Fußball-Taktik

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Fußball-Taktik




MATTHIAS GREULICH • ELMAR NEVELING



Fußball-Taktik



Die Anatomie des modernen Spiels











Über die Autoren












Matthias Greulich (Foto links) war geschäftsführender Redakteur des Fußballmagazins

Rund

. Der Jurist verantwortet seither den Online-Auftritt von

Rund

 (

www.rund-magazin.de

), ist freier Autor und Redakteur beim

Elbe Wochenblatt

.







Elmar Neveling (rechts) ist freier Fußball- und Wirtschaftsautor. Der Diplom-Kaufmann schreibt unter anderem für die

Ruhr Nachrichten

 und das Fußballportal

Rund

. Seine Jürgen-Klopp-Biografie wurde bisher in zehn Sprachen übersetzt.






Vollständige E-Book-Ausgabe der im Copress Verlag



erschienenen Printausgabe (ISBN 978-3-7679-1262-5).



Umschlaggestaltung: Stiebner Verlag



unter Verwendung einer Illustration von Anneli Nau, München



Illustrationen im Innenteil: Frank Wormuth (unter Verwendung der Software



von

sports-graphics.com

), Stiebner Verlag nach Vorlagen der Autoren.



Fotos Innenteil: Sven Simon, imago images (

www.imago-images.de

), Henkel, privat



2., überarbeitete und erweiterte Neuauflage 2020



Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der



Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten



sind im Internet über

http://dnb.dnb.de

 abrufbar.



© 2015, 2020 Copress Verlag



in der Stiebner Verlag GmbH, Grünwald



Alle Rechte vorbehalten.



Wiedergabe, auch auszugsweise,



nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlags.



Gesamtherstellung: Stiebner, Grünwald



ISBN 978-3-7679-2091-0





www.copress.de






»Auf eine Veränderung im Fußball gab es immer eine taktische Antwort. Und das wird auch bei jeder neuen Entwicklung so weitergehen.«





– Manuel Baum





»Und trotzdem spielen sie weiter nach vorne. Diese Wahnsinnigen!«





– Erik Meijer





»Wir können die Wahrscheinlichkeit erhöhen, ein Spiel zu gewinnen. Aber das Spielglück lässt sich nicht beeinflussen.«





– Frank Wormuth






Inhalt







Zu diesem Buch











Taktik-Lehrstunde beim Perfektionisten Frank Wormuth









Grundordnung: Sinn und Unsinn der Systemdebatte







Das große Ganze









Spieleröffnung und Spielgestaltung











Passqualität











Taktische Flexibilität











Eigeninitiative und taktisches Verständnis der Spieler











Trockenübungen









Das kleine Ganze









Leverkusen widerlegt die Lehre











Richtiges Timing beim Zweikampf











Zuordnung bei Standards











Vier-Felder-Spiel











Das Risiko des kompakten Stehens











Druck für Jugendtrainer führt zu Mangel an Außenverteidigern











Der Ärger über die »falsche Neun«











Der geplante Fehlpass











Sieben zu eins – das historische Spiel











Themen gibt’s noch reichlich











Die sanfte Revolution: Daniel Niedzkowski und die neue Fußballlehrer-Ausbildung









Der Modernisierer







»Einfacher werden«









Unentdeckte Potenziale: Manuel Baum über die neue Unberechenbarkeit des Spiels









Von Landshut nach Frankfurt-Niederrad







Leitplanken – oder das richtige Gefühl für die Flexibilität







Spielphasen: »Gar keine so blöde Idee vom Alfred«







Taktisch zurück in den Neunzigern?









Torwart: Jens Lehmann – auf der Linie oder ganz weit vorne









Der Verbesserer englischer Schule







Der Lehrgang in Wales







»High up« in London







Kampfzone Fünfmeterraum









Abwehr: Die Spielverderber – oder die hohe Kunst des Verteidigens à la Thomas Helmer









Immer mit der Ruhe







»Kleine Situazione«, die Spiele entscheiden







Die Aufwertung des Innenverteidigers







Komplexes Spiel







Der Polster Toni







Schmutzige Taktik







Wo sind sie nur geblieben, die starken Linksfüße?







Ballbesitz-Fußball und die Grenzen der Statistik









Psychologie: Von der Antizipation zur schnellen Lösung









Interview mit dem Sportpsychologen Werner Mickler







Probleme werden zu Herausforderungen







Trainer auf dem »heißen Stuhl«







Lernprozesse in Brasilien









Mittelfeld: Thomas Hitzlsperger über Strategien in der Zentrale









Im Hier und Jetzt







Die Doppelsechs: Einer geht, einer bleibt







Weite Wege vors spanische Tor







Im Entengang zur WM 2006







Geübt: das Volley-Tor zur Meisterschaft









Im Labor – was der Fußball vom Hockey lernen kann und was nicht









Interview mit Hockey-Bundestrainer Markus Weise: »Es hat klick gemacht«







Geschwafel durch den »Bullshit-Filter«







Im olympischen Halbfinale mit ungewohntem Fünfer-Aufbau







Coaching-Schleife läuft im Zick-Zack



 





Mehr Demokratie wagen im Hochleistungs-Team







Die verhinderte Revolution mit Bernhard Peters









Das Vorbild Costa Rica – Arno Michels über die Entwicklung eines Matchplans









Interview mit Arno Michels und Paul Linz







Ganz ohne Fußball geht es nicht







Gleichgewicht der Trainingsinhalte







Außenverteidiger ist nicht gleich Außenverteidiger







Wie die Bayern zu knacken sind – vielleicht







Stürmer mit Sonderauftrag







Von Pressing und Gegenpressing







Wie im Fluss









Die Natur des Spiels: Dem Zufall Tür und Tor geöffnet









Interview mit dem Sportwissenschaftler Martin Lames







Fußball als komplexes dynamisches System







Worin sich der Fußball von anderen Sportarten unterscheidet







Wider der Oberflächlichkeit







Von der Bedeutung des Schwerpunkts









Angriff: Bruno Labbadia über Phantasie und Kreativität im Kopf









Die Rückkehr des Gefühls







Elf gegen Null







Laufwege üben, freie Entscheidungen treffen







Realismus statt Powerfußball









»Revoluzzer« Erik Meijer: die Lehren von Ajax und die Kultur des Hinterfragens









Der Einhundertprozentige







Beeindruckt von ten Hags Mut







Die schwierige Suche nach der richtigen Balance







»Das konnte er fantastisch, der Christoph Daum.«







Champions wie PSV und Liverpool lebten von ihren Einzelkönnern







Zeiten des Sturmduos passé?







Zu viel Tiki-Taka ist auch nicht gut







Die veränderte Rolle des Stürmers







Das offene Geheimnis







Eine Spielerei







Der Verteidiger ist zum Verteidigen da







Der dienende Spieler







Erik Meijer, der Revoluzzer







Bedeutung von Taktik überhöht?









Danksagung









Zu diesem Buch



Jürgen Klopp war der Türöffner. Seine anschaulichen Analysen im Fernsehstudio während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, dem deutschen »Sommermärchen«, eröffneten den Zuschauern einen völlig neuen Blick auf das Spiel: hintergründig und auch für den Taktik-Laien verständlich. Plötzlich wurden zuvor verborgene Zusammenhänge deutlich, weil Klopp nicht beschrieb, sondern erklärte, was auf dem Spielfeld passierte – unterstützt durch Analysetools, mit deren Hilfe die Spieler auf dem Studio-Bildschirm hinund hergeschoben wurden.



Heute ist diese Form der medialen Spielaufbereitung gang und gäbe, die Zeit der klassischen Ergebnis-Berichterstattung längst passé. Mit der Spieltaganalyse auf

Sport1

 etablierte sich eine wöchentliche taktische Aufbereitung der Bundesligaspiele für mehr als ein Jahrzehnt fest in der deutschen Fernsehlandschaft. Im Land der »80 Millionen Bundestrainer« möchte der Fußballfan nicht nur die Torschützen wissen, er will das Spiel verstehen. Weshalb hat die Mannschaft mit den besseren Einzelspielern verloren? Warum wirkt es trotz numerischer Gleichzahl so, als habe ein Team mehr Spieler auf dem Feld als sein Gegner? Was meint der Trainer, wenn er von »abkippenden Stürmern«, »dynamischer Dreierkette«, »Schnittstellen« und »flacher Vier« spricht? Und hätte er nicht ohnehin eine ganz andere Taktik wählen müssen? Das vorliegende Buch will auf Fragen dieser Art Antworten geben, ohne dabei ein Lehrbuch zu sein. Es richtet sich an jeden Fußballinteressierten, den die Strategien von Trainern interessieren und der ein Spiel besser »lesen« können möchte. »Fußball-Taktik – Die Anatomie des modernen Spiels« muss nicht stur in vorgegebener Reihenfolge von vorne nach hinten gelesen werden. Je nach Interessenschwerpunkt des Lesers ist jedes Kapitel für sich verständlich. Gegliedert ist das Buch nach Mannschaftsteilen: beginnend beim Torwart, über Abwehr und Mittelfeld, bis hin zum Angriff – mit unterbrochenen »Spielpausen« zu gesonderten Schwerpunktthemenund einer Einführung in taktische Überlegungen zu Beginn.



Das moderne Spiel, dessen Beginn hier mit der Jahrtausendwende definiert ist, ist nicht nur immer athletischer geworden, sondern auch raffinierter, analytischer und ausgeglichener. Die Trainer überbieten sich gegenseitig in ihrem eigenen Wettkampf: dem Austüfteln des besten Matchplans. Ähnlich wie nach der für Deutschland deprimierenden Europameisterschaft 2000 das Nachwuchskonzept grundlegend reformiert wurde, ist auch die Ausbildung der Trainer auf ein neues Level angehoben worden. Anreize aus anderen Ligen wurden dankbar aufgenommen, sei es durch Hospitanzen der Trainer oder den Austausch in Ausbildungsfragen. In den letzten Jahren bereicherten international angesehene Coaches die Bundesliga, Könner ihres Fachs wie Pep Guardiola, Lucien Favre, Thomas Tuchel oder eben Jürgen Klopp. Jeder von ihnen hat dem deutschen Fußball während der letzten Jahre neue Impulse verliehen.



Auf den folgenden Seiten geht es nicht um einen historischen Abriss der Entwicklung von Fußball-Taktik; diese Arbeit haben andere Werke bereits in hervorragender Form geleistet. Vielmehr wird ein Blick geworfen auf den taktischen Status quo, der sich im stetigen Wandel befindet. Herausgekommen ist ein Gesprächsbuch, das seine Entstehung der Mitwirkung vieler bekannter Experten verdankt. So hat Frank Wormuth, früherer Leiter der Fußballlehrer-Ausbildung beim DFB, den Autoren mit leidenschaftlichem Vortrag an der Taktiktafel ein erweitertes Verständnis von Fußball vermittelt. Thomas Helmer gewährte Einblick in Trockenübungen à la Giovanni Trapattoni ohne Ball und Gegner, bei denen die Bayern zunächst selbst nicht wussten, wie ihnen geschah.



Der frühere Nationaltorwart Jens Lehmann berichtete von intensiven Erfahrungen sowohl aus seiner Profizeit in England als auch von seiner Trainerausbildung in Wales. Hockey-Bundestrainer Markus Weise, dem das Kunststück gelang, zwei Olympische Goldmedaillen mit dem Herren-sowie eine mit dem Damenteam zu gewinnen, lieferte einen wertvollen Ausblick über den Tellerrand des Fußballs hinaus. Arno Michels verriet anschaulich und detailliert, wie er zu seiner Mainzer Co-Trainerzeit zusammen mit Thomas Tuchel die übermächtigen Bayern zu »knacken« versuchte. Und Erik Meijer bewies, dass seine Leidenschaft für den Fußball nicht nur bei seinen Analysen im TV-Studio lodert. Um nur einige der Gesprächspartner zu nennen. Zum Teil wurden sie bewusst mit denselben Fragen konfrontiert, da sich aus ihren unterschiedlichen Antworten interessante Erkenntnisse gewinnen ließen – und die verdeutlichen: Die eine Wahrheit im Fußball gibt es nicht.



Sicher entscheiden neben der Taktik und dem gewählten Spielsystem auch Faktoren wie Tagesform, Technik- und Zweikampfstärke, Raffinesse, Kondition oder Mentalität über Sieg und Niederlage – und nicht zuletzt auch der pure Zufall, wie Sportwissenschaftler Professor Lames methodisch belegen kann. Doch gerade zwischen zwei ähnlich starken Teams kann die richtige Taktik den fehlenden Baustein zum Erfolg liefern. Wie wichtig ein ausgeklügelter Plan und seine konsequente Umsetzung sein können, zeigte der schon jetzt legendäre 7:1-Erfolg des DFB-Teams im Weltmeisterschafts-Halbfinale 2014 gegen Brasilien, als sich taktische Entschlossenheit gegen überschwängliches Pathos unerwartet deutlich durchsetzte.



Wie also funktioniert das »moderne Spiel«, wie »ticken« seine Trainer und Spieler? Der Leser ist eingeladen zu einer spannenden Entdeckungsreise ins moderne Fußball-Taktik-Land, ermöglicht durch offene und zuweilen auch überraschende Einblicke ihrer Protagonisten.



Die Autoren im Frühjahr 2020






Taktik-Lehrstunde beim Perfektionisten Frank Wormuth



Nun sitzen wir hier in seinem Büro, lauschen gebannt den Worten unseres heutigen Privatdozenten und saugen alle Neuigkeiten wie wissbegierige Schüler in uns auf. Vor uns die Taktiktafel, auf der Frank Wormuth die Magnetpunkte in Windeseile hin- und herschiebt. Fragezeichen im Gesicht erkennt er bereits im Ansatz. »Können Sie mir noch folgen?« »Nun, vielleicht könnten Sie uns das mit der gependelten Viererkette noch einmal kurz erklären …«



Sportschule Hennef, Hennes-Weisweiler-Akademie. Hier werden die angehenden Fußballlehrer ausgebildet, Wormuth war bis 2018 der Ausbildungsleiter. Wormuth spricht so temperamentvoll, als stünde er gerade am Spielfeldrand. Das Fenster ist trotz der Kühle weit geöffnet. Seine Dynamik braucht reichlich frische Luft. Keine Frage, dieser Mann hat Freude an seinem Beruf. Hätte er sich sonst über sechs Jahre die Doppelbelastung mit dem Zweitjob als Trainer der U20-Nationalmannschaft angetan? Wobei, »Belastung« ist das falsche Wort. »Herausforderung« würde Wormuth sagen. Von Vorträgen außerhalb der Trainerausbildung und Medienauftritten als Taktikexperte mal ganz abgesehen. Schon nach wenigen Minuten wissen wir, dass wir hier richtig sind. Dieser Mann kann uns den modernen Fußball näher bringen und in die Grundlagen der Taktik einführen. Er erzählt uns, was ihn an Bayer Leverkusen unter Trainer Roger Schmidt so faszinierte und wie es bei der WM 2014 zwischen Brasilien und Deutschland zu diesem historischen Spiel kommen konnte. Nur auf zwei Themen sollte man ihn besser nicht ansprechen. Doch dazu später.






Grundordnung: Sinn und Unsinn der Systemdebatte



Seit der Europameisterschaft 2008 in der Schweiz und Österreich analysiert der Deutsche Fußball-Bund jedes Großturnier und die dabei gewählten Spielsysteme auf sehr detaillierte Weise. Erstaunlich war der Wandel seit der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika bis zur WM 2014 in Brasilien: Die Vielfalt der Grundordnungen ist beinahe explodiert. »2010 wurde fast ausschließlich das 4-2-3-1 praktiziert, von nahezu allen Teams«, erinnert sich Wormuth. »Ganz anders war es vier Jahre später: Das 4-2-3-1 war zwar immer noch eine Art Standard, doch in Brasilien haben wir eine große Bandbreite der Systeme gesehen – ob Dreierkette, Viererkette oder die Raute, es war alles wieder vorhanden. Wobei es die Raute lediglich ein einziges Mal gab. Auch die zwischenzeitlich fast ausgestorbene Dreierkette, die defensiv zur Fünferkette wird, war wieder zu beobachten. Taktische Flexibilität war die allgegenwärtige Maxime der Weltmeisterschaft 2014.«

 



Gerade setzen wir an zu einer ausführlichen Frage, die zeigen soll, dass wir nicht gänzlich ahnungslos sind in taktischen Fragen, schwadronieren von Grundordnungen und Spielsystemen, als sich Wormuths eben noch heller Gesichtsausdruck leicht verdunkelt. Uns gegenüber sitzt ein Perfektionist, wie jeder Spielzug muss auch jedes Wort stimmen. Und wir haben uns soeben als begriffliche Laien verraten. »Meine Herren, an der Hennes-Weisweiler-Akademie behandeln wir die Begriffe Grundordnung und Spielsystem nicht synonym. Die Positionen ohne Bewegungen, also die starre Anfangsformation sowohl in der Offensive nach Ballgewinn als auch in der Defensive nach Ballverlust, das sind Grundordnungen. Doch dabei bleibt es ja nicht, die Spieler bewegen sich – so ist zumindest zu hoffen …« Ein Lächeln in Wormuths Gesicht sorgt wieder für entspannte Gesichtszüge. »Und sobald sich die Spieler bewegen, …« – Wormuth zeichnet Pfeile an die Tafel, die Laufrichtungen symbolisieren – »… verlassen sie die starre Ordnung und befolgen ein Spielsystem. Teams mit gleichen Grundordnungen können unterschiedliche Systeme spielen, weil sie die einzelnen Spielpositionen unterschiedlich interpretieren.« Erst das Spielsystem macht die Grundordnung also lebendig, indem es den Spielern konkrete Aufgaben zuordnet? Ein zufriedenes Nicken. Für den Moment sind wir aus dem Schneider.



Die ständige Zahlenspielerei und öffentliche Systemdiskussion hält der Chefausbilder allerdings für übertrieben. Seinen Auszubildenden veranschaulichte er einst, weshalb: »Während einer Videoanalyse habe ich sie mal gebeten, die Augen zu schließen. Dann habe ich die Aufnahme gestoppt und gesagt: ›Jetzt öffnet die Augen wieder und schaut, was dort für ein System gespielt wird.‹ Ihre einstimmige Antwort: 4-2-3-1. Keine zehn Sekunden später habe ich wieder gestoppt. Jetzt war die Antwort: 4-1-4-1. Das wechselt ständig hin und her. Allein diese beiden Systeme vermischen sich während eines Spiels binnen Sekunden.«



Nicht alle Übergänge sind so fließend, zwischen Dreier- und Vierkette lassen sich klare Unterschiede ausmachen. Die Dreierkette ergibt immer dann Sinn, wenn, was inzwischen nur noch selten vorkommt (

dazu mehr im Schlusskapitel und den Erläuterungen von Erik Meijer

), der Gegner mit zwei Spitzen agiert – vor 25 Jahren noch war dies die bevorzugte Angriffsformation. Nützlich bei der Dreierkette ist, dass sich Überzahl nicht nur defensiv schaffen lässt, sondern auch bei der Spieleröffnung. Eine Sonderform ist die dynamische Dreierkette. Sie meint das »Fallenlassen« des Sechsers, des zentral-defensiven Mittelfeldspielers, zwischen die beiden Innenverteidiger einer Viererkette – und zwar optimal in der Form, dass die beiden Innenverteidiger auf einer Höhe mit den beiden Angreifern agieren und mit dem Sechser ein Dreieck bilden. Ein Pass vom Sechser auf einen der beiden Innenverteidiger würde dann die erste Abwehrreihe

*

 sofort überspielen. Die beiden Außenverteidiger sollten an den Linien hoch stehen und für potentielle Überzahl im Mittelfeld sorgen.








Abb. 1: Dynamische Dreierkette: Der defensive Mittelfeldspieler lässt sich zwischen die beiden Innenverteidiger fallen.



Die Dreierkette verändert auch etwas in der Ausrichtung nach vorne und zieht bei einem 3-5-2 ein System mit zwei Spitzen nach sich. Wenn auch seltener praktiziert, wird es mit drei Angreifern zu einem 3-4-3, wobei hier die Abgrenzung bereits wieder schwammiger wird. Denn das 3-4-3 wird zur »gependelten Viererkette«, wenn sich einer der Mittelfeldspieler nach hinten fallen lässt. »Verstehen Sie jetzt, warum ich sage, dass man sich nicht zu sehr auf eine bestimmte Ordnung oder auf ein bestimmtes System versteifen sollte?« Wir nicken. Fließende Übergänge eben.



Bevor der falsche Eindruck entsteht, jegliche Systemdiskussion sei beliebig, folgt schnell etwas Handfestes, Eindeutiges. Das Rautenspiel im 4-4-2. Vier Mann im Mittelfeld, je einer auf den Seiten, einer hinter den Spitzen und einer vor der Abwehr (im Gegensatz zum 4-4-2 als »flacher Vier«, in dem der offensive Mittelfeldspieler neben den anderen defensiven als zweiter Sechser zurückgezogen wird). Bei der WM 2010 agierte Argentinien unter Trainer Diego Armando Maradona im Viertelfinale gegen Deutschland mit einer Raute. Herausragend war damals Ángel Di Maria als Linksaußen, der sich nicht zu schade war, in der Defensive mitzuarbeiten. Doch warum gingen die Süd