Humor

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FRANK LISSON

­­­­Humor

Warum wir lachen


Herausgegeben von

Anne Hamilton

Frank Lisson,

Jahrgang 1970, studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik in Würzburg und München und promovierte in Geschichte. Er lebt in Berlin und schreibt als freier Autor Prosa, Essays und Sachbücher mit dem Schwerpunkt Kulturphilosophie. Zuletzt sind von ihm erschienen »Die Verachtung des Eigenen« (2011) und »Homo Viator« (2013).

Inhalt

Cover

Titel

Zum Autor

Vorwort

Ursachen des Humors

Warum lachen?

Über das Wesen des Witzes

Funktionalität des Humors

Lachen in der Aporie: der Zynismus

Melancholie des Absurden – oder: das Komische am Dasein

Warum uns das Lachen nicht vergeht

Literaturhinweise

Impressum

Fußnoten

Vorwort

OHNE das Komische in der Welt wäre das Leben wahrscheinlich unerträglich. Welche Bedeutung und Funktion hat also der Humor innerhalb des menschlichen Verhaltens, wie entwickelte er sich, und was waren die Urerlebnisse, die dazu führten, dass der Mensch lacht? Ist der Humor womöglich deshalb entstanden, weil er für den Menschen eine lebensnotwendige Rolle übernahm, nämlich die, ihn zur Heiterkeit zu verführen? Was aber hat es mit der Heiterkeit auf sich und wieso wurde sie offenbar allein für homo sapiens erforderlich, da nur er über die Begabung zum Humor zu verfügen scheint? Sollten bestimmte Tiere »lachen« können, so fehlt ihnen doch der Sinn für Komisches, was bedeutet, dass die Fähigkeit, über Komisches zu lachen, unweigerlich mit der Fähigkeit zu denken zusammenhängt. Denn das Lachen konnte nur dann als kommunikativer Akt wirksam werden, wenn andere verstanden, was Lachen ist, weil sie selber lachten. Schließlich gehört der Ausdruck von Heiterkeit, das Lachen, zu den anthropologischen Konstanten. Alle Menschen lachen. Aber seit wann? Und warum? Vor allem aber: worüber?

Freilich ist das Lachen als solches jedoch nicht untrennbar mit dem Humor verbunden, denn es gibt auch ein Lachen vor Freude, ein Lachen des erlebten Glücks, das völlig unabhängig ist vom Komischen. Und doch liegt womöglich beiden Formen ein gemeinsamer Ursprung zugrunde, nämlich der, dass Humor, selbst wenn er ein »böser« sein sollte, beim Humorvollen ein Gefühl der Freude und des Glücks auslöst. Nur weil der Mensch zum Humor begabt ist, kann er auch aus Zufriedenheit lachen. Und es ist wiederum diese Freude, über etwas lachen zu können, die bereits zu psychischer wie physischer Entspannung führt und uns Wohlbehagen empfinden lässt, ohne dass wir herzhaft gelacht haben müssen.

Weil der Humor zur Heiterkeit verleitet, muss von der Heiterkeit eine bestimmte Funktion ausgehen, die wiederum eines Mittlers oder Grundes bedarf, um wirksam werden zu können. Erst die Begabung zur Heiterkeit bringt den Humor hervor, denn man wird schwerlich heiter sein können, ohne Humor zu haben. Umgekehrt gilt jedoch das gleiche. Beide Eigenschaften hängen also wechselseitig miteinander zusammen. So führt der Humor über die Heiterkeit schließlich zur Gelassenheit. Denn den Menschen in den Zustand der Gelassenheit zu versetzen, ist zuletzt das Ziel des Humors; darin besteht seine Aufgabe und Funktionalität. Der Humor erleichtert das Leben, weil er den Dingen ihre Eindeutigkeit nimmt, wodurch sie Bedrohlichkeit und Autorität verlieren. Aufgrund seiner Fähigkeit zum Humor versteht der Mensch, den Dingen ein »verschiedenes Ansehen« zu geben, das heißt, er kann ihnen gegenüber unterschiedliche Haltungen einnehmen. Dadurch ist er nicht an den unmittelbaren Sinn einer Sache gebunden und nicht ihrer Zweckmäßigkeit unterworfen wie etwa das Tier, das keine Wahl darin hat, sich den Dingen gegenüber zu verhalten. Allein dem Menschen steht es frei, die Perspektive zu wechseln und sogar im Schrecklichen das Komische zu sehen, also selbst dem Tragischen etwas Heiteres abzugewinnen, wie dies namentlich beim »schwarzen Humor« geschieht.

Noch weitere Leistungen kommen hinzu, etwa das Verzeihenkönnen. Die menschliche Eigenschaft, einem anderen verzeihen zu können, wurde erst durch die Fähigkeit zum Humor und zur Heiterkeit möglich. Denn das Verzeihen setzt die Relativierung einer Sache mittels Humor voraus. Nur wer über einen Vorfall auch lachen kann, ist bereit, über die Folgen letztlich hinwegzusehen und dem Verursacher zu vergeben.

Gleichzeitig erlaubt der Humor aber auch, die bösesten Späße zu begehen oder einem Sarkasmus Vorschub zu leisten, der die Grenzen des guten Geschmacks gerne überschreitet. Ferner treten mit der Ironie ein schelmisch-distanzierter, mit dem Zynismus ein verbitterter Abkömmling des Humors auf den Plan, ohne deren Mitwirkung kein empfindsamerer Geist gänzlich auszukommen vermag.

Man sieht, der Humor zählt zu den rätselhaftesten Erscheinungen menschlicher Existenz. Entsprechend oft ist er philosophisch beleuchtet worden, jedoch zumeist begleitet von dem stillen Eingeständnis, dass man ihn als Phänomen nicht recht zu fassen bekomme, weshalb es eines Philosophen im Grunde unwürdig sei, sich länger und intensiver damit zu beschäftigen. Zwar hat fast jeder bedeutende Philosoph auch irgendwann einmal etwas zum Humor oder zum Komischen gesagt, doch hielt man sich zumeist bei der Frage des Lachens auf, um vor allem dieses physiologische Phänomen psychologisch zu erklären. Da selber zu lachen einem Gelehrten oder Geistesmenschen lange Zeit nicht anstand, hat sich übrigens kaum ein Philosoph lächelnd oder schmunzelnd porträtieren lassen. Als erster und fast einziger wagte dies La Mettrie; es folgten Voltaire und bezeichnenderweise auch Schopenhauer, wogegen Demokrit das Prädikat des »lachenden Philosophen« erst von der Nachwelt verliehen bekam. Es ist sicher kein Zufall, dass ausgerechnet die skeptischsten, ja pessimistischsten Denker sich nicht scheuten, ihre Betrachter anzulächeln.

Zwar erging man sich seit der Antike in dem Versuch, eine Theorie des Komischen nach wissenschaftlichen Maßstäben aufzustellen, in allerlei spitzfindigen Besserwissereien, ließ aber die Frage nach den möglichen Anfängen des Humors sowie dessen Funktionalität dabei häufig außer acht. Und so blieben viele der wichtigsten Fragen, besonders was die anthropologischen Ursprünge und sozialen Ursachen des Komischen betrifft, ungestellt: Wie kam der Witz in die Welt und warum? Woraus hat sich beim Menschen der Sinn für Komisches entwickelt? Was waren die Urszenen und Urerlebnisse, die zu den Anfängen des Komischen führten? Worin besteht die soziale Bedeutung des Humors? Und was ist überhaupt witzig?

Anders als Trauer oder Schmerz basiert Humor nicht auf Affekten, sondern auf mentaler Leistung, woraus sich ganz verschiedene Formen des Humors ergeben. Worüber jemand lacht, verrät, wie es geistig um ihn bestellt ist, auf welchem kulturellen oder intellektuellen Niveau er sich bewegt. Humor und Witz müssen begriffen werden, Trauer und Schmerz dagegen nur empfunden. Das Komische kann ohne Übereinkunft dessen, was komisch ist, gar nicht zustande kommen. Insoweit ist der Humor eine durchaus ernste Sache, als er auf evolutionären Notwendigkeiten beruht, die sich uns in ihrer »wahren Natur« gern verborgen halten. Wer sich das Phänomen des Komischen erklären will, muss also nach den Techniken des Humors fragen.

Hier soll das Augenmerk in erster Linie auf diese Techniken gelegt werden; also auf den Sinn und Zweck dessen, was uns lachen macht. Deshalb kann sich die Auseinandersetzung nicht damit begnügen, bloß zu referieren, was seit Aristoteles alles über den Humor und das Komische gesagt worden ist, sondern sie will – anders als die meisten bisherigen Untersuchungen zum Komischen, die sich hauptsächlich auf den kulturgeschichtlichen Kontext beschränken1 – darüber hinausgehende Aspekte aufzeigen und gleichsam die »Ernsthaftigkeit«, ja sogar den »tragischen Grund« des Humors beleuchten.

Ursachen des Humors

MIT der Entstehung des anatomisch modernen Menschen scheint neben der Begabung zum Sprechen auch die zum Lachen einhergegangen zu sein. Und gewiss wurde von der Begabung zum Lachen früher Gebrauch gemacht als von der zum Sprechen, da das Lachen als Ausdrucksform im Unterschied zur Sprache zunächst keine weiteren Mittel erfordert, um zu entstehen, also weder Wortbildung noch Grammatik. Das einzige, was zur Entstehung des Lachens nötig war, ist ein Anlass zum Lachen – und damit verknüpft ein Sinn für Komisches, der das Lachen auslöst. Beides muss ursprünglich im Menschen angelegt gewesen sein, damit sich die vielen verschiedenen späteren Formen des Lachens haben entwickeln und erweitern können. Bei einem bestimmten Anlass wird also der vorhandene Sinn für Komisches zum Lachen über Komisches geführt haben; irgendwann ist ein Ereignis als ein solcher Anlass bemerkt oder erkannt worden, so dass die von nun an damit verbundene spezifische Reaktion ausgelöst wurde – und somit war das Lachen über Komisches und gleichsam die Voraussetzung zur Entwicklung von Humor in der Welt; was aus der Natur des Vorgangs heraus notwendig relativ plötzlich geschehen sein muss.

 

Wie das Weinen dürfte also auch das Lachen irgendwann einfach »da«gewesen sein – und hier stellt sich uns das erste Rätsel in den Weg: Wenn das Weinen eine rein affektive Handlung ist, eine bloße Körperreaktion mit psychischer Unterstützung, das Lachen dagegen aber durch Komisches ausgelöst wird, das wiederum »verstanden« und nicht bloß »empfunden« werden muss, um seinem Sinn und seiner Funktion nach zu wirken, worüber kann dann gelacht worden sein, als es noch keine verbalen Ausdrucksformen gab, um den Inhalt des Komischen zu transportieren? Gab es womöglich ein »instinktives« Verständnis, eine kollektiv-archetypische Übereinkunft unter Menschen darüber, was komisch ist, noch bevor die sprachlichen Mittel ausreichten, solches zu artikulieren? Tatsächlich muss ein nonverbales Verstehen, also eine frühe Form von Empathie vorausgesetzt werden, um die Anfänge des Komischen plausibel zu machen. Dass eine solche empathische Übereinkunft tatsächlich voraussetzbar ist, erklärt sich aus der Ähnlichkeit genetischer Dispositionen artverwandter Wesen, also aus den vererbten Informationen, die als Instinkt dafür sorgen, dass bestimmte überlebenswichtige Handlungen nicht gelernt werden müssen, sondern a priori gegeben sind – wie beim Menschen etwa das Greifen. Auch lachen bekanntlich bereits Säuglinge ohne jeden Sinn für Komisches.

Um was für ein Ereignis aber wird es sich dabei gehandelt haben, das Menschen zum ersten Mal bei klarem Verstand zum Lachen brachte? Wie erwähnt ist es sehr wahrscheinlich, dass es auch unter erwachsenen oder sich ihrer selbst bewussten Menschen bereits ein Lachen vor dem Begreifen des Komischen gab; ein Lachen, das aber dennoch nicht bloß auf Affekten beruhte, sondern etwas zum Gegenstand hatte, das als komisch empfunden wurde. Und das, was daran komisch war, musste nicht erklärt werden, da es sich aus der Sache selbst ergab. Folglich musste es sich um etwas gehandelt haben, das jeder nachvollziehen konnte, weil es ihm der Sache nach selber vertraut war. Und eine solche Ur-Sache, ein solches Ereignis ist das Missgeschick. Daher dürfte die Grundlage für die Entstehung des Komischen das Empfinden von Schadenfreude gewesen sein, also die Aktivierung eines Reizes, der weitgehend ohne kognitive Leistung oder gar die Vermittlung durch Sprache auskommt. Es genügt zu sehen, dass jemand eine Ungeschicklichkeit begeht, und schon empfinden wir Schadenfreude – und lachen über den anderen. Deshalb nehmen bis heute Pleiten, Pech und Pannen sowie Slapstick einen so breiten Raum im Bereich des Komischen ein, denn auch Kinder reagieren bereits mit Erheiterung, wenn ein Clown über seine viel zu großen Schuhe stolpert und dabei in eine Torte stürzt.

Ganz ähnlich haben wir uns die Anfänge und Urszenen des Komischen vorzustellen. Das erste Lachen wird ein Verlachen gewesen sein, ein Spott. Dafür spricht, dass bis heute das meiste, was wir als komisch empfinden, auf Kosten anderer geschieht: Man lacht über die Dummheit anderer, weil man sich selber für klüger oder geschickter hält, sobald man weiß, wie etwas zu sein hat, weil es das »Richtige«, das »Normale« ist. Alles, was nun von der Norm, dem Richtigen abweicht oder gegen dessen Regeln verstößt, wird als komisch empfunden. Wer einen altmodischen oder kuriosen Hut aufsetzt oder eine Jacke verkehrt herum anzieht oder wer sich im Umgang anders verhält, als es jeweils üblich ist, bringt Menschen entweder zum Lachen oder verärgert sie. Das Gleiche gilt für Abweichungen von der Funktionalität: Der Speer oder Stein soll das Ziel treffen; rutscht er vorher aus der Hand oder geht weit daneben, ist das in einer bestimmten Situation komisch. Wer läuft, hat sich vorwärts auf ein Ziel hinzubewegen; schaut er dagegen in die Luft und fällt dabei in eine Grube, kann das komisch sein. Ebenso, wenn sich jemand in bekanntem Gelände verirrt oder Teile der Beute unterwegs verliert. All das sind Ungeschicklichkeiten, die einen gewissen Schaden verursachen, der vermeidbar gewesen wäre. Man kann sich darüber ärgern, wenn man selbst den Schaden davonträgt, für alle anderen ist das aber zumeist erheiternd. Folglich dient Lachen seit jeher auch dazu, besser mit einer an sich unglücklichen Situation fertig zu werden, lernend damit umzugehen. Denn im Spott liegt immer auch ein erzieherisches Moment: Der Verspottete soll aus dem Schaden klug werden, um ihn nächstens zu vermeiden. Schließlich kam dem konstruierten Witz die Funktion zu, andere bloßzustellen, um deren Fehlverhalten wiederum mahnend aufzuzeigen. Der pädagogische Aspekt darf bei der Entstehung des Humors nie außer acht gelassen werden, denn die Figur des Trottels, Harlekins oder Hanswursts galt von Anfang an als Vexierbild des Menschen an sich.

Obwohl das Phänomen des Humors oder des Komischen reichlich Anlass bietet, über dasselbe nachzudenken, ist dies bislang nur in recht bescheidenem Maße geschehen. Das mag zum einen daran liegen, dass der Humor von der Philosophie nie ernst genug genommen wurde. Ein weiterer Grund dürfte sein, dass man sich zu schnell mit den naheliegenden Antworten zufriedengegeben hat und das Problem zumeist allein von der Logik her anging.

Denn seit Aristoteles (5. Buch Poetik) hat sich als Grunderklärung des Komischen die Theorie durchgesetzt, wonach Lachen dann ausgelöst wird, wenn das Verhältnis zwischen Erwartung und Realität unerfüllt bleibt. Cicero formulierte das später dann so: »Denn unwillkürlich amüsiert uns unser Irrtum. Darum müssen wir lachen, weil wir uns gleichsam in unserer Erwartung getäuscht sehen.«1 Mit leichten Akzentverschiebungen wurde diese Auffassung von der Theorie des Humors oder der Komik bis in die Gegenwart hinein tradiert. Bei Immanuel Kant findet sich die berühmte Definition des Lachens als Affekt einer plötzlichen Verwandlung angespannter Erwartungen in die Leere des Nichts: »Es muß in allem, was ein lebhaftes, erschütterndes Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein (woran also der Verstand an sich kein Wohlgefallen finden kann). Das Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts.«2 Ganz ähnlich urteilt Arthur Schopenhauer, der in seiner ausführlichen Analyse des Komischen, »Zur Theorie des Lächerlichen«, zwar Kants Theorie als »unrichtig« verwirft, sie aber im Grunde nur um den Aspekt verfeinert, dass das Vergnügen am Komischen dann gegeben sei, wenn die strenge Vernunft durch das Aufeinandertreffen von an sich Widersprüchlichem ad absurdum geführt werde. Deshalb meinte der grenzenlos selbstbewusste Schopenhauer, mit seiner Deutung nunmehr das »aufgegebene Problem definitiv gelöst«3 zu haben. »Das Lachen«, sagt er, »entsteht jedesmal aus nichts anderm als aus der plötzlich wahrgenommenen Inkongruenz zwischen einem Begriff und den realen Objekten, die durch ihn in irgendeiner Beziehung gedacht worden waren, und es ist selbst eben nur der Ausdruck dieser Inkongruenz. (…) Jedes Lachen also entsteht auf Anlaß einer paradoxen und daher unerwarteten Subsumtion.«4

Damit war die Grundstruktur dessen, was das Komische sei, beschrieben. Erstaunlicherweise beließ man es im großen und ganzen dabei, ohne tiefer in die Sache einzudringen oder die These von den »getäuschten Erwartungen« genauer zu überprüfen, geschweige denn zu revidieren. Denn auch die darüber hinaus entstandenen Theorien unterschieden sich nicht wesentlich von denen des Aristoteles oder von Kant, sondern setzten bloß andere Schwerpunkte. Die wichtigsten sollen hier kurz vorgestellt werden:5 So vertrat der britische Philosoph und Staatstheoretiker Thomas Hobbes (1588 – 1679) die Auffassung, dass das Lachen allgemein der Ausdruck eigener Überlegenheit angesichts der Fehler von Fremden sei. Laut Hobbes müsse dreierlei zusammenkommen, damit Komik empfunden werde: dass überhaupt ein Fehler wahrgenommen werde, dieser ein fremder sei und die Wahrnehmung plötzlich eintrete, also überraschend wirke.

Etwa zweihundert Jahre später griff der französische Dichter Charles Baudelaire (1821 – 1867) diese Theorie auf, stellte sie aber – gleich Kierkegaard – in einen theologischen Zusammenhang, wodurch für ihn das Lachen satanisch wurde, da es zutiefst menschlich sei und aus der Vorstellung des Menschen von seiner eigenen Überlegenheit entspringe.

Zur Zeit der Romantik und des Deutschen Idealismus erkannte der Dichter Jean Paul (1763 – 1825) im Komischen oder Lächerlichen den Gegensatz zum Erhabenen und meinte, das Lachen resultiere aus der Unstimmigkeit, die sich aus diesem Gegensatz ergebe. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775 – 1854) schloss sich diesem Urteil an, wonach komisch die Umkehrung jedes möglichen Gegensatzverhältnisses sei, doch behauptete er noch darüber hinaus, dass die höchste Form des Komischen in der Verkehrung von Freiheit und Notwendigkeit liege.

Für den Lebensphilosophen Henri Bergson (1859 – 1941) bestand das Komische in der Erstarrung dessen, was eigentlich fließen und in Bewegung sein müsse. Sobald der alles Organische durchströmende élan vital ins Stocken gerate, komme es zu dauernden Wiederholungen bestimmter Abläufe, was als komisch empfunden werde, weil das menschliche Leben auf Flexibilität und Veränderung programmiert sei.

Dagegen legte Sigmund Freud (1856 – 1939) den Schwerpunkt auf den Lustgewinn, der dadurch entstehe, dass durch den Witz unerfüllte sexuelle Wünsche oder Aggressionen gewissermaßen »spielend« kompensiert oder abgebaut werden könnten. Denn der Witz überwinde innere Hemmungen, gesellschaftliche oder kulturelle Hindernisse, wie Tabus oder Konventionen, und erlaube dem Menschen, sich über den Gebrauch des Komischen kurzzeitig vom Verdrängungsdruck zu befreien.

Der Philosoph und Anthropologe Helmuth Plessner (1892 – 1985) sah im Lachen wie im Weinen den Ausdruck einer Extremsituation menschlichen Verhaltens, den »Verlust der Selbstbeherrschung als Bruch zwischen der Person und ihrem Körper«6, woraus Plessner seine Annahme einer »exzentrischen Position« des Menschen entwickelte. Diese »exzentrische Position« ergebe sich daraus, dass der Mensch – anders als das Tier – nicht nur etwas erlebe, sondern darüber hinaus auch sein Erleben erlebe, also sein Verhalten reflektiere, weil er nicht nur Körper sei, sondern auch Körper habe; und aus dieser Ambivalenz des Körperseins und Körperhabens speise sich das Krisenbewusstsein des Menschen, auf das er – um nicht daran zugrunde zu gehen – mit Lachen reagiere.

Doch war damit das Phänomen wirklich schon hinreichend erklärt? Es wird zu zeigen sein, wo die Schwächen dieser Theorien liegen und was den Humor, das Lachen und das Komische darüber hinaus noch »bedenklich« macht.

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