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Georg Schweinfurth
Georg Schweinfurth: Afrikanisches Skizzenbuch
Band 149 in der gelben Buchreihe
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort des Herausgebers
Der Autor Georg Schweinfurth
Georg Schweinfurth: Afrikanisches Skizzenbuch
Vorwort des Autors Georg Schweinfurth
Nachschrift
Lebenslauf des Autors Georg Schweinfurth
Nächtliches Tierleben in der Oase
Fünf Tage in die unzugängliche Bergwildnis am Roten Meer – Ein Reise-Brief
Die ältesten Klöster der Christenheit St. Antonius und St. Paulus
Bei den Höhlenbewohnern von Sokotra
Ein alter Staudamm aus der Pyramidenzeit
Die Entdeckung des „Schweinfurth-Tempels“ am Möris-See
Eine römische Wüstenstadt und die Steinbrüche am Mons Claudianus
Ein Überrest aus dem „goldenen Zeitalter“ – Das alte römische Villenviertel von Hippone (Bona)
Ägyptische Überbleibsel in Abessinien und im Sudan Haartracht, Pomade und Salben
Die Totenbestattung bei den Uräthiopen – Die Grabbauten der Blemmyes, Bega
Die neuen Versuche mit den alten Goldbergwerken der Ägypter
Quellenverzeichnis
Die maritime gelbe Buchreihe
Weitere Informationen
Impressum neobooks
Vorwort des Herausgebers
Vorwort des Herausgebers
Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.
Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.
Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leserreaktionen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere.
Hamburg, 2021 Jürgen Ruszkowski
Ruhestands-Arbeitsplatz
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Der Autor Georg Schweinfurth
Der Autor Georg Schweinfurth
Georg Schweinfurth wurde am 29. Dezember 1836 in Riga als Sohn einer reichen deutsch-russischen Familie geboren. Er konnte ein Leben lang seinen Neigungen und Interessen nachgehen ohne je bezahlte Tätigkeiten ausüben zu müssen. Ohne irgendwelche persönlichen Bindungen eingegangen zu sein, verstarb er achtundachtzigjährig als Junggeselle am 19. September 1925 in Berlin.
Er bereiste 1864-66 Ägypten, den östlichen Sudan sowie die Küste des Roten Meeres. Von 1869-71 unternahm er im Auftrag der Preußischen Akademie der Wissenschaften eine Forschungsreise in das Quellgebiet des Nil und seiner westlichen Zuflüsse. Er grenzte das Quellgebiet mit der Entdeckung des westlich in den Kongo fließenden Uelle, nach Südwesten ab. Er lieferte erste gesicherte Berichte über die Existenz der Pygmäen und weiterer dort lebender Völker, wie die Mangbetu und Dinka.
Ab 1873 besuchte er mehrfach den Nordosten Afrikas und Arabien.
In erster Linie Botaniker, reichte doch das Spektrum seiner Veröffentlichungen von einem Verzeichnis äthiopischer Pflanzennamen bis zu einer Landkarte des südlichen Tunesiens, von der Beschreibung von Artefakten zentralafrikanischer Völker bis zu Berichten über prähistorische Funde in Ober-Ägypten.
Bei Ausgrabungen in Ägypten war eines seiner herausragendsten Verdienste, zu sammeln, zu präparieren und dauerhaft zu konservieren, wofür sich viele Ausgräber damals nicht interessierten – für pflanzliches Material.
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Georg Schweinfurth: Afrikanisches Skizzenbuch
Georg Schweinfurth: Afrikanisches Skizzenbuch
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Verschollene Merkwürdigkeiten
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Vorwort des Autors Georg Schweinfurth
Vorwort des Autors Georg Schweinfurth
Widrige Zeitverhältnisse verhinderten mich viele Jahre lang, die gewohnten Reisen im Süden weiter fortzusetzen. Das zunehmende Alter machte sie ganz unmöglich. Aber Marksteine meiner Wanderungen waren geblieben. Tagebücher aus alter Zeit und verschollene Schriften, die ich über Gegenstände von dauernder Bedeutung veröffentlicht hatte, lagen in großer Anzahl vor. Das Verlangen, solche der Vergessenheit zu entreißen, belebte meine Erinnerung mit neuem Reiz. Das Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können, beglückt uns immer mit dem Zauber seiner ewigen Frische.
Mein Buch „Auf unbetretenen Wegen in Ägypten“ bot mir zuerst erwünschte Gelegenheit, von meinen alten Schriften einige in geprüfter Fassung dem Leserkreis der Gegenwart vorzuführen. Ihr Inhalt fand Interesse, er war, weil nur wenigen Kennern zugänglich, im Allgemeinen so gut wie unbekannt geblieben. Jetzt bringe ich eine Auswahl aus dem genannten Werke, vermehrt um dort noch nicht veröffentlichte Artikel, von denen etliche über den Bereich von Ägypten hinausreichen. Das gab den Anlass zu einer entsprechenden Änderung des Titels.
Meine ersten Stichproben ins Unbekannte von Afrika betrafen vor vielen Jahren die Küstenstriche auf der Westseite des Roten Meeres. Diese sind, soweit sie Ägypten und Nubien angehören, noch bis auf den heutigen Tag von europäischen Reisenden so gut wie unbetreten geblieben.
Die in den „Unbetretenen Wegen“ enthaltene „Reise an der Küste des Roten Meeres“ ist hier weggeblieben. Sie erschien als besonderes Buch soeben in den „Wegen zum Wissen“ des Ullstein-Verlages.
Im Abschnitt I gebe ich eine Schilderung aus dem nächtlichen Tierleben der Libyschen Wüste. Wenn ich mich auch auf dem Gebiete der Naturkunde hauptsächlich der Botanik widmete, so hat mich die Tierbeobachtung immer auf das lebhafteste interessiert.
Bei meinen Bergbesteigungen (Abschnitt II) werde ich gewiss Strecken betreten haben, die nie ein menschlicher Fuß berührte, doch ist darauf kein besonderes Gewicht zu legen, denn dazu bieten noch viele andere Gebirge Gelegenheit. Die Nachsicht des Lesers werde ich anzurufen haben, wo bemerkenswerte Erlebnisse und überraschende Beobachtungen von einer Menge von Einzelheiten verhüllt sind, die nur für den Spezialgelehrten von Interesse sein können. Viele botanische Angaben sind deshalb gestrichen worden, und der Pflanzengeograph wird die ursprüngliche Veröffentlichung zu berücksichtigen haben. Über meine Veröffentlichungen bietet die Liste Auskunft, die der dritten Ausgabe meines Reisewerks „Im Herzen von Afrika“ (1918) beigegeben ist.
Der Abschnitt III war bisher für diejenigen eine Überraschung, die auf meinen Reisen kirchengeschichtliche Neuigkeiten aus dem Altertum nicht erwartet haben.
Ich war seit Vansleb (1672) der einzige, der die alten Klöster ausführlich beschrieb. In dem ersten Bande des von Friedrich Bodenstedt als Almanach für das deutsche Haus herausgegebenen, aber nicht weiter fortgesetzten „Kunst und Leben“ erschien meine Arbeit an jetzt fast unauffindbarer Stelle.
Die von der Kapelle des heiligen Antonius gegebene Abbildung ist die erste und einzige ihrer Art. Meine flüchtige Skizze durch nachträgliche Ausführung zu vervollständigen, habe ich nicht gewagt. Sie stellt eine der ältesten christlichen Kirchenräume dar, die aus den ersten drei Jahrhunderten noch vorhanden sind. Die von Weingarten aufgestellte Hypothese eines Nichtvorhandengewesenseins vom heil. Paulus von Theben, dem ägyptischen Nationalheiligen (weil Eusebius seiner nicht erwähnte), habe ich unbeachtet gelassen.
Paul Güßfeldt – 1840 – 1920
In neuerer Zeit haben außer Paul Güßfeldt und mir auch andere Deutsche die alten Wüstenklöster besucht. 1901 waren dort Carl Becker, Bernhard Moritz und Josef Strzygowski zu gemeinschaftlichem Besuch.
Abschnitt IV, über die Höhlenbewohner von Sokotra, kann als Ergebnis einer aufschlussreichen Reise gelten, die ich im Anschluss an die Expedition des Dr. Riebeck 1881 im Golfe von Aden ausführte.
Die im Abschnitt V beschriebenen Überreste des als Unikum aus dem Alten Reich stammenden Stauwerks bilden in diesem Bande den einzigen Gegenstand, dessen Besichtigung für die Wintergäste des Landes leicht zugänglich erscheint. Glückliche Funde werden sich dort vielleicht noch machen lassen, um die von mir aufgeworfenen Fragen nach dem Ursprung und den Umständen zu beantworten, unter denen ein so ungewöhnlicher Bau – von so kurzer Dauer – entstand.
Abschnitt VI gibt die Beschreibung eines von mir entdeckten Tempels gelegentlich einer Reise im Umkreise von Fajum. Der Name „Schweinfurth-Tempel“ rührt selbstverständlich nicht von mir her, sondern wurde von Robert Brown in dessen Buch zum ersten Male angewendet.
Das Kapitel VII mit den römischen Steinbrüchen, die ich als erster ausführlich beschrieb, obgleich vor mir bereits mehrere Archäologen den Platz besucht hatten, bietet der ungelösten Fragen viele. Sie betreffen vor allem das ehemalige Vorhandensein verwickelter Röhrenleitungen und eines Pumpwerks, das ein in der Kulturgeschichte jener Zeit noch wenig aufgeklärtes Verfahren betrifft. Ich habe auch die Frage angeregt, wie Archimedes in Ägypten zur Idee seiner Schraube (der Wasserschnecke) gelangt sein kann.
Abschnitt VIII handelt von den Ausgrabungsergebnissen in Tripolis, die das römische Villenviertel von Hippone (Bona) freilegten. Diese Beschreibung erregte damals die Aufmerksamkeit Kaiser Wilhelms II., der den Ankauf der Mosaiken wünschte. Berliner Gelehrtenkreise setzten dem jedoch Widerstand entgegen, wegen der „zu späten“ Entstehungszeit der Mosaiken, und diese äußerst wertvollen antiken Kunstdokumente gelangten für nur 40.000 Franken in französischen Besitz.
Abschnitt IX zählt die Überreste auf, die heute noch im äthiopischen Süden an eine ägyptische Vergangenheit erinnern. Besonders ausführlich wird auf die Merkwürdigkeit des Salbkegels (d. i. Pomadenklumpen auf dem Haupt der Frauen) eingegangen.
Von den in Abschnitt X zusammengestellten Grabbauten, die ich als die einzigen Denkmäler der hamitischen Völker bezeichnete, habe ich nach eigenen Beobachtungen nur wenige ausführlich beschreiben können. Sie würden aber für Ethnologen eine lohnende Aufgabe zu eigenen Forschungsreisen darbieten. Von der 1865 entdeckten großen Gräberstadt Maman habe ich Abbildungen einzelner Bauten gegeben. Im gesamten Nilgebiet gibt es nichts Derartiges von gleicher Größe.
Was ich über die Wiederinbetriebsetzung der alten Goldminen der östlichen Wüste berichten konnte, betrifft schon die neueste Zeit. Zum Verständnis genügt das in der einleitenden Notiz zu XI Gesagte.
Georg Schweinfurth
Berlin-Schöneberg, Juli 1925
Nachschrift
Nachschrift
Es war dem greisen Verfasser nicht vergönnt, die Fertigstellung des Werkes zu erleben. Wohl haben ihm die Korrekturbogen noch vorgelegen, aber ehe zum Druck geschritten werden konnte, setzte der Tod seinem unermüdlichen Schaffen ein Ziel. Am Inhalt ist nachträglich nichts geändert worden; wir bringen genau nach den zu Lebzeiten Georg Schweinfurths uns übermittelten Weisungen dieses Werk heraus, das sein Schwanenlied geworden ist.
Berlin, im September 1925
Der Verlag
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Lebenslauf des Autors Georg Schweinfurth
Lebenslauf des Autors Georg Schweinfurth
Ich bin 1836 in Riga geboren, das in meiner Jugendzeit kaum den zehnten Teil seiner heutigen Bewohner hatte. Trotz der von vielen Russen und Letten bewohnten Vorstädte konnte man es eine durchaus deutsche Stadt nennen, und auf dem Gymnasium wurden, mit Ausnahme des Russischen, alle Fächer in deutscher Sprache gelehrt. Im Kreise meiner Geschwister und Verwandten habe ich nie russisch sprechen gehört, und ich erinnere mich nicht, dort je einen Nationalrussen verkehren gesehen zu haben. Mein Vater war aber Russland gegenüber von äußerst loyaler Gesinnung und hielt streng darauf, dass auch seine Kinder sich einer solchen befleißigten. Als Knabe habe ich mehrere Jahre in einer mitten in Livland gelegenen Erziehungsanstalt verbracht und später die oberen Klassen des Rigaischen Gymnasiums besucht. Frühzeitig ist in mir, durch das Lesen von Reisebeschreibungen angeregt, der Sinn für Forschungen und Entdeckungen in entlegenen Teilen der Welt erweckt worden, und ich suchte mich unauffällig an Strapazen und Entbehrungen aller Art zu gewöhnen, vornehmlich durch ausgedehnte Fußwanderungen, die ich ohne Begleitung in den heimatlichen (baltischen) Provinzen zur Ausführung brachte. 1857 bis 1860 studierte ich in Heidelberg. Nachdem ich in München und in Berlin die naturhistorischen Studien zum vorläufigen Abschluss gebracht hatte, wurden mir von der inzwischen Witwe gewordenen Mutter 10.000 Rubel überwiesen, um die längst geplanten Reisen in Afrika ausführen zu können. So betrat ich am 26. Dezember 1863 zum ersten Male afrikanischen Boden in Alexandria. Ich hatte mir die botanische Erforschung der Nilländer und der benachbarten Gebiete als das zu verfolgende Ziel gesteckt.
Meine erste Reise ins Unbekannte brachte zahlreiche Stichproben der Forschung zustande, die vom Roten Meer aus, das ich in kleiner Barke befuhr, mich an die Küsten von Ägypten und Nubien und in die benachbarten Gebirge führte. Dann zog ich von Suakin landeinwärts nach Kassala und nach Gallabat, wo ich die Regenzeit verlebte, und von wo aus ich später auf dem Rückwege über Sennaar nach Khartum gelangte.
Khartum
Auf dieser meiner ersten Afrikareise habe ich für die Pflanzengeographie wichtige Tatsachen feststellen können. Einige Beiträge zur Vervollständigung des Kartenbildes der durchreisten Gegenden wurden geliefert und, auf der Reise nach Kassala, Maman, die alte Gräberstadt der Bega, entdeckt. Im Sommer 1866, als die Schlacht von Königgrätz geschlagen wurde, war ich auf der Heimreise begriffen. Ich fand gewisse Schwierigkeiten, um über Wien zum Besuch meiner Familie nach Riga zurück zu gelangen.
Berliner Akademie der Wissenschaften
Ich war nun durch Studien und Erfahrung genügend vorbereitet, um mir beim weiteren Verfolg meiner Reisepläne, und in erfolgreichem Wettbewerb mit anderen, die von der Berliner Akademie der Wissenschaften vergebenen Mittel der „Humboldtstiftung für Naturforschung und Reisen“ zuwenden zu lassen, und so dem Ziel meiner Wünsche, den noch zum großen Teil unbekannten Gebieten am oberen Nil, nähertreten zu können. Alexander Braun, Reichert und du Bois-Reymond waren in der Akademie meine erfolgreichen Fürsprecher. Die mir gestellte Hauptaufgabe betraf die botanische Erforschung des Stromgebiets des Bahr-el-Ghasal. Daneben sollten auch geographische und ethnographische Forschungen im Auge behalten werden. Seitens der ägyptischen Regierung wurde meinem Unternehmen von Khartum aus nachdrücklichst Vorschub geleistet, und ich gelangte dadurch bei den im Forschungsgebiet tätigen Khartumer Elfenbeinhändlern zu derartigem Ansehen, dass alle in Liebenswürdigkeiten gegen mich wetteiferten, und in den Niederlassungen der Befehlshaber die bewaffneten Wanderscharen miteinander um den Vorzug stritten, meinen Plänen dienlich sein zu dürfen. Statt mich finanziell auszubeuten, lieferten sie kostenfrei Träger und Proviant. In den Stationen wurde mir ausgiebige Gastfreundschaft gewährt. Ich hatte mir in Khartum eine Art Leibgarde von vier zuverlässigen Nubiern besorgt, aber meine beschränkten Mittel (im ganzen überstiegen sie nicht viel die Summe von 25.000 Mark) hätten bei den weiten Wanderzügen im Innern nicht zur Bezahlung der vielen Träger gereicht, deren ich zur Fortschaffung meines umfangreichen Gepäcks bedurfte.
Mangbettu
Als nach Beendigung des wichtigsten Abschnitts dieser Reise, nach dem gegen Süden bis ins Land der Mangbettu geführten Vorstoß, ich fast meiner ganzen Habe (die Sammlungen waren zum Glück schon auf dem Wege nach Europa) durch eine Feuersbrunst beraubt worden war, für die der Verwalter des Khartumer Großkaufmanns, mit dem ich einen Vertrag abgeschlossen, verantwortlich war, wurde ich, da ich von einer Entschädigungsklage Abstand genommen hatte, großer Zahlungsverpflichtungen enthoben, die schwer zu befriedigen gewesen wären.
Karte: Sudan, Kongogebiet
Hätte ich damals über das Geld verfügen können, das mir später der englische Verleger für mein Buch zahlte, so wäre ich gewiss gern noch einige Jahre in Afrika geblieben und hätte alsdann in der kongowärts zum ersten Male von einem Europäer betretenen Richtung noch manche Entdeckung machen können, denn meine Gesundheit war unerschüttert geblieben.
Im Frühjahr 1872 war ich wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Meinen ersten Reisebericht trug ich der Geographischen Gesellschaft von München vor, aber in Berlin, dem ich ganz angehörte, wurde mir von meinen akademischen Gönnern und seitens der Gesellschaft für Erdkunde mit den zahlreichen alten Freunden der wärmste und ehrenvollste Empfang bereitet. Besondere Beachtung ward meinen Reiseergebnissen in England zuteil. In der zu Brighton tagenden „British Association“ hatte Stanley, der kurz zuvor den verschollenen Livingstone aufgefunden, dessen Ansicht eifrigst verteidigt, dass der Lualaba nordwärts dem Gazellenfluss zuströme. Stanley versuchte damit den Nachweis zu liefern, dass von Livingstone nunmehr die wahre Nilquelle festgelegt sei.
David Livingstone
Seine Worte lauteten dem Sinne nach ungefähr folgendermaßen: „Was Colonel Grant da erzählt, setzt mich in Erstaunen. Ich habe noch nie davon gehört, dass ein Engländer bis zu jenen Gegenden vorgedrungen sei, und nun soll ‚a Herr of some sort‘ dort gewesen sein und hat einen kleinen Fluss gesehen. Keine Spur davon! Ein Fluss, den ein Livingstone entdeckte (Lualaba), kann nur der Nil sein (d. h. andere wären seiner gar nicht würdig).“ Dem aber widersprach aufs entschiedenste Grant, der Reisegenosse von Speke, und er bewies, dass diese Hypothese infolge der vor kurzem durch mich gemachten Entdeckung eines sich mit verkehrter Stromrichtung dazwischen einschaltenden Flusses, des Uelle, durchaus unhaltbar geworden sei. Vom großen Kongo, dessen Festlegung auf unseren Karten in der Folge Stanley zum größten Entdeckungsreisenden Afrikas stempeln sollte, hatte man damals noch keine Ahnung.
Uelle-Fluss
Einige Jahre später, als Stanley von seiner großen Kongofahrt zurückkehrend mich in Kairo kennen lernte, hat er den kleinen Ausfall gegen mich in vornehmer Weise wieder gutgemacht. Von der englischen Kolonie in Kairo wurde ihm damals im Hotel Shepheard ein Festessen gegeben, das Sir George Elliott zustande brachte. Als Stanleys Gast war ich von diesem selbst dazu eingeladen und ich hatte zu seiner Rechten den Ehrenplatz. Stanley hielt sogar noch eine wundervolle Rede, in der er mich feierte.
Henry Morton Stanley – 1841 - 1904
Nach meiner Rückkunft aus Afrika im Sommer 1872 erfolgte die Veröffentlichung des umfangreichen Werkes „Im Herzen von Afrika“ (Band 149e dieser gelben Buchreihe = ISBN 978-3-754104-26-2), dessen Entstehungsgeschichte vielleicht interessieren wird. Ich war im Rheinischen Hof, damals einem guten Hotel an der Ecke der Friedrich- und Leipziger Straße, abgestiegen und hatte dort die Bekanntschaft eines liebenswürdigen und sehr unterrichteten Deutschamerikaners, des Herrn Henry Jacoby, gemacht, der als Berichterstatter des New York Herald in Deutschland tätig war. Er nahm großes Interesse an meinen Erzählungen der Reiseerlebnisse und suchte mich alsbald für das Londoner Verlagshaus Sampson Low, Marston Low & Searle zu gewinnen, das damals durch Stanleys spannende Schilderung „Wie ich Livingstone auffand“ im Buchhandel der Welt eine große Rolle zu spielen begann. Der Titel meines geplanten Reisewerkes wurde bald festgestellt.
(Siehe Band 149 dieser gelben Buchreihe: Im Herzen Afrikas)
Ich schlug die Fassung vor: „Im Herzen von Afrika“, wozu Jacoby verschiedene Varianten in Vergleich stellte, bis er, nach mit Kennermiene (wie bei einer Weinprobe) allerseits geprüftem Wortklang, zu dem Ergebnis gelangt war, dass im Englischen sich „The heart of Africa“ am besten ausnehmen würde.
„Ich werde gleich an Sampson Low schreiben, sagte Jacoby, ich werde als Honorar ... Pfd. Sterling verlangen“ (er nannte einige Tausende). Ich mahnte zum Maßhalten. Endlich kam man überein, den Betrag für sämtliche Editionen auf 2.000 Pfd. Sterling festzusetzen. Freunde hatten bereits geglaubt, mir verlockende Aussichten auf deutschen Verlag eröffnen zu können. Ich erinnere mich wohl, wie Robert Hartmann mir von einem deutschen Verlag gesprochen hatte und von 600 Talern (oder waren es 800?), die sein Angebot seien. Nun stand ich einer ganz neuen Verlockung gegenüber, die mir zunächst phantastisch erschien. Aber es ging alles leichter, als ich gedacht, und es blieb bei der geforderten Summe. Die Antwort aus London traf bald ein und war zunächst in sehr entgegenkommender Weise an mich gerichtet. Herr Marston hatte sich offenbar bei den Londoner Botanikern über das „Vorleben“ des unbekannten Reisenden erkundigt. Es machte auf mich einen drolligen Eindruck, wenn er gar leichten Herzens Zutrauen zu meinen Leistungen zu bekunden schien, indem er sich auf ein aus so fremdem Lager abgegebenes Urteil stützte: – „Wenn Sie bei Schilderungen ihrer Reisen dieselbe Gewandtheit („the same facilities“) an den Tag legen, wie in der Botanik, so entsprechen Sie dem, was ich brauche“, hatte er geschrieben. Von meinen so umfangreichen Reiseberichten (seit 1864) in verschiedenen geographischen und naturhistorischen Zeitschriften – weil für den englischen Leser als nicht vorhanden betrachtet – nahm Mr. Marston nicht die geringste Notiz. Unnötigerweise hatte ich mir darüber Sorge gemacht und befürchtet, sie könnten dem Wert der englischen Veröffentlichung zum Schaden gereichen, dem Reiz der Neuheit Abbruch tun. Davon war bei den Verhandlungen keine Rede, man hielt sich in England nicht mit Nebensachen auf und verzichtete auf kleinliche Bemäkelung.
Was mir zur Empfehlung bei dem englischen Verleger sehr zustatten kam, war der Umstand, dass vor kurzem mein Name, allerdings bei einer mir ganz fremden Angelegenheit, in den englischen Zeitungen und in Verbindung mit Afrika rühmend erwähnt worden war. Die Times hatte einen zwei Spalten langen Artikel von Justus v. Liebig (1. Oktober 1872) gebracht, in dem ich als Zeuge für den Nährwert des Fleischextraktes angerufen wurde. Diesem waren bereits damals direkt nährende Eigenschaften in Abrede gestellt und nur anregende oder reizende zuerkannt worden. Jener erste Vortrag, den ich nach meiner Rückkehr in Deutschland über die Reisen 1868 bis 1871 zu halten hatte, fand vor der Geographischen Gesellschaft zu München, und zwar im Hörsaal des chemischen Laboratoriums statt. Unter den Zuhörern befand sich auch der Freiherr von Liebig. In dem Vortrage war unter anderem erzählt worden, wie ich im Lande der Niamniam aus dem Fleisch zweier am gleichen Tage erlegter Antilopen durch Zerhacken, Kochen, Filtrieren und schließliches Verdicken, durch Eindampfen mir einen Vorrat von zwei Flaschen sehr wohlschmeckendem Fleischextrakt herzustellen gewusst und wie dieser bei bald darauf eintretendem schlimmen Nahrungsmangel zu meiner Ernährung wesentlich beigetragen habe. Am folgenden Morgen, als ich den Botanischen Garten besuchte, wurde mir dort vom Inspektor der große Chemiker selbst vorgestellt. Er hatte mich offenbar erwartet, um mir zu sagen, dass ihn meine Mitteilungen über den selbstbereiteten Fleischextrakt und dessen erprobten Nährwert in hohem Grade interessiert hätten, und um nun daran die Frage zu knüpfen, ob ich wohl gestatten würde, dass er darüber in den Blättern berichte. So wäscht bei der Verkettung von Verdienst und Glück oft eine Hand die andere!
Justus von Liebig – 1803 – 1873
Es darf nicht wundernehmen, dass ich in der Folge von Freunden und Bekannten gelegentlich manches Wort des Tadels zu hören bekam, weil ich mich zur Veröffentlichung des Reiseberichtes zunächst an das Ausland gewandt hatte. Zu meiner Entschuldigung brauchte ich nur anzuführen, dass daraus weder der Wissenschaft Nachteil erwachsen, noch das Ansehen der deutschen Forschung in der Welt verringert worden ist.
Die große goldene Stiftermedaille der Londoner Geographischen Gesellschaft wurde mir nach dem Erscheinen meines „Im Herzen von Afrika“ für dieses Werk zuerkannt, wie die Begleiturkunde besagt, nachdem vor ihr die langjährigen botanischen Forschungen im Nilgebiet, die Feststellung der südwestlichen Begrenzung des Nilbeckens und die Entdeckung des Uelle jenseits dieser Wasserscheide, dann auch die Auffindung und Beschreibung des Zwergvolkes der Akka, als Bestätigung der alten Pygmäensage, unter den verdienstlichen Momenten namhaft gemacht worden waren.
Pygmäe
Außer den englischen in London und in Neuyork erschienenen Ausgaben meines Reisewerks sind auch italienische und namentlich mehrere französische Ausgaben der Öffentlichkeit übergeben worden. Als Kuriosum darf wohl auch die türkische Übersetzung angeführt werden, die in einem starken und illustrierten Band zu Konstantinopel erschien. Die erste deutsche Ausgabe von 1874 in zwei Bänden war bald vergriffen und ich musste später (1878) eine etwas gekürzte zweite in einem Bande zurechtmachen.
In den vier ersten Monaten des Jahres 1874 befand ich mich wieder auf Reisen in Afrika. Ich hatte zum Gegenstand meiner Forschungen die große Oase von el Chargeh gewählt und traf dort auf ihrem Rückzuge mit der von Gerhard Rohlfs zur Erforschung der Libyschen Wüste geleiteten Expedition zusammen.
Gerhard Rohlfs – 1831- 1896
Im August desselben Jahres beteiligte ich mich an der in Belfast abgehaltenen Tagung der British Association, wo ich über die besuchte Oase einen Vortrag hielt.
Heinrich Brugsch – 1827 – 1894
Auf Vorschlag von Heinrich Brugsch hatte mich der Khedive Ismail, laut Dekret vom 19. Mai 1875, mit der Gründung einer geographischen Gesellschaft in Kairo beauftragt, die ich am 2. Juni eröffnete, und die noch heute besteht. Ich blieb aber nur ein Jahr Vorsitzender dieser Gesellschaft und widmete mich, nachdem ich sie bei dem im August 1875 zu Paris abgehaltenen Kongress vertreten, dann eingehend der botanischen und geologischen Erforschung der östlichen Wüste, zu der ich im Frühjahr 1876 den ersten Streifzug, diesen in Gesellschaft von Paul Güßfeldt, ins Werk setzte. Ich habe in diesem Gebiet, mit Kamelen der Maase-Araber (gewöhnlich 12 an Zahl) 10 größere Reisen zur Ausführung gebracht und an Wegstrecke viele Tausende von Kilometern zurückgelegt. Zu der Kostenbestreitung hat mir das preußische Kultusministerium immer beträchtliche Unterstützung gewährt.
Auch im Westen des Niltals unternahm ich ausgedehnte Streifzüge. Viele Karten (30 Stück) entwarf ich von den durchreisten Länderstrecken, die bisher nicht aufgenommen worden waren, und die namentlich im Gebiet der östlichen Wüste zwischen 30° und 26° n. Br. noch als Terra incognita gelten konnten.
Kamel-Karawane – Foto: Sergey Pesterev
Dreizehn Jahre lebte ich als Privatgelehrter in Kairo ansässig und beschäftigte mich vorwiegend mit botanischen Studien. Ein großes Herbarium afrikanischer Pflanzen wurde in meiner Wohnung aufgestellt. Zusammen mit meinem alten Freunde Paul Ascherson, der fünfmal Ägypten besuchte, veröffentlichte ich 1887 im Bande II der Mémoires de l'Institut Egyptien eine Übersicht über die Flora von Ägypten, der 1889 noch ein Nachtrag beigefügt wurde.
Die geologischen und paläontologischen Ergebnisse meiner ägyptischen Streifzüge wurden dem für diese Fächer in Berlin vorhandenen Institut einverleibt, wo sie noch heute 14 Schränke füllen. Blankenhorn hat sie zum Teil auch in seiner 1921 erschienenen, alles Wissen vom Lande erschöpfenden Geologie von Ägypten verwertet.
Im Januar 1876 ist mir vom sächsischen Unterrichtsminister v. Gerber die Berufung auf den Lehrstuhl der Geographie an der Universität Leipzig angetragen worden. Ich war aber nicht gewillt, meine ägyptischen Forschungspläne nach Versuchen von so kurzer Dauer aufzugeben.
Im September 1876 war ich in Brüssel als Gast des Königs Leopold II. und als Mitglied der von ihm zusammenberufenen Afrika-Konferenz, die man als den Vorboten, ja als den ersten Akt der vom König mit so sicherem Zielbewusstsein ins Werk gesetzten Gründung des Kongo-Staats betrachten kann. Unter den 22 Teilnehmern befanden sich noch vier andere Deutsche: Oscar Lenz, Gustav Nachtigal, Ferdinand von Richthofen und Gerhard Rohlfs.
Leopold II. – König von Belgien – 1835 - 1909
Im Jahre 1879 wurde unter Vermittlung des deutschen Konsulats in Kairo meine Naturalisation als Reichsdeutscher ermöglicht, nachdem ich durch einen Machtspruch des Fürsten Bismarck, trotz meines Verbleibs in Ägypten, als preußischer Staatsbürger Aufnahme gefunden hatte.
Im Hochsommer 1880 habe ich den Libanon durchzogen und im Jahr darauf mit Emil Riebeck eine botanische Erforschung der Insel Sokotra, dann auch einiger Teile der südarabischen Küste in Ausführung gebracht.
Im Herbst 1881 teilte ich auf dem in Venedig zusammenberufenen Geographischen Kongress mit A. de Quatrefages den Vorsitz der für die Ausstellung von Karten und Reisewerken eingesetzten Prüfungskommission.
Im Juni 1882 war ich nach einer dreimonatigen mit Kamelen ausgeführten Rundreise um Oberägypten nach Kairo zurückgekehrt, als alle Europäer, die dazu imstande waren, vor dem durch den ägyptischen Oberst Arabi-Pascha veranlassten Aufstand zu flüchten begannen. In Alexandria verbrachte ich, vor und nach der Beschießung der Stadt (d. h. der Forts) durch die englische Flotte, böse Tage und im Hause meines Freundes Eduard Friedheim war ich sogar mit diesem in arge Bedrängung durch den im Aufruhr befindlichen und bewaffneten Pöbel geraten, der wohl einzigen Lebensgefahr, der ich mich entsinne, in Afrika ausgesetzt gewesen zu sein. Es war am 11. Juli, als wir, im Begriff an Leinwandrollen aus den oberen Fenstern herabzugleiten, uns von den bewaffneten Volksmassen der Straße auf einen Balkon ausgesperrt sahen und gegen die Anstürmenden acht Stunden lang standzuhalten hatten. Wir flüchteten später nach dem großen Diakonissenhaus, das bis zur Landung der Okkupationstruppen als Zufluchtsstätte vieler Bedrängten einige Sicherheit darbot.