Alter und Konflikte: Wie ältere Menschen mit Konfliktsituationen umgehen

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Alter und Konflikte: Wie ältere Menschen mit Konfliktsituationen umgehen
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Alter und Konflikte: Wie ältere Menschen mit Konfliktsituationen umgehen Mit einem Einblick in die elder mediation

1  Titel Seite

2  Kurzversion

3  Inhalt

4  Literaturverzeichnis

Evéline Huber

Alter und Konflikte:
Wie ältere Menschen mit
Konfliktsituationen
umgehen
Mit einem Einblick in die elder mediation

epubli

ISBN: 978-3-753109-77-0

Erscheinungsdatum: 16.10.2020

Kurzversion

Einleitung

Die demografische Entwicklung hin zu einer Überalterung der Bevölkerung stellt die Schweizer Gesellschaft vor medizinische, sozialpolitische und ökonomische Herausforderungen. Beispielsweise in den Bereichen Fachkräftemangel in der Pflege oder zukünftige Finanzierung der Altersvorsorge. Die Anliegen von Menschen in hohem Alter erlangen eine immer höhere gesellschaftliche Relevanz. Bedingt durch technische und medizinische Entwicklungen und dem weiter expandierenden Wohlstand steigt die Lebenserwartung in den Industriestaaten stetig an (Pasero 2007). Das Bundesamt für Statistik prognostiziert, dass die Bevölkerungszahl der Schweiz in den kommenden dreissig Jahren weiterhin stark zunehmen wird. Im Jahr 2045 soll sich die Anzahl der Personen, welche sich im Rentenalter befinden, um rund 50 % erhöht haben (Bundesamt für Statistik 2016). 2050 werden etwa 30 % der Gesamtbevölkerung über 65 Jahre alt sein (Pasero 2007). Mit Menschen in hohem Alter werden Hochbetagte verstanden, welche sich also im vierten Lebensalter (Kruse 2017) befinden resp. über 80 Jahre alt sind (Kohli 2013). Im vierten Lebensalter ist mit einer Ansammlung von Herausforderungen und Verlusten zu rechnen. Tendenziell stehen weniger Kontaktpersonen zur Verfügung, die Wahrscheinlichkeit, dass nahe Verwandte und Freunde sterben ist hoch und das Risiko für Einsamkeit nimmt deutlich zu (Kruse 2017: 32). Herausforderungen zeigen sich u. a. in kognitiver, emotionaler und sozialer Verletzlichkeit. Beispielsweise in der Abnahme des Kurzzeitgedächtnisses oder in der Verlangsamung der Denkgeschwindigkeit (Kruse 2017: 21). Positive Aspekte des vierten Lebensalters sind der grosse Erfahrungs- und Wissensschatz, welche sich die Hochbetagten im Laufe ihres Lebens aneignen konnten und wovon sie im Alter profitieren können (ebd.). Für das Projekt „Alter und Konflikte: Wie Hochbetagte mit Konflikte umgehen“, welches in Zusammenarbeit mit Studierenden der Universität Basel durchgeführt worden ist, interessierte insbesondere, welche Erfahrungen die Hochbetagten in Zusammenhang mit Konflikten gemacht haben und wie ihr Umgang damit ist/war. Insgesamt sind zehn (hoch)betagte, in der Schweiz wohnhafte, Personen zwischen 80 und 93 Jahren mittels Tiefeninterview befragt worden. Aus den Ergebnissen liessen sich Empfehlungen für die Praxis und Beratung von Hochbetagten ableiten.

Konflikte der Hochbetagten: Formen und Themenbereiche

Die Ergebnisse zeigen, dass bei den interviewten Hochbetagten einerseits Konflikte mit Drittparteien und andererseits intrapersonelle Konflikte bestehen. Dieses Ergebnis überrascht nicht, da generell zwischen diesen beiden Konfliktformen unterschieden wird: Einerseits die intrapsychischen oder intrapersonellen, andererseits die interpersonellen Konflikte oder eben Konflikte mit Drittparteien (Schäfer 2017). Intrapsychische oder intrapersonelle Konflikte sind diejenigen, welche sich ausschliesslich innerhalb einer Person abspielen. So beispielsweise Entscheidungs-, Bedürfnis-, Beziehungs- oder Wertekonflikte (Meyer/Glasl 2011). Bei interpersonellen Konflikten hingegen handelt es sich um Auseinandersetzungen zwischen zwei oder mehreren Personen oder Gruppen. Die betroffenen Parteien sind sich in der Bewältigung der Situation nicht einig und entwickeln deshalb negative Gefühle. Diese Gefühle verursachen oftmals einen starken Handlungsantrieb, so dass es zu starken Reaktionen kommen kann. Dabei sind die Gegensätze der Interessen weniger von Bedeutung, vielmehr stellt sich die Frage, wie die Konfliktparteien diese Gegensätze wahrnehmen (Schäfer 2017).

Die hochbetagten Personen berichten, dass es sich bei ihren Konflikte mit Drittparteien ausschliesslich um

innerfamiliäre Konflikte handelt. Familiäre Konflikte sind zumeist sehr persönliche Konflikte. Die Anfälligkeit für Konflikte ergibt sich aufgrund der räumlichen Nähe, der Verbundenheit und der ungehinderten Kommunikation. Dies im Gegensatz zu Konflikten im öffentlichen Leben, beispielsweise bei der Arbeit, wobei die Beziehungen eher flüchtig und nur Teile einer Person von Interesse sind (Karrer 2015). In familiären Konflikten wird viel eher der ganze Charakter einer Person hinterfragt. Je enger demnach eine Beziehung ist, desto stärker können die Konflikte sein. Die Beziehung kann jedoch meist nicht aufgelöst werden, weshalb familiäre Konflikte zu Dauerkonflikten ausarten können. Die familiäre Gebundenheit – so Karrer (2015: 45) – trägt dazu bei, dass die Familien der Ort des grössten Glücks, aber auch, beispielsweise bei bestehenden Dauerkonflikten, der Ort des grössten Unglücks sein können. Alle interviewten Personen geben im Bereich der innerfamiliären Konflikte an, dass es sich um Themen wie Wohnform, Finanzen/Erbschaft oder Suchtproblematiken handelt. Insbesondere das Thema Wohnen birgt mit zunehmendem Alter hohes Konfliktpozential. Der überwiegende Teil der Hochbetagten hegt den Wunsch, so lange wie möglich unabhängig zu bleiben und möchte in der eigenen Wohnung/dem eigenen Haus möglichst lange verbleiben. Dieser Wunsch aber stösst bei einigen Familienangehörigen ab einem gewissen Alter resp. Gesundheitszustand auf Wiederstände, da sich die Betreuung der Hochbetagten oder die ständige Koordination mit Pflegedienstleistern im Alltag oft schlecht organisieren lässt. Zwei der interviewten Personen, die beide seit einiger Zeit alleinstehend sind, sind hingegen aus freien Stücken in eine Alterssiedlung gezogen, da sie sich dort wohler und aufgehobener fühlen. Auch diese Entscheidung hat zu innerfamiliären Konflikten geführt, da sich die eigenen Kinder übergangen gefühlt hatten. Innerfamiliäre Konflikte, ausgelöst durch finanzielle Aspekte wie die Finanzierung von Wohnungen, Altersheimen oder Pflegediensten, oder Streitigkeiten bezüglich bevorstehender Erbschaft, scheinen ein Dauerbrenner im Bereich der innerfamiliären Konflikte zu sein. Dies bestätigten alle interviewten Personen. Eher überrascht hat hingegen die offensichtlich hohe Relevanz von innerfamiliären Konflikten aufgrund von Suchtproblematiken. Alle Hochbetagten berichteten über innerfamiliäre Probleme wegen Drogen oder Alkohol. Entweder, weil ein Familienmitglied eine akute Suchtproblematik aufweist oder weil die Hochbetagten selber mit ihrem erhöhten Alkoholkonsum zu kämpfen haben.

Intrapersonelle Konflikte ergeben sich für die Hochbetagten oftmals aufgrund der zunehmenden Technisierung und Digitalisierung. Sie fühlen sich überfordert, können sich mit den technischen Gegebenheiten nicht identifizieren oder wollen sich schlichtweg nicht mit der Digitalisierung beschäftigen. Die Hochbetagten wollen beispielsweise im Supermarkt kein Selfcheckout nutzen, besitzen kein Smartphone, fühlen sich nicht fähig, Tickets an Automaten zu lösen oder haben keinen Internetzugang, weshalb ihnen bestimmte Dinge schlicht verwehrt bleiben. Ein weiterer intrapersoneller Konfliktbereich ist das Thema Umwelt. Umweltschutz als Begrifflichkeit ist vielen Hochbetagten fremd und einige erzählen, dass Diskussionen mit jüngeren Personen oft konfliktträchtig werden, weil die jüngeren Generationen davon ausgehen, dass die Hochbetagten die Umwelt stark belastet hätten.

Umgang mit Konflikten

Während sich die einen überängstlich, ausweichend oder defensiv in einer Konfliktsituation verhalten, geben sich andere kämpferisch. Wie ein Konflikt ausgetragen wird, hängt von der persönlichen Entscheidungsmacht ab (Basemer 2009). Handlungen der Konfliktvermeidung müssen dabei nicht unbedingt als passives Verhalten verstanden werden. Flüchten beispielsweise stellt eine aktive Handlung dar (Berner 2019). Auch Nachgeben ist eine aktive Form der Konfliktvermeidung (Besemer 2009). Die Ergebnisse zeigen, dass die Hochbetagten oft Konflikten aus dem Weg gehen oder Vermeidungsstrategien bevorzugen. Julia1, 78 Jahre, beipielsweise geht dem Konflikt mit ihrer drogenabhängigen Tochter aus dem Weg. Sie hat sich nach zahllosen Versuchen, ihrer Tochter zu helfen, dazu entschlossen, sich nicht mehr um ihre Tochter zu kümmern und einfach abzuwarten, bis sie stirbt. Ernst, 84 Jahre und Urs, 93 Jahre, erzählten, dass sie keine Konflikte haben. Im Verlaufe der Interviews wurde jedoch deutlich, dass sie Konflikten schlichtweg aus dem Weg gehen oder, falls es doch mal zu einer Auseinandersetzung kommt, direkt nachgeben, um direkte Konflikte zu vermeiden. Eine weitere Strategie ist das direkte Ansprechen eines Konfliktes. Anita, 90 Jahre, hat sich nach dem Tod ihres Sohnes und ihres Mannes dazu entschlossen, klarer und zielgerichteter zu kommunizieren damit sie das bekommt, was sie will. Manuela, 83 Jahre, hat im Gegensatz dazu resigniert und ihre Situation akzeptiert. Sie ist der Meinung, dass Gott uns einen bestimmten Lebensweg in die Wiege gelegt hat, welcher hinzunehmen ist. Doris, 85 Jahre, ist ähnlicher Meinung: „Es ist so wie es ist.“ Ihre Tochter ist seit ihrer Geburt gehörlos, weil – so Doris – die Ärzte damals bei der Geburt nicht adäquat reagiert hätten. Ganz anders verhält sich Beat, 65 Jahre. Er vertritt seine Meinung ohne Rücksicht auf Verlust. Bedingt durch sein aggressives Verhalten war er schon mehrmals inhaftiert. Dennoch sieht er keinen Grund, sein Verhalten zu ändern.

 

Über alle Interviews hinweg zeigt sich, dass Vermeidung, Nachgeben und Resignation die häufigsten Strategien der Hochbetagten sind. Direktes Ansprechen und ein eher aggressives Verhalten sind hingegen eher die Ausnahme. Diese beiden Konfliktstrategien werden hier nur von denjenigen Personen angewendet, welche über ein grosses Selbstvertrauen verfügen und im Allgemeinen sehr eigenständige Persönlichkeiten sind.

Empfehlungen für die Praxis

Bei innerfamiliären Konflikten empfiehlt es sich unserer Meinung nach, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sei es beispielsweise in Form einer Mediation oder einer (Sucht-)beratungsstelle. Keine der interviewten Personen hat in ihrem bisherigen Leben bei Konflikten externe Hilfe in Anspruch genommen. Dies, obwohl einige betonen, dass ihnen eine Aussenansicht oder Expert*innen in der Konfliktsituation sicherlich geholfen hätten. Aus Scham oder einer Idee, den Konflikt möglichst privat und somit „unauffällig“ zu halten, haben sie jedoch darauf verzichtet. Zudem wurde deutlich, dass die wenigsten der interviewten Hochbetagten wussten, was eine Mediation ist resp. welche Beratungsstellen es für ihre Anliegen gibt.

Eine weitere Empfehlung ist, dass generell auf eine offenere Kommunikation geachtet werden sollte. Britta war in unserem Datenmaterial die einzige Person, welche offen kommuniziert hat und Konflikte offensiv angeht. Dadurch, dass sie für sich eingestanden ist, kann sie jetzt ihr Leben selbstbestimmt und ihren Vorstellungen entsprechend leben. Durch ihren offensiven Umgang mit Konflikten konnte sie ihre eigene Motivation, Lösungen für Konflikte zu finden, erhöhen. Die Interviews mit den Hochbetagten zeigen, dass oft nur eine Strategie im Umgang mit Konflikten eingesetzt wird. Wichtig wäre jedoch, aufzuzeigen, dass es kreative und vielfältige Konfliktlösungsstrategien gibt. Hierfür bedarf es der Unterstützung einer Fachperson/Mediator*in.

Intrapersonelle Konflikte sollten in der Mediation oder in der Konfliktberatung unbedingt mitberücksichtigt werden. Die Interviews verdeutlichen, dass die Themen der intrapersonellen Konflikte oft Treiber für Streitigkeiten mit Drittpersonen sind. Intrapersonelle Konflikte können sich so aufstauen, dass sie schliesslich zu innerfamiliären Konflikten führen. So zeigte es sich beispielsweise bei Beat. Seine innere Ablehnung gegenüber Technik und Digitalisierung führte dazu, dass er mit dem Leben in der Schweiz gebrochen und seither fernab der Zivilisation auf einer Insel in Asien wohnt. Kontakt mit seiner Familie hat er seither keinen mehr.

Inhalt
Einleitung und Vorwort

Die demografische Entwicklung hin zu einer Überalterung der Bevölkerung stellt die Schweizer Gesellschaft vor medizinische, sozialpolitische und ökonomische Herausforderungen. Beispielsweise in den Bereichen Fachkräftemangel in der Pflege oder zukünftige Finanzierung der Altersvorsorge. Die Anliegen von Menschen in hohem Alter erlangen eine immer höhere gesellschaftliche Relevanz. Bedingt durch technische und medizinische Entwicklungen und dem weiter expandierenden Wohlstand steigt die Lebenserwartung in den Industriestaaten stetig an (Pasero 2007). Das Bundesamt für Statistik prognostiziert, dass die Bevölkerungszahl der Schweiz in den kommenden dreissig Jahren weiterhin stark zunehmen wird. Im Jahr 2045 soll sich die Anzahl der Personen, welche sich im Rentenalter befinden, um rund 50 % erhöht haben (Bundesamt für Statistik 2016). 2050 werden etwa 30 % der Gesamtbevölkerung über 65 Jahre alt sein (Pasero 2007). Mit Menschen in hohem Alter werden Hochbetagte verstanden, welche sich also im vierten Lebensalter (Kruse 2017) befinden resp. über 80 Jahre alt sind (Kohli 2013). Im vierten Lebensalter ist mit einer Ansammlung von Herausforderungen und Verlusten zu rechnen. Tendenziell stehen weniger Kontaktpersonen zur Verfügung, die Wahrscheinlichkeit dass nahe Verwandte und Freunde sterben ist hoch und das Risiko für Einsamkeit nimmt deutlich zu (Kruse 2017: 32). Herausforderungen zeigen sich u. a. in kognitiver, emotionaler und sozialer Verletzlichkeit. Beispielsweise in der Abnahme des Kurzzeitgedächtnisses oder in der Verlangsamung der Denkgeschwindigkeit (Kruse 2017: 21). Positive Aspekte des vierten Lebensalters sind der grosse Erfahrungs- und Wissensschatz, welche sich die Hochbetagten im Laufe ihres Lebens aneignen konnten und wovon sie im Alter profitieren können (ebd.). In der Soziologie ist der Themenbereich Alter(n) bisher noch wenig erforscht. Dieser Umstand motivierte mich, diesen, für mich aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung hochrelevanten Bereich, näher zu untersuchen. 2019 entstand deshalb, in Kooperation mit Studierenden der Universität Basel, das Buch „Alter und Schönheit: Erzählungen über Alter, Älterwerden und (vergänglicher) Schönheit“. Für dieses Projekt „Alter und Konflikte: Wie ältere Menschen mit Konfliktsituationen umgehen“, welches ebenfalls in Zusammenarbeit mit Studierenden der Universität Basel durchgeführt worden ist, interessierte insbesondere, welche Erfahrungen die Hochbetagten in Zusammenhang mit Konflikten gemacht haben und wie ihr Umgang damit war. Insgesamt sind zehn (hoch)betagte, in der Schweiz wohnhafte, Personen zwischen 80 und 93 Jahren mittels Tiefeninterview befragt worden. In diesem Buch sind sieben der durchgeführten Interviews aufgeführt. Sie sind sprachlich eng an der Wortwahl der Interviewees belassen worden und bieten so einen Einblick in die persönliche Lebenswelt der Hochbetagten. Aus den Ergebnissen dieses Forschungsprojektes lassen sich Empfehlungen für die Praxis und Beratung von Hochbetagten ableiten. Da in den Empfehlungen auf die Mediation Bezug genommen wird, gibt dieses Buch zusätzlich einen Einblick ins Themenfeld der elder mediation, also der Konfliktbearbeitung mit älteren Personen.

Viel Spass beim Lesen wünscht

Evéline Huber

Begriffsklärung: Alter(n)

Das Alter ist nicht gleich Altern. Während das Altern einen lebenslangen Prozess darstellt, welcher mit dem Tod endet, wird das Alter an sich als eine Lebensphase verstanden (Kruse 2017: 19f.). Zum Altern gehören Verluste dazu, seien sie in der Leistungsfähigkeit des Körpers, der geistigen Kapazität oder gar im sozialen Bereich (Kruse 2017: 19 und 21f.). Beispielsweise kann das hohe Alter ein Risiko für Abhängigkeiten darstellen, weil gesundheitliche Einschränkungen vorhanden sind. Allerdings müssen Verluste nicht zwingend als negativ interpretiert werden (Kruse 2017: 20). Altern ist aber nicht nur die Auseinandersetzung mit dem Körper, sondern auch die eigene Identitätsbildung ist von Bedeutung. Der Begriff des Alters bringt aber auch eine gewisse Unschärfe mit sich. Das geschieht einerseits, weil für die Altersphasen sowie für die Altersgruppen die Bezeichnung des Alters verwendet wird und andererseits, weil die Phase nach der Kindheit und der Jugend ebenfalls durch den Begriff Alter bezeichnet wird (Kohli 2013: 11). Des Weiteren wird auch der Begriff “aktives Erwachsenenalter” zur Bezeichnung der höheren Lebensphasen verwendet (ebd.). Im Jahre 2013 unterscheidet Martin Kohli in seinem Beitrag Alter und Altern der Gesellschaft das physiologisch-biologische, das psychische und das soziale Alter (Kohli 2013). Während mit dem „biologischen Alter“ der Entwicklungsstand jedes menschlichen Organismus von der Geburt bis zum Tod bezeichnet wird, ist mit dem „psychischen Alter“ das personale System mit den individuellen Empfindungen gemeint (Kohli 2013: 11ff.). Für das „soziale Alter“ hingegen ist der jeweilige Ort der Eingliederung, also die „Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlich abgegrenzten Altersphase und Altersgruppe“ (Kohli 2013: 11) eines Menschen wichtig.

Gemäss dem aktuellen Forschungsstand wird der Begriff des „Hochbetagten Alters“ in der Fachliteratur kaum verwendet. In der Gerontologie hat sich die Differenzierung zwischen einem dritten und vierten Lebensalter etabliert (Kruse 2017: 29). Mit dem dritten Lebensalter wird jene Zeitspanne gemeint, in welcher das Rentenalter eintritt. Das ordentliche Rentenalter liegt dabei für Männer in der Schweiz bei 65 Jahren und für Frauen bei 64 Jahren1.

Mit dem sogenannten vierten Lebensalter wird nach Kruse (2017) die Lebensphase 80plus definiert. Es ist anzumerken, dass die Differenzierung nur als ein grobes Ordnungsprinzip gilt, welches nicht über die hohe Verschiedenartigkeit zwischen Menschen derselben Altersgruppe hinwegtäuschen soll.

Der Begriff hochbetagt wird gemäss dem alltäglichen Wortgebrauch im deutschsprachigen Raum für „sehr alt“ oder „im hohen Lebensalter stehend“ verwendet (Dudenredaktion 2019a). Der Ausdruck hochbetagt steht nach Kohli (2013: 19) für ein Lebensalter ab 80 Jahren oder mehr. Parallel dazu setzt Kruse (2017) hochbetagt mit dem vierten Lebensalter gleich. Die Gruppe der Hochbetagten nimmt stetig zu, da Menschen heute eine deutlich höhere Lebenserwartung haben. Dazu ist statistisch eine Abnahme der Sterblichkeit zu verzeichnen. Unter anderem ist dieser Trend dem medizinischen Fortschritt zu verdanken (Bundesamt für Statistik 2019b: 9ff.). Gugutzer (2008) würde diese gesellschaftliche Entwicklung wohl aber auch mit der inneren Einstellung zum eigenen Körper begründen. Noch vor Krause und Kohli hat Steinmann (1971) in der Altersforschung das Altern aus einer biologischen Perspektive betrachtet. Der Körper ist einer fortschreitenden Wandlung unterworfen, welche als eine Biomorphose verstanden wird (Kohli 2013: 11, vgl. auch Steinmann 1971). Knapp vierzig Jahre später beschreibt Kohli, dass die Verringerung der Leistungsfähigkeit, welche sich auch durch die höhere Anfälligkeit auf Krankheiten zeigt, als Komponente des physiologisch-biologischen Alter(n)s beschrieben werden kann (Kohli 2013: 11). Körperliche Einschränkungen oder biologische Veränderungen beschreiben das Alter lediglich aus einer anatomischen und naturwissenschaftlichen Sicht. Das Zusammenspiel mit den Ebenen des psychischen sowie des sozialen Alters ist dennoch von zentraler Bedeutung.

Kulturelle und individuelle Faktoren können Grundlagen für Lösungen gesellschaftlich relevanter Fragen darstellen (Kruse 2017: 21). So liefern Hochbetagte jungen Menschen Unterstützung. Sowohl innerhalb wie ausserhalb ihrer Familien. Dazu investieren sie oft Zeit in Vereinen und leisten dadurch einen gesellschaftlichen Beitrag (ebd.). Viele Seniorinnen und Senioren arbeiten auch nach ihrer Pensionierung. Ältere Menschen helfen den Wohlstand zu sichern und tragen positiv zur Wirtschaft bei (ebd.).

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