Czytaj książkę: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 288»

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Impressum

© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-685-6

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Seit Tagen war in der malerischen Bucht von Concarneau der Teufel los. Harte Seegefechte und erbarmungslose Nahkämpfe, die sich zum Teil drüben an der zerklüfteten Küste abspielten, versetzten die Bewohner der kleinen Hafenstadt und der winzigen Fischerdörfer immer wieder aufs neue in Angst und Schrekken. Auch jetzt, in dieser kühlen Novembernacht des Jahres 1592, kroch das Verderben über die kabbelige, fast schwarze Wasserfläche der Bucht.

Es war kühl, vom Atlantik wehte eine frische Brise herüber. Der Mond hing wie eine einsame, vergessene Laterne am Himmel und wurde zeitweise von den dunklen Wolken, die wie zerfetzte Tücher an ihm vorüberzogen, verdeckt. Doch es gelang ihm immer wieder, sein fahles Licht über Concarneau, die Bucht und die wilde Landschaft der Bretagne auszubreiten.

Die Besatzung der englischen Dreimast-Galeone „Hornet“, die mit gefährlichen Lecks im Achterschiff und beschädigtem Ruder wie ein dunkler, gespenstischer Schatten durch die Bucht trieb, befand sich in höchster Gefahr. Und das nicht nur wegen der Wassermengen, die bereits in die unteren Räume des Achterschiffs eingesickert waren und mit hartem Einsatz gelenzt werden mußten, sondern in erster Linie wegen der mordlüsternen Gestalten, die von ihrer Pinasse aus an Bord der „Hornet“ geentert waren – unbemerkt von den Seewölfen, die zum größten Teil fluchend an den Pumpen standen.

Erst ein lauter Alarmschrei, der selbst noch unter Deck zu hören war, ließ Old Donegal Daniel O’Flynn, der während der Abwesenheit des Seewolfs das Kommando an Bord übernommen hatte, sowie Big Old Shane und die übrigen Männer heftig zusammenzucken. Fast zur selben Zeit dröhnten drei Musketenschüsse durch die Nacht. Sie mußten oben, an Deck, abgefeuert worden sein.

„Was, zum Teufel, hat das nun wieder zu bedeuten?“ stieß der alte O’Flynn wütend hervor. Dabei stieß er mit seinem Holzbein auf die Planken.

„Der Schrei – das war Hasard“, stellte Big Old Shane, der ehemalige Waffenschmied auf Arwenack-Castle in Falmouth, fest. „Er klang wie ein Warnruf“, fügte er noch hinzu. Seine grauen Haare und der dichte, graue Bart verliehen ihm im Schein der Tranlampe ein wildes, beinahe furchteinflößendes Aussehen.

„Dann nichts wie raus aus diesem Wasserloch!“ rief Old O’Flynn. „Ich habe das verdammte Gefühl, daß wir oben gebraucht werden.“

Augenblicklich verließen die Männer die Pumpen, mit denen sie zumindest einen Teil des eingedrungenen Wassers wieder außenbords befördert hatten.

Der alte O’Flynn, ein rauhbeiniger Mann, der samt seinem Holzbein aus Granit und Eisen zu bestehen schien, sollte sich nicht getäuscht haben. Auf dem Vordeck ging es bereits rund. Und es schien der Teufel persönlich zu sein, der da zum Tanz aufspielte. Zumindest sah der bucklige Bursche, der einen schwarzen Umhang trug und wild schreiend seinen Degen schwang, wie der Leibhaftige aus.

Pistolenschüsse krachten, und das Mündungsfeuer stach grell in die Nacht. Dazwischen hörte man das Klirren von Hieb- und Stichwaffen, begleitet von lauten Flüchen und anfeuernden Rufen.

Jeff Bowie, Sam Roskill und Bob Grey, drei Seewölfe, die zur Besatzung der „Hornet“ gehörten, befanden sich auf der Kuhl. Sie waren es auch gewesen, die auf den Warnruf ihres Kapitäns Philip Hasard Killigrew rasch reagiert hatten. Blitzschnell waren sie herumgewirbelt und hatten ihre Musketen abgefeuert – mitten hinein in die Schar der heimtückischen Angreifer, die wie lautlose Schatten heranhuschten. Und gerade noch zeitig genug, um zu verhindern, daß ihnen die dunklen Gestalten in den Rücken fielen.

Jeff Bowie, der stämmige Mann aus Liverpool, der anstelle der linken Hand eine spitzgeschliffene Hakenprothese trug, weil vor langer Zeit Piranhas über seine Hand hergefallen waren, wütete auf der Kuhl wie ein Berserker.

„Verdammtes Gesindel!“ fluchte er laut und ließ den Eisenhaken durch die Luft zischen. Wo immer diese gefährliche Prothese traf, hinterließ sie deutliche Spuren – ganz davon abgesehen, daß sie Umhänge, Hemden und andere Kleidungsstücke innerhalb von Sekunden in traurige Fetzen verwandelte. In der gesunden Rechten schwang Jeff Bowie ein Messer, das um ein Haar einem der Angreifer, einem hageren Kerl mit spitzem Rattengesicht, zum Verhängnis geworden wäre.

Doch Jeff stieß ins Leere, weil der Bursche urplötzlich, wie vom Blitz getroffen, zusammensank. Die Ursache war nicht schwer festzustellen. Arwenack, der Bordschimpanse der Seewölfe, hockte zähnefletschend und laut keckernd auf der Schmuckbalustrade des Achterkastells. Und er schwang noch immer den Belegnagel hin und her, mit dem er dem hageren Kerl einen Scheitel gezogen hatte.

Flink wirbelte Jeff Bowie herum, um sich dem nächsten Gegner zuzuwenden. Es handelte sich um jenen merkwürdigen Buckligen mit dem schwarzen Umhang, der gerade mit seinem Degen nach Sam Roskill stieß. Sam wich dem wuchtigen Stoß jedoch geschickt aus, indem er rechtzeitig zur Seite glitt.

Dennoch sollte Jeff Bowie immer noch nicht zum Zuge kommen, denn in diesem Augenblick tauchte Big Old Shane, der zusammen mit Old O’Flynn und den anderen Männern das Unterdeck verlassen hatte, wie ein Riese aus grauer Vorzeit aus der Dunkelheit auf.

Der rechte Fuß des ehemaligen Schmieds zuckte hoch und traf den Buckligen, der offenbar der Anführer der mordlüsternen Bande war, mit unheimlicher Wucht. Aber nicht, wie beabsichtigt, am Achtersteven, sondern – am Bukkel!

Der Kerl stieß einen lauten Schrei aus, und dann, o Wunder, löste sich die häßliche Mißbildung von seinem Rücken und polterte in Form eines merkwürdig aussehenden Holzgestells auf die Planken. Als sich der Bucklige in Windeseile vom Deck hochstemmte, hatte er keinen Buckel mehr, sondern stürzte sich vielmehr rank und schlank ins Kampfgetümmel.

Dem alten O’Flynn blieb für einen Moment die Spucke weg, als er diesen Vorgang im spärlichen Mondlicht mit ansehen mußte.

„Beim heiligen Patrick und allen seinen Kollegen!“ stieß er hervor. „Jetzt hat der Teufel seinen Buckel verloren. Den erkennt ja nicht einmal mehr seine eigene Großmutter, wenn er in die Hölle zurückkehrt!“ Daß man sich ein Holzbein anschnallen konnte – nun ja, das war Old Donegal geläufig. Aber ein Buckel aus Holz – bei allen Wassermännern und Windsbräuten – das schlug doch dem Faß den Boden aus!

Aber dem rauhbeinigen Alten blieb nicht die Zeit, sich weiteren Gedanken über das merkwürdige Geschehen hinzugeben. Mit Wucht hieb er einem kleinen, dicklichen Kerl, der mit dem Enterbeil auf ihn losgehen wollte, seine Krücke um die Ohren. Der Angreifer ließ mit einem Schmerzensschrei die Waffe fallen und griff sich jammernd an den Kopf.

Trotzdem hatte Old Donegal die Verblüffung über jenen wundersamen Bukkel noch nicht verdaut.

„Da wird man so alt wie eine Seekuh und lernt trotzdem noch dazu“, murmelte er, bevor er erneut in Aktion trat.

Ähnliches mußte auch der Kutscher gedacht haben. Der Koch und Feldscher der Seewölfe hätte sich den eigenartigen Holzbuckel liebend gern einmal näher angesehen, doch der wieselflinke und spindeldürre Bursche, der mit einem Degen auf ihn eindrang, schien dafür absolut kein Verständnis zu haben.

Der Kutscher, selbst mit einem Degen bewaffnet, parierte geschickt die Hiebe und Stöße des Dürren, der seine Angriffe stets mit lauten Verwünschungen in französischer Sprache begleitete. Da plötzlich mußte der Pirat seine große Chance erkannt haben. Blitzschnell stieß er zu, um dem hageren Engländer den Degen in die Brust zu bohren.

Aber auch der Kutscher war sehr beweglich. Im letzten Augenblick gelang es ihm, den tödlichen Stoß abzuducken, so daß sich die Waffe des Angreifers in das Holz des Schanzkleides bohrte. Und der Dürre sollte es auch nicht mehr schaffen, den Degen aus dem Holz zu ziehen.

„Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert sterben“, sagte der Kutscher mit einer Mischung von Bitterkeit und Bedauern in der Stimme. Dann stieß er zu. Der Dürre sank mit verzerrtem Gesicht auf die Planken des Achterdecks. Wie es aussah, würde er niemals mehr heimtückisch über andere herfallen.

Philip und Hasard junior, die zwölfjährigen Zwillingssöhne des Seewolfs, waren mit flinken Händen damit beschäftigt, die Musketen und Pistolen, deren sie habhaft werden konnten, aufzuladen. Wenn sich dabei für sie die Gelegenheit ergab, einem der Galgenstricke ein Bein zu stellen, dann taten sie das nicht nur mit Vergnügen, sondern auch mit äußerster Präzision.

Noch während der Kampf Mann gegen Mann auf dem Achterschiff in vollem Gange war, enterte Philip Hasard Killigrew mit den Männern seines Aktionstrupps an Bord der „Hornet,“ Darunter befanden sich Ferris Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann, Edwin Carberry, der bullige Profos mit dem gewaltigen Rammkinn und dem Narbengesicht, und Batuti, der Gambia-Mann aus dem fernen Afrika.

Die Männer waren mit den erbeuteten Einmastern, einer Schaluppe und einer Pinasse, längsseits gegangen, um den hart bedrängten Kameraden zu Hilfe zu eilen. Dabei war dem Seewolf auch Lucille, die blonde Hafenhure, in die Hände gefallen. Von ihr, die eigentlich in der Pinasse hatte Wache stehen sollen, hatte Hasard erfahren, was da an Bord der „Hornet“ geplant war. Und so hatte er gerade noch rechtzeitig einen Warnruf ausstoßen können.

Als Albert, der „Bucklige“, den Seewolf erkannte, fuhr ihm der Schreck durch sämtliche Glieder. Mit dieser Verstärkung hatte er wohl doch nicht gerechnet. Zumindest war das plötzliche Auftauchen des Seewolfs und seiner Männer nicht in seinen Plan einkalkuliert worden. Er hatte sich die Sache wesentlich einfacher und erfolgreicher vorgestellt, als er mit seinem Trupp von Galgenstricken von Quimper zur Bucht vor Concarneau aufgebrochen war.

In einer Blitzaktion hatte er die Crew der „Hornet“ niedermetzeln wollen, um dann die Frachträume des Schiffes in aller Ruhe durchsuchen zu können und sich die fette Beute, die der Seewolf seiner Meinung nach mit sich führen mußte, anzueignen. Daß die Engländer jedoch auf dieser Mission, die sie im Auftrag ihrer Königin, Elisabeth I., durchführten, weder Gold noch Silber geladen hatten, war dem Buckligen nicht bekannt.

Im Moment sah er sein Vorhaben jedoch stark gefährdet, und im stillen verfluchte er Lucille, die Hure aus Quimper, die auf der Pinasse zurückgeblieben war. Warum hatte sie nicht rechtzeitig Alarm gegeben? Das verdammte Weibsstück hatte sich, wie es aussah, von diesem Seewolf überrumpeln lassen. Wie sonst konnte der plötzlich mit einer Horde gefährlich aussehender Männer an Bord der „Hornet“ auftauchen?

Irgend jemand brüllte ein lautes „Ar-we-nack“, den Schlachtruf der Seewölfe, als sich Hasard mit seinen Männer über das Schanzkleid schwang.

„Siehe da, unser lieber Freund Albert!“ knurrte Edwin Carberry beinahe erfreut. „Ho, das bucklige Rübenschwein werde ich eigenhändig von seiner Hucke befreien!“

„Nicht mehr nötig, Ed“, gab der Seewolf zurück. „Wenn mich nicht alles täuscht, hat der Kerl keinen Buckel mehr.“

„Was, wie?“ schnaubte der Profos. „Hat er ihn schon wieder verloren? Na warte, dann werde ich diesem einhöckrigen Kamel eben die Haut in Streifen von seinem karierten Affenarsch abziehen, und zwar schön langsam und mit …“ Der Rest seiner gefährlich klingenden Prophezeiung ging im Kampflärm unter.

Bereits kurze Zeit später wischte Edwin Carberry mit einem der Galgenvögel das Achterdeck auf. Wehe denen, die unter seine gewaltigen Fäuste gerieten! Wo der Profos seine Pranken hinsetzte, da wuchs vorerst kein Gras mehr.

Auch Hasard und Ferris Tucker hatten inzwischen alle Hände voll zu tun. Der Seewolf hatte sich Albert, den Kerl mit dem falschen Buckel, vorgeknöpft, und Ferris setzte gerade einem bulligen Kerl die Faust unter das unrasierte Kinn. Daß der Bursche dabei einige Yards zurückgeschleudert wurde und Batuti gewissermaßen in die Hände fiel, war sein Pech. Jedenfalls sah er außer dem Mond plötzlich noch eine ganze Menge Sterne am nachtschwarzen Himmel aufleuchten. Und dann sah er überhaupt nichts mehr.

Hasard war es mittlerweile gelungen, Albert den Degen aus der Hand zu schlagen. Und ohne Waffe war der „Bucklige“, plötzlich hilflos. Seine Augen weiteten sich vor Angst, als ihn der Seewolf bis zum Schanzkleid zurückdrängte und ihm dabei die Degenspitze an die Kehle setzte.

„Nein – bitte nicht!“ röchelte er. „Nicht töten! Bitte!“

„Du Mistkerl hättest es wahrhaftig nicht besser verdient“, sagte der Seewolf mit einem drohenden Unterton in der Stimme. Der Blick seiner eisblauen Augen jagte Albert einen Schauer über den Rücken. „Hör auf zu winseln, ich denke nicht daran, meinen Degen an dir zu beschmutzen.“

Sekunden später mußte Albert seine Schnapphähne zurückpfeifen, und damit war der Kampf an Bord der „Hornet“ entschieden. Ein Kampf, den der Bucklige sich so ganz anders vorgestellt hatte. Der Lärm ebbte ab, und die Seewölfe begannen, einen Kreis um die gefangenen Piraten zu bilden.

Der einzige an Bord der englischen Galeone, der das ganze Geschehen gewissermaßen von einer höheren Warte aus mitverfolgt hatte, war Sir John, der karmesinrote Aracanga-Papagei der Seewölfe. Er war die ganze Zeit über aufgeregt auf der Vormarsrah, seinem Lieblingsplatz, hin und her getrippelt und hatte hin und wieder einen erbosten Fluch ausgestoßen, weil man ihn in seiner Nachtruhe gestört hatte. Nun aber, da die größte Gefahr gebannt war, steckte er seinen vorlauten Schnabel wieder ins Gefieder, um seinen Schlaf fortzusetzen.

Das Gesicht Alberts wirkte im fahlen Mondlicht bleich und verzerrt. Jetzt, da er sich durch den erneuten Verlust seines „Buckels“ enttarnt fühlte, unterließ er es auch, wie ein Irrer zu lallen und zu stammeln.

Er starrte vielmehr zähneknirschend auf die drei toten Männer, die bei dem heimtückischen Überfall auf die Besatzung der „Hornet“ auf der Strecke geblieben waren. Alle drei hatten zu seiner Bande von Schnapphähnen gehört. Statt der Belohnung, die er ihnen für ihren Angriff auf die „Hornet“ versprochen hatte, würden sie für immer in den kühlen Fluten des Atlantiks verschwinden.

Ja, der „Bucklige“ hatte sich den Verlauf seiner Aktion völlig anders vorgestellt, als er in Quimper die Hure Lucille sowie später einen Trupp verluderter Kerle für seinen Plan begeistert hatte. Er, der in Quimper, Concarneau und einigen anderen Küstenorten als Verbindungsmann zu dem spanischen Spion Lucio do Velho und dem französischen Piratenführer Yves Grammont fungierte, hatte im Überfall auf die „Hornet“ seine große Chance gesehen, sich die legendären Schätze der Seewölfe unter den Nagel zu reißen. Jetzt aber stand er als Gefangener am Schanzkleid der englischen Galeone und bettelte bei deren Kapitän, Philip Hasard Killigrew, um sein Leben.

Die sieben übrigen Galgenstricke warfen ihrem Anführer vernichtende Blikke zu. Auch sie hatten sich eingebildet, bei ihrem Überraschungsangriff leichtes Spiel zu haben. Statt dessen hatten sie sich blutige Köpfe geholt, denn die Engländer hatten unheimlich schnell reagiert und dann wie die Teufel gekämpft. Außer einigen Beulen, Schrammen und Kratzern hatten diese Seewölfe nichts abgekriegt. Da hatte auch der Trick Alberts nichts genutzt, das Heck der Galeone anzubohren.

Old O’Flynn, der bis zum Auftauchen des Seewolfs die Verantwortung an Bord getragen hatte, war bezüglich des Ablenkungsmanövers der Piraten längst ein Licht aufgegangen. Während seine Krücke genau auf Albert zeigte, sagte er zu Hasard: „Es müssen diese verlausten Ziegenböcke gewesen sein, die während des Gefechts unser Schiff angebohrt und auch für den Ruderschaden gesorgt haben. Wenn du mich fragst, Sir, würde ich diese Schnekkenfresser an die Rah hängen, jawohl, das würde ich!“

Der Seewolf lächelte.

„Deinen Eifer in Ehren, Donegal“, sagte er. „Die Kerle hätten es bestimmt verdient, daß man ihnen die Hälse langzieht. Aber ich schätze, daß uns unser buckelloser Freund, der da mit vollen Hosen am Schanzkleid steht, lebend von größerem Nutzen sein wird.“

„So ist es, Sir“, pflichtete ihm Ed Carberry bei. „Ein solches katzbuckliges Rübenschwein kann man unmöglich aufhängen und dann über Bord werfen. Da würden in dieser schönen Bucht sämtliche Fische verrecken. Und von was sollen die armen Fischer, die da drüben an der Küste wohnen, dann leben, was, wie?“ Im selben Atemzug wandte sich der Profos an den alten O’Flynn. „Und kannst du Stint mir mal erzählen, wie diese Buschgespenster überhaupt an Bord gelangt sind, he? Hast du ihnen vielleicht die Jakobsleiter ausbringen lassen, Mister O’Flynn?“

So schnell es sein Holzbein erlaubte, fuhr Old O’Flynn herum.

„Was soll das heißen?“ fragte er scharf. „Willst du mir etwa Versäumnisse vorwerfen? Du kannst ja mal ins Achterschiff abentern und dich an den Pumpen austoben, wenn du meinst, daß wir hier geschlafen haben! Vielleicht gelingt es dir, das Schiffchen festzuhalten, damit es nicht absäuft.“

Der Profos trat einen Schritt auf den alten O’Flynn zu.

„Führ mich nur nicht aufs Glatteis, Donegal. Daß diese Kakerlaken unbemerkt an Bord geentert sind, während ihr euch da unten die Seelen aus dem Leib gelenzt habt, ist ja noch einleuchtend. Aber wie konnten die Kerle das Ruder beschädigen und den Kahn anbohren, ohne daß euch Rübenschweinen was aufgefallen ist, was, wie?“

„Du kannst leicht dein großes Maul aufreißen“, sagte Old Donegal wild. „Meinst du vielleicht, wir hätten in den Kojen gelegen und selig geschlummert? Erstens einmal war es dunkel, und zweitens hatten wir, obwohl die Crew nicht vollzählig war, alle Hände voll damit zu tun, das Schiff für einen neuen Angriff auf die ‚Coquille‘ vorzubereiten. Und drittens haben wir der verdammten Schaluppe, die sich zur Küste hin verholte, noch zwei Schüsse aus den Drehbassen nachgeschickt. Daß sich dieser Hurensohn da“, und damit zeigte er wieder mit der Krücke auf Albert, „inzwischen mit einer Pinasse vom Heck zum Bug verholt hatte, konnten wir natürlich nicht ahnen. Aber wenn du …“

„Schon gut, Donegal“, unterbrach der Seewolf. „Das hätte jedem von uns auch passieren können. Man muß schon die besonderen Umstände berücksichtigen, in der sich die ‚Hornet‘ zu diesem Zeitpunkt befand. Außerdem bringen lange Diskussionen jetzt nichts ein. Wenn das Schiff Wasser gezogen hat, dann gibt es jetzt wahrhaftig Besseres zu tun.“

„Du hast recht, Sir“, brummte der Profos. „Aber was soll mit diesen Affenärschen da geschehen? Soll ich ihnen die Nasen auf den Rücken drehen oder sie auf einer Kanonenkugel über den Atlantik reisen lassen?“ Er hatte diese Fragen absichtlich in seinem schauderhaften Französisch gestellt, um den Galgenstricken etwas einzuheizen. Sie konnten ja nicht wissen, daß der gute alte Edwin Carberry im Grunde genommen diese Drohungen gar nicht ernst meinte.

Die meisten von ihnen sahen sich jedoch schon im Geiste nach alter Piratenart vor die Mündung einer Culverine gebunden, um von einer pfundschweren Kugel in tausend Stücke gerissen zu werden. Es fielen ihnen deshalb tonnenschwere Steine vom Herzen, als sich der Seewolf, immer noch lächelnd, an seinen Profos wandte. Und auch er sprach diesmal französisch.

„Wir lassen sie frei, Ed“, entschied er. „Sie dürfen an Land schwimmen und zu Fuß nach Concarneau oder Quimper zurückkehren. Ich nehme an, daß sie von dort gekommen sind.“

„Du läßt sie frei?“ fragte Ed erstaunt. „Und wenn sie sich im kühlen Wasser einen Schnupfen holen?“

„Dann bleibt ihnen wenigstens ein kleines Andenken an diesen nächtlichen Ausflug. Unseren buckligen Freund werden wir allerdings noch etwas bei uns behalten. Ebenso die blonde Lady, die zu seinem Trupp gehörte. Zusammen mit Easton Terry und Jules Arzot werden wir dann vier Gefangene an Bord haben. Das ist genug, wenn man bedenkt, daß wir keine Zeit dazu haben, auch noch Babysitter zu spielen.“

Ed Carberry blickte den Seewolf nachdenklich an. Dabei kratzte er sich an seinem Rammkinn, wobei die Bartstoppeln ein Geräusch von sich gaben, als würde ein Trupp Soldaten durch ein stoppeliges Getreidefeld marschieren.

„Aye, Sir“, sagte er schließlich. „Lassen wir die Schneckenfresser also laufen. Aber du hast doch sicherlich nichts dagegen einzuwenden, wenn ich die Rübenschweine kurzerhand über Bord … Ich meine natürlich, wenn ich ihnen beim Vonbordgehen hilfreich zur Seite stehe, damit sich keiner von ihnen sein zartes Köpfchen oder Beinchen irgendwo anstößt.“

„Nichts da!“ begehrte der alte O’Flynn auf. „Drei von diesen Kerlen kannst du meinetwegen übernehmen, den vier anderen aber werde ich beim Abentern helfen …“

„Nun mal langsam“, sagte der Seewolf. „Eure Hilfsbereitschaft in allen Ehren. Aber ich denke, die Kerle schaffen das von selber. Wir brauchen uns nicht erst damit aufzuhalten. Los, verschwindet!“

Der kurze Befehl des Seewolfs schien Wunder zu wirken. Bevor noch jemand etwas sagen konnte, sprangen die Galgenstricke über Bord. Man hörte klatschende Geräusche, die sich jedoch bald in der Dunkelheit verloren.

„Sie werden bis zur Küste tüchtig strampeln müssen“, sagte Philip Hasard Killigrew. „Und jetzt schlage ich vor, daß wir die Toten von Bord schaffen und unsere Leute, die sich noch mit dem blonden Engelchen sowie Terry und Arzot auf den Einmastern befinden, in das Geschehen hier einbeziehen. Wenn wir alle Gefangenen beisammen haben, werden sie erst mal in die Vorpiek wandern. Wir aber müssen uns um das Schiff kümmern.“

„Terry, Arzot und ein blondes Engelchen?“ fragte der alte O’Flynn. „Soll dieses Engelchen etwa ein Weibsstück sein, he?“

„Klar, was sonst?“ gab Ferris Tukker zurück. „Hasard hat doch vorhin schon von der Lady gesprochen. Ha, es wird dir die Sprache verschlagen, wenn du das Prachtstück erst siehst.“ Er untermalte seine Worte mit einer vielsagenden Geste.

„Laß dich nicht verkohlen, Donegal“, fügte Carberry in seiner direkten Art hinzu. „Die Lady sieht zwar nicht schlecht aus, aber ein Engelchen ist sie keineswegs. Es handelt sich vielmehr um eine Hure aus Quimper, die diesem katzbuckligen Buchgespenst da helfen wollte!“ Ein finsterer Blick streifte Albert, der immer noch regungslos und mit ängstlichem Gesicht am Schanzkleid stand.

Ja, diese Nacht war für die Seewölfe voller Ereignisse.

Begonnen hatte alles mit einem geheimen Auftrag der englischen Königin, der dem Seewolf in der Hafenstadt Plymouth übermittelt worden war.

Für das Unternehmen hatte man dem Seewolf zwei Drei-Mast-Galeonen von je dreihundert Tonnen Größe zur Verfügung gestellt – die „Hornet“ und die „Fidelity“, beide getarnt als harmlose Kauffahrer. Die „Hornet“ unterstand dem Kommando Philip Hasard Killigrews, die „Fidelity“ wurde von einem großen, breitschultrigen Mann namens Easton Terry befehligt, der ebenfalls einen Kaperbrief der englischen Königin besaß. Die Gesamtleitung des Unternehmens lag jedoch in den Händen des Seewolfs.

Der Grund für den geheimen Auftrag war in den Störaktionen und Übergreifen auf englische Schiffe zu suchen, die mit dem Ziel, die englische Flotte zu schwächen, von Frankreich aus gestartet wurde. Der Urheber jedoch war Seine Allerkatholischste Majestät, König Philipp II. von Spanien, der abermals versuchte, in Frankreich Fuß zu fassen und damit gleichzeitig hoffte, England mit französischer Hilfe in einem zweiten Anlauf unterwerfen zu können.

Aus diesem Grund hatte Philip II. seine Spione nach Frankreich geschickt. An vorderster Front: Lucio do Velho. Sie sollten sich bei ihren Störaktionen der Hilfe französischer Freibeuter bedienen – selbstverständlich gegen gute Bezahlung. In Yves Grammont und seinen Schnapphähnen hatte Lucio do Velho die richtigen Verbündeten gefunden. Das Vorhaben hatte recht erfolgversprechend ausgesehen, zumindest bis zu jenem Tag, an dem die „Hornet“ und die „Fidelity“ an der Küste der Bretagne aufgekreuzt waren, wo sich auch die Schlupfwinkel der spanischen Spione und französischen Piraten befanden.

Als Lucio do Velho, der einer der wichtigsten Spione Spaniens war, davon erfahren hatte, daß sich Philip Hasard Killigrew als Kapitän an Bord der „Hornet“ befand, hatte er sich triumphierend die Hände gerieben, denn er war dem Seewolf, den er von früher her kannte, alles andere als freundlich gesonnen.

Wenn es ihm gelang, Killigrew und seine Leute vernichtend zu schlagen, dann hatte er nicht nur die Pläne Elisabeths I. durchkreuzt, sondern würde auch die hohe Belohnung kassieren, die die spanische Krone auf die Ergreifung von „El Lobo del Mar“ ausgesetzt hatte.

Mit Hilfe französischer Piraten und vieler Spitzel, darunter auch dem Bukkeligen namens Albert, hatte do Velho sein Spiel vorangetrieben. Und er tat es immer noch. Es war ihm sogar gelungen, Easton Terry, den Kapitän der „Fidelity“, zum Verrat zu bewegen.

In den vergangenen Tagen und Nächten hatten heftige Kämpfe die Bucht von Concarneau an der Südwestküste der Bretagne erschüttert. Grammont, der Piratenführer, hatte sich insbesondere mit seinen Schiffen „Louise“ und „Coquille“ in die Gefechte gestürzt und alles darangesetzt, den englischen Galeonen „Hornet“ und „Fidelity“ die Stirn zu bieten.

Als Albert, der Mann mit dem falschen Buckel, samt seinen Galgenstricken die „Hornet“ überfallen hatte, um sich ein bißchen die eigene Tasche zu füllen, da hatte er genau den Zeitpunkt gewählt, an dem die Galeone ziemlich angeschlagen war – ebenso wie die „Coquille“ der französischen Piraten. Hinzu kam noch das Wasser, das nach wie vor in das Achterschiff einsickerte.

Die übrigen Männer aus dem Aktionstrupp des Seewolfs waren nun ebenfalls an Bord der „Hornet“ geentert. Darunter Easton Terry, der Verräter und ehemalige Kapitän der „Fidelity“, den der Seewolf überführt hatte, sowie Jules Arzot, ein gedrungener Kerl von der „Louise“ und das blonde Engelchen aus dem Bordell von Quimper mit dem hübschen Namen Lucille.

Was sich den Augen der Seewölfe da wenige Augenblicke später im Schein einer Öllaterne erschloß, sah auf den ersten Blick wirklich nicht übel aus. Lucille war schlank, langbeinig und wohlproportioniert. Sie hatte große, blaue Augen eine kleine Nase und volle, sinnliche Lippen. Und das alles wurde von ihrem langen, blonden Haar eingerahmt.

Doch dieser „blonde Engel“ hatte es, wie Hasard zu berichten wußte, faustdick hinter den Ohren. Als er Lucille auf der Pinasse überwältigt hatte, um ihre Flucht zu verhindern, hatte er mit ihrem Kratz- und Beißtalent Bekanntschaft geschlossen.

Selbst Old Donegal mußte zweimal schlucken, als er Lucille erblickte. Doch fast im selben Augenblick zog ihm ein kalter Schauer über den Rücken, denn das engelhafte Wesen begann urplötzlich zu schreien und zu toben. Laut kreischend versuchte sich Lucille den Griffen von Blacky und Smoky zu entwinden, die sie zum Achterdeck geführt hatten.

„Hilfe – ein Dämon!“ schrie sie. „Mon Dieu, das kann doch nur ein Gespenst sein! Oder aber der Teufel, der aus der Hölle entsprungen ist!“ Sie zitterte am ganzen Körper, ihre vollen Lippen bebten vor Angst.

Erst jetzt sahen die Männer die Ursache des Geschreis. Sie hieß Arwenack. Der Schimpanse hockte auf einer umgestülpten Pütz, fletschte die Zähne und trommelte auf seiner Brust herum. Und da er die Angst des blonden Mädchens bemerkte, fletschte er die Zähne um so heftiger. Die Sache schien ihm einen Heidenspaß zu bereiten, zumal die ganze Crew fürchterlich zu lachen begann.

„Hast du noch keinen Affen gesehen?“ fragte Hasard.

Lucille schüttelte heftig den Kopf. „Ein Gespenst, ein Dämon, ein Teufel …“ wiederholte sie stammelnd, und in diesem Augenblick war nur wenig von ihrer Kratzbürstigkeit zu erkennen.

„Das ist weder ein Dämon noch ein Teufel“, erklärte Hasard, „sondern ein harmloser Affe – ein Tier aus dem Dschungel und zudem noch ein recht kluger Kopf, mit dem wir uns alle recht gut verstehen. Wenn du dich an Bord dieses Schiffes wie eine Lady benimmst, brauchst du keine Angst vor Arwenack zu haben.“

Lucille nickte schicksalergeben, ihre Erregung schien sich langsam wieder zu legen. Schon bald war sie wieder in ihrem Element und deckte die Seewölfe mit Flüchen und Verwünschungen ein, so daß selbst Edwin Carberry noch einiges für sein Spezialgebiet hinzulernen konnte.

„Du heiliger Bimbam“, murmelte er fast andächtig, „hoffentlich hat Sir John das nicht gehört. Und wenn doch, dann wird die alte Nebelkrähe in den nächsten Tagen ganz schön den Schnabel wetzen.“

Die Gefangenen wurden rasch eingesperrt, denn es gab wichtigere Arbeit für die Seewölfe.

Die „Hornet“ war am Sinken, und zwar deutlich sichtbar, von Minute zu Minute. Der Kampf gegen den buckligen Albert und seine Bande hatte doch einige Zeit in Anspruch genommen, in der kein Wasser mehr gelenzt worden war. Jetzt lag das Heck der Galeone schon bedrohlich tief im Wasser. Es mußte auf schnellstem Weg etwas geschehen, darüber war sich jeder an Bord im klaren.

„Wäre es nicht besser gewesen, wenn wir die Gefangenen gleich zur ‚Fidelity“ hinübergebracht hätten?“ fragte Sam Roskill. „Falls wir selbst noch überentern müssen, werden sie uns nur ein Klotz am Bein sein.“

Big Old Shane nickte zustimmend.

„Ich möchte mir beim Schwimmen auch nicht unbedingt diese bucklige Ratte unter den Arm klemmen. Am liebsten hätte ich dem Kerl gleich den Hals umgedreht, denn ihm haben wir den ganzen Schlamassel schließlich zu verdanken.“

Hasard schüttelte den Kopf.

„Noch steht uns das Wasser nicht bis zum Hals, und wir würden durch die ganzen Aktivitäten nur wertvolle Zeit verlieren. Im Moment wird hier jede Hand gebraucht.“

„Aber was willst du tun?“ fragte Big Old Shane. „Das Lenzen wird das Schiff nicht mehr retten.“

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