. Einen erhöhten Toilettensitz habe ich auch bekommen.

Schwester Mary O’Shannassy, eine Ordensschwester der »Dienerinnen Christi«, ist eine Schwester von Monica Mackie, einer Schulrektorin, mit der ich im Bistum Ballarat zusammengearbeitet habe, und von Jake O’Shannassy, der vor mir das St Patrick’s [College] in Ballarat besucht hatte und ein guter Football-Spieler war, Position Centre Halfback22, wenn ich mich nicht irre.

Sie erinnerte sich noch daran, dass ich am Weihnachtstag die letzte Messe im Pentridge-Gefängnis gefeiert hatte, bevor es 1996 geschlossen wurde, und dass ich verspätet von dort wegkam, weil ich mit den jüngeren Häftlingen Billard gespielt hatte. Ich erzählte ihr, dass diese einfach nicht glauben konnten, was für ein miserabler Billardspieler ich war.

Gott, unser Vater, hilf all meinen Lieben, diese Zeit mit meinen Problemen und Leiden zu überstehen und etwas Frieden zu finden. Ich danke dir, dass mein Glaube fest bleibt und dass ich über ein gutes Maß an Frieden verfüge, wahrscheinlich eine greifbare Frucht der vielen Gebete, die für mich aufgeopfert werden.

Freitag, 1. März 2019

Meine Einkäufe sind aus der Kantine gekommen, aber die billigen Uhren, die sie verkaufen, waren nicht mehr auf Lager. Ich kann im Fernsehen nachsehen, wie spät es ist, aber meine Uhr fehlt mir immer noch.

Es ist ruhiger heute, weniger Gespräche, die tägliche Routine kehrt ein. Ich habe tief und fest geschlafen, bis die Wärter schließlich um 6.30 Uhr an meine Zellentür kamen, um mich zu wecken. Neben dem Bett ist ein langes vergittertes Fenster mit einer dunkel getönten Scheibe aus Glas oder Plastik. Jalousien oder Vorhänge gibt es natürlich nicht: Man kann erkennen, wie es draußen hell und dunkel wird.

Meine Kleidung ist eingetroffen, vieles davon ist im Gefängnis zu nichts zu gebrauchen, außerdem drei Bücher und ein paar Ausgaben von The Spectator. Meine Jerusalemer Bibel habe ich wieder zurückgesandt, weil Schwester Mary mir schon ein Exemplar besorgt hatte. Ich glaube, dass ich sechs Bücher und sechs Zeitschriften haben darf, und hoffe, anstelle der Bibel Peter Browns Through the Eye of the Needle23 über Geld und die alte Kirche zu bekommen. In der Herald Sun, die ich mir über die Kantine besorgen konnte, habe ich gelesen, dass Richter sich dafür entschuldigen musste, dass er von »Blümchensex« gesprochen hat. Ich hatte das gar nicht mitbekommen.24 Das Urteil der Geschworenen wurde in den meisten Leserbriefen als fragwürdig oder falsch kritisiert, und Paul und Kartya, die mich heute gemeinsam besucht haben, meinten, eine solche Debatte über die Rechtmäßigkeit eines Urteils habe es in Australien seit dem Lindy-Chamberlain-Fall nicht mehr gegeben.25

Es ist seltsam, nicht jeden Tag die Messe zu feiern, obwohl ich sonst keine Pflichten und deshalb reichlich Zeit für meine täglichen Gebete habe. Irgendwo in der Nähe muss ein Muslim inhaftiert sein, denn ich kann ihn abends beten hören. Einige der anderen Untersuchungshäftlinge sind offenbar auf Crystal-Meth-Entzug. Ein paar haben ganz sicher psychische Probleme.