Czytaj książkę: «Du bist gut so, wie du bist!»
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Dr. Catherine Senécal
Du bist gut so, wie du bist!
So befreien Sie Ihr Kind vom Figurwahn
Rollenklischees abbauen – Individualität stärken – Essstörungen vorbeugen
E-Book (Epub): ISBN 978-3-86374-546-2
(Druckausgabe: ISBN 978-3-86374-544-8, 1. Auflage 2019)
Mankau Verlag GmbH
D-82418 Murnau a. Staffelsee
Im Netz: www.mankau-verlag.de
Internetforum: www.mankau-verlag.de/forum
Übersetzung aus dem Französischen: Susanne Engelhardt, München
Lektorat: Redaktionsbüro Julia Feldbaum, Augsburg
Endkorrektorat: Susanne Langer-Joffroy M. A., Germering
Cover/Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich
Illustrationen: Félix Girard
Layout und Satz: Lydia Kühn, Aix-en-Provence, Frankreich
Energ. Beratung: Gerhard Albustin, Raum & Form, Winhöring
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
Bildnachweis:
istockphoto.com 35 li.: ivanastar
35 re.: Nickolay Lamm
37: alle Rechte vorbehalten
stock.adobe.com 60 li.: deborahatl; 61 li. o.: Archivist; 61 li. u.: Reuters/Stefano Rellandini;
61 re. u.: Reuters/Mark Blinch
60 re.: Sandro Botticelli, photo Google Art Project
commons.wikimedia.org 61 re. o.: Attribution: Milton H. Greene [Public domain]
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
»Ton poids, on s'en balance!«
© 2018, Les Éditions de l’Homme,
division du Groupe Sogides Inc.
(Montréal, Québec, Kanada)
Alle Rechte der deutschsprachigen Ausgabe:
© 2019, Mankau Verlag GmbH, Murnau
Wichtiger Hinweis: Verlag und Autorin haben bei der Erstellung dieses Buches Informationen und Ratschläge mit Sorgfalt recherchiert und geprüft, dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr; Verlag und Autorin können keinerlei Haftung für etwaige Schäden oder Nachteile übernehmen, die sich aus der praktischen Umsetzung der in diesem Buch dargestellten Inhalte ergeben. Bitte respektieren Sie die Grenzen der Selbstbehandlung, und suchen Sie bei Erkrankungen einen erfahrenen Arzt oder Heilpraktiker auf.
Inhalt
Brief an meine Tochter
Brief an meinen Sohn
Ein Wort an die Leser
Kapitel 1
Kann man Essstörungen und Problemen der Körperwahrnehmung bei Kindern und Jugendlichen vorbeugen?
Das Körperbild, was ist das eigentlich?
Können wir mit unserem Verhalten gegenüber unseren Kindern Essstörungen und einem problematischen Körperbild vorbeugen?
Kapitel 2
Prinzessin und Superheld: Geschlechterklischees bei kleinen Kindern
Spielsachen … nicht immer harmlos
Abenteuer– oder Liebesgeschichten?
Das Leben in Rosa und Blau
Kapitel 3
Das Körperbild: Wie definiert man Schönheit?
Das Schönheitsideal …Aber welches genau?
Wie man ein positives Körperbild unterstützen kann
Vorsicht gegenüber den Medien
Mobbing und Druck durch Gleichaltrige
Sportliche Aktivitäten: Risiko und Schutz zugleich
Eine Herausforderung für adoptierte Kinder und Kinder von Eltern unterschiedlicher Hautfarbe
Kapitel 4
Ernährung in Kindheit und Jugend
Konkrete Lösungen
Auch Jugendliche brauchen ihre Eltern
Kapitel 5
Die Pubertät: Körper und Gefühle im Wandel
Bei den Mädchen
Eine verfrühte Pubertät tritt immer häufiger auf
Kapitel 6
Das Teeniealter – Körper und Umwelt in Aufruhr!
Körperfettphobie und »Fat Shaming«
Der Feminismus: ein Teil der Lösung
Identität und Hypersexualisierung
Sexuelle Belästigung: ein Kontinuum der Gewalt
Kapitel 7
Wenn der Kummer übermächtig wird: Essstörungen und gestörte Nahrungsaufnahme
Erste Etappe: die objektive Befragung
Zweite Etappe: die Besonderheiten und Unterschiede der einzelnen Essstörungen
Dritte Etappe: im Bedarfsfall ist schnelles Handeln erforderlich
Kapitel 8
Mein Kind – mein Spiegelbild? Der Einfluss der Eltern
Sind die Eltern verantwortlich, wenn ihr Kind eine Essstörung entwickelt?
Wenn die Eltern nicht die Schuldigen sind, wo liegen dann die Ursachen für die Entstehung von Essstörungen?
Schlussbemerkung
Adressen
Catherines Lesezirkel
Danksagung
Endnoten
Register
VORWORT
Brief an meine Tochter
Meine Tochter, noch nie habe ich dich sagen hören, dass du dir etwas nicht zutraust oder lieber jemand anderer wärst, nur weil du ein Mädchen bist. Nie siehst du mich schräg an, wenn ich dir abgelegte Sachen deines Bruders anziehe. Noch nie hast du dein Gewicht infrage gestellt oder versucht, dein Aussehen zu ändern. Von Anfang an hast du dem Puppenhaus im Kinderzimmer die kalte Schulter gezeigt, aber die Dinosaurier deines Bruders, die findest du ziemlich cool – wie übrigens deinen Bruder auch. Aber mir ist auch bewusst, dass du noch sehr klein bist. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, damit du so authentisch bleibst, denn das ist mir sehr wichtig.
Wenn du lachst, ist das der schönste Klang der Welt. Dein Lachen ist so ansteckend, dass es niemandem möglich ist, nicht bis über beide Ohren zu grinsen. Ich liebe deine wilde Löwenmähne genauso wie deine große Empathie, die so echt und spontan ist. Du bist ein großartiges kleines Mädchen. Schon als Säugling hattest du glänzende Augen. Wir wussten alle, dass du uns aufmerksam beobachtest … Dir entgeht nichts, nicht eine Geste, nicht ein Wort! In deinem Bücherregal stehen nie genug Bücher, immer stellt es sich als zu klein für deine große Neugier heraus. Ich habe keine Zweifel daran, dass du diese Neugier im Lauf deiner Schulzeit ausleben wirst. Hoffentlich erlaubt sie es dir, deine Bedürfnisse zu stillen und deinen Weg zu gehen, damit du deinen Lebensunterhalt mit deinem Kopf bestreiten kannst, statt mit deinem Aussehen.
Was für eine Freiheit, einen Beruf zu wählen, der uns erlaubt zu denken, und was für ein Glück du hast, in einem Land aufzuwachsen, in dem dir das möglich ist. Deine Urgroßmutter zum Beispiel wurde als junge Frau aus Geschäften verwiesen, weil sie darauf beharrte, Hosen zu tragen, was damals den Männern vorbehalten war. Doch diese Entscheidungen wirst du treffen, denn diese Wahlfreiheit soll, das wünsche ich, Teil unserer Beziehung sein.
Du redest laut, meine Tochter, das ist eines der Dinge, die dich auszeichnen, auch gerade wieder, während ich diese Zeilen schreibe! Auch wenn ich mich beklage, dass bei dir die Lautstärke immer voll aufgedreht ist, bist du doch so einfühlsam gegenüber anderen und so entschlossen, dass ich hoffe, du redest noch oft laut über die Sachen, die dir am Herzen liegen. Mögest du deine Stimme voller Überzeugung nutzen, um die Ungerechtigkeiten anzuprangern, die dir nahegehen. Mögest du aber auch dir selbst immer so viel Mitgefühl entgegenbringen. Du hast ein Recht darauf, an dich zu glauben, du hast ein Recht darauf, ein Leben voller intensiver Gefühle zu leben, du hast ein Recht darauf, deine Sexualität in deinem Rhythmus auszuleben, egal ob mit einem Mann oder einer Frau, du hast ein Recht auf einen runden Po und einen Bauch, du hast ein Recht auf dicke Muckis, falls dir das gefällt, du hast ein Recht, einen Badeanzug zu tragen oder nicht, unabhängig von deiner Figur. Möge unsere Gesellschaft ihre Einstellung zum Aussehen bis zu deiner Pubertät geändert haben. Aus diesem Grund schreibe ich unter anderem auch dieses Buch hier. Denn wenn sich nichts ändert, wirst du in die Hände einer übermächtigen Industrie geraten, die dich an deinem Körperbild zweifeln lassen wird, das weiß ich. Ich werde weiterhin wachsam sein und mich infrage stellen, damit ich immer für dich da bin, offen und ohne Vorurteile. Was für ein Privileg, wie du dich jeden Tag solide und integer weiterentwickelst. Es ist ein großes Vergnügen, all diese Glücksmomente mit dir erleben zu dürfen.
Ich liebe dich unendlich und bedingungslos.
Mama
Brief an meinen Sohn
Mein Sohn, für deinen Vater und mich war klar, dass wir das Abenteuer »Elternsein« als Team erleben wollten. Du hast deinen Vater genauso viel kochen, genauso viele Arme voll Wäsche waschen und genauso viele Windeln wechseln sehen wie mich. Du hast gesehen, dass er in Bezug auf seine Karriere Entscheidungen abseits der Norm getroffen hat, um keinen der wichtigen Momente in deinem Leben und dem deiner Schwester zu verpassen, die ja so schnell vorbeigehen. Du hast gesehen, wie glücklich und erfüllt er angesichts dieser Freiheit war. Du hast auch gesehen, dass ich meine Karriere, die mir viel bedeutet, engagiert vorantreibe, und dass ich jeden Tag voller Energie und mit einem Lächeln auf den Lippen nach Hause komme. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – auch dir sind die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten in deinem kleinen Universum noch nie entgangen. Ich habe dich heftig und betroffen reagieren sehen angesichts von Themen wie Klimaerwärmung und Armut. Doch wie immer hast du mich sehr überrascht, denn für dich ist die Gleichstellung von Mann und Frau absolut selbstverständlich. Dein Drang nach Gerechtigkeit erstreckt sich auch auf diesen Bereich.
Vielleicht bist du sauer auf mich wegen der langen Diskussionen über Papas schönes rosa Hemd oder deine Batman-Figur, die für meinen Geschmack zu muskulös ist. Aber leid tut es mir nicht. Für mich war es unerlässlich, dass du von klein auf deine Einstellung zu Männlichkeit und Körperbild hinterfragt hast. Du bist ein großartiger Junge, und du solltest das »Warum« verstehen, bevor du meinen Werten und unseren familiären Regeln zustimmst. Dank deinem vielen »Warum?« musste ich meine Kenntnisse ausbauen und dir Konzepte im Detail erklären, die meiner Meinung nach für einen kleinen Jungen viel zu kompliziert waren. Aber du hast verstanden, und du hast sogar Verbindungen hergestellt – bei mehreren Kinofilmen hast du zum Beispiel verblüfft erkannt, dass die Bösen dickleibig waren. Meinen Körper habe ich übrigens nie versteckt. Als kleiner Junge hast du gesehen, wie ich ein Bad nehme oder deine Schwester ungeniert stille. Es machte mir nichts aus, dass du den Körper einer normalen Frau siehst: keine Schönheitsoperation, keine Diät. Ich akzeptiere dieses Bild, und ich habe das Gefühl, dass auch du es akzeptierst, ohne es zu hinterfragen. Du bist zufrieden, dass deine Mutter einen Körper hat, der ihr erlaubt, Fußball zu spielen und Yoga mit dir zu machen, und an dem man sich auch schön ankuscheln kann!
Aber manchmal habe ich Angst, wie alle Eltern. Dann frage ich mich, was aus der Mischung wird zwischen deinem großen Zartgefühl, deinem Drang, alles perfekt zu machen, und dem, was das Leben dir an Erfahrungen bescheren wird. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass du in der Lage sein wirst, weiter Sport zu machen und mit Genuss zu essen, nicht, um anderen zu gefallen. Genauso hoffe ich, dass du in der Schule gute Erfahrungen machst und es schaffst, nicht zu hart zu dir selbst zu sein. Aber ich wünsche dir auch, dass du Misserfolge erlebst, denn ich habe Vertrauen in dich und darin, dass man durch Mitgefühl lernt. Ich werde für dich da sein, wenn du es wünschst, damit du erkennst, dass du ein außergewöhnliches Kind bist – du bist mehr als das, was du machst und wonach es aussieht. Weißt du, du hast ein Recht darauf, auf deine Art ein Held zu sein und nicht nur viele Muskeln haben zu wollen, du hast ein Recht darauf zu weinen und starke Gefühle zu zeigen, und du hast ein Recht darauf, Freunde beiderlei Geschlechts zu haben, mit denen du die gleichen Hobbys teilst und über die gleichen Dinge sprichst. Ich wünsche dir, dass du dir deinen Partner oder deine Partnerin danach aussuchst, was diese Person dich empfinden lässt und ob ihr zusammen gute Gespräche führen könnt. Ich wünsche dir die Entscheidungen, die zu dir passen, auch wenn es andere Entscheidungen sind, denn du hast das Recht, anders zu sein! Es ist ein großes Glück, mit dir zu leben und die Welt durch deine Augen zu entdecken!
Ich liebe dich unendlich und bedingungslos.
Mama
Ein Wort an die Leser
Liebe Eltern, Großeltern, Erziehende, Lehrende und Trainer,
Sie haben mich zu diesem Buch inspiriert und danach gefragt, um den Kindern und Jugendlichen beistehen zu können, die Sie umgeben, und sie vor Essstörungen zu bewahren, genauso wie vor den Konsequenzen eines negativen Körperbildes.
In diesem Buch stelle ich den Forschungsstand zu diesem Thema vor, ergänzt durch meine beruflichen Erfahrungen, um Ihnen so ein praktisches Kompendium zur Verfügung zu stellen, das Ihnen hoffentlich bei den bestmöglichen Entscheidungen hilft, ganz egal, welches Alter die Kinder in Ihrer Obhut haben.
Vielen Dank, dass Ihnen das Wohl unserer Jüngsten am Herzen liegt und Sie dafür kämpfen, dass die kommende Generation eine bessere Beziehung zum Essen und ein gesundes Körperbild entwickelt. Gemeinsam ist es möglich, etwas zu verändern!
Kapitel 1
✶
Kann man Essstörungen und Problemen der Körperwahrnehmung bei Kindern und Jugendlichen vorbeugen?
»Meine Tochter versteckt Bonbons in ihrem Zimmer und hat in letzter Zeit zugenommen. Ihr Bauch ist runder geworden. Müsste ich überwachen, was sie isst?«
– Ein Mann, der an einer Binge-Eating-Störung litt und Vater eines achtjährigen Mädchens ist
»Mein Sohn hat mir erzählt, dass er aufgrund seines Gewichts in der Schule oft gehänselt wird. Er sagt in letzter Zeit oft morgens vor der Schule, dass er Bauchweh hat, und das macht mir Sorgen.«
– Eine Frau, die selbst nie eine Essstörung hatte und Mutter eines zwölfjährigen Jungen ist
»Ich habe mich mein Leben lang schlecht in meinem Körper gefühlt und habe Angst, das auf meine Kinder zu übertragen! Kann ich irgendwie verhindern, dass meine Kinder eine Essstörung entwickeln?«
– Eine junge Frau, die an Magersucht leidet und Mutter zweier Mädchen
von zwei und vier Jahren ist
»In meiner Gruppe ist ein Kind, das sich weigert, zu den normalen Essenszeiten zu essen! Ich weiß nicht weiter. Nichts geht mehr! Die Eltern haben mir gesagt, dass sie es zu Hause zum Essen zwingen müssen.«
– Ein Erzieher in einem Hort, der selbst nie an einer Essstörung gelitten hat
»Meine Kinder haben mitbekommen, dass mein Mann mehrere Diäten gemacht hat und zeitweise sehr viel ins Fitnessstudio gegangen ist. Mich haben sie dagegen gesehen, wie ich zeitweise Chips und Süßigkeiten esse, ohne Sport zu machen. Was kann ich tun, damit sie nicht auch mit solchen Achterbahnfahrten anfangen?«
– Ein Mann und eine Frau, deren Essverhalten einen Großteil ihres Erwachsenenlebens an eine Essstörung grenzte. Sie sind Eltern zweier Kinder im Alter von drei und acht Jahren.
»Mehrere meiner Athleten achten jetzt darauf, was sie essen, um ›leichter‹ zu sein. Ich bin nicht sicher, ob ich da einschreiten soll. Es stimmt, kurzfristig steigern sie ihre Leistung dadurch, aber ich weiß, dass diese Geschichten oft schlecht ausgehen!«
– Trainer in einem Sportverein
Kein Arbeitstag vergeht, ohne dass ein Patient oder ein Kollege mich fragt, was er tun kann, um zu verhindern, dass sein Kind eine Essstörung entwickelt. Diese Erwachsenen teilen alle den Wunsch, ihre Kinder mögen in Frieden mit dem eigenen Körperbild und ihrem Gewicht leben und ein Leben lang ein ungetrübtes Verhältnis zum Thema Ernährung haben.
Manchmal kommen diese Fragen auch auf, weil die Erwachsenen selbst an einer Essstörung gelitten haben und der nachkommenden Generation diese Qualen ersparen wollen. Manchmal handelt es sich um Eltern oder Großeltern, die selbst nie von einer Essstörung betroffen waren, so etwas aber bei Menschen in ihrem Umfeld erlebt haben und deshalb vorbeugen möchten. Andere haben beruflich als Lehrer oder Trainer mit Jugendlichen zu tun. Sie stellen ihr Einschreiten manchmal infrage und spüren, dass es eine echte Herausforderung ist, qua Amt Empfehlungen auszusprechen, in denen gesunde Ernährung gepredigt wird, und gleichzeitig zu vermeiden, dass die geistige Gesundheit Schaden nimmt!
Wenn Sie zu den Menschen gehören, denen die Interessen der Jugend am Herzen liegen, finden Sie in diesem Buch eine Vielzahl an Möglichkeiten, um auf verschiedenen Ebenen einzuschreiten. Das gilt für zu Hause genauso wie für jede andere Umgebung, in der sich Kinder und Jugendliche bewegen. Außerdem werden Denkansätze vorgestellt, um eine Diskussion anzustoßen über die Werte, für die unsere Entscheidungen und Taten stehen und die von unseren Kindern aufmerksam beobachtet werden.
Das Körperbild, was ist das eigentlich?
Es gibt verschiedene Definitionen des Körperbildes. Experten aus diesem Bereich sagen, »das Körperbild setzt sich aus zwei Ebenen zusammen: aus der Wahrnehmung der Erscheinung des eigenen Körpers (kognitiv/rational) und den emotionalen Antworten auf diese Wahrnehmung (affektiv/emotional).«1
Um den veränderlichen Charakter des Körperbildes zu zeigen (das unter anderem in Abhängigkeit von unseren Gedanken und unseren Gefühlen schwankt), kann man die vorangegangene Definition durch einen interessanten Zusatz ergänzen: »Das Körperbild ist eine dynamische Wahrnehmung des eigenen Körpers, wie er aussieht, wie man ihn spürt und wie er sich bewegt. Diese Wahrnehmung kann sich je nach Laune, körperlicher Erfahrung und Umwelt ändern.«2 Unterm Strich lässt sich sagen, dass das Körperbild alles andere als nur ein objektives Urteil über den eigenen Körper ist. Es handelt sich vielmehr um die ganz persönliche »Erfahrung« des eigenen Körpers.
Da das Körperbild auf Wahrnehmungen und Überzeugungen basiert, kann es eine Diskrepanz zur faktischen Wirklichkeit geben. So kann sich ein Mensch mit einem normalen Gewicht durchaus mollig fühlen oder finden. Genauso gut kann sich ein Mensch mit Übergewicht ganz wohl in seiner Haut fühlen. Körperliche Erscheinung und Körperbild sind also zwei sehr verschiedene Konzepte. Deshalb ist in psychologischer und sozialer Hinsicht noch viel Arbeit zu leisten, um falsche Überzeugungen in Bezug auf den »idealen Körper« abzubauen. Diese Überzeugungen sind mitverantwortlich für die Probleme, die viele Kinder mit ihrem Körperbild haben, und das bereits von klein auf, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden.
Welche Risiken birgt ein negatives Körperbild während der Kindheit?
Es besteht ein Zusammenhang zwischen einem negativen Körperbild und der Entstehung von Essstörungen allgemein, einem schwachen Selbstwertgefühl und depressiven Symptomen.3 Man weiß, dass Kinder im Alter von fünf bis sechs bereits ein Körperbild4 entwickelt haben, und dass die Pubertät ein Schlüsselmoment für die Entwicklung von Essstörungen ist (aufgrund der körperlichen und hormonellen Veränderungen). Deshalb ist es wichtig, bereits im Vorschulalter und während der ganzen Kindheit an einem positiven Körperbild zu arbeiten.
✪
Bestimmte Daten, die im kanadischen Québec im Rahmen einer Umfrage unter Schülern von zwölf bis 17 Jahren erhoben wurden, geben Anlass zur Sorge: 48,8 % der Mädchen und 48,5 % der Jungen sagten aus, dass sie unzufrieden mit ihrer Figur/ihrem Körperbild seien.5
Zu erfahren ist auch, dass 41 % der Mädchen mit Normalgewicht gern schlanker und 28 % der Jungen mit Normalgewicht gern muskulöser wären.
Doch damit nicht genug. Die in dieser Umfrage erstellten Statistiken sind beunruhigend:6
✪ 12 % der Jugendlichen haben bereits eine Diät zur Gewichtsreduktion gemacht.
✪ 11 % der Jugendlichen haben bereits einmal einen ganzen Tag nichts gegessen.
✪ 28 % haben innerhalb von sechs Monaten »häufig« oder »einige Male« Mahlzeiten ausgelassen.
✪ 51 % der Jugendlichen trainierten intensiv.
✪ 3,6 % von ihnen haben schon einmal willentlich ein Erbrechen herbeigeführt, Abführmittel oder Appetitzügler eingenommen.
✪
Die auf Essstörungen spezialisierten Mitarbeiter im Gesundheitsbereich brechen im Moment unter der Last der Arbeit fast zusammen. Angesichts der Tatsache, dass Menschen mit Essstörungen lange warten, bevor sie sich in Behandlung begeben, darf man die Bedeutung der präventiven Arbeit nicht unterschätzen, vor allem in sozial schwachen Milieus. Wenn es uns gelingt, einen Fuß in die Tür in Richtung Essstörung zu bekommen, bevor sie sich hinter dem Kind schließt und bevor die Risikofaktoren zu groß werden, könnten wir Tausende von Jugendlichen schützen, auch wenn sie in biologischer Hinsicht anfälliger sind.
Ungeachtet der Tatsache, dass wir um die Bedeutung der Genetik/ Biologie bei der Erklärung von Essstörungen wissen, wissen wir auch, dass es beim Einzelnen durchaus möglich ist, eine biologische Anfälligkeit in sich zu tragen, ohne dass diese sich in Form schädlicher Verhaltensweisen äußert. So geht es neben anderen Faktoren, die bei Kindern und Jugendlichen zur Entstehung einer Essstörung beitragen, auch um den Persönlichkeitstyp und den sozialen Druck, der angesichts des allgemeinen Schlankheitskults empfunden wird. Dabei handelt es sich um das bio-psycho-soziale Modell, das unter Wissenschaftlern anerkannt ist. Und da wird es für Eltern und Gesellschaft interessant, denn der soziale Faktor ist einer, den wir wirklich beeinflussen können!