Czytaj książkę: «Minna von Barnhelm», strona 7

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2. Szene

(v. Tellheim)

Tellheim Wie is mir?—Meine ganze Seele hat neue Triebfedern bekommen. Mein eignes Unglück schlug mich nieder, machte mich ärgerlich, kurzsichtig, schüchtern, lässig: ihr Unglück hebt mich empor, ich sehe wieder frei um mich und fühle mich willig und stark, alles für sie zu unternehmen— Was verweile ich? (Will nach dem Zimmer des Fräuleins, aus dem ihm Franziska entgegenkömmt.)

3. Szene

(Franziska. v. Tellheim.)

Franziska Sind Sie es doch?—Es war mir, als ob ich Ihre Stimme hörte.—Was wollen Sie, Herr Major?

Tellheim

Was ich will?—Was macht dein Fräulein?—Komm!—

Franziska

Sie will den Augenblick ausfahren.

Tellheim

Und allein? ohne mich? wohin?

Franziska

Haben Sie vergessen, Herr Major?—

Tellheim Bist du nicht klug, Franziska?—Ich habe sie gereizt, und sie ward empfindlich: ich werde sie um Vergebung bitten, und sie wird mir vergeben.

Franziska

Wie?—Nachdem Sie den Ring zurückgenommen, Herr Major?

Tellheim

Ha!—Das tat ich in der Betäubung.—Jetzt denk ich erst wieder an den Ring.—Wo habe ich ihn hingesteckt?—(Er sucht ihn.) Hier ist er.

Franziska Ist er das? (Indem er ihn wieder einsteckt, beiseite.) Wenn er ihn doch genauer besehen wollte!

Tellheim Sie drang mir ihn auf mit einer Bitterkeit—Ich habe diese Bitterkeit schon vergessen. Ein volles Herz kann die Worte nicht wägen.—Aber sie wird sich auch keinen Augenblick weigern, den Ring wieder anzunehmen.—Und habe ich nicht noch ihren?

Franziska

Den erwartet sie dafür zurück.—Wo haben Sie ihn denn, Herr Major?

Zeigen Sie mir ihn doch.

Tellheim (etwas verlegen). Ich habe—ihn anzustecken vergessen.—Just—Just wird mir ihn gleich nachbringen.

Franziska Es ist wohl einer ziemlich wie der andere; lassen Sie mich doch diesen sehen; ich sehe so was gar zu gern.

Tellheim Ein andermal, Franziska. Jetzt komm—Franziska (beiseite). Er will sich durchaus nicht aus seinem Irrtume bringen lassen.

Tellheim

Was sagst du? Irrtume?

Franziska Es ist ein Irrtum, sag ich, wenn Sie meinen, daß das Fräulein doch noch eine gute Partie sei. Ihr eigenes Vermögen ist gar nicht beträchtlich; durch ein wenig eigennützige Rechnungen können es ihr die Vormünder völlig zu Wasser machen. Sie erwartete alles von dem Oheim, aber dieser grausame Oheim—

Tellheim Laß ihn doch!—Bin ich nicht Manns genug, ihr einmal alles zu ersetzen?—

Franziska

Hören Sie? Sie klingelt; ich muß herein.

Tellheim

Ich gehe mit dir.

Franziska

Um des Himmels willen nicht! Sie hat mir ausdrücklich verboten, mit Ihnen zu sprechen. Kommen Sie wenigstens mir erst nach.—(Geht herein.)

4. Szene

(v. Tellheim ihr nachrufend.) Melde mich ihr!—Sprich für mich, Franziska!—Ich folge dir sogleich!—Was werde ich ihr sagen?—Wo das Herz reden darf, braucht es keiner Vorbereitung.—Das einzige möchte eine studierte Wendung bedürfen: ihre Zurückhaltung, ihre Bedenklichkeit, sich als unglücklich in meine Arme zu werfen; ihre Beflissenheit, mir ein Glück vorzuspiegeln, das sie durch mich verloren hat. Dieses Mißtrauen in meine Ehre, in ihren eigenen Wert vor ihr selbst zu entschuldigen, vor ihr selbst—Vor mir ist es schon entschuldiget!—Ha! hier kömmt sie.—

5. Szene

(Das Fräulein. Franziska. v. Tellheim.)

Fräulein (im Heraustreten, als ob sie den Major nicht gewahr würde). Der Wagen ist doch vor der Türe, Franziska?—Meinen Fächer!

Tellheim (auf sie zu). Wohin, mein Fräulein?

Fräulein (mit einer affektierten Kälte). Aus, Herr Major.—Ich errate, warum Sie sich nochmals herbemühet haben: mir auch meinen Ring wieder zurückzugeben.—Wohl, Herr Major; haben Sie nur die Güte, ihn der Franziska einzuhändigen.—Franziska, nimm dem Herrn Major den Ring ab! —Ich habe keine Zeit zu verlieren. (Will fort.)

Tellheim (der ihr vortritt). Mein Fräulein!—Ah, was habe ich erfahren, mein Fräulein! Ich war so vieler Liebe nicht wert.

Fräulein

So, Franziska? Du hast dem Herrn Major—

Franziska

Alles entdeckt.

Tellheim. Zürnen Sie nicht auf mich, mein Fräulein. Ich bin kein Verräter. Sie haben um mich in den Augen der Welt viel verloren, aber nicht in den meinen. In meinen Augen haben Sie unendlich durch diesen Verlust gewonnen. Er war Ihnen noch zu neu; Sie fürchteten, er möchte einen allzu nachteiligen Eindruck auf mich machen; Sie wollten mir ihn vors erste verbergen. Ich beschwere mich nicht über dieses Mißtrauen. Es entsprang aus dem Verlangen, mich zu erhalten. Dieses Verlangen ist mein Stolz! Sie fanden mich selbst unglücklich; und Sie wollten Unglück nicht mit Unglück häufen. Sie konnten nicht vermuten, wie sehr mich Ihr Unglück über das meinige hinaussetzen würde.

Fräulein Alles recht gut, Herr Major! Aber es ist nun einmal geschehen. Ich habe Sie Ihrer Verbindlichkeit erlassen; Sie haben durch Zurücknehmung des Ringes—

Tellheim

In nichts gewilliget!—Vielmehr halte ich mich jetzt für gebundener als jemals.—Sie sind die Meinige, Minna, auf ewig die Meinige.

(Zieht den Ring heraus.) Hier, empfangen Sie es zum zweiten Male, das Unterpfand meiner Treue—

Fräulein

Ich diesen Ring wiedernehmen? diesen Ring?

Tellheim

Ja, liebste Minna, ja!

Fräulein

Was muten Sie mir zu? diesen Ring?

Tellheim Diesen Ring nahmen Sie das erstemal aus meiner Hand, als unser beider Umstände einander gleich und glücklich waren. Sie sind nicht mehr glücklich, aber wiederum einander gleich. Gleichheit ist immer das festeste Band der Liebe.—Erlauben Sie, liebste Minna!—(Ergreift ihre Hand, um ihr den Ring anzustecken.)

Fräulein Wie? mit Gewalt, Herr Major?—Nein, da ist keine Gewalt in der Welt, die mich zwingen soll, diesen Ring wieder anzunehmen!—Meinen Sie etwa, daß es mir an einem Ringe fehlt?—Oh, Sie sehen ja wohl (auf ihren Ring zeigend), daß ich hier noch einen habe, der Ihrem nicht das geringste nachgibt?—

Franziska

Wenn er es noch nicht merkt!—

Tellheim (indem er die Hand des Fräuleins fahren läßt). Was ist das?—Ich sehe das Fräulein von Barnhelm, aber ich höre es nicht.—Sie zieren sich, mein Fräulein.—Vergeben Sie, daß ich Ihnen dieses Wort nachbrauche.

Fräulein (in ihrem wahren Tone). Hat Sie dieses Wort beleidiget, Herr, Major?

Tellheim

Es hat mir weh getan.

Fräulein (gerührt). Das sollte es nicht, Tellheim.—Verzeihen Sie mir, Tellheim.

Tellheim Ha, dieser vertrauliche Ton sagt mir, daß Sie wieder zu sich kommen, mein Fräulein, daß Sie mich noch lieben, Minna.—

Franziska (herausplatzend). Bald wäre der Spaß auch zu weit gegangen.—

Fräulein (gebieterisch). Ohne dich in unser Spiel zu mengen, Franziska, wenn ich bitten darf!

Franziska (beiseite und betroffen). Noch nicht genug?

Fräulein Ja, mein Herr, es wäre weibliche Eitelkeit, mich kalt und höhnisch zu stellen. Weg damit! Sie verdienen es, mich ebenso wahrhaft zu finden, als Sie selbst sind.—Ich liebe Sie noch, Tellheim, ich liebe Sie noch, aber demohngeachtet—

Tellheim Nicht weiter, liebste Minna, nicht weiter! (Ergreift ihre Hand nochmals, ihr den Ring anzustecken.)

Fräulein

(die ihre Hand zurückzieht). Demohngeachtet—um so viel mehr werde ich dieses nimmermehr geschehen lassen; nimmermehr!—Wo denken Sie hin, Herr Major?—Ich meinte, Sie hätten an Ihrem eigenen Unglücke genug.– Sie müssen hierbleiben; Sie müssen sich die allervollständigste Genugtuung—ertrotzen. Ich weiß in der Geschwindigkeit kein ander Wort.—Ertrotzen—und sollte Sie auch das äußerste Elend, vor den Augen Ihrer Verleumder, darüber verzehren!

Tellheim So dacht' ich, so sprach ich, als ich nicht wußte, was ich dachte und sprach. Ärgernis und verbissene Wut hatten meine ganze Seele umnebelt; die Liebe selbst in dem vollesten Glanze des Glückes konnte sich darin nicht Tag schaffen. Aber sie sendet ihre Tochter, das Mitleid, die, mit dem finstern Schmerze vertrauter, die Nebel zerstreuet und alle Zugänge meiner Seele den Eindrücken der Zärtlichkeit wiederum öffnet. Der Trieb der Selbsterhaltung erwacht, da ich etwas Kostbarers zu erhalten habe als mich und es durch mich zu erhalten habe. Lassen Sie mich, mein Fräulein, das Wort Mitleid nicht beleidigen. Von der unschuldigen Ursache unsers Unglücks können wir es ohne Erniedrigung hören. Ich bin diese Ursache; durch mich, Minna, verlieren Sie Freunde und Anverwandte, Vermögen und Vaterland. Durch mich, in mir müssen Sie alles dieses wiederfinden, oder ich habe das Verderben der Liebenswürdigsten Ihres Geschlechts auf meiner Seele. Lassen Sie mich keine Zukunft denken, wo ich mich selbst hassen müßte. —Nein, nichts soll mich hier länger halten. Von diesem Augenblicke an will ich dem Unrechte, das mir hier widerfährt, nichts als Verachtung entgegensetzen. Ist dieses Land die Welt? Geht hier allein die Sonne auf? Wo darf ich nicht hinkommen? Welche Dienste wird man mir verweigern? Und müßte ich sie unter dem entferntesten Himmel suchen: folgen Sie mir nur getrost, liebste Minna; es soll uns an nichts fehlen.—Ich habe einen Freund, der mich gern unterstützet.

6. Szene

(Ein Feldjäger. v. Tellheim. Das Fräulein. Franziska.)

Franziska (indem sie den Feldjäger gewahr wird). St! Herr Major—

Tellheim (gegen den Feldjäger). Zu wem wollen Sie?

Feldjäger

Ich suche den Herrn Major von Tellheim.—Ah, Sie sind es ja selbst.

Mein Herr Major, dieses königliche Handschreiben (das er aus seiner Brieftasche nimmt) habe ich an Sie zu übergeben.

Tellheim

An mich?

Feldjäger

Zufolge der Aufschrift—

Fräulein

Franziska, hörst du?—Der Chevalier hat doch wahr geredet!

Feldjäger (indem Tellheim den Brief nimmt). Ich bitte um Verzeihung, Herr Major; Sie hätten es bereits gestern erhalten sollen, aber es ist mir nicht möglich gewesen, Sie auszufragen. Erst heute auf der Parade habe ich Ihre Wohnung von dem Leutnant Riccaut erfahren.

Franziska Gnädiges Fräulein, hören Sie?—Das ist des Chevaliers Minister.—"Wie heißen der Minister da drauß auf die breite Platz?"—

Tellheim

Ich bin Ihnen für Ihre Mühe sehr verbunden.

Feldjäger

Es ist meine Schuldigkeit, Herr Major. (Geht ab.)

7. Szene

(v. Tellheim. Das Fräulein. Franziska.)

Tellheim

Ah, mein Fräulein, was habe ich hier? Was enthält dieses Schreiben?

Fräulein.

Ich bin nicht befugt, meine Neugierde so weit zu erstrecken.

Tellheim Wie? Sie trennen mein Schicksal noch von dem Ihrigen?—Aber warum steh ich an, es zu erbrechen?—Es kann mich nicht unglücklicher machen, als ich bin; nein, liebste Minna, es kann uns nicht unglücklicher machen—wohl aber glücklicher!—Erlauben Sie, mein Fräulein! (Erbricht und lieset den Brief, indes daß der Wirt an die Szene geschlichen kömmt.)

8. Szene

(Der Wirt. Die Vorigen.)

Wirt (gegen die Franziska). Bst! mein schönes Kind! auf ein Wort!

Franziska (die sich ihm nähert). Herr Wirt?—Gewiß, wir wissen selbst noch nicht, was in dem Briefe steht.

Wirt

Wer will vom Briefe wissen?—Ich komme des Ringes wegen. Das gnädige Fräulein muß mir ihn gleich wiedergeben. Just ist da, er soll ihn wieder einlösen.

Fräulein (das sich indes gleichfalls dem Wirte genähert). Sagen Sie Justen nur, daß er schon eingelöset sei; und sagen Sie ihm nur, von wem; von mir.

Wirt

Aber—

Fräulein

Ich nehme alles auf mich; gehen Sie doch! (Der Wirt geht ab.)

9. Szene

(v. Tellheim. Das Fräulein. Franziska.)

Franziska

Und nun, gnädiges Fräulein, lassen Sie es mit dem armen Major gut sein.

Fräulein Oh, über die Vorbitterin! Als ob der Knoten sich nicht von selbst bald lösen müßte.

Tellheim (nachdem er gelesen, mit der lebhaftesten Rührung). Ha! er hat sich auch hier nicht verleugnet!—Oh, mein Fräulein, welche Gerechtigkeit!– welche Gnade!—Das ist mehr, als ich erwartet!—Mehr, als ich verdiene! —Mein Glück, meine Ehre, alles ist wiederhergestellt!—Ich träume doch nicht? (Indem er wieder in den Brief sieht, als um sich nochmals zu überzeugen.) Nein, kein Blendwerk meiner Wünsche!—Lesen Sie selbst, mein Fräulein, lesen Sie selbst!

Fräulein

Ich bin nicht so unbescheiden, Herr Major.

Tellheim Unbescheiden? Der Brief ist an mich, an Ihren Tellheim, Minna. Er enthält—was Ihnen Ihr Oheim nicht nehmen kann. Sie müssen ihn lesen; lesen Sie doch!

Fräulein Wenn Ihnen ein Gefalle damit geschieht, Herr Major—(Sie nimmt den Brief und lieset.) ("Mein lieber Major von Tellheim!) Ich tue Euch zu wissen, daß der Handel, der mich um Eure Ehre besorgt machte, sich zu Eurem Vorteil aufgekläret hat. Mein Bruder war des nähern davon unterrichtet, und sein Zeugnis hat Euch für mehr als unschuldig erkläret. Die Hofstaatskasse hat Ordre, Euch den bewußten Wechsel wieder auszuliefern und die getanen Vorschüsse zu bezahlen; auch habe ich befohlen, daß alles, was die Feldkriegskassen wider Eure Rechnungen urgieren, niedergeschlagen werde. Meldet mir, ob Euch Eure Gesundheit erlaubet, wieder Dienste zu nehmen. Ich möchte nicht gern einen Mann von Eurer Bravour und Denkungsart entbehren. Ich bin Euer wohlaffektionierter König" etc.

Tellheim

Nun, was sagen Sie hierzu, mein Fräulein?

Fräulein (indem sie den Brief wieder zusammenschlägt und zurückgibt). Ich? Nichts.

Tellheim

Nichts?

Fräulein

Doch ja: daß Ihr König, der ein großer Mann ist, auch wohl ein guter Mann sein mag.—Aber was geht mich das an? Er ist nicht mein König.

Tellheim

Und sonst sagen Sie nichts? Nichts in Rücksicht auf uns selbst?

Fräulein

Sie treten wieder in seine Dienste; der Herr Major wird Oberstleutnant, Oberster vielleicht. Ich gratuliere von Herzen.

Tellheim Und Sie kennen mich nicht besser?—Nein, da mir das Glück so viel zurückgibt, als genug ist, die Wünsche eines vernünftigen Mannes zu befriedigen, soll es einzig von meiner Minna abhangen, ob ich sonst noch jemanden wieder zugehören soll als ihr. Ihrem Dienste allein sei mein ganzes Leben gewidmet! Die Dienste der Großen sind gefährlich und lohnen der Mühe, des Zwanges, der Erniedrigung nicht, die sie kosten. Minna ist keine von den Eiteln, die in ihren Männern nichts als den Titel und die Ehrenstelle lieben. Sie wird mich um mich selbst lieben; und ich werde um sie die ganze Welt vergessen. Ich ward Soldat aus Parteilichkeit, ich weiß selbst nicht für welche politische Grundsätze, und aus der Grille, daß es für jeden ehrlichen Mann gut sei, sich in diesem Stande eine Zeitlang zu versuchen, um sich mit allem, was Gefahr heißt, vertraulich zu machen und Kälte und Entschlossenheit zu lernen. Nur die äußerste Not hätte mich zwingen können, aus diesem Versuche eine Bestimmung, aus dieser gelegentlichen Beschäftigung ein Handwerk zu machen. Aber nun, da mich nichts mehr zwingt, nun ist mein ganzer Ehrgeiz wiederum einzig und allein, ein ruhiger und zufriedener Mensch zu sein. Der werde ich mit Ihnen, liebste Minna, unfehlbar werden; der werde ich in Ihrer Gesellschaft unveränderlich bleiben.—Morgen verbinde uns das heiligste Band; und sodann wollen wir um uns sehen und wollen in der ganzen weiten bewohnten Welt den stillsten, heitersten, lachendsten Winkel suchen, dem zum Paradiese nichts fehlt als ein glückliches Paar. Da wollen wir wohnen; da soll jeder unserer Tage—Was ist Ihnen, mein Fräulein? (Die sich unruhig hin und her wendet und ihre Rührung zu verbergen sucht.)

Fräulein (sich fassend). Sie sind sehr grausam, Tellheim, mir ein Glück so reizend darzustellen, dem ich entsagen muß. Mein Verlust—

Tellheim Ihr Verlust?—Was nennen Sie Ihren Verlust? Alles, was Minna verlieren konnte, ist nicht Minna. Sie sind noch das süßeste, lieblichste, holdseligste, beste Geschöpf unter der Sonne, ganz Güte und Großmut, ganz Unschuld und Freude!—Dann und wann ein kleiner Mutwille; hier und da ein wenig Eigensinn—Desto besser! desto besser! Minna wäre sonst ein Engel, den ich mit Schaudern verehren müßte, den ich nicht lieben könnte. (Ergreift ihre Hand, sie zu küssen.)

Fräulein (die ihre Hand zurückzieht). Nicht so, mein Herr!—(Wie auf einmal so verändert?—Ist dieser schmeichelnde, stürmische Liebhaber der kalte Tellheim?—Konnte nur sein wiederkehrendes Glück ihn in dieses Feuer setzen?—Er erlaube mir, daß ich bei seiner fliegenden Hitze für uns beide Überlegung behalte.—Als er selbst überlegen konnte, hörte ich ihn sagen, es sei eine nichtswürdige Liebe, die kein Bedenken trage, ihren Gegenstand der Verachtung auszusetzen.—Recht, aber ich bestrebe mich einer ebenso reinen und edeln Liebe als er.—Jetzt, da ihn die Ehre ruft, da sich ein großer Monarch um ihn bewirbt, sollte ich zugeben, daß er sich verliebten Träumereien mit mir überließe? daß der ruhmvolle Krieger in einen tändelnden Schäfer ausarte?—Nein, Herr Major, folgen Sie dem Wink Ihres bessern Schicksals—)

Tellheim Nun wohl! Wenn Ihnen die große Welt reizender ist, Minna—wohl! so behalte uns die große Welt!—Wie klein, wie armselig ist diese große Welt!—Sie kennen sie nur erst von ihrer Flitterseite. Aber gewiß, Minna, Sie werden—Es sei! Bis dahin, wohl! Es soll Ihren Vollkommenheiten nicht an Bewundrern fehlen, und meinem Glücke wird es nicht an Neidern gebrechen.

Fräulein

Nein, Tellheim, so ist es nicht gemeint! Ich weise Sie in die große Welt, auf die Bahn der Ehre zurück, ohne Ihnen dahin folgen zu wollen.

–Dort braucht Tellheim eine unbescholtene Gattin! Ein sächsisches verlaufenes Fräulein, das sich ihm an den Kopf geworfen—

Tellheim (auffahrend und wild um sich sehend). Wer darf so sprechen?—Ah, Minna, ich erschrecke vor mir selbst, wenn ich mir vorstelle, daß jemand anders dieses gesagt hätte als Sie. Meine Wut gegen ihn würde ohne Grenzen sein.

Fräulein Nun da! Das eben besorge ich. Sie würden nicht die geringste Spötterei über mich dulden, und doch würden Sie täglich die bittersten einzunehmen haben.—Kurz, hören Sie also, Tellheim, was ich fest beschlossen, wovon mich nichts in der Welt abbringen soll—

Tellheim Ehe Sie ausreden, Fräulein—ich beschwöre Sie, Minna!—überlegen Sie es noch einen Augenblick, daß Sie mir das Urteil über Leben und Tod sprechen!—

Fräulein Ohne weitere Überlegung!—So gewiß ich Ihnen den Ring zurückgegeben, mit welchem Sie mir ehemals Ihre Treue verpflichtet, so gewiß Sie diesen nämlichen Ring zurückgenommen: so gewiß soll die unglückliche Barnhelm die Gattin des glücklichern Tellheims nie werden!

Tellheim

Und hiermit brechen Sie den Stab, Fräulein?

Fräulein Gleichheit ist allein das feste Band der Liebe.—Die glückliche Barnhelm wünschte, nur für den glücklichen Tellheim zu leben. Auch die unglückliche Minna hätte sich endlich überreden lassen, das Unglück ihres Freundes durch sich, es sei zu vermehren oder zu lindern. —Er bemerkte es ja wohl, ehe dieser Brief ankam, der alle Gleichheit zwischen uns wieder aufhebt, wie sehr zum Schein ich mich nur noch weigerte.

Tellheim Ist das wahr, mein Fräulein?—Ich danke Ihnen, Minna, daß Sie den Stab noch nicht gebrochen.—Sie wollen nur den unglücklichen Tellheim? Er ist zu haben. (Kalt.) Ich empfinde eben, daß es mir unanständig ist, diese späte Gerechtigkeit anzunehmen, daß es besser sein wird, wenn ich das, was man durch einen so schimpflichen Verdacht entehrt hat, gar nicht wiederverlange.—Ja, ich will den Brief nicht bekommen haben. Das sei alles, was ich darauf antworte und tue! (Im Begriffe, ihn zu zerreißen.)

Fräulein (das ihm in die Hände greift). Was wollen Sie, Tellheim?

Tellheim

Sie besitzen.

Fräulein

Halten Sie!

Tellheim Fräulein, er ist unfehlbar zerrissen, wenn Sie nicht bald sich anders erklären.—Alsdann wollen wir doch sehen, was Sie noch wider mich einzuwenden haben!

Fräulein Wie? In diesem Tone?—So soll ich, so muß ich in meinen eigenen Augen verächtlich werden? Nimmermehr! Es ist eine nichtswürdige Kreatur, die sich nicht schämet, ihr ganzes Glück der blinden Zärtlichkeit eines Mannes zu verdanken!

Tellheim

Falsch, grundfalsch!

Fräulein

Wollen Sie es wagen, Ihre eigene Rede in meinem Munde zu schelten?

Tellheim Sophistin! So entehrt sich das schwächere Geschlecht durch alles, was dem stärkern nicht ansteht? So soll sich der Mann alles erlauben, was dem Weibe geziemet? Welches bestimmte die Natur zur Stütze des andern?

Fräulein Beruhigen Sie sich, Tellheim!—Ich werde nicht ganz ohne Schutz sein, wenn ich schon die Ehre des Ihrigen ausschlagen muß. So viel muß mir immer noch werden, als die Not erfordert. Ich habe mich bei unserm Gesandten melden lassen. Er will mich noch heute sprechen. Hoffentlich wird er sich meiner annehmen. Die Zeit verfließt. Erlauben Sie, Herr Major—

Tellheim

Ich werde Sie begleiten, gnädiges Fräulein.—

Fräulein

Nicht doch, Herr Major, lassen Sie mich—

Tellheim Eher soll Ihr Schatten Sie verlassen! Kommen Sie nur, mein Fräulein, wohin Sie wollen, zu wem Sie wollen. Überall, an Bekannte und Unbekannte, will ich es erzählen, in Ihrer Gegenwart des Tages hundertmal erzählen, welche Bande Sie an mich verknüpfen, aus welchem grausamen Eigensinne Sie diese Bande trennen wollen—

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01 lipca 2019
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