Czytaj książkę: «Equus Lost?»

Czcionka:

Francesco und José De Giorgio

Equus Lost?

Ein neues Verständnis für die wahre Natur der Pferd-Mensch-Beziehung

… VERSTEHEN STATT DOMINANZ


Den Pferden gewidmet, die uns auf unserem Lebensweg begleiten: Pioggia, Marea, Ninfa, Onda, Topazio, Fulmine, Falò, Sparta

Haftungsausschluss

Autoren und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder Beschlüssen aufgrund der gegebenen Information entstehen, wird keine Haftung übernommen.

Sicherheitstipp

Beachten Sie im Umgang mit Pferden stets die üblichen und allgemein bekannten Sicherheitsmaßnahmen. Zu Ihrem Wohl und zum Wohle des Pferdes!

IMPRESSUM


Copyright © 2021 Cadmos Verlag GmbH, München

Covergestaltung: Gerlinde Gröll, www.cadmos.de

Gestaltung Kern und Satz: Markus Bürger Übersetzung: Agnes Trosse Lektorat: Agnes Trosse Wissenschaftliches Korrektorat: Sparta Association - Reingard Spannring, Susanne Weis Bilder: Learning Animals Fotos am Umschlag: Shutterstock/Jozef Klopacka (Cover), Shutterstock/Ivailo Nokolov (Rückseite)

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach

vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

ISBN: 978-3-8404-1090-1

eISBN 978-3-8404-64942

Originalausgabe:

Comprendere il cavallo. Un viaggio per conoscerne la mente e le emozioni.

Copyright © (2017) Giunti Editore S.p.A., Firenze-Milano

www.giunti.it


Foto: Schutterstock/Jozef Klopacka

Inhalt

Equus Lost?

Inhalt

Hinweis für den Leser

Einleitung

Erster Teil: Das unsichtbare Pferd

Was ist Kognition?

Kognition ist natürlich

Sich selbst erfüllende Prophezeiungen

Zeit für Veränderung

Zweiter Teil: Ein Leben ohne Druck

Die partnerschaftliche Herde

Der Mythos von der Hierarchie in der Herde

Kognitive Essenz

Der mentale Käfig der Konditionierung

Dritter Teil: Gemeinsam wachsen

Grundlagen für den Dialog finden

Der soziokognitive Ansatz: Gemeinsam lernen

Von der Leistung zur Beziehung

Co-Learning: Die Zukunft gestalten

Jenseits der Horizonte

Anhang

Über die Autoren und ihr Institut „Learning Animals“

Abstract

Quellennachweis

Stichwortregister


Hinweis für den Leser

Zu oft unsichtbar – das „andere“ Pferd, das kognitive Pferd.

Dieses Buch nimmt dich mit auf die Suche nach diesem versteckten Pferd, auf eine Reise, die es dir ermöglicht, das Pferd aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Wir möchten dir zeigen, wie du dein Pferd aus soziokognitiver Sicht betrachten und so ein besseres Verständnis sowie ein tieferes Bewusstsein für die Wahrnehmungswelt des Pferdes erlangen kannst. Beides ist wichtig für das Wohlbefinden des Pferdes sowie für ein gesundes, auf Gegenseitigkeit beruhendes Verhältnis zwischen Pferd und Mensch.

Die in diesem Buch vorgeschlagenen Ideen basieren auf dem Modell des soziokognitiven Lernens (das SCL-Modell) von Dr. Francesco De Giorgio, das seine Wurzeln in einem kognitiv-konstruktivistischen Rahmen hat. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass Pferde, Hunde und Tiere im Allgemeinen ihren eigenen Weg des Dialogs mit der Welt finden und durch kognitives Lernen subjektive Realitäten schaffen, sich so von Training und Konditionierung emanzipieren und dadurch ihr angeborenenes kognitives Erbe erhalten bzw. wiederherstellen können. Das Modell wurde von José De Giorgio-Schoorl für das persönliche und berufliche Wachstum von Menschen im Umgang mit menschlichen und nichtmenschlichen Tieren übertragen. Dieses soziokognitive Modell wird in mehreren Ländern auf beruflicher Ebene angewendet in den Bereichen Tierethik, Tierschutz, menschliche/nichtmenschliche Interaktion, menschliche Bildung und wissenschaftliche Innovationen. Das SCL-Modell wird bei Learning Animals gelehrt, dem Internationalen Institut für Forschung und Entwicklung von Tierethik, interspeziesistischer Interaktion und antispeziezistischer Ethologie (www.learninganimals.com).

WAS DU SONST NOCH FINDEN WIRST

Im Laufe des gesamten Buches wirst du Geschichten, Erzählungen, Abenteuer und Fantasie-Beschreibungen aus dem persönlichen Alltag von Francesco De Giorgio finden – sowie Berichte über Lebensentscheidungen, die ihn von klein auf begleitet und geleitet haben. Ein Leben voller Erkenntnis, Emotionen und Beziehungen in Koexistenz mit anderen Tieren, die er heute insbesondere mit seiner Frau José, Mitautorin dieses Buches, und den Tieren, die mit den beiden leben, teilt.

Diese Lebenserfahrungen sind entscheidend, um die Konzepte, deren Ursprung, Bedeutung und Werte zu verstehen, die die Reise dieser beiden Autoren – und all jener Menschen, die sich für ihre Kernbotschaft interessieren – so wichtig und nachhaltig macht.

Das Modell des soziokognitiven Lernens sorgt für eine kulturelle Transformation. Es ermöglicht die Wiederentdeckung und Analyse von Beziehungen zwischen menschlichen und anderen Tieren aus einem Verständnis und einer Perspektive heraus, die bisher undenkbar waren. Dank der kontinuierlichen wissenschaftlichen Beiträge von Francesco und José, die sie zudem noch täglich in die Praxis übertragen, fasziniert dieses Studienfach heute Menschen aus allen Ländern der Welt. Ein gründliches Verständnis dieses Gebiets erfordert jedoch, dass der Mensch sich in der Mensch-Tier-Beziehungsdynamik nicht mehr als zentrale Referenz versteht. Dadurch entsteht ein völlig neuer Standpunkt, von dem aus wir in den Austausch und Dialog eintauchen und so auf eine gegenseitige Verständigungsebene gelangen können – als Tier unter Tieren.

EIN HILFREICHES GLOSSAR

Beim Lesen wirst du vielleicht auf einige Begriffe stoßen, die in der traditionellen Reiterszene selten verwendet werden. Hier erklären wir deshalb kurz, was Francesco und José meinen, wenn sie bestimmte Wörter verwenden, um ihre Forschung, ihre Position und ihre Theorien zu erklären:

Affiliativ: Verhalten, das den Gruppenzusammenhalt fördert (freundliche/positive Gesten).

Agonistisch: mit Konflikt verbunden.

Anthropozentrisch: den Menschen in den Mittelpunkt stellend

Automatismen: spontane Reaktionen oder Verhaltensweisen.

Behaviorismus: Theorie der Wissenschaft des menschlichen und tierischen Verhaltens. Das Gehirn wird dabei als „Black Box“ angesehen, deren innere Prozesse nicht von Interesse sind. Verhalten wird als Ergebnis von verstärkenden und abschwächenden Faktoren aufgefasst.

Deterministisch: ein Ansatz, der vorschlägt, dass jedes Verhalten durch Vorhergegangenes verursacht wird und somit vorhersehbar ist.

Dialogisch: sich auf den Dialog beziehend oder durch diesen gekennzeichnet sein.

Hierarchischer Fokus: Tendenz, sich auf die Rangordnung zu konzentrieren.

Hybridisierung: Erfahrungen mischen; eine Erfahrung teilen, inspiriert werden durch die Wahrnehmung und den Standpunkt eines anderen.

Kognition, kognitiv: Gesamtheit aller Prozesse, die mit dem Wahrnehmen und Erkennen zusammenhängen, kognitiv: das Wahrnehmen, Denken, Erkennen betreffend

Komplementarität: sich gegenseitig ergänzend

Limbisches System: besteht aus Gehirnstrukturen, die an Emotionen beteiligt sind. Zu diesen Strukturen gehören die Amygdala, der Hippocampus und der Thalamus.

Propriozeption: Sinnesinformationen, die zum eigenen Empfinden, zu Körperhaltung und Bewegung beitragen.

Reduktionistisch: die Praxis der Vereinfachung einer komplexen Idee, eines Problems und Bedingung.

Speziesismus/Antispeziesismus: Speziesismus beinhaltet die Zuordnung verschiedener Werte, Rechte oder besondere Rücksichtnahme sowie die moralische Diskriminierung von Lebewesen ausschließlich aufgrund ihrer Artzugehörigkeit. Vertreter des Antispeziesimus sprechen sich deshalb für eine Ausweitung der Ablehnung aller Diskriminierung aus und stellen den Speziesismus dem Sexismus und Rassismus gleich.

Soziokognitiv: Kognition ist Teil eines Individuums – eines Subjektes, das Informationen braucht, um seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Die Möglichkeit, Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und zu produzieren bedeutet, sich weiterzuentwickeln, Kongruenz mit sich selbst zu erreichen, Selbst-Erfahrung und Selbst-Bewusstsein zu erleben, und steht im Kontrast zur Reaktion einer neo-behavioristischen Maschine. Gefühle des Wohlergehens gehören nicht einem Gehirn oder einem physiologischen System, sondern einem Tier als Ganzem. Für soziale Tiere wie Pferde bedeutet dies, in einer gemeinsamen Kultur zu wachsen, in einer kontinuierlichen Evolution des gemeinsamen Lebens.

Trost: Versöhnendes Verhalten und Teil der Kategorie der Zugehörigkeits-Verhaltensweisen.


Einleitung

Dieses Buch ist kein Handbuch. Es gibt viele Handbücher über Pferde und darüber, wie sie eingesetzt und auf welche Art und Weise sie ausgebildet und konditioniert werden.

„Equus Lost?“ widmet sich Pferden als fühlenden und soziokognitiven Lebewesen, ihrer Wahrnehmungswelt, ihrem Wissenserwerb, ihrem Verständnis für die Umwelt und ihren sozialen Fähigkeiten untereinander und gegenüber dem Menschen. Dieser Blickwinkel ist notwendig, da das Verhalten von Pferden bisher nach konventionellen Denkschemata hauptsächlich im Kontext von Behaviorismus und klassischer Ethologie (der wissenschaftlichen und objektiven Untersuchung des Verhaltens von Tieren) erklärt wurde. Diese Interpretationen haben die Art und Weise geprägt, wie wir Pferde betrachten und wie wir ihr Verhalten erklären, sowohl im Zusammenleben als auch in ihrer Beziehung zu Menschen.

Im täglichen Leben verursachen viele Dinge – fälschlicherweise als selbstverständlich angesehen – all die Missverständnisse, denen Pferde täglich mit Menschen auf der ganzen Welt begegnen und umgekehrt.

Die Art und Weise, wie Pferde im sozialen Kontext leben, wie sie daraus lernen und wie sie Informationen aus ihrer Umgebung und ihren Interaktionen sammeln, wird häufig immer noch als unwichtig bewertet, was zu einem Mangel an angemessenem Verständnis für ihr Wohlbefinden führt. Wir müssen von einem kognitiven Standpunkt aus ein besseres Verständnis für die Pferde entwickeln, um Wissen und Erkenntnisse zu bieten, die ihr Wohlbefinden verbessern und mehr Transparenz in der Beziehung zwischen Pferd und Mensch ermöglichen. Dieses Buch ermutigt dich dazu, viele Überzeugungen, die von Generation zu Generation in der Pferdekultur weitergegeben wurden, über Bord zu werfen, weil gerade diese Überzeugungen unsere Wahrnehmung trotz bester Absichten einschränken. Es lädt dich ein, Dinge von einem anderen Standpunkt aus zu betrachten und so das individuelle und soziale Verhalten von Pferden, ihre emotionalen Bedürfnisse, ihre sozialen Kontakte untereinander und ihre soziale Beziehung zum Menschen, anders einordnen zu können.

Eine solch neue Wahrnehmung ermöglicht es dir, deinen Horizont zu erweitern und ein Bewusstsein zu entwickeln, das zeigt, dass du lernen kannst, dir der Welt der Pferde und deren Dialog, mit allem, was sie umgibt, bewusst zu werden. Dieser Lernprozess, Dinge anders zu betrachten, ermöglicht die Entwicklung eines neuen Verständnisses. Noch wichtiger ist, dass darüber das Bewusstsein für die kognitiven Fähigkeiten des Pferdes in dein tägliches Leben einfließt, dein Wunsch, mehr darüber zu erfahren, gefördert wird und du dich auch mit philosophischen Fragen auseinandersetzen wirst.

Modell des soziokognitiven Lernens (SCL-Modell)


Anthropozentrischer Ansatz

Die Beziehungen zwischen Tieren und jene zwischen Tieren und Menschen werden oft durch anthropozentrische Projektionen und Interpretationen erklärt.

„Equus Lost?“ entführt dich in eine Dimension, in der Beziehungen frei von Spannungen sind – es geht weder um Führung noch um Dominanz oder andere Kontrollhypothesen. Es handelt sich um eine Dimension, die auf dem Wissen des sozial ausgeglichenen Geistes des kognitiven Pferdes basiert, das neugierig und angetrieben von seiner eigenen inneren Motivation ist, die Welt zu erforschen und zu verstehen, einschließlich seiner Beziehung zum Menschen. Dieses Buch zu lesen bedeutet, sich auf eine Reise zu begeben, um sich des tierlichen Verstandes sowie dessen Emotionen und Absichten bewusst zu werden. Vorgestellt werden das Konzept und die Prinzipien des soziokognitiven Modells, das die Elemente und Grundlagen der Entwicklung einer wechselseitigen Beziehung zwischen Pferd und Mensch sowie die Erkennung und Berücksichtigung der soziokognitiven Fähigkeiten des Pferdes erklärt.

Es ist keine leichte Reise, weil auf ihr viele der universellen Überzeugungen, von denen wir in unseren Beziehungen zu Pferden und anderen Tieren ausgehen, widerlegt werden. Sie wird uns dazu bringen, nicht nur uns selbst, unsere Automatismen und unser Routineverhalten im Umgang mit Pferden zu hinterfragen, sondern auch unsere Beziehungen im Allgemeinen.

Gleichzeitig schafft sie Raum für mehr Ausdruck, Inspiration und neue Einblicke. Tatsächlich kann diese Reise von großem Nutzen sein, insbesondere für Studenten, die etwas über Kognition, Emotionen und soziale Lernaspekte erfahren möchten, Lehrer, die ihren Schülern eine neue Sichtweise anbieten möchten, Pferdeliebhaber, die gerne mehr über interspeziesistische Beziehungen lernen möchten, Pferdebesitzer, die die soziokognitiven Herdendynamik verstehen möchten, Menschen, die an einer anderen Message interessiert sind, für Fachleute, die neugierig sind, welche Bedeutung kognitive Fähigkeiten und affiliatives Verhalten haben, für Pferdewissenschaftler, die einen Schritt weitergehen möchten im Hinblick auf Studien zur Lebensqualität von Pferden und Menschen, und für Menschen, die sich für die Entwicklungen des menschlichen Zusammenlebens mit anderen Tieren interessieren.

Die Reise zum Verständnis des „kognitiven Pferdes” hat bereits bei vielen Überraschung und Erstaunen ausgelöst, ein größeres Bewusstsein geschaffen, das Leben vieler Pferde und Menschen verbessert und es vielen Menschen ermöglicht, „ihren Weg zurückzufinden”, um mit ihren Pferden authentischer zu sein. Dies ermöglichte es ihnen auch, „ein anderes Pferd” zu sehen: nicht das, was wir mit unseren anthropozentrischen Erwartungen und Projektionen erschaffen, sondern das, was immer da war und darauf wartete, dass wir unsere Prinzipien der Herrschaft, Hierarchie und des Wunsches nach Kontrolle aufgeben und uns darüber klar werden, dass sie nur eine Illusion sind. Denn nur wenn wir verstehen, wie wir Raum für freien Ausdruck lassen, können wir den anderen als das wahrnehmen, was er ist und immer war.

Der Band ist in drei Teile gegliedert und wird von einem Anhang begleitet. Der erste Teil, „Das unsichtbare Pferd“, erklärt, wie unsere menschlichen Überzeugungen und Hypothesen im Hinblick auf die Welt der Pferde unsere Urteile beeinflusst und das Pferd in vielerlei Hinsicht „unsichtbar” machen. Darüber hinaus zeigt dies, wie die große Anzahl anthropozentrischer Annahmen, die unsere derzeitige Wahrnehmung von Pferden stützen, uns einen Perspektivwechsel bei der Betrachtung von Beziehungsdynamiken erschwert. Der zweite Teil, „Ein Leben ohne Spannungen“, präsentiert das soziokognitive Modell; es beschreibt, was passiert, wenn ein Pferd in einem soziokognitiven Kontext aufwächst und wie dies die Beziehungen zwischen Pferden und die zwischen Pferden und Menschen beeinflussen kann. Es werden auch praktische Beispiele für Pferde und Menschen gegeben, die es schaffen, „zu einer dialogischen und authentischen Beziehung zurückzukehren“. Im dritten Teil, „Gemeinsam wachsen”, werden menschliche Aspekte beschrieben sowie das Bewusstsein, das zum Verständnis der Dynamik der Beziehung zwischen Pferd und Mensch erforderlich ist, wobei der innere Zustand beider berücksichtigt werden muss. Er handelt davon, Gewohnheiten und Denkmechanismen loszulassen, die in unserer Interaktion mit Tieren Erwartungen wecken. Dies hilft uns auch zu verstehen, wo das Dominanzproblem beginnt und wie wir von der Notwendigkeit der Kontrolle zum Verständnis des Kontakts übergehen können. In diesem Zusammenhang wird erklärt, wie wichtig es ist, eine Liebe zum Detail zu entwickeln und wieder ein besseres Bewusstsein für unsere Sinne zu schaffen.

Augenblicke und Erfahrungen mit Pferden zu teilen bedarf eines Raums für Ausdruck wie auch des Verständnisses für Nuancen in Beziehungsdynamiken und Verhalten. Weder Herdendynamiken noch einzigartige Pferd-Mensch-Beziehungen sind durch hierarchische Protokolle bestimmt, sondern hängen von der Umgebung, innerer Motivation, dem sozialen Kontext früherer Erfahrungen und vielen anderen Faktoren ab. Das macht jede Beziehung zu einer lebenslangen Reise aus gemeinsamen Erfahrungen und Entdeckungen.

Vielen Dank für dein Interesse und dafür, dass du dich um das kognitive Pferd kümmern möchtest.

Francesco und José De Giorgio

ERSTER TEIL
Das unsichtbare Pferd


In der Welt der soziokognitiven Fähigkeiten von Pferden gibt es noch viel zu erforschen, das den gegenwärtigen anthropozentrischen Standpunkt in der Beziehung zwischen Pferd und Mensch verändern wird. Am Horizont können wir diese weitreichenden Veränderungen schon sehen!

Was ist Kognition?
AUF DER SUCHE NACH DEM PFERD

Es ist früh an einem Spätsommermorgen. Auf den steilen Hügeln des Monte Cairo im südlichen Latium in Italien, wo die Wälder sich lichten, um der kargeren Vegetation in höheren Lagen Platz zu machen, steigt die Temperatur bereits. Es wird wieder ein heißer Tag.

Während eines Sommerbesuchs in dieser Region Italiens beobachteten wir auf den riesigen Hochebenen die Esperia-Ponys, die hier in dieser Region Italiens seit Jahrhunderten auf weitläufigen Plateaus leben. Sie sind extremen Wetterbedingungen ausgesetzt und teilen sich ihren Lebensraum mit Wölfen, deren Heulen allgegenwärtig ist. Im Winter, wenn viel Schnee fällt, ziehen die Ponys in die Täler, um Schutz und Futter zu suchen. Ähnlich ist es im Sommer, wenn zur heißesten Tageszeit hohe Temperaturen sogar die höheren Berggipfel erreichen. Dann müssen die Pferde die weiter oben gelegenen Gebiete verlassen, um Schatten zu finden. Obwohl sie einen Teil ihrer täglichen Wasserversorgung aus dem Morgentau beziehen, sind sie gezwungen jeden zweiten Tag auch in tiefer gelegenen Gebieten nach Wasserstellen zu suchen, wenn die höher gelegenen Reserven aufgebraucht sind.

Zwischen den Felsen und Bäumen verläuft ein steiler, gewundener Pfad, und die Hufabdrücke der Pferde, die diese Pfade nutzen, sind selbst auf diesem karstigen Untergrund deutlich sichtbar: Spuren der Esperia. Die Beschaffenheit des Bodens ist einer der Gründe, warum es zu dieser Jahreszeit schwierig ist, hier Wasser zu finden. Jeder einzelne Regentropfen, der darauf fällt, versickert im Boden, bevor er durch unterirdische Senklöcher und Bäche zu verborgenen Höhlen gelangt.

Die in dieser Gegend lebenden Tiere sind sich dieser Dürre bewusst und sind in der Lage zu entscheiden, wann und wo nach Wasser gesucht wird. Ihre Fähigkeit zur Problemlösung muss voll funktionsfähig sein.

Wir sitzen auf einer Lichtung, unweit des Waldrandes, als wir plötzlich das Klappern von Hufen auf Steinen hören, das von irgendwo hinter der höheren Baumreihe kommt. Dann, viel näher, bewegen sich Zweige und zwei Pferde erscheinen. Es handelt sich um ausgewachsene Stuten, stark und robust, mit dem für diese Rasse typischen glänzenden dunklen Fell. Sie halten an, um uns beide, die wir regungslos einige Meter vom Pfad entfernt sitzen, zu beobachten. Hinter den beiden machen sich weitere Pferde bemerkbar. Sie müssen auf der Suche nach einer Wasserstelle irgendwo weiter unten am Pfad sein. Ein paar Minuten vergehen. Sie bewegen sich etwas weiter vorwärts, gefolgt vom Rest der Familie, und halten dann noch einmal an, um weiter zu beobachten. Kein Schnauben oder Kopfbewegungen, und ihre Körper zeigen keine Anzeichen von Spannung. Nur eine überlegte Beobachtung der menschlichen Präsenz – einem unbekannten Element in einer bekannten Umgebung.

Sie befinden sich in einem Entscheidungsprozess, ob sie ihre Suche nach Wasser fortsetzen wollen oder nicht. Nichts passiert und Minuten wirken wie eine Ewigkeit. Dann beschließen die beiden Stuten, sich langsam umzudrehen. Die anderen Familienmitglieder tun dasselbe, einer nach dem anderen, so wie die Entscheidung weitergetragen wird, und verschwinden wieder zwischen den Bäumen.

Aber dann entstehen plötzlich auf einer Seite der Gruppe andere Bewegungen: Eine recht alte Stute erscheint. Sie ist sichtlich schwach und kann sich nur noch mit viel Mühe bewegen. Sie wählt die der Gruppe entgegengesetzte Richtung, kommt auf uns zu und schreitet an uns vorbei. Ihr Körper ist von den Erfahrungen eines Lebens alt und verbraucht, aber ihr Blick ist lebendig und ruhig, und so blickt sie uns auch an. Sie ist sich unserer Präsenz bewusst, lässt sich davon aber nicht beeinflussen und setzt ihren Weg langsam fort. Die anderen Pferde scheinen für einen Augenblick unentschlossen: Sie sehen der alten Stute nach, sie sehen uns an, sie beobachten den Weg und den Wald hinter ihnen. Dann wenden sie sich wieder gemeinsam um, folgen der alten Stute und nehmen ebenfalls den Pfad an uns vorbei zur Wasserstelle im Tal. Einige der neugierigeren Pferde sehen uns an, andere nicht. Nachdem sie ihre Meinung geändert haben, folgen sie nun ihrem ursprünglichen Pfad an uns vorbei und bewegen sich gemeinsam der inneren Motivation der alten, fragilen Stute folgend.

Esperia-Ponys sind eine alte italienische Rasse unbekannter Herkunft. Sie sind den Pferden der Samniter sehr ähnlich, einer italienischen Bevölkerungsgruppe, die jahrhundertelang gegen die alten Römer kämpfte.

Die Esperia spielten eine wichtige Rolle für das Verständnis des Verhaltens von Pferden sowie ihrer sozialen Dimensionen und kognitiven Fähigkeiten. Der natürliche Lebensraum der Esperias sowie ihre täglichen Interaktionen miteinander und mit der Umwelt haben es dieser Rasse ermöglicht, eine kognitive Essenz zu bewahren. Sie reagieren nicht einfach, ohne zuerst über die Situation nachzudenken. Diese Pferde waren für uns daher in den ersten Studien zum Verständnis von Mindmapping und räumlicher Wahrnehmung von Equiden essenziell und ermutigten uns zu weiteren Studien im Hinblick auf die Tier-Mensch-Interaktion. In der Tat verstärkten diese Ponys mit ihren Fähigkeiten zur Problemlösung und ihren ruhigen Entscheidungsfindungen den Wunsch, das uns so oft „verborgene Pferd“ zu verstehen und zu enträtseln. Sie machten sichtbar, dass Pferde kognitive Lebewesen sind und nicht nur reaktive Beutetiere, die durch das Paradigma „Kampf oder Flucht“ gekennzeichnet sind.

Gatunki i tagi

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203 str. 72 ilustracje
ISBN:
9783840464942
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