Czytaj książkę: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 636»

Czcionka:

Impressum

© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-96688-050-3

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Fred McMason

Ein Don wird ausgetrickst

Hasards Plan ist genial – die Spanier werden überrumpelt

Was der Bund der Korsaren an jenem sonnigen Tag auf dem Stützpunkt in Great Abaco beschlossen hatte, war genial und verwegen, aber auch ein bißchen verrückt. So konnte man es ruhig nennen. Es war die Idee des Seewolfs gewesen, der den Vorschlag mit der größten Selbstverständlichkeit dem Bund der Korsaren unterbreitet hatte.

Durch Arne von Manteuffel und dem Türken Jussuf war bekanntgeworden, daß am 25. September 1598 ein spanischer Konvoi in See ging. Es waren elf Galeonen, mit Gold, Silber und Kleinodien aus der Neuen Welt bis an die Halskrause beladen. Dieser ungeheure Schatz war für Seine Majestät, Philipp III., neuer König von Spanien, bestimmt. Der Konvoi lief unter größter Geheimhaltung auf einem geheimen Kurs …

Philip Hasard Killigrew hatte nicht mehr und nicht weniger vor, als diesen ungeheuren Schatz der Königin von England zu bringen …

Die Hauptpersonen des Romans:

Don Ricardo de Mauro y Avila – der spanische Generalkapitän ist so mißtrauisch, daß er seine Finger nachzählt, wenn ihm jemand die Hand gegeben hat.

Miguel Salcho – der Erste Offizier ist nicht von adeligem Geblüt und wird daher von Don Ricardo meist übersehen.

Bernardo de Murcia – der Zweite Offizier nutzt das weidlich aus, aber zum Ersten Offizier fehlen ihm die Qualitäten.

Dan O’Flynn – wird zweimal als Späher eingesetzt und meldet interessante Neuigkeiten.

Philip Hasard Killigrew – bereitet sich darauf vor, als spanischer Kriegsschiff-Kommandant aufzutreten.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

„Zunächst einmal“, sagte Hasard, „müssen wir Details und genaue Einzelheiten über den Konvoi herausfinden. Dazu gehören auch die Namen aller Schiffe. Je mehr Informationen man über seinen Gegner hat, desto besser kriegt man ihn auch in den Griff.“

Sie saßen in Hasards Kammer. Jean Ribault, Arne von Manteuffel, Ben Brighton, Don Juan de Alcazar und Dan O’Flynn.

Die „Wappen von Kolberg“, die „Isabella IX.“ und die Schebecke der Arwenacks segelten auf Rufweite zusammen.

Der Himmel war strahlend blau, die See nur leicht bewegt, so daß die Kapitäne Ribault und von Manteuffel ihre Schiffe schon mal kurzfristig verlassen konnten, zumal sie sie in guten Händen wußten. Außerdem war weit und breit das Meer wie leergefegt.

Die Begegnung mit dem spanischen Kriegsschiff lag hinter ihnen. Sie hatten es in Grund und Boden geschossen, um das heikle Unternehmen nicht zu gefährden.

„Der Konvoi dürfte etwa zwei Tage Vorsprung haben“, sagte der Franzose Jean Ribault. „Höchstens zweieinhalb Tage. Für uns ist es also kein Problem, ihn auf einem anderen Kurs zu überholen. Allerdings kriegen wir so die Namen der Begleitschiffe nicht heraus.“

„Ich dachte an ein kleines Kommando unter Dan“, meinte Hasard. „Zwei, drei Männer werden, als Fischer getarnt, in einer Jolle abgesetzt und spielen die Kundschafter. Es wird ganz harmlos aussehen. Sie fungieren sozusagen als Spione und kundschaften eben alles aus, was wir wissen wollen. Ein paar Namen sind uns bekannt. Wir kennen auch den Generalkapitän Don Ricardo de Mauro y Avila und sogar den Kommandanten der Kriegs-Galeone ‚Casco de la Cruz‘ in Teneriffa, den ehrenwerten Don Julio de Vilches, dessen Rolle ich später übernehmen werde, wenn alles klappt.“

Ribault, der verwegene Draufgänger, grinste ein bißchen.

„Ein Raid ganz nach meinem Geschmack“, verkündete er, „obwohl er mehr als riskant ist. Oder gerade deshalb“, fügte er hinzu. „Es sind die vielen Unwägbarkeiten, die mich reizen, die Rollen, die wir spielen, und wie wir notfalls improvisieren müssen.“

„Weil wir gerade bei den Rollen sind“, sagte Hasard. „Die hellhaarigen Männer müssen sich noch die Haare färben. Mac Pellew wird das mit Henna besorgen, darin ist er ein Künstler. Das gilt natürlich leider auch für dich, Arne.“

Von Manteuffel seufzte ein bißchen.

„Vermutlich wird man uns dann nicht mehr voneinander unterscheiden können. Wenn die Dons dann noch die Zwillinge sehen, glauben sie sicher an Gespenster. Vier Leute, die sich so ähnlich sehen wie ein Ei dem anderen.“

„Vier Seewölfe“, sagte Hasard lachend. „Dann werden die Dons ja endlich einmal genug kriegen.“

„Die Rollenverteilung müssen wir auch noch festlegen“, meinte Dan O’Flynn. „Natürlich wieder als Dons verkleidet, anders ist es wohl nicht möglich.“

Hasard nickte flüchtig.

„Es gibt noch eine Menge Kleinkram und Dinge zu erledigen, die auf den ersten Blick gar nicht so wichtig erscheinen. Was wir brauchen, sind vor allem gefälschte Unterlagen mit möglichst vielen Siegeln. Die Dons wollen Papiere sehen. Ohne derartige Unterlagen können wir das Unternehmen gleich aufstecken.“

„Wir haben eine Menge Pergamente und Siegel erbeutet“, sagte Ben Brighton. „Damit ließe sich doch etwas anfangen. Einen hervorragenden Mann für solche Sachen haben wir ebenfalls an Bord.“

„Wen meinst du damit?“

„Den Kutscher.“

„Wußte gar nicht, daß der das kann“, sagte Hasard verblüfft.

„Oh, darin ist er ein Meister.“

„Dann werde ich dem Kutscher dabei helfen“, sagte Arne von Manteuffel. „Ich weiß genau, welche Papiere bei den Spaniern gebraucht werden. In meinem Kontor sind einige davon über meinen Tisch gegangen, und ich habe sie sorgfältig studiert. Wir haben auch noch ein paar spanische Siegel an Bord.“

Der Kutscher wurde geholt und eingeweiht. Er wirkte ein bißchen verlegen, als Hasard ihn fragte, woher er das könne.

„Es ist mir peinlich, Sir. Aber deine Söhne haben mich mal in die Kunst eingeweiht. Sie haben das bei der Gauklertruppe und bei Meister Kaliban gesehen.“

Der Seewolf hüstelte dezent in die hohle Hand.

„Ah ja“, sagte er. „Nun, was man so alles lernt im Leben …“

Leises Gelächter tönte durch die Kammer. Sie hoben die Gläser und tranken sich zu. Weitere Einzelheiten wurden besprochen, auf eine Liste geschrieben und später noch einmal sorgfältig durchgegangen.

Es war wirklich unglaublich viel zu berücksichtigen. Kein einziger, kleiner Fehler durfte passieren, sonst landeten sie in des Teufels Küche.

„Haben wir uns damit nicht ein bißchen übernommen?“ fragte Ben zweifelnd, als alles noch einmal durchgesprochen wurde. „Es sind immerhin elf Galeonen mit elf Kapitänen, die auch nicht gerade auf den Kopf gefallen sein werden. Dann haben wir noch das Problem mit der sicherlich schwerarmierten Kriegs-Galeone. Versteht mich richtig: Ich denke nur noch einmal sehr gründlich darüber nach. Diese schwimmende Festung zu knacken, dürfte wohl der größte Brocken sein. Das Für und Wider muß sehr sorgfältig abgewogen werden.“

„Das schätze ich an dir auch so“, sagte Hasard. „Du reagierst nicht spontan, sondern denkst immer gründlich über jede Einzelheit nach. Es ist taktisch klug, wenn jemand nach den Schwachpunkten sucht, denn gerade die sind es, die uns den Hals brechen können.“

„Der Schwachpunkt ist die gewaltige Lüge, die wir den Dons auftischen müssen.“

„Sehr richtig, aber je größer die Lüge, desto glaubwürdiger wirkt sie schließlich. Das ist eine alte Tatsache.“

„Ja, das stimmt. Ich überlege mir noch ein paar einzelne Punkte genau, ob ich irgendwo einen Haken finde. Hast du daran gedacht, daß sich die beiden Kapitäne persönlich kennen können? Die Möglichkeit ist nicht auszuschließen. Ich meine jetzt den Generalkapitän und den anderen der Kriegs-Galeone.“

„Wenn das der Fall ist, sitzen wir in Santa Cruz natürlich hoffnungslos in der Falle“, erwiderte der Seewolf. „Aber es wäre doch ziemlich unwahrscheinlich.“

„Trotzdem ein Schwachpunkt, von dem alles abhängt.“

„Ohne ein kleines Risiko schaufelt man kein Vermögen, jedenfalls nicht auf diese Art.“

„Ich habe schließlich für den großen Raid gestimmt und nicht dagegen“, sagte Ben ruhig. „Ich suche nur nach Fehlern. Schließlich wollen wir das ja richtig und exakt durchziehen.“

Ben fand noch einige weitere Schwachpunkte, die anschließend besprochen wurden.

Zwei Stunden später trennten sie sich. Es würde noch weitere Besprechungen geben. Aber jetzt sollte erst einmal der Geleitzug ausgekundschaftet werden.

Die kleine Jolle hatte zur Tarnung ein Netz ausgehängt. Auf den Duchten hockten Dan O’Flynn, Luke Morgan und Blacky. Ihre Oberkörper waren nackt und von der Sonne verbrannt. Sie trugen nur Leinenhosen und warteten auf den Geleitzug. Dan selbst hatte ausgerechnet, daß er hier in der Nähe vorbeisegeln mußte, wenn die Koordinaten stimmten, die sie aus Havanna durch den Türken Jussuf erhalten hatten. Sogar den Zeitpunkt hatte Dan vorherbestimmt. Er würde darauf wetten, daß es bestenfalls eine Stunde Differenz gab.

Gestern nacht hatten sie den Konvoi überholt und waren an ihm vorbeigesegelt, allerdings in einer solchen Entfernung, daß von Bord der drei Schiffe nur noch ganz schwach Licht der Hecklaternen zu erkennen war. Sie selbst hatten verständlicherweise keine Lichter gesetzt.

Jetzt lauerten die drei Schiffe versteckt in der Bucht einer winzigen Bahama-Insel, wo sie nicht entdeckt werden konnten.

Der Konvoi konnte mit den leeren Schiffen nicht mithalten. Sie waren mindestens dreimal so schnell. Hasard hatte verkündet, daß es unterwegs ein ständiges Katz-und-Maus-Spiel geben würde, weil sie immer wieder den Kurs der elf Schatzschiffe überprüfen mußten. Das mußte sehr umsichtig und feinfühlig geschehen, damit die Dons nicht merkten, welche Laus sich in ihren Pelz verbissen hatte.

Blacky zuckte zusammen, als es in dem Netz zu zappeln begann. Ein ziemlich großer Brocken schien sich darin auszutoben.

„He!“ rief er überrascht. „Da denkt man an nichts, und schon hat man was gefangen. Los, wir holen das Netz ein.“

Mit einem Fang hatte selbst Dan nicht gerechnet. Es war auch gar nicht vorgesehen, daß sie Fische fingen. Schließlich waren sie als Beobachter und Kundschafter eingesetzt.

„Immerhin bringt das Abwechslung in die Kombüse“, meinte Dan und half mit, das Netz einzuholen.

Dann staunten sie nicht schlecht, als das Netz an Bord war. In ihm befanden sich zwei riesige Zackenbarsche und ein Tintenfisch, der gerade eine schwarze Wolke abließ. Die beiden Barsche wogen gut und gerne ihre dreißig Pfund.

„Eine angenehme Überraschung“, sagte Luke anerkennend. „Darüber wird sich der Kutscher aber freuen, die anderen natürlich auch.“

Blacky tötete die Fische und nahm sie aus. Mit dem großen Tintenfisch hatte er allerdings Pech. Der schlang ihm in einer keinesfalls liebevollen Umarmung gleich vier Tentakel um den Hals und hielt sich fest. Als Luke ihm zu Hilfe eilen wollte, wurde er ebenfalls umschlungen. Der Tintenfisch hatte Angst und ließ nicht mehr locker.

„Verflucht noch mal!“ schrie Blacky angstvoll. „Schafft mir das Vieh vom Hals, der krallt sich immer fester!“

Ein bitterböser Blick traf Dan O’Flynn, als der zu grinsen begann.

„Ihr seid vielleicht Fischer“, sagte er. „Wenn das die anderen sehen könnten.“

Blacky begann einen einsamen Kampf mit dem Oktopus. Luke war es gelungen einen der Tentakel abzustreifen. Der glitt von ihm ab und suchte wieder bei Blacky Halt, der jetzt wütend zu toben begann.

Die Jolle schwankte immer stärker, und noch bevor Dan O’Flynn etwas unternehmen konnte, ging Blacky mit einem Aufschrei über Bord. Er und der etwas mehr als kopfgroße Tintenfisch fielen in inniger Umarmung ins Wasser.

Dan O’Flynn lachte noch lauter. Die Szene war einfach zu köstlich.

Luke beugte sich über das Dollbord, um nach Blacky zu sehen. Auch er grinste jetzt fast schadenfroh.

Aber dann tauchte Blacky wieder auf – ohne Tintenfisch, ächzend und prustend und mit böse rollenden Augen.

Sie zogen ihn an Bord.

„Dieses schleimige Mistvieh!“ rief er grollend. „Das ist mir auch noch nie passiert. In meinem ganzen Leben fresse ich keinen Tintenfisch mehr.“ Wütend warf er wieder das Netz aus, und etwas später hatten sie wieder zwei buntschillernde Fische gefangen.

Das ging fast eine Stunde so, dann unterbrach Dan die Arbeit.

„Der Konvoi ist im Anmarsch“, sagte er.

„Wo? Ich sehe nichts.“

„An der Kimm in Westnordwest. Die Mastspitzen sind kaum zu sehen, aber das sind die Dons. Scheinen recht langsam durch die See zu törnen.“

Luke und Blacky sahen immer noch nichts. Doch wenn Dan behauptete, da seien Mastspitzen, dann waren da auch welche. Erst durch das Spektiv konnten sie etwas erkennen.

„Ja, es sind einige Schiffe“, gab Blacky schließlich zu. „Es muß sich um den Geleitzug handeln.“

Sie gaben weiter vor, Fische zu fangen und waren immer wieder erstaunt, daß ihnen auch welche ins Netz gingen. Wenn sie ganz bewußt auf Fischfang gegangen wären, hätten sie vermutlich keine gefangen.

Der Konvoi näherte sich sehr langsam. Nach einer halben Stunde waren die Schiffe bereits mit bloßem Auge zu erkennen. Es ließ sich auch erkennen, daß es etwa neun waren. Erst nach einer weiteren halben Stunde zählten sie elf.

Die Galeonen waren tief abgeladen und zockelten wie eine Herde dahin, die dem Leithammel folgt. Dieser Leithammel allerdings verließ öfter mal seinen Kurs, um den Geleitzug zu überwachen. Nach längerer Zeit setzte sich das Flaggschiff wieder an die Spitze. So ähnlich waren auch die Arwenacks verfahren, als sie die Siedler über den Atlantik in die Neue Welt gebracht hatten. Hasard hatte es allerdings vorgezogen, meist achteraus des Konvois zu bleiben, weil er dort einen besseren Überblick hatte.

Dan vergewisserte sich noch einmal, ob die Schiffe vom Bund der Korsaren von See aus auch nicht entdeckt werden konnten. Sehr sorgfältig suchte er mit dem Kieker den im Süden liegenden winzigen Landstrich der Insel ab. Nichts war zu sehen, nicht einmal die Andeutung einer Mastspitze. Vom Konvoi aus, der noch höher im Norden segelte, würde man erst recht nichts sehen können.

Ewigkeiten schienen zu vergehen, bis alles klar und deutlich zu erkennen war. Der Konvoi würde sie in einer Entfernung von etwa drei Kabellängen passieren. Dicht genug für Dan O’Flynn, nach allen Einzelheiten zu peilen.

„Das dort vorn ist das Flaggschiff“, sagte er. „Den Kapitän möchte ich mir gern näher ansehen. Ihr hievt jetzt das Netz hoch, und ich spähe mit dem Kieker durch die Maschen.“

„Woher weißt du, daß ausgerechnet die Galeone das Flaggschiff ist? Sie befindet sich jetzt fast mitten im Konvoi.“

„An dem besonderen Stander am Heck. Außerdem wissen wir, daß das Flaggschiff ‚Salvador‘ heißt. Den Namen habe ich bei einem kleinen Schwenk erkennen können.“

„Was du nicht alles siehst“, brummte Luke. Er und Blacky hievten das Netz hoch und grinsten sich eins, als erneut drei Fische darin zappelten. Sie taten es etwas umständlich, als hätten sie alle Zeit der Welt.

Dan O’Flynn hatte jetzt genau das im Kieker, was er sehen wollte.

„Merkt euch die Namen der Galeonen gut“, riet er, „später kann das von größter Wichtigkeit für uns sein.“

Sie gaben vor, emsig beschäftigt zu sein, während Dan hinter den Maschen des Netzes beobachtete.

„‚Santos los Reyes Mayos‘“, las er vor. „‚Reputación‘ und ‚Nobleza‘. Damit haben wir schon die ersten vier. Merke du dir die Namen, Blacky, die nächsten drei merkt sich Luke, und den Rest übernehme ich.“

„Kein Problem“, sagte Blacky. „Die sind bereits fest verankert.“

„‚Respeto‘, ‚Honestidad‘ und ‚Nuestra Señora de lagrimas‘. Feiner Name, der letzte. Das heißt soviel wie ‚Unsere Frau von den Tränen‘.“

„Habe ich mir gemerkt“, sagte Luke. „Jetzt sind nur noch vier übrig. Ich kann noch ein paar übernehmen.“

„Die drei genügen völlig.“

Die „Salvador“ scherte aus ihrem Kurs und fiel langsam nach achtern ab. Ein paar Segelmanöver wurden ausgeführt. Dan O’Flynn merkte sich jede Einzelheit von der Galeone. Sie hatte vier Kanönchen auf der Steuerbordseite und sechs Drehbassen. Bei den Stücken tippte er auf halbe Colubrine mit einem Geschoßgewicht von zehn Pfund. Vermutlich würden die Dons Steingeschosse verwenden, wie sie es meist taten.

Die nächsten und letzten vier Namen fand er auch schnell heraus. Es waren die „Patricia“, „Fortuna“, „Santa Helena“ und die „Concordia“.

Die „Concordia“ sah alt und vergammelt aus. Sie erweckte den Eindruck, als würde sie kräftig suppen und den über den Atlantik nur mit Mühe und Not überstehen.

Einige andere waren auch nicht gerade neu. Die Spanier boten alles auf, was sie kriegten und noch einigermaßen schwimmfähig war. Wie es an Bord einiger Schiffe selbst aussah, wollte Dan sich gar nicht erst ausmalen. Wahrscheinlich waren die Zustände „unbeschreiblich“.

Aber trotz mancher vergammelter Schiffe segelte dort ein ungeheurer Reichtum über den Atlantik, der zudem nicht mal von Kriegsschiffen gesichert wurde. Vermutlich hatten die Dons keine mehr abstellen können und sich deshalb für die geheime Route entschieden. Sie schienen das Gold dringend zu brauchen, aber bei der hohen Staatsverschuldung war das auch kein Wunder.

Luke und Blacky hantierten mit dem Netz. Für die anderen sah es so aus, als habe es sich verheddert.

Der Kieker von Dan schwenkte zur Seite. Er nahm sich jetzt das Achterdeck vor und betrachtete es genau. Etliche uniformierte Gestalten waren zu erkennen, Offiziere, ein Teniente und ein Läufer, der gerade eine Nachricht nach achtern brachte.

Dan O’Flynn interessierte sich ganz besonders für den Generalkapitän Don Ricardo de Mauro y Avila. Als er das Gesicht des Spaniers sah, begann es um seine Mundwinkel zu zucken.

Es war ein hageres Gesicht, so hager wie der Mann selbst. In dem Gesicht gab es keinen Bart, aber dunkle Bartschatten, die es vom Kinn her fast dunkelblau erscheinen ließ. Die Lippen waren verkniffen und zusammengepreßt, die Mundwinkel verächtlich nach unten gebogen.

Eine Hasenscharte zog sich quer über die Oberlippe nach unten. Es war eine beidseitig angeborene Spaltbildung der Oberlippe, die auch noch die rechte Wange bis fast zur Stirn in Mitleidenschaft zog. Auf den ersten Blick sah es aus, als hätte ihn dort eine Kugel erwischt.

Diese Mißbildung verlieh dem Mann etwas Zynisches und Boshaftes. Außerdem stand in seinem hageren Gesicht allertiefstes Mißtrauen, das sich offenbar gegen jeden und alles richtete. Dieser Don kannte nicht den Begriff Humor und lachte wahrscheinlich nie.

Dan O’Flynn schätzte ihn auf etwa vierzig und dazu sehr übellaunig und mürrisch. Don Ricardo war ein Mensch, dessen Bekanntschaft wahrscheinlich niemand suchte. Dan wäre ihm selbst am liebsten weit aus dem Weg gegangen.

Dementsprechend steif und hölzern standen auch die Kerle auf dem Achterdeck herum. Es wurde kein Wort gesprochen. Die Luft um Don Ricardo herum wirkte eisig. Er verbreitete ein Flair, das ihn wie eine böse Aura umgab.

„Das ist vielleicht ein Kerl“, sagte Dan. „Der Anblick kann einen fast erschrecken. Ehe ich bei dem fahre, würde ich lieber um Heuer in der Hölle nachfragen. Ich bin sicher, daß der Kerl seinen Untergebenen von morgens bis abends was vorquengelt. Ein typischer Ausbund an Boshaftigkeit und Ignoranz. In seinem Gesicht ist das Mißtrauen geradezu ausgeprägt. Der würde nicht einmal seiner eigenen Mutter trauen und sogar noch abstreiten, daß sie ihn geboren hat.“

„Sprichst du von dem Kapitän?“

„Ja, den meine ich, eine bemerkenswerte Person. Dem etwas zu verklaren, dürfte fast unmöglich sein.“

Dan wollte noch etwas sagen, doch in diesem Augenblick blitzte es auf dem Flaggschiff einmal kurz und grell auf.

Don Ricardo hatte mit einer herrischen Bewegung ein Spektiv geordert und setzte es jetzt an.

Er blickte genau auf die Jolle, die als Fischerboot getarnt war. Daraufhin ließ Dan O’Flynn sein Spektiv unauffällig verschwinden und beteiligte sich wieder an der Arbeit.

„Wahrhaftig ein mißtrauischer Kerl“, sagte Luke Morgan. „Der glaubt nicht einmal, daß wir Fischer sind.“

„Der glaubt nicht einmal, daß es Salzwasser gibt“, meinte Dan.

Wieder fiel ein Sonnenstrahl auf das Messinggehäuse des Kiekers und ließ es aufblitzen. Der Kerl, der das personifizierte Mißtrauen war, beäugte sie sehr genau. Nach einem intensiven Blick gab er das Spektiv mürrisch und verbissen zurück.

„Jetzt ist er bestimmt auch nicht viel schlauer geworden“, vermutete Blacky. „Sollen wir verschwinden?“

„Nein, wir bleiben noch und fischen weiter. Zumindest solange sie uns noch sehen können. Wir dürfen nicht den Argwohn dieses Dons erregen. Vielleicht sieht er in uns gar keine Fischer.“

Das Flaggschiff ließ sich noch weiter zurückfallen, bis es mit der Jolle fast auf gleicher Höhe war. Der Konvoi war inzwischen langsam weitergezockelt.

„Don Ricardo“, sagte Dan seufzend, „der Mißtrauische.“

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ISBN:
9783966880503
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