Czytaj książkę: «Kunstgeschichtliche Darstellung des Domes zu Worms», strona 2

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Doch glauben wir darauf aufmerksam machen zu sollen, daß im vierten Quadrate an der Wand des südlichen Seitenschiffes sich eine, jetzt vermauerte, in ihrer Fortsetzung unter den Boden gehende, frühromanische Pforte und daneben ein Fenster befinden, welche unzweifelhaft nach einer unterirdischen Kirche oder nach den Begräbnisräumen des älteren Kreuzganges führten. Ueber der Leibung des Bogens ist das Brustbild eines Bischofs angebracht mit einem aufgeschlagenen Buche in der Hand, dessen Inschrift wir jedoch nicht zu entziffern mögen. Wenn wir das folgende Quadrat des Seitenschiffes genauer untersuchen, so finden wir damit correspondirend und mit vollständig symetrischen Verhältnissen, unter dem Verputze ebenfalls Pforte und Fenster.

Auffallend muß es jedoch immerhin bleiben, daß im ganzen Dome auch keine Spur von Gräbern zu entdecken ist und daß sich weder von der kaiserlichen Ahnengruft, noch von den Heiligen- oder Bischofsgräbern irgendwelche Tradition erhalten hat. – Es ist überhaupt zu verwundern, wie die bedeutendsten geschichtlichen Ereignisse welche sich an dieser Stelle zugetragen haben und deren Andenken man für unverlöschbar halten sollte, in der Tradition der Stadt keinerlei Fortpflanzung gefunden haben. Wer bezeichnet uns heute noch die Stelle, wo Cardinal Lambertus von Ostia, nachheriger Papst Honorius IV., im Jahr 1122 unter freiem Himmel und unter dem Zudrange und endlosen Jubel des ganzen Volkes das eben geschlossene, so tief in den Gang der Geschichte eingreifende Concordat über die Belehnung der Bischöfe verkündete? Wer bezeichnet uns noch den Kampfplatz, wo zwei Jahre nachher die Bürger der Stadt gegen den Kaiser und sein Belagerungsheer ausfielen, um den von ihnen gewählten Bischof Burchard II. durchzusetzen? Wo finden wir noch eine Erinnerung an die prächtige Hochzeitsfeier Kaiser Friedrichs II. mit Isabella von England im Dome zu Worms, die wochenlang die ganze Bevölkerung in endlosen Freuden und Festlichkeiten hielt? Wer weiß die Räume zu nennen, wo Luther von Kaiser und Reich geladen war? Wer weiß noch von den Privilegien, die Kaiser Heinrich V. und Friedrich I. der Stadt ertheilt haben und die das Fundament bildeten, auf dem Worms sich zu dieser großen und wichtigen Freistadt erheben, seine Verfassung ausbilden und seinen Handel ausbreiten konnte?

Was nun den Dom betrifft, so hat dieser seit der glänzenden Hochzeit Kaiser Friedrichs in demselben wohl keinerlei wesentliche Umgestaltungen erlitten, und der Bearbeiter des Nibelungenliedes hat den Dom unzweifelhaft ebenso vor Augen gehabt, wie wir ihn heute sehen, - nur daß an die Stelle der von den Franzosen zerstörten Opferstätten, Kunstwerke und Grabmäler andere Altäre, Chorstühle und Quasten einen grellen Mißklang zu dem ernsten, erhabenen und würdevollen Tempel Gottes bilden.

III. Kunstwerke des Domes.

Je größer und bedeutender die Rolle war, welche Worms in seiner Blüthezeit durch seine Verfassung, seine Politik, seinen Handel spielte, um so auffallender muß es sein, daß diese volkreiche Stadt in dem ganzen Verlaufe ihrer Geschichte auch nicht einen einzigen Geis geboren oder zu ihren Bürgern gezählt hat, der in dem Reiche der Kunst oder der Wissenschaft mit der Fackel des Genies dem Fühlen und dem Bewußtsein der Zeit und der Ratio vorangeleuchtet hätte, - während doch fast alle damaligen Freistädte, wie Nürnberg, Augsburg, Ulm, Köln, eine große Reihe der bedeutendsten Erscheinungen in diesem Gebiete aufzuweisen haben. Und in der That ließen sich verschiedene Ursachen geltend machen, die dem Aufblühen der Wissenschaft und Kunst in Worms kein günstiges Feld darboten. Selbst die geringe Zahl immerhin belangreicher künstlerischer Talente, welche aus dem Schooße der Stadt hervorgegangen waren, wandten sich alsbald von da ab und in die Fremde. Und nicht einmal die Namen dieser Männer hat die Chronik der Stadt aufbewahrt, und nur auf den Streifzügen in der Kunstgeschichte begegnen wir ihnen im fernen Lande. So finden wir im Dome zu Würzburg den vielbewunderten Taufstein aus dem Jahre 1279 vom Meister Eckard aus Worms; in Köln (gestorben 1529) den Maler Anton aus Worms; in Straßburg den Jodocus Dotzinger (S. Essias par Grandidier S. 62 u. 422) aus Worms, während der Jahre 1449 bis 1486 Dombaumeister am Münster und Großmeister der deutschen Maurer. Von allen diesen Männern hat ihre Vaterstadt kein Andenken aufzuweisen und sollten deren vorhanden gewesen sein, so sind sie durch die Hand der Franzosen dem allgemeinen Schicksale erlegen, das auch den Dom fast aller seiner Kunstwerke beraubt hat.

Doch ist es uns in demselben, wie durch ein Wunder, noch eine Reihe der trefflichsten Schöpfungen aus dem Gebiete der mittelalterlichen Bildhauerkunst und Malerei erhalten, welche wir nunmehr betrachten wollen.

Wie bereits erwähnt, ließ Bischof Johannes von Dalberg im Jahre 1488 einen neuen Kreuzgang nebst Oratorium am Dome erbauen. Fünf große Werke der Bildhauerkunst, wahrhafte Gemälde in Stein, schmückten denselben, und wir bezeichnen es als ein wahres Glück, daß diese unschätzbaren Sculpturen so wenig versehrt aus dem Brande im Jahre 1813 hervorgegangen sind. Nachdem sie von da bis zum Jahre 1833 dem Wetter und allen Zufällen preißgegeben waren, ließ der vorige Pfarrer des Domes, Ludwig Boll, dieselbe in die Taufkapelle bringen und daselbst aufstellen.

Treten wir nunmehr in diese Kapelle ein, um einige Zeit bei diesen Sculpturen zu verweilen. Je fleißiger wir diese Gebilde der christlichen Kunst studiren, um so weniger können wir begreifen, daß dieselben nicht längst zu einem allgemeinen Ruhme gelangt sind, ja daß derselben in der Kunstgeschichte bis jetzt nur oberflächlich Erwähnung geschehen ist. Denn, selbst Nürnberg nicht ausgenommen, wüßten wir keine Bildwerke zu nennen, die ein so herrliches Licht über Wesen und Geist der christlichen Bildhauerei gegenüber der griechischen verbreiteten, als eben diese Sculpturen. Schreitet auch das Verständniß und die Anerkennung der christlichen Kunst principien durch die großen Verdienste gegenwärtiger Kunstgelehrter immer mehr voran, so ist das allgemeine Bewußtsein dennoch weit davon entfernt, den hohen Werth und die einzige Wahrhaftigkeit dieser Auffassung vollkommen zu begreifen und zu würdigen. In Folge unserer einseitig klassischen Bildung ist das Unerhörte geleistet worden, daß unser eigener Geist uns fremd geworden ist, daß wir uns in den Gebilden des Griechenthums heimischer fühlen, als in denen, welche der christlich-deutsche Geist geboren hat. Ja, es geschah das Unbegreifliche, daß die Bahnen, welche Bischer, Stoß, Kraft und die anderen Darsteller des christlich-deutschen Principes im Mittelalter mit eigener Geisteskraft gebrochen hatten, daß diese Bahnen, auf denen die Plastik allein zu ihrem Höhepunkte und zu ihrer Erfüllung gelangen konnte, nach kaum hundert Jahren, durch die von Italien hereinbrechende sogenannte Wiedergeburt der Künste, elendiglich verschüttet und vergraben worden sind.

Fassen wir nun nach dieser kleinen Abschweifung unsere speciellen Kunstgebilde näher ins Auge, so müssen wir vor Allem auf den glänzenden Marmor Verzicht leisten. Den hatten unsere Künstler nicht. An den Wänden der Kapelle sehen wir fünf Tableaux aus gelben Sandsteine aufgestellt, welche sämmtlich zwischen den Jahren 1484 – 1488 gearbeitet wurden und die durchschnittlich eine Breite und Höhe von 14 – 18 Fuß haben. Sie stellen die Hauptperioden aus der Lebensgeschichte Marias und Jesu dar: 1) den Stammbaum Mariä, 2) den englischen Gruß, 3) die Geburt Jesu, 4) die Grablegung, 5) die Auferstehung.

Würden wir die Art der Darstellung als Haut-Relief bezeichnen, so würde die Vorstellung von diesen Gebilden wahrscheinlich eine falsche werden. Die Hauptgestalten im Vordergrunde, zumeist in natürlicher Größe, heben sich vollständig von dem Steine ab und bilden Statuen, während sich ein im Relief-Styl gehaltener, vollständig perspektivischer Hintergrund ausbreitet, der ganz der malerischen Auffassung entspricht. Ja wir finden zum Theil eine so richtige Perspektive, wie wir sie oft in gleichzeitigen Gemälden nicht erreicht finden. Auf diese Art erklärt sich auch die gleiche Höhe mit der Breite unserer Bildwerke, welche erstere jedoch pyramidalisch, von reichen Arabesken umrahmt, sich zuschließt.

Wir können es uns nicht versagen, bei der einzelnen Betrachtung unserer Tableaux mit der Grablegung Christi zu beginnen, einer Schöpfung von ergreifendem Ausdrucke, voller Leben und voll unendlicher Wahrheit. Als Hauptfigur sehen wir Christus im Grabe, zu Häupten und zu Füßen den Joseph von Arimathäa und den Nikodemus. Um den Steinsarg gruppiren sich der Lieblingsjünger des Heilands, die heilige Mutter, die andere Maria und Magdalena.

Fassen wir die Gestalt des Erlösers näher ins Auge, so ruht der vom Tode hingestreckte Körper auf einem faltenreichen unter ihm ausgebreiteten Tuche. Sind die erstarrten Züge auch von schweren Leiden durchfurcht, schwebt um die Lippen auch unendlicher Schmerz, so ruht über dem Ganzen doch der Ausdruck der Verklärung und des Bewußtseins einer göttlich vollbrachten That. Der Körper ist etwas mager gehalten, jedoch ohne Uebertreibung und zeugt uns von der Unmittelbarkeit des Fühlens jener Künstler, welche nicht erst nöthig hatten, ein Formell-Schönes zu erfinden, um zur Hingebung an ihre Darstellung zu begeistern.

Das Haupt des Heilandes ruht in den Händen Josephs von Arimathäa. In seinen Zügen drückt sich der ruhige Schmerz des Mannes aus und die ganze Gestalt zeigt uns das Bild eines braven deutschen Biedermannes. Das Gesicht ist von einem mässigen Bart umgeben und das lockige Haar mit einem Turban bedeckt. – Die Füße des Erlösers liegen in den Händen des Nikodemus, ein ächter deutscher Künstlerkopf, jugendlich und bartlos, die Stirne von schön gearbeiteten Locken bis auf die Schultern umwallt, im Gesichte den bewältigendsten Ausdruck eines tiefen, thränenlosen Schmerzes.

Am Sarge steht der h. Johannes. Obwohl von eigenem Leide überwältigt, sucht er die Mutter des Heilands tröstend vom Leichname entfernt zu halten. Ihr zur Seite stehet die mit ihr klagende Freundin und neben dieser, in jugendlich reizender Mädchengestalt, Maria Magdalena, die Hänge ineinander gefaltet und die eigenen Thränen bei ihrem Anblicke herausfordernd. Ueberhaupt sind die Gestalten und die Züge der Frauen meisterhaft und die reiche Gewandung derselben ist unübertrefflich schön geordnet.

An den beiden Enden des Felsengrabes erblicken wir zwei Pharisäer mit böswillig staunenden, fast an das Humoristische grenzenden Gesichtern.

Im Hintergrund erhebt sich in Relief das leere Kreuz des Heilandes, links und rechts die beiden Schächer, mit Stricken an das Kreuz gebunden. Meisterhaft und mit besonderem Fleiße ist die Anatomie des rechten Schächers ausgeführt und bewundernswert der ihn in den Händen zuckende Tod.

Das ganze Bild ist umrahmt von lieblichen Engelsgestalten unter Baldachinen von Staunen erregender Feinheit und Schönheit der Arbeit. Durch gothisches Maßwerk verschlingen sich arabeskenartig in reicher Mannigfaltigkeit Aeste und Zweige, in der Keckheit der Ausführung fast an das Unmögliche grenzend.

Ueberblicken wir auch ein Mal kurz das ganze Gemälde, von dem wir uns nur schwer trennen, so bietet uns das Ganze ein Bild des Schmerzes dar, und wie unvergleichlich ist dieser in all seinen Arten und Stufen dargestellt. Der Todesschmerz des Heilandes, der Schmerz des Mannes und des Jünglings, der Schmerz der Mutter, der Freundin, des Mädchens und selbst die Schmerzen der beiden Schächer am Kreuze: gewiß eine Aufgabe, deren Lösung, wie hier, nur einer ächten Künstlerseele gelingen konnte. – Das ganze Bildwerk hat eine Breite von 15 und eine Höhe von 18 Fuß.

Treten wir nunmehr vor den Stammbaum Mariä, so ist der erste Eindruck der des Staunens ob der reichen und kunstvollen Darstellung. Jesse, der Stammvater des Hauses David, ruht wie träumend auf den Boden ausgestreckt, den Kopf auf die Hand gestützt. Aus seiner Seite tritt ein kräftiger Stamm hervor, der sich alsbald zu Aesten und Zweigen entfaltet. Der ganze Baum bildet eine große Arabeske, 15 Fuß breit und fast ebenso hoch. Die Aeste schwingen und biegen sich so schön und wohltuend, entwickeln einen solchen Reichthum der phantastievollen Formenwirkung, daß die Idee des Ganzen selbst als Zeichnung heute noch einen Schwarzmann zum Ruhme gereichen würde. Da ist Alles so zart, so schmiegsam, so harmonisch gedacht und dabei sind die einzelnen Windungen mit der unsäglichen Geduld vom Steine abgehoben und herausgearbeitet, daß unser Auge mit wahrem Wohlbewagen diesem schönen Spiele der Phantasie nachfolgt.

Die einzelnen Zweige entfalten sich zu reichen, prachtvollen Blüthenkelchen, von denen jeder in halber Lebensgröße das Brustbild eines Ahnen des David’schen Königsgeschlechtes trägt, jeder Kopf neu gedacht, bedeckt mit einer Krone und in der Hand das Scepter. – In den Gipfeln des Baumes thront Maria in meisterhaft schöner und lieblicher Auffassung. Auf dem Schooße hält sie das Jesuskind, welches freudig nach einer ihm von der Mutter dargebotenen Traube greift.

Zur linken Seite des Stammbaumes kniet als freie Statue der Bischof Johannes von Dalberg, der Stifter dieses Bildwerkes. Dalberg war einer der gebildetsten und gelehrtesten Bischöfe seiner Zeit (S. Zapf: Ueber Leben und Verdienste Joh. V. Dalberg), er war ein Freund des berühmten Abtes von Trittheim und Eitelwolff’s vom Stein, ebenso Vorsteher der von Conrad Celtes gestifteten Societas literaria Rhenana. – Obwohl als Portrait aufgefaßt, ist über das milde, geistvolle und hingebende Angesicht dieses Bischofes dennoch der Hauch der wahren Idealität ausgegossen. Seine Augen sind nach dem Bilde der h. Jungfrau gerichtet und hinter ihm steht der Apostel Petrus, ebenfalls nach Maria deutend. Diese Gruppe bezieht sich auf eine Tradition der Familie von Dalberg, wonach sie ihre Abstammung aus dem Hause Davids herleitet.

Unter mehreren daselbst noch angebrachten Statuen verdient die des h. Hieronymus in Cardinalstracht wegen ihrer charaktervollen Auffassung besonders hervorgehoben zu werden.

Ein dritte Tableaux stellt uns den englischen Gruß in lebensgroßen Figuren dar. Maria, auf einem Schemel knieend, ist eben im Gebete begriffen, als der Erzengel Gabriel zu ihr herniederschwebt, um ihr die frohe Botschaft zu verkünden. Besonders bewundernswerth ist die reiche, prachtvolle Gewandung des Engels, umflossen von einem schweren, reichgestickten Mantel. Die Darstellung der Köpfe ist jedoch noch ziemlich primitiv und zeigt uns das ausdruckslose Lächeln, welches der Beginn unserer Plastik charakterisirt. Dieses Bildwerk, aus dem Jahr 1485, scheint einen andern Meister als die übrigen in Rede stehenden zum Urheber zu haben.

Ein viertes Bildwerk zeigt uns die Geburt Christi im Stalle zu Bethlehem. Es ist dieß ein vollständiges, in einen Rundbogen gespanntes perspektivisches Gemälde. Das Christkind liegt nackt am Boden auf einer Windel. Vor ihm kniet, mit aufgelöstem Haare und anliegender Gewandung, Maria, die Augen auf das Kind geheftet. Ihr gegenüber sitzt Joseph, eine meisterhafte Figur, bewundernswerth in Haltung und Gewandung. Die Gestalt kühn entworfen, ist voller Kraft und Leben. Ein schöner, edler, wir möchten sagen, christlich-classischer Kopf. Um die Schultern ist in reichen Falten ein Tuch geworfen, zusammengehalten von einer unübertrefflich gearbeiteten Hand, während die andere Hand das Beil trägt. Sind Maria und Joseph als Statuen gehalten, so erblicken wir übe die Mauren des Stalles hinweg ein von Lehmsteinen errichtetes und mit Stroh gedecktes Hirtenhaus in Haut-Relief. Ein Hirte und eine Hirtin blicken zum Fenster heraus, zwei erquickliche, schöne, lebensvolle Gestalten in der kleidsamen Bauerntracht des Mittelalters. Besonders anziehend ist das anmuthige Gesicht der Hirtin. – Weiter im Hintergrunde, fast tadellos perspektivisch geordnet, erblicken wir einen Berg mit Schloß und Thürmen. Ein Quell, über den ein Steg führt, rieselt den Hügel herab, auf welchem Schaafe weiden, während ein Hirte erstaunt die Gestalten der lobsingenden Engel vom Himmel herniederschweben sieht.

Vorzüglich bemerkenswerth ist noch die Gestalt der Donatarin, welche rechts auf einem Piedestale kniet: eine gar liebliche Gestalt mit zierlich um die Stirne geschlungenem Haare und in so einfach schöner Tracht ihrer Zeit, daß wir, um auf einen Augenblick profan zu werden, schon, um deßwillen unseren Jungfrauen dieses fromme Mädchen oder Weib zur Beherzigung empfehlen möchten.

Das letzte Bildwerk unseres Cyclus stellt die Auferstehung Christi dar. Es ist durchweg in Haut-Relief gehalten. Christus, das Kreuzpanier in der Hand, ist glorreich dem Grabe entstiegen. Der Körper, nur um Schultern und Lenden von einem reichen und schön gefalteten Tuche umwallt, erinnert lebhaft an griechische Auffassung, ist jedoch etwas allzu unbeweglich gehalten. – die schlafenden Wächter sind mit fast humoristischer Naturwahrheit ausgeführt. Während zwei derselben, noch in tiefen Schlafe versunken, die Köpfe niederhangen lassen, ist ein dritter eben erwacht, der schlaftrunken und höchst überrascht nach der Gestalt des Erlösers hinblickt. – Rechts am Grabe kniet Maria Magdalena in reichem, wallenden Gewande, mit der Salbbüchse in der Hand.

Neben dem englischen Gruße finden wir noch mit vieler Kunstfertigkeit, den Grabstein eines Ritters von Heppenheim eingemauert, lebensgroß, vor einem Cruzifixe knieend und aus dem Jahre 1559 – aber im völligen Style der Rennaissance. Also noch nicht einmal ein Jahrhundert war vorrüber gezogen, seit die Kunst auf dem so herrlichen Wege ihrer Vollendung hinanwandelte, und welchen traurigen Abfall sehen wir bereits hier! Dort, wenn auch oft unbeholfen und linkisch, Alles vom erhebendsten Gefühle des Schönen Wahren beseel, - hier die Arroganz, die Lüge, die hohle Maske.

Trotz der eifrigsten Nachforschungen vermochten wir bis jetzt nicht mit Bestimmtheit zu entdecken, wer die würdigen Meister dieser eben beobachteten Bildwerke gewesen waren. Kugler (S. deutsches Kunstbl. Jahrg. 1854 S. 41 und kleine Schriften, II. S. 736) bezeichnete diese Sculpturen als „Arbeiten einer ehrenwehrten Lokalschule, welche, der allgemeinen Richtung nach, zwischen den Nürnbergn A. Kraft und B. Stoß etwa die Mitte hält;“ ebenso findet er im Ausdruck der Köpfe Erinnerungen „an das Wesen der schwäbischen Malerschule.“ – Daß diese Bildhauerschule in Worms selbst ihren Sitz gehabt habe, scheint jedoch nicht angenommen werden zu können. Denn einmal stoßen wir nirgends auf weitere Spuren derartiger Bildwerke, und dann ist zu beachten, daß diese sämmtlichen Sculpturen in dem kurzen Zeitraume von drei Jahren entstanden sind. Es ist also viel wahrscheinlicher, daß Bischof Johannes von Dalberg zur Ausschmückung des Kreuzganges dies Künstler hat besonders kommen lassen. – Ein Monogramm ist nirgends zu entdecken. Nur die Grablegung zeigt uns am Arme des rechten Pharisäers die Buchstaben M. S. –

Fast zur selben Zeit mit dem Kreuzgange (1486) ist das berühmte, leider spurlos verschwundene neue Rathaus auf dem Markte erbaut worden. Dieses wurde wegen seiner schönen Bildnereien von dem Meister Rivergelt viel bewundert und darunter besonders Kaiser Maximilian hervorgehoben, der in seinem ganzen Ornate auf dem Throne sitzend dargestellt war. Es wäre also wohl möglich, daß es dieselben Meister waren, welche in dem Rathause und in dem Kreuzgange thätig gewesen sind.

Leider sind sämmtliche Sculpturen mit einer dicken Thonfarbe übertüncht, durch welche die feineren Conturen und Züge der Bildwerke, sowie das schöne Korn des Steines vollständig verdeckt werden. Ebenso sind die vielfach sehr beschädigten Theile von einer höchst unberufenen Hand so verstandlos restaurirt, daß man sich des gerechten Zornes kaum erwehren kann.

Fernere Beachtung verdienen die in dieser Kapelle aus dem genannten Kreuzgange aufbewahrten Schlußsteine, welche meist vortrefflich gearbeitete Wappenbilder der Bischöfe und adeligen Geschlechter, wie der Dalberge, der Greifenklau, etc. etc. darstellen.

Als ein weiteres Werk der in dieser Kapelle aufbewahrten Denkmäler der Bildhauerkunst ist der große Taufstein anzuführen, welcher aus der abgebrochenen Johanniskirche hierher versetzt wurde. Wiewohl die arabeskenartige Verflechtung von dürrem Astwerke diesen Stein als eine Arbeit der spätgothischen Zeit kennzeichnet, so steht derselbe dennoch als ein Werk von hoher künstlerischer Bedeutung da. Das Becken, edel entworfen, geschmückt mit reichen Ornamenten und von drei sitzenden Löwen getragen, bietet uns eines der schönsten Steindenkmäler dieser Art dar.

Schließlich machen wir noch auf zwei in dieser Kapelle aufbewahrten Denkmale der Malerei aufmerksam. Es sind dieß zwei, auf beiden Seiten bemalte, ehemalige Altarflügel, wahre Perlen der altdeutschen Kunst. Die vordere Seite dieser beiden Altarflügel zeigt uns die Schutzheiligen des Domes, die hintere Seite zwei Kirchenväter. Die Bilder sind in Tempera mit sehr bestimmten, fast glühenden Farben auf Goldgrund gemalt und dennoch voll der schönsten Harmonie in Colorit. Der Goldgrund ist bei den Aposteln mit Verzierungen in Stuck aufgehöht, ebenso die Heiligenscheine und die Symbole des Schlüssels und des Schwertes. Die Gestalten selbst sind correkt gezeichnet, die Körper etwas gestreckt und die Gewänder in eckigen Falten gebrochen, wie solche dem schweren Seiden- und Goldstoffe natürlich sind. – Diese beiden Bilder dürften der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts angehören. (Kugler Kstgesch. S. 530)

Verlassen wir nunmehr die Taufkapelle, welche uns ein so unschätzbares christlich-deutsches Antiquarium darbietet und begeben uns in die nächste Kapelle, so verdienen einige daselbst eingemauerte und den ältesten Zeiten angehörige Sculpturen, Daniel in der Löwengrube darstellend, unsere volle Beachtung. Leider vermögen wir weder mit Bestimmtheit die Zeit ihrer entstehung anzugeben, noch wissen wir, woher diese interessanten Alterthümer in diese viel jüngere Kapelle gelangt sind.

Nicht minder merkwürdig ist eine in der linken Seite des Ostchores am Fuße einer Lisene eingemeiselte Allegorie, welche unzweifelhaft zu gleicher Zeit mit der Erbauung dieses Chores entstanden, also mindestens in den Anfang des 12. Jahrhunderts zu versetzen ist. Diese Sculptur stellt eine weibliche Figur dar, welche den Teufel in Gestalt eines Drachen an einem Stricke hält. Ein Engel faßt das Ungethüm bei den Haaren und stößt ihm ein Messer in den Rücken. Die Arbeit ist unbeholfen, formlos, ohne Ausdruck. Ueber den Figuren stehen die Worte: Juliana, rechts Otto me fecit, - links Adpebraht Monetarius. (Otto Adpebraht, Münzmeister, hat mich gemacht?)

Begeben wir uns nunmehr in das linke Seitenschiff des Domes, so finden wir da den Grabstein dreier fränkischen Königstöchter aufgestellt, mit Namen St. Embede, Warbede und Wilbede. Dieser Stein stammt aus der Kirche des ehemaligen Bergklosters und die Tradition berichtet uns, daß diese drei königlichen Schwestern zur Zeit als die Rheinlande von den Horden der Normannen überschwemmt wurden, für den christlichen Glauben gestorben seien. Daher kam es auch, daß die Franzosen dieses Kloster bei Zerstörung und Verbrennung der Stadt zu Ehren dieser fränkischen Königstöchter, deren Gebeine man noch unter dem Steine wähnte, verschonten, während sie im Jahre 1794 den prächtigen bischöflichen Palast blos um deßwillen verbrannten, weil der Prinz Condé hier auf kurze Zeit eine Zufluchtstelle gefunden hatte. – Genannter Grabstein in Haut-Relief gearbeitet, gehört zu den besten Zeiten der Gothik an und ist wohl in das vierzehnte Jahrhundert zu versetzen. Der jugendliche Gesichtsausdruck der drei Schwestern ist lieblich, fromm und Mitleid erregend; die Gewandung ist außerordentlich schön und edel gehalten. Während das Unterkleid sich leicht den Formen des Oberkörpers anschmiegt und um die Lenden von einem einfachen Gürtel zusammengehalten wird, umfließt und bedeckt ein faltenreicher Mantel den übrigen Theil des Körpers.

Die übrigen, im Ost- und Westchore des Domes noch enthaltenen Sculpturen im Rennaissance- und Zopfstyle übergehen wir, da dieselben nach unserer Ansicht weder von historischer, noch von künstlerischer Bedeutung sind.

Betrachten wir nun noch kurz die interessanten Ueberreste von Wandmalereien, mit welchen der Dom ehemals geschmückt war und welche allenthalben noch zu Tage treten. An vielen Stellen sind die Spuren derselben nur noch an den in das Mauerwerk eingegrabenen Heiligenscheinen zu entdecken. Die Reste dieser Malereien, obgleich das fünfzehnte Jahrhundert wohl nicht überschreitend, scheinen aus verschiedenen Zeiten zu stammen. Den ältesten Zeiten, und wie wir vermuthen, dem Ende des zwölften Jahrhunderts mögen die überlebensgroßen Gestalten der Apostel Petrus und Paulus angehören, welche wir an zwei Pfeilern der linken Seite des Mittelschiffes wahrnehmen, sowie das noch colossalere Gemälde des h. Christophorus im linken Kreuzflügel, mit der nicht ganz zu entziffernden Inschrift: Per. Te. Strena. Datur. Morbi. Genus. Ome. Fugarur (kreuz) aura. Fames. Pestis. Christi christo fore te CT. – Diese Gemälde zeigen uns eine strenge, fast schroffe, an Mosaiken erinnernde Würde zu tragen, nach den Principien der Plastik entworfen, vollständig den Charakter colorirter Zeichnungen. Die arabeskenartige Einrahmung besteht aus schlicht aneinander gereihten und verschieden gefärbten Vierecken.

Jüngeren Ursprungs scheinen die übertünchten und kaum durchscheinenden Reste eines großen Gemäldes im linken Seitenschiffe zu sein. Es stellt Christus am Kreuze dar, umschwebt von vielen Engeln. Die noch deutlich zu erkennende überlebensgroße Figur Mariä zeigt uns einen schönen, durchgebildeten, bereits vollständig individualisirten Kopf.

Höchst interessant sind die an dem ersten Hauptpfeiler und dessen Verbindungbogen auf der linken Seite des Hauptschiffes erhaltenen Arabesken. Der Kämpfer dieses Pfeilers zeigt in schön verschlungener Aneinanderreihung die Brustbilder der Apostel, während Capitäl und Bogen mit reichem Arabeskengewinde geziert sind.

Als besondere Zierde sind noch die in den Rosetten des Lorenzi-Chores befindlichen Glasmalereien anzuführen. Dieselben stammen aus der Stiftskirche in Wimpfen und gehören der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts an. Diesen herrlichen Schmuck verdankt der Dom dem Kunstsinne des Ministerpräsidenten Frhrn. V. Dalwigk, welcher diese Malereien aus ungeeigneten Händen für den Dom erwarb und so die Verschleppung dieser Kunstwerke verhütete. Die Glasmalereien der Stiftskirche in Wimpfen zählt die Kunstgeschichte zu den bedeutendsten Leistungen ihrer Zeit. Leider wurden dieselben zu Anfang dieses Jahrhunderts aus der Stiftskirche herausgenommen und befinden sich die Hauptfenster gegenwärtig im Museum zu Darmstadt.

Ehe wir den Dom verlassen, verdient noch ein altes Oelbild in der Marienkapelle, die h. Jungfrau mit dem Kinde auf dem Arme darstellend, unsere Beachtung. Dieses Bild, welches wir der fränkischen Schule zuzählen, sowie die beiden in der Taufkapelle aufbewahrten Gemälde, sind die einzigen, welche glücklich die Verheerung des Domes überstanden haben. Ein auf der Rückseite unseres Marienbildes angebrachtes Pergament erzählt, daß im Jahre 1689, als die Gallier schändlicher denn die heidnischen Türken in dem Dome gewüthet, dieselben auch den Muttergottesaltar, welchen dieses Gemälde zierte, in Brand gesteckt hätten und dieser bis auf die letzten Trümmer von den Flammen zerstört, unser Marienbild selbst aber als „manifestum miraculum“ gänzlich von dem Feuer verschont worden sei.

Hiermit nehmen wir von dem Dome Abschied, fest vertrauend auf den besseren Geist unserer Zeit, welcher diese durch Alter, Geschichte und Kunst so würdige Haus Gottes gewiß nicht in Trümmer sinken lassen wird.

Weitere architektonische Sehenswürdigkeiten in Worms sind:

1) Die Paulskirche,

erbaut im J. 1016, umgebaut wegen drohenden Einsturzes 1110, neu aufgeführt nach einem Brandschaden 1261. Von den Franzosen 1689 in Brand gesteckt, wurde das Mittelschiff völlig zerstört, später im Zopfstyle neu aufgeführt und mit Fresken von Seekatz ausgemalt.

2) Die Andreaskirche,

erbaut 1020. Aus dieser Zeit stammt noch das Portal und der untere Theil des östlichen Thurmes mit einer Inschrift aus dem Jahre 1326, wonach auf einen Tag 70 Sarkophage in einer Gruft bei diesem Thurme versenkt wurden. Diese Kirche erfuhr verschiedene Umbauten, zuerst im spätromanischen und dann im gothischen Style.

3) Die Martinskirche

Erbaut in der letzten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Sie ist eine in verüngtem Maßstabe ausgeführte und wohldurchdachte Wiederholung des Domes. 1265 umgebaut (siehe das schöne westliche Portal) erlitt diese Kirche durch die Zerstörung im J. 1689 wesentlichen Schaden.

4) Die Liebfrauenkirche

Aus dem Ende des 13. Jahrhunderts. 1467 völlig umgebaut, zeichnet sich diese auf 24 Pfeilern ruhende Kirche durch ihre einfache, edle und schmucklos gothische Bauweise aus. Besonders zu bemerken das schöne Portal, den Tod Mariä darstellend und die klugen und die thörichten Jungfrauen. Die Restauration dieser Kirche steht in baldiger Aussicht.

5) Die Synagoge,

wohl die älteste in Deutschland, aus dem Anfange des 11. Jahrhunderts; bei einem Aufstande gegen die Juden im J. 1615 im Innern verwüstet. Bemerkenswerth das Portal, zwei Säulen im Innern, das leider zerfallene uralte Frauenbad und die Raschi-Kapelle.

5) Die Dreifaltigkeitskirche

1725 erbaut, mit dem bekannten, künstlerisch jedoch werthlosen Gemälde von Seekatz, den Reichstag zu Worms 1521 darstellend.

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