Seewölfe - Piraten der Weltmeere 352

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 352
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Fred McMason











Jean Ribault, der Rächer







Impressum

© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-749-5

Internet:

www.vpm.de

 und E-Mail:

info@vpm.de




Inhalt





Seewölfe Nr. 352







Im Osten der Schlangeninsel ging die Sonne auf. Es war immer wieder ein prachtvoller Anblick, der die Bewohner täglich aufs neue faszinierte, wenn das Meer an der Kimm zu leuchten begann, dann ein Strahlenkranz den bevorstehenden Sonnenaufgang anzeigte und schließlich flüssiges Gold die See überzog.



Einer, der sich dieses prächtige Schauspiel der Natur nie entgehen ließ, war der alte Schiffsbaumeister Hesekiel Ramsgate.



In stiller Andacht stand der weißbärtige Alte auf einem Felsen. Er liebte diese Insel über alles, und er liebte es ganz besonders, frühmorgens hier zu stehen und nichts weiter zu tun, als genußvoll Umschau zu halten.



Dann roch er den Sand in der Bucht und die liebliche Brise, die vom Meer herüberwehte, und fühlte, daß er ein freier Mann war. Es war jedes Mal ein Erlebnis für ihn.



Unbeweglich stand er da, den Blick nach Osten gerichtet und sah auf die hohen Palmen, die gegen die aufgehende Sonne ganz schwarz wirkten.



Die Erde erwacht wieder zum Leben, dachte er. Sie wird neugeboren, jeden Tag einmal. Und dann hauchte die Sonne den Palmen Leben ein und gab ihnen Farbe, und ihre Wedel neigten sich unter der Brise, als wollten sie Gott für den neuen Tag danken.



Seit Ramsgate auf der Schlangeninsel war, glaubte er, um mindestens zwanzig Jahre jünger geworden zu sein. Er fühlte sich frisch und ausgeruht und freute sich auf seine Arbeit unten in der Bucht.



Der obere Teil des Glutballs tauchte aus dem Wasser. Silberne und goldene Arme tasteten nach allen Seiten das Meer ab, berührten es und hauchten ihm faszinierendes Leben ein. Da war ein silbriges Glitzern, ein purpurfarbener Blitz über den Wellen, und dann begann alles zu schimmern wie flüssiges Metall.



Ramsgate schluckte ganz verzaubert. Er hatte die Hände gefaltet und versank in stummer Andacht. Wohlige Wärme umfing ihn, die in seine Glieder drang. Gleichzeitig durchströmte ihn wieder dieses unbeschreibliche Glücksgefühl. Und die Düfte um ihn herum wurden intensiver und verstärkten sich.



Diese Insel war das Paradies, dachte Ramsgate.



Ein Schlurfen und Poltern ganz in seiner Nähe und eine fürchterliche, brüllende Stimme zerhieben diese Romantik jedoch gleich darauf.



„Dachte ich mir doch, daß du hier oben bist“, rief der Wikinger mit seiner dröhnenden Donnerstimme. „Jeden Tag bist du hier, noch bevor der Morgen graut. Was, bei Odin, gibt’s denn hier immer zu glotzen und zu spintisieren, Hesekiel?“



„Glotzen nennst du das? Spintisieren? Ja, siehst du denn nicht all die herrlichen Farben hier, die aufgehende Sonne, die Einmaligkeit eines beginnenden Tages, wenn die Natur sich mit Leben füllt?“



Thorfin Njal blickte den Alten verwundert an.



„Das ist doch nichts Neues“, meinte er, „das passiert jeden Tag. Kann ja auch gar nicht anders sein.“



„Du verstehst das vielleicht nicht“, deutete Ramsgate an.



„Klar, versteh ich das“, brummte Thorfin. „Da geht so’n heißer Ofen an der Kimm auf und überzieht alles mit brüllender Hitze. Und dann tau ich ab wie ein Schneemann. Und am nächsten Tag geht derselbe Scheiß wieder von vorn los. Stell’ dir lieber vor, das hier wäre eine riesige Eisinsel mit viel Schnee und treibenden Eisbergen. Robben und Seehunde schwimmen im kalten Wasser, und jeden Morgen heult ein wilder, beißender Schneesturm darüber weg.“



„Anstatt mir das vorzustellen, sehe ich mich lieber hier um“, sagte Ramsgate. „Dann weiß ich, was ich habe. Auf deiner Eisinsel müßte ich jeden Tag mit stinkenden Fellen herumlaufen, und könnte sie nicht einmal waschen.“



„Braucht man auch nicht“, behauptete der Wikinger. „So ein Fell trägt ein Bär sein Leben lang und wäscht es nie. Und was für einen Bären gut ist, ist auch für mich gut.“



„Dann gib nur acht, daß du nicht auch zur Strecke gebracht wirst wie der Bär“, sagte Ramsgate lächelnd. „Was tust du denn in aller Frühe hier oben?“



Thorfin dachte noch über den zur Strecke gebrachten Bären nach und kratzte sich die Bartstoppeln.



„Auf dem Ratsfelsen findet bei Sonnenaufgang ein Treffen statt. Es müssen Beschlüsse gefaßt werden. Ah, da fällt mir gerade was ein, Hesekiel. Kannst du nicht Old O’Flynns verdammten Torfkahn endlich von der Werft nehmen? Mein Schiff muß aufgeslippt werden. Das ist wichtiger als Donegals verdammter Äppelkahn. Mein Ruder ist nicht in Ordnung. Ich brauche das Schiff heute noch.“



„Erstens“, sagte Ramsgate sauer, „ist das weder ein Torf- noch ein Äppelkahn. Und ich kann dich erst in drei oder vier Tagen aufslippen. Das habe ich dir schon zehn Mal erklärt, und auch die Gründe dafür. Ich kann die ‚Empress of Sea‘ nicht einfach ins Wasser lassen, sie steht kurz vor der Vollendung.“



„Und wenn wir beschließen, die Black Queen und Caligula zu jagen“, brüllte Thorfin, „dann kann ich hier bleiben, was! Ich kann auf meinem Kahn hocken und Däumchen drehen, während die anderen alle davonsegeln.“



„Einer muß ja zur Sicherheit hierbleiben“, meinte Ramsgate bedächtig. „Und du bist in der vorzüglichen Verfassung, mit deinen schweren Kanonen die Insel zu verteidigen.“



„Ich will aber raus“, schrie Thorfin wütend. „Aber du hast ja keine Zeit für mich. Du mußt ja die Sonne aus dem Meer glotzen. Als ob die nicht von allein da raus kann.“



Es sah so aus, als kriegten sich die beiden ernstlich in die Haare.



„Warte doch erst ab, bis die Beschlüsse gefaßt sind“, riet Ramsgate in seiner bedächtigen und ruhigen Art. „Ich tue ja, was ich kann. Aber jedes Ding braucht seine Zeit. Wir sind auf der Insel noch nicht soweit, daß wir gleich drei Schiffe auf einmal bauen können, Thorfin. Im übrigen darf ich daran erinnern, daß die anderen schon auf dem Ratsfelsen auf dich warten werden.“



Thorfin Njal, den die anderen gern als nordischen Poltermann bezeichneten, zerrte aufgebracht an seinem Helm, als wollte er ihn sich vom Schädel reißen.



Ramsgate dachte daran, daß sich unter diesem kupfernen Helm eine fürchterliche Dunstglocke bilden mußte, sobald die Sonne kräftig darauf schien, und er wollte den Wikinger schon fragen, ob er das verdammte Ding nicht ablegen wolle. Aber er ließ es lieber, weil Thorfin in derlei Sachen keinen Spaß verstand. Dafür lächelte Ramsgate milde.



„Du bist vielleicht ein friedfertiger Bursche“, sagte der Wikinger. „Mit dir kriegt man einfach keinen Ärger.“



„Es gibt genug davon auf der Welt“, meinte Ramsgate.



Der Wikinger brummte etwas und stapfte davon. Ramsgate hörte ihn grummeln und murmeln, als er polternd zwischen den Felsen verschwand.



Ein seltsamer Mann war das, fand er. Ein Mann aus ferner, geschichtlicher Vergangenheit, der wieder auferstanden war. Und trotzdem war die Insel ohne ihn undenkbar.



Nachdenklich stieg er die Felsen hinab und begab sich wieder an seine Arbeit.



Auf dem Ratsfelsen, wo der Bund der Korsaren gegründet worden war, erwarteten sie Thorfin schon. Der Rat war auf Verlangen der Roten Korsarin und Jean Ribaults zusammengetreten.



Arkana, die Schlangenpriesterin, und ihre bildhübsche Tochter Araua waren dabei. Dann Hasards blonder Vetter, der Deutsche Arne von Manteuffel, Karl von Hutten, Jean Ribault, dessen Gesicht hart und kantig wirkte, Siri-Tong und der Kapitän der Galeone „Tortuga“, Jerry Reeves.



Ein leicht vorwurfsvoller Blick der Roten Korsarin traf den Wikinger für seine Verspätung. Doch Thorfin sah das nicht. Er wünschte einen fröhlichen guten Morgen und setzte sich in den Kreis der anderen.



„Worum geht es denn?“ erkundigte er sich. „Wollen wir wieder der verdammten Piratenbande einheizen?“



„Wir haben drei Punkte auf der Tagesordnung“, erklärte die Rote Korsarin. „Arne von Manteuffel schlug vor, Hasard über alles das zu unterrichten, was mittlerweile hier geschehen ist. Noch bevor er hier eintrifft, sollte er über alle Vorkommnisse unterrichtet sein. Das ist der erste Punkt, über den wir abstimmen.“



„Ich bin damit einverstanden“, sagte Thorfin. Er sah zu Arne hin, der dem Seewolf wie ein Zwilling ähnelte, nur daß seine Haare blond statt schwarz waren.



„Ich habe vor, ihm entgegenzusegeln“, sagte der Deutsche. „Und ich würde gern den Boston-Mann mitnehmen, weil der sich in den fraglichen Gewässern hervorragend auskennt.“



„Es wird nicht einfach sein, Hasard zu finden“, meinte Ribault. „Aber ich bin auch damit einverstanden.“



Arkana und Araua gaben ebenfalls ihre Zustimmung. Jerry Reeves nickte zustimmend, und auch Karl von Hutten war dafür, Hasard zu unterrichten. Punkt eins war schnell erledigt.



„Dann könnte ich noch heute, im Lauf des Vormittags, lossegeln“, meinte Arne. „Mein Schiff ist in hervorragendem Zustand, meine Männer brennen darauf, wieder etwas zu erleben. Immerhin liegen wir ja schon eine Weile hier, ohne viel getan zu haben. Wir brauchen wieder einmal Bewegung“, schloß er lächelnd.



Damit waren alle einverstanden.



„Punkt zwei“, sagte Siri-Tong. „Da Hasard vermutlich bald zurück sein wird, sollten wir der Siedler-Insel Coral Island einen Besuch abstatten, und dort nach dem Rechten sehen. Seit Hasards Besuch waren wir nie wieder da. Wir müssen aber den Anspruch an der Insel sichern, damit sich auf Coral Island nicht ein paar andere niederlassen.“

 



„Und wenn das wirklich schon der Fall ist?“ fragte von Hutten.



„Dann verjagen wir sie“, erwiderte Siri-Tong nachdrücklich und fest. „Es geht in erster Linie um die Schlangeninsel, aber ohne Coral Island sind wir nicht lange lebensfähig. Darüber haben wir bereits gesprochen. Und aus diesem Grund werden wir keinen anderen auf der Insel dulden.“



„Das ist richtig“, sagte Thorfin. „Die Insel bietet alles, was wir dringend brauchen, und wird zur Heimat der Siedler. Wer sich dort niederläßt, den holt der Teufel. Wer übernimmt das?“



„Siri-Tong und ich“, sagte der Franzose Ribault.



„Damit sind wir, außer der ‚Isabella‘, noch zwei weitere Schiffe los“, überlegte Thorfin Njal. Und wenn er überlegte, dann kroch sein rechter Zeigefinger langsam zum Schädel hoch und kratzte den Kupferhelm. Auch jetzt tat er das wieder zur allgemeinen Belustigung. Carberry oder Ferris Tucker hätte das wieder mächtig aufgeregt, doch bei den anderen erntete der Wikinger nur ein nachsichtiges Lächeln.



„Auf der Schlangeninsel bleiben dann nur noch der Schwarze Segler und Jerry Reeves Galeone ‚Tortuga‘ zurück“, sagte Siri-Tong. „Zur Verteidigung der Insel reicht das aus. Wir haben ja auch noch die Geschütze und Befestigungsanlagen in den Bergen, um jedem Angreifer kräftig einheizen zu können. Wer ist dafür?“



Allgemeine Zustimmung erfolgte. Auch Reeves nickte wieder, obwohl er im Bund der Korsaren noch keine Stimme hatte. Aber Siri-Tong hatte ihn ausdrücklich eingeladen.



„Ich werde den Schlangengott bitten, daß er euch eine erfolgreiche Reise beschert“, sagte die Schlangenpriesterin Arkana.



Den dritten Punkt sprach Ribault selbst an. Der heitere und gelassene Franzose wirkte ernst. In seinen Augen stand ein seltsames Licht.



„Punkt drei betrifft meine Rache“, sagte er leidenschaftlich. „Ich kann nicht vergessen, was Caligula und die Black Queen mir angetan haben. Es war die schändlichste Stunde meines Lebens. Nachdem wir uns auf Coral Island umgesehen haben, werden Siri-Tong und ich nach Gran Cayman segeln. Offenbar hat die Queen dort ein Versteck, wie ich halb ohnmächtig zu hören glaubte. Und wenn ich sie treffe, dann werde ich diese Brut unbarmherzig jagen.“



Sein Blick wurde noch härter, als er sich die Szene wieder vorstellte, wo ihn Caligula hohnlachend ausgepeitscht hatte, wie sie seinen Degen zerbrachen und ihn dann über Bord geworfen hatten.



„Jean hat recht“, sagte Siri-Tong, „ich kann seinen Haß verstehen, ich verstehe ihn sogar sehr gut. Caligulas Vater hat mich auch einmal gedemütigt, und alles in mir hat nach Rache geschrien. Wir segeln nach Gran Cayman, um diese Bastarde auszuräuchern. Damit lösen wir gleichzeitig die vordringlichsten Probleme. Stimmen wir also ab.“



Bis auf Thorfin Njal waren alle dafür. Der Wikinger jedoch hockte am Boden und rührte sich nicht. Sein Blick war nach unten in die Bucht gerichtet.



„Hörst du überhaupt zu?“ fragte Ribault mit harter Stimme. „Oder interessieren dich die Halunken nicht mehr?“



„Natürlich werden wir die Bastarde auch weiterhin jagen“, brummte der Wikinger. „Aber allein schafft ihr das nicht, dazu ist die Satansbrut bereits zu mächtig geworden. Sie hätten euch auf Tortuga in Grund und Boden geschossen, das wißt ihr.“



„Wir sind ahnungslos in die Falle gelaufen“, sagte Ribault. „So schnell passiert uns das nicht mehr.“



„Darauf würde ich jedenfalls nicht meinen Helm wetten“, erwiderte Thorfin bedächtig.



„Den Nachttopf will auch keiner“, fauchte Ribault. „Ich will nur wissen, weshalb du dagegen bist. Das ist doch nicht der einzige Grund.“



„Niemand kann euch helfen“, sagte Thorfin verärgert. „Mein Kahn ist nicht richtig flott, und es dauert ein paar Tage, bis Hesekiel das Ruder reparieren kann. Käme ich euch zu Hilfe, dann ist nur noch Jerry Reeves hier, und das ist zu wenig. Ich schlage vor, wir warten solange, bis der Seewolf wieder hier ist. Dann jagen wir die Piraten gemeinsam und räuchern sie endgültig aus.“



Ribaults Temperament ging wieder einmal durch.



„Das dauert mir zu lange“, rief er. „Unter Umständen kann das noch Wochen dauern. Inzwischen sammelt die Queen immer mehr Halunken und Schiffe um sich. Und eines Tages hat sie eine ganze Flotte. Nein, wir müssen taktische Schläge austeilen, und sie schwächen, wo immer wir nur können. Jeder Pirat weniger bedeutet weniger Gefahr für uns. Sieh das doch endlich ein, verdammt!“



„Ribaults Vorschlag ist wirklich gut“, sagte von Hutten, und versuchte den Wikinger umzustimmen. Doch Thorfin war von Natur aus ein Dickschädel und änderte seine Meinung nur selten.



„Es ist zu riskant“, sagte er hartnäckig. „Und außerdem steht noch gar nicht fest, ob die Piraten auf Gran Cayman hausen.“



„Ich bin mir da ganz sicher“, sagte Ribault. „Was ist nun – gibst du deine Zustimmung?“



Die Frage klang lauernd, doch Thorfin starrte immer noch an dem Franzosen vorbei in die Bucht und gab keine Antwort.



Da verlor Jean Ribault die Geduld. Mit einem kurzen Ruck riß er sich das Leinenhemd vom Körper und zeigte den anderen seinen Rücken.



Diesmal zuckte auch der Wikinger verstört zusammen, denn der Rucken sah fürchterlich aus und war von frischen Narben ganz entstellt. Fingerdicke Furchen zogen sich darüber, manche noch ganz hellrot und kaum richtig vernarbt.



„Und damit soll ich leben?“ rief der Franzose. „Diese Schmach ist nur mit Blut abzuwaschen, Wikinger. Ich kann immer noch nicht richtig schlafen, und ich male mir jede Nacht aus, wie ich diesen Höllenhund erwische. Sieh sie dir genau an die Narben, und dann überlege gefälligst, was du an meiner Stelle tun würdest, wenn man dich so gedemütigt hätte. Ich denke an nichts anderes mehr als an Caligula und die Black Queen. Ich habe ein Recht darauf, mich zu rächen.“



Ribaults Augen blitzten, und seine harte Stimme durchschnitt die Luft.



Der Wikinger brummte etwas, dann, als gutes Omen, kroch sein rechter Zeigefinger langsam zum Helm. Das war das untrügliche Signal, daß er alles noch einmal überdachte.



„Es ist ja nur die Sorge um euch“, brummte er schließlich. „Aber verstehen kann ich dich schon, wenn ich die Narben sehe. Nun gut, ich stimme zu, aber nur widerwillig.“



Ribault wirkte erleichtert, und auch die anderen atmeten auf.



„Dann segeln wir unverzüglich los“, sagte Ribault, „nachdem wir die Einzelheiten besprochen haben.“



Die Einzelheiten waren schnell durchgesprochen. Anschließend wurde die Versammlung aufgehoben. Bis auf Arkana und Araua gingen sie wieder nach unten. Die Schlangenpriesterin zog sich mit ihrer glutäugigen Tochter in den Schlangentempel zurück, um das geheimnisvolle Ritual zu beginnen.



Thorfin blickte mißmutig auf die Werft des alten Ramsgate, und noch mißmutiger auf die „Empress of Sea“, die er als Torf- und Äppelkahn bezeichnet hatte. Schmuck sah das Schiffchen von dem alten O’Flynn wirklich aus, das mußte er neidlos anerkennen, denn Hesekiel hatte seine ganze Schiffsbaukunst darauf verwandt und arbeitete so sorgfältig, wie Thorfin es noch bei keinem anderen gesehen hatte. Aber es stank ihm doch gewaltig, daß der pingelige Ramsgate den „Torfkahn“ nicht einfach zu Wasser ließ, und dafür den Schwarzen Segler reparierte.



Arne von Manteuffel drückte allen die Hand.



„Ich bin über alle Einzelheiten unterrichtet“, sagte er, „und ich werde unverzüglich auslaufen. Ich wäre euch dankbar, wenn ihr mir den Boston-Mann schicken würdet.“



„Der ist gleich drüben“, sagte Thorfin, und winkte den Stör mit dem langen Gesicht heran, der Hesekiel beim Holzdämpfen half.



„Sag dem Boston-Mann, er soll seine Siebensachen packen und auf die ‚Wappen von Kolberg‘ gehen, Stör.“



Der Stör linste zu Gotlinde hin, der blonden Frau des Wikingers, und immer wenn er sie sah, war er verwirrt. Jetzt stand sie am Strand der linken Buchtseite und wusch Wäsche.



„Hast du nicht verstanden, du Torfkacker!“ fuhr Thorfin den Stör an.



„Äh … die ‚Wappen von Kolberg‘ soll ihre Siebensachen auf den Boston-Mann packen, oder so“, murmelte der Stör verwirrt und noch ganz in Gotlindes Anblick versunken.



„Aha“, brüllte der Wikinger erbost, „du glotzt wieder nach meiner Frau, und dann hakt bei dir was aus. Hau jetzt ab und hol den Boston-Mann her, sonst stecke ich dich mit dem Schädel in den Sand.“



„Schädel in den Sand, verstanden“, murmelte der Stör. Und dann flitzte er auch schon los, denn der Wikinger hob das rechte Bein, aber ganz bestimmt nicht aus dem Grund, weil er sein Gewicht nach links verlagern wollte. Er wollte wieder zu einem seiner berüchtigten „Nachquatscher-Arschtritte“ ansetzen, wie der Stör das selbst nannte.



Ribault, Thorfin, von Hutten und Reeves gingen mit hinüber zur „Wappen von Kolberg“. Bei den Deutschen wurde die Nachricht mit Freudengeheul aufgenommen.



„Dem Himmel sei’s getrommelt und gepfiffen“, sagte der Bootsmann Hein Ropers erleichtert. „Endlich weht uns mal wieder ein strammer Wind um die Ohren. Wann segeln wir denn?“



„Jetzt gleich. Aufgeklart habt ihr ja schon. Der Mahlstrom ist auch günstig, unserer Abreise steht nichts mehr im Wege.“



Das war auch das einzige, was sie exerziert hatten, nämlich den gefährlichen Mahlstrom in der domartigen Passage zu durchsegeln. Immer wieder war das geübt worden, damit es reibungslos klappte. Von Manteuffel traute sich zu, dort schon mit geschlossenen Augen durchzusegeln.



Etwas später kam der Boston-Mann mit einer kleinen Kiste auf den Schultern, in der sich seine Klamotten befanden.



Den schweigsamen Mann umgab ein abenteuerliches Flair. Wie ein Pirat aus dem Bilderbuch sah er aus mit seinem goldenen baumelnden Ring im linken Ohr, dem roten Kopftuch und der ebenfalls roten Schärpe über dem Hemd, in der ein Entermesser steckte.



Arne begrüßte ihn und schickte ihn dann an Bord. Es verging keine Viertelstunde, da war Arne seeklar und lief aus, um seinem Vetter die neuesten Dinge zu berichten:



Die Segel waren kaum gebläht, doch der ablaufende Mahlstrom erfaßte das Schiff schon bald darauf und ließ es immer schneller werden. Dann passierte es den Felsendom und wurde hinausgerissen. In dem Augenblick füllten sich auch die Segel, und die „Wappen von Kolberg“ legte sich leicht auf die Backbordseite.



Ein letztes Winken, dann ging Arne auf Kurs Nordwest.



Ribault war ganz kribbelig und konnte es kaum erwarten, ebenfalls auszulaufen. Eine Stunde lang konnte er noch den Mahlstrom nutzen, dann war der Felsendom für etliche Stunden unpassierbar, und man konnte weder herein- noch hinaussegeln. Deshalb drängte er zum Aufbruch.



Das einzige, was den Franzosen noch plagte, waren die besorgten Sprüche des Wikingers, der allen gute Ratschläge gab und immer wieder daran erinnerte, nicht leichtsinnig zu handeln.



Dann war auch die „Le Vengeur III“ seeklar und lief aus. Diesmal winkten Arkana und Araua sehr lange, und der besorgte Blick der Schlangenpriesterin gab Siri-Tong noch lange zu denken.



In der Frühe des anderen Morgens tauchte Coral Island an der Kimm auf. Siri-Tong verglich die eingezeichneten Kurse auf der Karte, die ihr Hasard hinterlassen hatte, und nickte.



„Das muß sie sein, Jean. Die andere, die wir passiert haben, war die Insel der kahlen Hügel, wie Hasard sie bezeichnete. Sollen wir die Koralleninsel erst einmal runden?“



„Ja, das verschafft uns einen genaueren Überblick“, sagte Jean. „Auf dieser Seite hat sich jedenfalls noch niemand angesiedelt, obwohl es hier prächtige Buchten gibt.“



Die Buchten erwiesen sich jedoch als tückisch, denn in jeder Bucht gab es gefährliche Korallenriffe, deren scharfgratige Spitzen jetzt bei Ebbe aus dem Wasser ragten. Mit einem großen Schiff war keine der Buchten anzulaufen, denn die Korallenbänke sperrten die Strände ab.



„Das ist das, was Hasard gesagt hatte“, meinte der Franzose. „Es gibt nur eine Anlaufstelle, und die liegt auf der anderen Seite. Die Korallen sind soweit vorgeschoben, daß ein Schiff die Insel mit Kanonen nicht beschießen kann.“



„Vorzüglich zum Besiedeln geeignet, so scheint es schon auf den ersten Blick. Die Insel ist so gut wie uneinnehmbar, und das verschafft uns allen einen Vorteil.“



Sie blickten in das Wasser hinab, in dem ganze Korallenwälder standen. Dazwischen bewegten sich unmerklich Millionen schwarzer Seeigel, die von der See hin und her bewegt wurden.



Die Fahrt ging weiter, vorbei an langen unberührt scheinenden Stränden und hohen Kokospalmen, die die Strände säumten.

 



Siri-Tong war genauso begeistert wie Hasard, als er die Insel entdeckte. Jungfräuliches Land, üppige Vegetation, Süßwasser und ganze Kokoshaine.



Als sie Coral Island an der Ostseite rundeten, war es mit dem jungfräulichen Paradies vorbei.



Der Ausguck entdeckte ein Schiff, das weit in eine Bucht verholt hatte, und er identifizierte das Schiff als gut bestückte Karavelle.



Das mußte nicht unbedingt auf Piraten hindeuten, alarmierte die Mannschaft aber doch augenblicklich, selbst wenn es ein harmloser Handelsfahrer war, der sich hier mit Früchten und Wasser versorgte. „Die Rohre sind feuerbereit, Madam“, sagte Barba, der hünenhafte narbige Mann, der wie ein Schlagetot aussah, aber ein ehrlicher und Siri-Tong treu ergebener Kerl war. Jetzt waren er und ein paar weitere Männer aus Siri-Tongs Crew nach dem Untergang von „Roter Drachen“ auf die anderen Schiffe verteilt worden.



„Laß die Stückpforten hochziehen und die Kanonen ausrennen“, sagte Jean Ribault. „Wir gehen kein Risiko ein. Und dann übernimm das Ruder, Barba.“



„Du kannst dich ruhig an Jean wenden, Barba“, sagte die Rote Korsarin. „Er ist der Kapitän dieses Schiffes.“



„Ich bin es noch so gewohnt, Madam“, meinte der ungeschlachte Riese.



Jean Ribault schien nichts zu hören. Er nahm das Spektiv und stieg in die Webeleinen der Wanten bis auf halbe Höhe. Sehr lange und sehr ausgiebig blickte er durch den Kieker. Als er wieder abenterte, war für ihn alles klar.



„Ein Piratenschiff“, sagte er. „Es kann keinen Zweifel geben, denn ich habe einen Kerl erkannt. Erinnerst du dich an die Kerle in Diegos Kneipe, die ausdrücklich Schnaps in Flaschen bestellten?“



„Ja, einer von ihnen hat dich niedergeschlagen, heimtückisch von hinten. Es war ein riesiger Kerl.“



„Genau den habe ich erkannt, den Bastard“, sagte Ribault heiser. „Dem habe ich auch das alles zu verdanken. Die Kerle werden auch mein Schiff erkannt haben, nehme ich an.“



„Was tun wir?“ fragte die Korsarin knapp.



„Voll drauf, ohne Rücksicht. Offenbar durchstreifen die meisten Schnapphähne die Insel, denn auf der Karavelle sind nur acht oder zehn Mann. Aber den Halunken hole ich mir vor den Degen. Das ist der nächste Verlust, der die Queen und Caligula treffen wird.“



Ribaults Gesicht wurde ganz kantig. Die ohnehin schmalen Lippen waren nur noch zwei dünne Striche. Sein Lächeln war hart, und seine Züge kündeten von einem knallharten verwegenen Draufgänger, der nur noch seine Rache im Sinn hatte.



Trotz seiner jäh aufflammenden Wut gab er sich ruhig und gelassen.



„Wir laufen direkt in die Bucht ein und nehmen nur ein paar Segel weg“, sagte er, „schon beim Einlaufen eröffnen wir das Feuer. Grobschrot für die Drehbassen, die sofort das Deck beharken. Dann eine kleine Kursänderung nach Steuerbord, und volle Breitseite.“



„Dann rennen wir auf den Strand der Bucht“, wandte Siri-Tong ein.



„Das werden wir nicht. Sobald die Kanonen abgefeuert sind, ändern wir noch einmal den Kurs und rammen die Karavelle. Sie ist leichter als wir. Den Rammstoß überstehen wir spielend, so wie Ramsgate das Schiff gebaut hat.“



Die Rote Korsarin nickte beeindruckt. Verwegen war dieser Franzose ja immer schon gewesen, dachte sie, aber das war Tollkühnheit. Sie selbst hätte vermutlich nicht so rigoros gehandelt. Und ihr sagte man schon eine ganze Menge Kaltblütigkeit nach.



Ribault gab ein paar kurze Anweisungen an Barba, und der scheuchte die Männer auf die Stationen.



Die Stückpforten flogen hoch. Die Siebzehnpfünder wurden ausgerannt und zeigten ihre dunklen Schlünde.



Von der Karavelle aus konnte man das noch nicht sehen. Ein Palmenhain ließ nur Masten und Segel erkennen.



Die „Le Vengeur III“, der Rächer, wie die Galeone so treffend hieß, änderte den Kurs ein wenig auf die offene See hinaus. Auf der Karavelle mußte der Eindruck entstehen, als versuche die Galeone wieder das offene Meer zu erreichen, um den Korallenbänken auszuweichen.



Ribault blickte erneut durch das Spektiv und verschaffte sich genauen Einblick in die Bucht, die er noch nicht kannte.



Sorgfältig studierte er die schmale, enge und gefährliche Einfahrt, die einzige, die es auf Coral Island gab. Sie mußten höllisch aufpassen, wenn sie da hindurchsegelten, denn die kleinste Abweichung vom Kurs würde die Galeone der Länge nach aufschlitzen, da half auch Ramsgates gute Arbeit nichts.



Der Franzose sah jedoch einen Weg. Zudem halfen ihm die aus dem Wasser ragenden Korallen weiter. Gleich dahinter war das Wasser etwas dunkler.



Durch das Fernrohr erkannte er wieder den Kerl, der irgend etwas zu den anderen rief und aufgeregt aufs Meer deutete. Der Hüne, der ihm die Flasche so hinterrücks über den Schädel geschlagen hatte, rannte über das Deck und griff nach einer Muskete.



„Damit wirst du nicht viel ausrichten, Bastard“, sagte Ribault leise.



Aus der Muskete stieg Rauch auf. Gleich darauf war auch der dumpfe Knall zu hören.



Ribault wußte Bescheid. Der Riese rief durch diesen Schuß seine herumstreunenden Kumpane auf das Schiff zurück. Die mußten sich aber höllisch beeilen, dachte er, wenn sie noch rechtzeitig an Bord sein wollten.



So viel Zeit ließ er ihnen jedoch nicht.



Erneute Kursänderung. Von See kommend, lief die „Le Vengeur III“ jetzt direkt auf das Land zu.



Barba stand wie ein Klotz am Ruder und starrte nach vorn, an den Segeln vorbei auf die schmale Einfahrt. Sein Gesicht war verkniffen, und er sah schlimmer aus als der schlimmste der Piraten. Jeder, der ihn ansah, empfand bei seinem Anblick Furcht und Beklemmung.



„Er sieht aus wie einer, der unschuldigen Englein die Flügel rupft und sie am Spieß brät“, hatte Edwin Carberry einmal gesagt, der auch nicht gerade eine Schönheit war.



„Du weißt Bescheid, Barba?“ fragte Ribault. „Ohne zu zögern, nach der Breitseite mitten in die Karavelle hinein.“



Der häßliche Mann nickte in stoischer, durch nichts zu erschütternder Ruhe.



„Barba weiß, Monsieur. Gleich läßt Barba die Kuh fliegen, und dann steht die Kimm in Flammen.“



Eine reichlich merkwürdige Ausdrucksweise hatte der Kerl, dachte Ribault, aber daran war er schon gewöhnt. Barba drückte dadurch aus, daß er knallhart in die vollen ging, und daß ihn nichts davon abhalten werde.



Auf der Karavelle brach unter den Piraten fast eine Panik aus. Der Riese schrie und fluchte laut, denn er sah das Verhängnis nahen und konnte mit seinen acht oder neun Leuten nicht viel ausrichten. Immerhin brachten die Kerle aber vier Stückpforten hoch und rannten drei Kanonen aus, die vermutlich schon vorgeladen waren.



„Die Drehbassen auf die Stückpforten halten“, rief Ribault, „damit die Kerle nicht feuern können.“



Die Männer standen bereit. Die drehbaren Geschütze schwenkten etwas nach unten. Ihre Schrotladungen würden dafür sorgen, daß sie schleunigst in Deckung gingen.



Auf der Karavelle blitzte es auf. Ein feuriger Pilz zuckte aus einem Rohr, dem ein hallender Schlag folgte. Noch während die Eisenkugel durch die Luft flog, wurde die nächste Kanone abgefeuert, blind, fast ohne zu zielen. Die Piraten versuchten ihren Gegner einzuschüchtern.



Doch ein ehemaliger Karibik-Pirat wie Jean Ribault ließ sich weder einschüchtern noch beeindrucken. Er lachte nur spöttisch, als beide Kugeln weit vor der Galeone ins Wasser schlugen und mächtige Fontänen nach oben rissen. „Damit erschreckt ihr nur die Fische“, sagte er verächtlich.



Das Nachladen für die Handvoll Kerle erforderte Zeit. Sie würden es kaum schaffen, die Kanonen noch einmal abzufeuern.



Barba hielt unbeirrbar Kurs und segelte in die korallenbewehrte Einfahrt hinein. An den Drehbassen lauerten die Männer auf seinen Befehl zum Feuern. An den Culverinen standen sie ebenfalls und warteten.



Da zuckte der dritte Blitz von der Karavelle auf. Diesmal erschreckten sie nicht nur die Fische, wie Ribault noch gesagt hatte. Die Kugel pfiff heran, knallte in die Kuhl und zertrümmerte die Gräting des Laderaumes. Rauchend rollte sie dann über die Planken.



„Drehbassen Feuer!“ rief der Franzose laut. �

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