Czytaj książkę: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 335»
Impressum
© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-732-7
Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de
Fred McMason
Korsaren der Karibik
Inhalt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
1.
Das Wasser war tintenblau und warm, eine leichte Dünung bewegte die See, und über allem spannte sich glockenähnlich ein hellblauer Himmel mit vereinzelten Lämmerwölkchen. Das war ein Anblick, der die Herzen der Seewölfe wieder höher schlagen ließ.
Sie segelten im Sechser-Verband der Karibik entgegen. Voran die „Isabella IX.“, gefolgt von dem Schwarzen Segler „Eiliger Drache über den Wassern“, dahinter folgte der Viermaster der Roten Korsarin „Roter Drache“, seitlich nach Backbord versetzt segelte die „Wappen von Kolberg“, der wiederum die „Le Vengeur III.“ folgte. Den Abschluß des Verbandes bildete der Neubau „Tortuga“. Die beiden letzteren Schiffe waren erst kürzlich in Plymouth von der Werft des alten Schiffbaumeisters Hesekiel Ramsgate vom Stapel gelaufen.
Ihr gemeinsames Ziel war die Schlangeninsel. Dort wollte auch Hesekiel Ramsgate nach etlichen unliebsamen Zwischenfällen in England wieder ein neues Leben beginnen, und dort sollte unter anderem auch eine Werft gebaut werden.
Auf der Schlangeninsel würde es also bald recht einschneidende Veränderungen geben.
Auf fast allen Schiffen träumten sie in Gedanken den Traum vom neuen Leben, denn auch Hasards Vetter, Arne von Manteuffel, hatte mit der Entscheidung, in die Karibik zu segeln, seinem alten Leben in der Ostsee adieu gesagt und betrat sozusagen Neuland.
Das galt auch für Gotlinde Thorgeyr die frisch angetraute Frau des Wikingers Thorfin Njal, die von der Karibik und der Schlangeninsel nur eine recht vage Vorstellung hatte und die von den bevorstehenden Veränderungen am meisten betroffen war.
Aber auch andere träumten, jeder auf seine Weise, wie der Decksälteste Smoky, der auf der Kuhlgräting saß, mit einem Auge nach achtern peilte und sich die Sonne auf den Bauch scheinen ließ.
Auf seiner Stirn standen merkwürdigerweise leichte Kummerfalten, und er grinste ein bißchen wehmütig. Während die meisten anderen sich die schon legendäre Schlangeninsel vorzustellen versuchten, gingen Smokys Gedanken weiter nach Norden, genauer gesagt nach Island in den Isafjardardjúp. Landschaftlich war das gar kein Vergleich, denn an jenem Ford sah es recht trostlos aus. Da bestand die Welt nur aus Gletschern, schneebedeckten Bergzacken, karger Vegetation und Basaltgestein, auf dem nichts wuchs, ganz abgesehen von den vielen Kliffen, den steinigen kalten Stränden und den Geröllhalden.
Aber Smoky hatte da ein Mädchen kennengelernt, Gunnhild hieß sie, und so galten seine Gedanken weniger den Gletschern, als den Kurven dieser Gunnhild, die es ihm mächtig angetan hatte. Und wenn er an die letzte Nacht dachte, dann grinste er ein bißchen. Allerdings sah das für die anderen ein bißchen einfältig aus.
Auch sein Wortschatz hatte sich – wenn er an Gunnhild dachte – leicht reduziert, und so gab er so inhaltsschwere Sätze wie „hmm-hmmhmm“, oder „tss, tss, tss“ von sich.
Der Profos Edwin Carberry hatte ihn daraufhin einen „Knatterkloß“ tituliert, was Smoky aber nicht juckte, denn er hatte von Natur aus ein dickes Fell, soweit es seine Umwelt betraf – eben bis auf jene Gunnhild, da war sein Fell teilweise leicht durchgescheuert und empfindlich.
Ein Schatten fiel auf seine Gestalt und deckte vorübergehend die Sonne ab. Aus seinem blinzelnden Auge sah Smoky die mächtige Gestalt Carberrys, der kopfschüttelnd vor der Gräting stand. Smoky ließ sich jedoch nicht stören und dröselte weiter.
„Du grinst wie der Sohn einer neunmal kalfaterten gehirnamputierten Seegurke“, sagte der Profos. „Und Old O’Flynn, der ist auch am Spinnen. Der hockt auf dem Niedergang und benimmt sich wie der Maharadscha von Whisky-pur.“
„Hmm-hmm-hmm“, sagte Smoky träge. „Wie benimmt sich denn der Latscher von Whisky-pur?“
„Na, genauso wie Old O’Flynn.“
„Tss, tss, tss“, sagte Smoky uninteressiert auf des Profos durchschlagende Logik.
Der Profos hockte sich auch auf die Kuhlgräting und deutete mit seinem breiten Daumen zum achteren Niedergang, auf dem Old O’Flynn hockte, das Holzbein weit von sich gestreckt und verträumten Blicks über das Wasser schauend. Sein Granitgesicht wirkte verklärt, und in seinen Augen stand tiefe Versonnenheit. Wenn Donegal so blickte, dann faßte er immer einsame Entschlüsse, oder er peilte mal wieder hinter den Horizont. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, stand der „Isabella“ jedoch nichts Schlimmes bevor, bestenfalls schwammen hinter der Kimm ein paar liebliche Seenixen herum.
„Was hat er nur?“ fragte Ed.
„Frag ihn doch“, brummte Smoky.
„Und was fehlt dir?“ wollte Ed wissen.
„Ah“, sagte Smoky seufzend, „eigentlich nichts. Ich möchte nur gern wissen, ob ich jetzt Vater werde oder nicht. Wir haben ja schon darüber gesprochen.“
„Haben wir“, sagte Ed gewichtig. „In deiner Brust schlägt das Herz eines werdenden Vaters, und den darf man nicht verspotten. Ich habe dir ja gesagt, daß es nächstes Jahr im Januar soweit ist.“
„Ich vergeß das immer wieder“, klagte Smoky, „ich kann mir das einfach nicht merken. An welchem Tag wird das sein?“
Der Profos rechnete nach, hob dann die Finger und legte seine Stirn in grüblerische Falten.
„Am siebenundzwanzigsten Januar, so in der Nacht etwa.“
„Und das ist sicher?“
„Ich glaube ja. Auf ’ne Stunde kommt’s ja auch nicht an, was, wie?“
„Nee, kann ja auch ’ne Stunde später sein. Am siebenundzwanzigsten also, das muß ich mir merken.“
„Weißt du was, Smoky? Ritz doch das Datum einfach in die Wand über deiner Koje ein. Dann hast du’s immer vor Augen.“
„Mann, das ist wahr“, sagte Smoky begeistert. „Aber wie soll ich den Jungen denn nennen?“
„Vielleicht wird es ein Mädchen.“
„Nee, ich kam ja auch als Junge zur Welt“, meinte Smoky geistreich. „Bloß mich haben sie einfach vor die Kirchentür gelegt, und das soll meinem Sohn nicht passieren. Ich glaube, ich werde ihn Little Smoky nennen. Was hältst du davon?“
„Hmm.“ Der Profos wiegte den Schädel. „Dann hat er aber noch keinen Nachnamen.“
„Smoky ist der Nachname, und Little der Vorname, schon aus dem Grund, weil er ja noch sehr klein ist.“
Die beiden hatten wieder Argumente zur Hand, daß es einem Zuhörer glatt die Stiefel ausziehen konnte. Zum Glück hatten sie keinen, sonst hätte der sich weinend abgewandt.
So kam es schließlich, daß über Smokys Koje zu lesen stand:
„Island, 27. April 1593. Beginn der Vaterschaft mit Gunnhild. 27. Januar 1594 etwa nachts um eins Ankunft von Little Smoky so gut wie sicher. Kann auch zwei Uhr werden. Smoky.“
Yes, Sir, das hatte der Decksälteste Smoky wirklich und wahrhaftig in die Wand über seiner Koje geritzt. Die anderen, die das mühsam entzifferten, lachten sich krank.
Auch der grämliche Mac Pellew grinste, als er das las.
„Wenn einer ’ne Ente im Ofen hat“, sagte er, „dann muß er auch einen ausgeben, das ist nun mal der Lauf der Welt.“
„Versteh’ ich nicht“, sagte Smoky, „was hat denn das mit ’ner Ente zu tun?“
„Wegen der Tradition ist das, deswegen“, belehrte ihn Mac. „Der Tradition kann man nicht entrinnen, du Rohrkrepierer.“
„Aha“, sagte Smoky verständnislos, aber er gab doch bereitwillig einen aus. Und so kam es, daß sie klammheimlich einer nach dem anderen wechselweise im Krankenraum verschwanden und auf Smokys Kosten einen lenzten.
So schön der letzte Verlauf der Reise auch war, ein Haar gab es schon wieder in der Suppe.
„Galeone auf Gegenkurs“, meldete Bill aus dem Großmars.
An sich war das nicht ungewöhnlich, denn in der Karibischen See herrschte reges Leben.
Hasard zeigte verstanden und störte sich nicht weiter an der Galeone auf Gegenkurs. Zudem war sie noch sehr weit entfernt, und sie würde – wenn sie auf Kurs blieb – auch in sehr großer Distanz an dem Sechser-Verband vorbeilaufen. Der Verband hielt jedenfalls weiter stur Kurs auf die Kimm zu, hinter der nach einigen Stunden bereits die ersten Inseln auftauchen mußten.
Da Vorsicht gerade in diesem Teil der Welt immer sehr angebracht war, weil es hier von Schnapphähnen und raubeinigen Piraten geradezu wimmelte, griff Hasard zum Kieker und blickte hindurch.
„Sie hat den Kurs um einen Strich geändert“, sagte Ben Brighton. „Obwohl dazu nicht der geringste Grund besteht.“
„Weißt du denn, wohin sie will?“ fragte Hasard.
„Das nicht, Sir. Aber so mitten auf See? Mir scheint, die Kerle sind etwas neugierig geworden.“
„Hmm, nicht auszuschließen.“
Hasard setzte den Kieker ab und schob ihn zusammen. „Vermutlich ist es ein Don, der auf der Rum-Route segelt. Aber er ist nicht beladen. Sehr merkwürdig.“
Die „Rum-Route“, das war die Strecke von Kuba nach Spanien über den Atlantik. Von Kuba aus wurden Geleitzüge zusammengestellt, mit Gold und Silber beladen und dann nach Spanien geschickt. Einzeln und noch dazu unbeladen segelnde Schiffe auf dieser Route waren allerdings recht ungewöhnlich, denn die Dons lebten ständig in der Angst, von den Engländern aufgebracht zu werden. Die Vergangenheit hatte es ja oft genug bewiesen.
Nach einer knappen halben Stunde sah Hasard wieder durch den Kieker. Die Galeone war jetzt einwandfrei zu erkennen. Sie war von ihrem Kurs nicht mehr weiter abgewichen und erweckte tatsächlich den Eindruck, als würde sie einsam nach Nordost segeln. Eine Flagge führte sie allerdings nicht.
Der vorsichtige Ben Brighton meldete wieder Bedenken an, als er einen Blick durchs Spektiv geworfen hatte.
„Der Eimer gefällt mir nicht“, murmelte er. „Die segeln so gottbetont unauffällig, die Kerle. Es zeigen sich auch nur ein paar Leute an Deck. Der Kahn ist einfach nicht richtig einzustufen. Und verdammt gut bewaffnet ist das Eimerchen auch. Zwölf Stücke an Backbord.“
„Wir sind sechs Schiffe“, sagte Hasard. „Glaubst du, er wird irgend etwas riskieren? Nein, Ben, auf keinen Fall, da kann er sich gleich selbst in Grund und Boden bohren.“
Die Distanz verkürzte sich weiter. An Deck des vermeintlichen Dons zeigten sich nur ein halbes Dutzend Gestalten. Zwei standen auf dem Achterdeck, die anderen arbeiteten auf der Kuhl und der Back.
Nein, der Don konnte nichts Übles im Sinn haben, denn die Schiff-zu-Schiff-Entfernung betrug mindestens zwei Meilen. Geschütze, die diese Distanz überbrückten, mußten erst noch erfunden werden.
Dennoch gab Hasard die merkwürdige Route zu denken, auf der die Galeone segelte. Bei allen Teufeln, wohin führte ihr Kurs?
Sie erfuhren es bald – und wunderten sich anfangs.
Kaum war die Galeone an dem Verband vorbeigesegelt, erfolgte eine neue Kursänderung. Weit achteraus drehte der Don von Nordost auf Nord, dann auf Nordwest, und schließlich fiel er so weit ab, daß er ihnen auf Südwestkurs in respektabler Entfernung folgte.
„Ein Schnüffler“, sagte Big Old Shane, „den hat die Neugier gepackt, der möchte zu gern wissen, wohin wir wollen. Was jetzt, Sir? Der Kerl folgt uns, als gehöre er dazu.“
„Vielleicht ist es einer jener kleinen Schnapphähne und Piraten, die regelmäßig die karibischen Inseln überfallen, ihren Raid starten und dann blitzschnell verschwinden. Jetzt entdeckt er uns und ist aufmerksam geworden. Damit könntest du recht haben, Shane. Er benimmt sich wie ein Jagdhund auf der Fährte. Aber wir können keine neugierigen und lästigen Zuschauer brauchen.“
Der Don segelte jetzt auf seinem neuen Kurs etwa vier Meilen vom letzten Schiff achteraus.
Er war wirklich mehr als lästig und klebte wie eine Fliege hinter ihnen, die sich nicht verscheuchen ließ.
Folgte er ihnen auch weiterhin im Kielwasser, dann konnten sie ihren Kurs zur Schlangeninsel nicht mehr fortsetzen, um das Geheimnis der Insel nicht preiszugeben. Viele karibische Schnapphähne wußten, daß es diese Schlangeninsel gab, nur ihre Lage war nicht bekannt, und die Gerüchte darüber wollten nie verstummen.
Auch auf den anderen Schiffen hatte man längst bemerkt, welche Laus da ganz unverfroren in ihrem Pelz hing. Sie hatte sich eingenistet und dachte gar nicht daran, freiwillig wieder das Feld zu räumen.
Aber noch segelte der Verband weiter, denn von der „Isabella“ war noch kein Signal übermittelt worden.
Hasard saß wieder einmal zwischen zwei Stühlen, denn den lästigen Beobachter abzuschütteln, war gar nicht so einfach.
„Wir werden den Kurs ändern und an den Caicos-Inseln vorbeilaufen“, sagte er zu Ben und Dan O’Flynn. „Vielleicht gelingt es uns im Laufe der Nacht, den Kerl in die Irre zu führen.“
„Weshalb segeln wir nicht auf ihn los und geben ihm eins aufs Maul?“ fragte Dan, „das wäre die schnellste und überzeugendste Antwort.“
„Gerade das ist es ja, was ich vermeiden möchte, Dan. Jagen wir ihn davon, dann weiß er, daß wir etwas zu verbergen haben und wird nur noch neugieriger werden. Er wird flüchten und sich wieder anhängen. Es wäre besser, wir splittern den Verband auf und segeln auf verschiedenen Kursen weiter. Oder wir laufen eine der unbewohnten Inseln an und gehen dort vorläufig vor Anker. Das wird ihn irritieren und ihm bewußt werden lassen, daß er doch auf einer falschen Fährte ist.“
„Das wird wohl das beste sein“, meinte Ben Brighton. „Das kostet uns höchstens zwei Tage Zeit, aber den Kerl sind wir los.“
„Dann laufen wir die Turks-Islands an“, sagte Hasard. „Zwei Strich Backbord, Pete.“
„Zwei Strich Backbord liegt an“, sagte Pete Ballie etwas später.
Hasard blickte achteraus. Bei Kurswechseln war kein Zusatzsignal vereinbart worden. Die anderen hatten immer den Schwenk des Vordermannes nachzuvollziehen. Und sie alle wußten, weshalb der Seewolf den Kurs jetzt änderte.
Klar, da war dieser lästige Zaungast, und der ging ihnen mit seiner penetranten Neugier langsam, aber sicher auf die Nerven. Sie hätten ihn auch stellen, angreifen und versenken können, doch das entsprach nicht ihrer Mentalität. Die Kerle auf der Galeone hatten sie nicht provoziert, sie waren eben nur neugierig. Und daß sie Schnapphähne oder Piraten waren, das ließ sich noch lange nicht beweisen.
Thorfin Njal hätte da vielleicht anders gehandelt, aber auch er fügte sich dem Kurswechsel wie alle anderen, denn Hasard hatte ihm sein Aus-der-Reihe-tanzen in Island schwer genug verübelt, und noch einmal wollte er nicht gleich wieder als Poltermann auffallen.
Der Verband schwenkte zwei Strich ab und zog weiter. Auf jedem der Schiffe wurden jetzt die Manöver der fremden Galeone beobachtet. Zunächst segelte sie stur weiter. Dann zeigte Dan nach achtern.
„Der Unschuldsengel dreht ebenfalls ab, aber ganz unauffällig. Er hat den Kurs um knapp einen Strich geändert, und wird ihn noch weiter ändern, ehe er uns aus den Augen verliert.“
Das war das Haar in der Suppe, und es ließ sich nicht einfach zwischen zwei Fingern wieder herausfischen, auch wenn ihnen dieses Haar schon Vierkant im Magen hing.
Tatsächlich änderte die Galeone später erneut den Kurs, blieb aber so weit zurück, daß man sie fast als Fühlungshalter bezeichnen konnte. Offenbar hatten die Kerle da drüben gemerkt, daß sie nicht zu dicht aufrücken durften.
Es ging jetzt weiter in Richtung Turks-Islands, irgendwohin. Inseln, kleine und größere, boten sich auf diesem Kurs genügend an.
Darüber wurde es Abend, der Wind briste noch etwas stärker auf, und Hasard fand jetzt Gelegenheit, den lästigen Burschen endgültig abzuschütteln.
Auf Steuerbord tauchte eine kleine unbekannte Insel auf, wie geschaffen, um hinter ihr und weiteren anderen kleinen Inselchen ungesehen zu verschwinden, und danach auf einen anderen Kurs zu gehen, der im Halbkreis wieder zur Schlangeninsel führte.
Gewitzt und ausgefuchst waren sie alle, die in diesem Verband segelten, und so war es nicht schwierig für sie, eine andere Galeone, die längst nicht so wendig und rank gebaut war, abzuhängen.
„Setzt-Blinde und Schiebblinde“, befahl Hasard dem Profos, „und laßt den anderen signalisieren, von jetzt an unter vollem Preß zu segeln. Es wird kein Licht entzündet. Wir runden diese Insel und segeln dann in das Gewirr der anderen hinein. Danach laufen wir die Schlangeninsel an, sobald wir sicher sein können, daß die Galeone uns nicht mehr folgt.“
Der Profos rieb sich die Hände und pfiff die Arwenacks auf Stationen.
„Da werden die Affenärsche aber die Klüsen aufreißen“, prophezeite er erfreut, „wenn sie einem … äh … Dingsbums nachsegeln.“
„Einem Phantom“, sagte der Kutscher.
„Was für’n Ding?“
„Einem Phantom“, wiederholte der Kutscher.
„Richtig, so heißt das Ding auf lateinisch. Wußte doch, daß ich noch ein paar Brocken aus der Sprache kannte“, meinte Ed grinsend.
„Phantom ist griechisch“, sagte der Kutscher bedauernd. „Das bedeutet soviel wie Erscheinung, Sinnestäuschung oder Trugbild.“
„Aha!“ Ed räusperte sich lautstark, verärgert darüber, daß immer der Kutscher alles besser wußte. „Du willst mir doch wohl nicht verklaren, daß Italien und Griechenland weit auseinander liegen, was, wie!“
„Nicht unbedingt“, murmelte der Kutscher.
„Also ist das auch Wurscht“, folgerte Ed messerscharf, „ob es nun Lateinisch oder Griechisch ist, kapiert? Das darf man nicht so eng sehen, wenn man weit in der Welt herumgereist ist.“
„Aber Norwegen, und Schweden liegen doch auch dicht bei …“
„Quatsch hier nicht rum. Das ist was anderes. Hier geht es um Latein und Griechisch, und um sonst nichts. Hoffentlich siehst du Triefgurke das bald mal ein.“
Der Kutscher bohrte sich verzweifelt mit dem Finger im rechten Ohr, schüttelte dann den Kopf und sah dem Profos nach, der es ihm wieder mal „ordentlich gegeben“ hatte.
„Verdammt“, murmelte er leise, „dem wachsen die Schädelhaare glatt nach innen, und da überwuchern sie das Gehirn wie ein Teppich. Kein Wunder, daß da nur krause Behauptungen entstehen.“
„Gibst du zu, daß ich recht habe?“ fragte Ed, nachdem Blinde und Schiebblinde gesetzt waren.
Der Kutscher stand immer noch vor dem Kombüsenschott.
„Klar“, sagte er, „klar hast du recht, aber einwandfrei. Wer wird schon am Wort eines Profos zweifeln? Nicht mal des Teufels Großmutter.“
Carberry gab sich sehr versöhnlich und schlug dem Kutscher auf die Schulter.
„Du bist zwar ein verdammt schlaues Kerlchen, mein lieber Kutscher, aber immer hast du auch nicht recht. Was gibt’s denn nachher zu essen, mein lieber Kutscher?“
„Pökelfleisch und Sirup“, sagte der Kutscher.
„Pfui Deibel“, Ed schüttelte sich. „So’n Fraß gibt’s doch gar nicht, wie kommst du denn darauf?“
„Ist doch Wurscht“, meinte der Kutscher achselzuckend und mit einem hämischen Grinsen. „Das ist so wie Griechenland und Italien, denn Pökelfleisch und Sirup liegen in deinem Ranzen dann später genauso dicht beieinander. Du mußt das nur nicht so eng sehen, wenn du weit in der Welt herumgereist bist.“
Carberrys Aufbrüllen ging im Zuschlagen des Kombüsenschotts unter. Von innen fiel der eiserne Riegel, und dann hörte der Profos den Kutscher und Mac Pellew hämisch kichern und lachen.
„Das ist noch nicht aus der Welt“, brüllte Ed, „euch verlausten Heringsärschen hau ich eure eigenen Bratpfannen auf die Körner, verlaßt euch darauf, ihr schräg karierten Fockmastwanzen.“
Dann zog er ab nach achtern, in dem Bewußtsein, die schräg karierten Fockmastwanzen gehörig eingeschüchtert zu haben.
Dunkelheit senkte sich über das Meer. Die See dünte hoch und lief in langen Wellen. Am nächtlichen Himmel erschienen Wolkenfetzen, als hätte der Himmel ein Einsehen mit ihnen. Die Sichel des Mondes lugte nur noch hin und wieder zwischen den Wolkenfetzen durch und schickte spärliches Licht auf das Wasser.
Unter vollem Preß jagte der Verband auf die Insel zu und begann sie zu runden. Ein paar Palmen waren schwach am Strand zu erkennen, Fingern ähnlich, die in den Nachthimmel wiesen. Die Kronen beugten sich unter dem Wind und rauschten leise.
Hasard hatte den Ausguck mit zwei Mann besetzen lassen. In einem war Sam Roskill, im anderen befand sich Stenmark. Auf dem Achterdeck hatte sich Dan O’Flynn mit einem Kieker bewaffnet und suchte pausenlos die See ab.
Nach der Rundung der unbewohnten Insel segelten sie dem Teufel ein Ohr ab.
O ja, Hesekiel Ramsgate hatte da ein paar prächtige Hartläufer gebaut, die unter vollem Preß ein beachtliches Tempo entwickelten.
„Eiliger Drache über den Wassern“ stand den anderen aber in nichts nach, Thorfin glich das durch größere Segelflächen aus, und so jagten sie weiter durch die Nacht und segelten in das Gewirr der kleinen, ebenfalls namenlosen und zum größten Teil unbewohnten Inseln hinein.
Die Rote Korsarin segelte einmal so dicht auf, daß man das Knarren und Ächzen der Blöcke deutlich hören konnte.
Ein Blick achteraus belehrte sie, daß von der fremden Galeone noch nichts zu sehen war. Jetzt wurden die anderen Inseln als Deckung genutzt und in ihrem Schutz weitergesegelt.
Bis weit nach Mitternacht ging das so. Aus den Ausgucks kam immer noch keine Meldung. Folglich hatte man das fremde Schiff auch nicht mehr gesichtet.
Nach Mitternacht enterte Hasard selbst einmal auf. Roskill und Stenmark waren mittlerweile durch Bob Grey und Jan Ranse abgelöst worden.
„Weit und breit nichts zu sehen, Sir“, sagte Jan Ranse. „Unser Verfolger scheint sich im Inselgewirr verfranzt zu haben.“
Dennoch suchte Hasard mit dem Spektiv Insel um Insel ab. Als er nichts mehr sah, war er erleichtert.
„Scheint so“, sagte er, „aber haltet weiterhin genau die Augen auf.“
„Aye, Sir.“
„Offenbar hat er uns endgültig verloren“, sagte Hasard, jetzt wieder auf dem Achterdeck. „Wir werden uns aber erst bei Tagesanbruch noch genau davon überzeugen.“
„Ich habe ihn nicht mehr gefunden. Der Kerl scheint weiter nach Süden gelaufen zu sein.“
Die Nacht verging, über dem Meer lag die kurze fahle Dämmerung, dann stieg an der Kimm die Sonne wie ein Glutball aus dem Meer, schickte ganze Bündel voller rotgelber Strahlen über das glitzernde Wasser und schob sich höher. Die See war wie leergefegt.
„Kurs auf die Schlangeninsel!“ befahl der Seewolf.
Darmowy fragment się skończył.