Czytaj książkę: «Seewölfe Paket 13», strona 25

Czcionka:

Einer der Kerle, der die türkischen Bundhosen trug, zauberte ein paar winzige Tassen herbei, schnappte sich einen Kupferkessel voll dampfenden Wassers und goß das Zeug aus Kopfhöhe bis zu den Knien hinunter zielsicher in die Tassen, ohne einen einzigen Tropfen zu verschütten oder sich die Hand zu verbrühen.

„Pfefferminztee mit Rosenöl, Tee mit Orangenwasser, oder darf ich euch kühlen Tamarindensaft zur Begrüßung anbieten?“ fragte der vermeintliche Händler eifrig.

„Wir wünschen keine Getränke“, sagte Hasard schroff und dachte daran, daß der Herrscher von Tortuga mit einem ähnlichen Trick auch schon einmal versucht hatte, die „Isabella“ in seine Gewalt zu bringen. Damals war es vergiftetes Trinkwasser gewesen, hier konnte es vergifteter Tee sein. Der Trick war zwar nicht neu, aber immer noch wirksam.

„Was wir brauchen, sind Eisenkugeln und Pulver, und damit werdet ihr ganz sicher nicht handeln.“

„Ihr tut mir unrecht, Herr“, jammerte Ibrahim. „Ihr stoßt die Hand eines Freundes zurück, der es gut mit euch meint. Ibrahim will euch helfen, Herr. Ihr habt Siebzehnpfünder, wie ich sehe. Wie viele Kugeln braucht ihr?“

„Etwa hundert“, sagte der Seewolf lässig und grinste den Händler herausfordernd an, der ein unglückliches Gesicht zog.

„Sieh nach, ob wir noch hundert haben, Moshe!“ befahl Ibrahim einem seiner grinsenden Kerle. Dann wandte er sich wieder an den total verblüfften Seewolf. „Würden euch zehn Faß Pulver genügen, Herr?“

Hasard sah den Profos an, der blickte ungläubig zurück, und auch die anderen zogen ratlose und verblüffte Gesichter.

„Ihr habt Siebzehnpfünder an Bord?“ fragte Al Conroy fassungslos.

„Ja, Herr“, klang es unglücklich zurück, „aber vielleicht sind es nur noch neunzig oder ein paar weniger.“

„Das ist ja nicht zu fassen“, sagte Ben Brighton. „Diese Feluke ist wohl ein schwimmender Bazar, was? Der Kerl hat einfach alles. Wenn er vernünftige Preise hat, könnten wir ihm vielleicht doch einiges abkaufen.“

„Ich kann ja jetzt schlecht nein sagen, wenn ich die Kugeln und das Pulver geordert habe.“ Hasards Stimme klang leicht gereizt.

Und sein Blick wurde fast böse, als dieser Hundesohn von einem Händler voller Stolz verkündete, sie hätten doch noch zufällig, wie Allah es fügte, genau hundert Kugeln an Bord.

„Nimm dich in acht, Sir“, raunte der alte O’Flynn. „Dieser Kerl ist ein Zauberer, ein Gaukler, der steht mit dem Satan im Bund und hat einen Pakt mit ihm geschlossen.“

„Diesmal muß ich dir fast recht geben, Donegal. So etwas Ähnliches dachte ich auch schon.“

Hasard unternahm aber noch einen letzten Versuch, um diesen merkwürdigen Händler loszuwerden.

„Vorher müssen wir uns über den Preis einigen!“ rief er. „Wenn die Kugeln und das Pulver zu teuer sind, kaufe ich sie an Land.“

„O Herr, ihr wißt die wahre Freundschaft nicht zu schätzen“, klagte Ibrahim. „Ich habe die Kugeln und das Pulver von einem gestrandeten Schiff genommen. Ihr seht, ich bin ein ehrlicher Mann. Sie haben mich also nur die Arbeit gekostet und sonst nichts. Aber ich muß meine Leute bezahlen und habe die Unkosten. Würdet ihr es als unverschämt empfinden, Herr, wenn ich zwei englische Pfund nehme?“

„Für jedes Faß Schießpulver?“ fragte Hasard.

„Für alles zusammen, Herrn. Für die Kugeln, das Schießpulver und die dazugehörenden Fässer.“

Einen Augenblick lang hatte Hasard das Gefühl, als flögen ihm die Pulverfässer um die Ohren. Der Kerl kann doch nicht mehr ganz richtig im Kopf sein, dachte er entgeistert.

„Zwei englische Pfund?“ schrie er zurück.

„Ibrahim will euch nicht schädigen, Herr“, jammerte der Händler. „Gut, ich gebe mich mit eineinhalb zufrieden.“

Die ersten Kugeln und Fässer wurden bereits aus dem Bauch der Feluke an Deck geschleppt.

Hasard wandte sich an Ferris Tukker, der mit verblüfftem Gesicht neben ihm stand.

„Was hältst du davon, Ferris?“

Ferris kratzte seine roten Haarborsten und hob die Schultern.

„Mehr als geschenkt“, meinte er. „ein geradezu idiotisch geringer Preis. Entweder will er uns zu weiterem Kauf animieren, oder er führt etwas im Schilde. Aber ich habe mir den Kahn genau angesehen, Sir. Für Verstecke ist er nicht geeignet, und wenn er wirklich hundert Kugeln und viel Schießpulver an Bord hat, dann wundert mich auch sein Tiefgang nicht. Das ist ganz normal.“

„Das stimmt. Was könnte er, deiner Meinung nach, vorhaben?“

„Da bin ich überfragt, vielleicht täuschen wir uns wirklich in dem Schlitzohr, ganz geheuer ist er mir jedenfalls nicht.“

Während weiterhin Kugeln an Deck der Feluke gebracht wurden, verschwand Ibrahim in seiner Schatzhöhle, kehrte aber gleich darauf mit einem kleinen trommelähnlichen Instrument zurück.

Er hielt es an drei Fäden und ließ es langsam auf die Wasseroberfläche gleiten.

„Ibrahim wird euch ein Kunststück zeigen“, verkündete er, um seine neuen Kunden restlos zu verblüffen. „Mit dieser Trommel zaubere ich einen Delphin aus dem Meer!“

Hasard lachte schallend, und auch die anderen stimmten in das Gelächter ein.

Der gewiefte Kerl hatte den Delphin natürlich auch gesehen. Wahrscheinlich hing unten an der Trommel ein Fisch, der den Meeresbewohner anlockte, der sich hier in der Nähe herumtrieb.

Ging das Experiment schief, hatte Ibrahim nicht viel verloren, klappte es aber, dann würden natürlich alle staunen, und so köderte er seine Kunden wieder einmal.

Hasard und seine Männer nahmen es als einen kleinen Scherz, aber wenn sie den Ernst der Lage gekannt hätten, dann hätten sich ihnen allen die Haare gesträubt, denn Ibrahim konnte viel mehr, als einen Delphin aus dem Wasser zu locken. Er spielte schon jetzt mit den Seewölfen Katz und Maus, ohne daß es einer merkte.

An den Fäden ließ er die Trommel auf dem Wasser tanzen. Seine schlanken Finger zuckten in einem ganz bestimmten Rhythmus, dann wurden sie ruhig, und der schlitzohrige Händler schaute mit starrem Gesicht auf die ruhige Wasserfläche.

Hasard ließ sich jedoch nicht ablenken. Immer wieder blickte er in die Runde, beobachtete die Kerle auf der Feluke und konnte nichts Ungewöhnliches feststellen.

Doch dann wurde sein Gesicht sehr nachdenklich, und über seiner Nasenwurzel stand eine steile Falte.

Plötzlich war da ein Schatten unter der Feluke. Er wurde größer und schnellte sich dann mit einem gewaltigen Satz aus dem Wasser. Der schlanke Leib eines Delphins wurde in der Luft sichtbar, ein merkwürdiger Keckerlaut ertönte von dem Tier, dann fiel es wieder ins Wasser zurück und umschwamm die Feluke.

Zwischen der „Isabella“ und dem Händlerschiff zog der Delphin seine Kreise, und sobald er seine spitze Schnauze aus dem Wasser hob, schien es den Seewölfen, als grinse der Delphin.

Dicht neben der Trommel schnellte er sich mit einem gewaltigen Satz in die Höhe, schleuderte Wasser hoch und ließ sich von dem arabischen Händler einmal schnell streicheln. Dann fiel er wieder ins Meer zurück, blieb aber dicht unter der Wasseroberfläche immer in der Nähe der Feluke.

Noch ein paarmal ließ Ibrahim den Delphin springen, dann verschwand das Tier unter der „Isabella“ und jagte weiter.

Diese Vorführung war so verblüffend, daß zunächst keiner ein Wort sagte. Ungläubig sahen sie auf den geheimnisvollen Händler, der jetzt seine Trommel einholte und zufrieden vor sich hin grinste.

„Das – das ist fast wie Zauberei“, sagte Ben Brighton beeindruckt. „Der Kerl wird mir richtig unheimlich.“

Die Erstarrung von den Seewölfen löste sich, dann begannen sie alle wie wild zu klatschen, was der Händler mit sichtbarem Stolz zur Kenntnis nahm.

„Hat es euch gefallen, Herr?“ fragte Ibrahim.

„Nun, es hat mich beeindruckt“, gab der Seewolf zu. „Wenn ich den Trick kenne, wird er mir vielleicht auch gelingen.“

Zuvorkommend hielt der Kerl die Trommel hoch, auffordernd und grinsend, ganz im Gefühl seiner Überlegenheit.

Die Feluke war nur noch drei Yards von der „Isabella“ entfernt, und jetzt ließ Hasard zu, daß sie anlegte. Solange sich die Kerle auf ihrem Kahn befanden, drohte keine Gefahr. Selbst wenn sie an Deck erschienen, schafften sie es nicht, die Seewölfe zu überrumpeln.

Bill nahm die Trommel entgegen, und als die anderen ihn umringten, ließ er sie ebenfalls auf das Wasser gleiten und vollführte wilde Handbewegungen, wie er es bei dem Händler gesehen hatte.

Der Delphin ließ sich jedoch nicht blicken. Als Blacky, Smoky und auch Stenmark es versuchten, blieb er ebenfalls unsichtbar. Selbst die Zwillinge, mit allerlei Tricks des Orients vertraut, schafften es nicht, das Tier sichtbar werden zu lassen.

Hasard versuchte es erst gar nicht, damit die Überlegenheit des Händlers nicht zu sehr dominierte.

Eine gewisse Vertrauensbasis war jetzt aber doch hergestellt, fand der Seewölf, und das wurmte ihn. Denn Vertrauen schläfert den Verstand ein und schafft Unaufmerksamkeit. Verdammt, und gerade das wollte er vermeiden, aber es gab beileibe nichts, was er diesem gewieften Händler anhängen konnte. Der war anscheinend nur auf sein Geschäft bedacht.

Die Kugeln wurden zur Kuhl hinaufgereicht. Dann waren die Fässer mit Schießpulver an der Reihe.

Da faßte Hasard seinen Entschluß, als der Händler wieder mit den Teetassen winkte und sie erneut einlud, die Schätze des Orients zu besichtigen.

„Ferris und ich sehen uns einmal um“, sagte er. „Von den anderen erwarte ich nichts weiter als Aufmerksamkeit. Ihr wißt, was ihr zu tun habt.“

Ja, das wußten sie alle. Selbst wenn es Ibrahim einfallen sollte, die beiden Männer als Geiseln zu nehmen, gab es keinen Pardon. Sie ließen sich weder erpressen noch hereinlegen, auch nicht um den Preis eines Lebens. Das hatte der Seewolf angeordnet.

Hasard hatte dabei allerdings noch einen Hintergedanken. Dieser mit allen orientalischen Wässerchen gewaschene Händler konnte ihm vielleicht behilflich sein. Er kannte Allah und die Welt, und er kannte sicher auch das, was der Seewolf wissen wollte. Aber das würde sich ja gleich erweisen.

Der Profos verzog mißmutig das Gesicht, weil Hasard nicht ihn mitnahm, sondern seinen Freund Ferris Tucker. Aber auch das war geplant. Ferris hatte den richtigen Blick für Geheimverstecke und Größenverhältnisse auf Schiffen, das hatte er kürzlich gerade wieder einmal bewiesen.

Als sie an Deck der Feluke standen, verneigte sich Ibrahim fast bis auf die Planken.

Als Begrüßungsschluck reichte er den beiden Männern frisch gebrühten Tee mit Rosenöl. Die kleinen Tassen stellte er auf den eigens an Deck gestellten Messingtisch.

„Allah möge über euch wachen, Herr“, sagte er salbungsvoll. „Ihr, die ihr den Armen helft, sollt ewig leben.“

Dann griff Ibrahim zu seiner Tasse, doch Hasard faßte lächelnd sein Handgelenk und hielt es fest.

„Beim ersten Schluck auf eine neue Freundschaft tauschen wir immer die Tassen“, erklärte er.

Er wartete auf eine enttäuschte Reaktion, doch die blieb aus. Dafür blitzte es in den Augen des Händlers freudig auf.

„Eine ehrwürdige Sitte, Herr“, sagte er unterwürfig und ließ zu, daß der Seewolf die Tassen tauschte.

Das alte Schlitzohr hat mich durchschaut, dachte Hasard. Der hatte genau gemerkt, auf was er hinauswollte.

Der Tee schmeckte süß, war kochend heiß und verströmte ein köstliches Aroma.

„Herr“, sagte Ibrahim, „ihr habt ein gut bewaffnetes Schiff, eine prächtige Galeone, wir dagegen sind nur unzulänglich bewaffnet mit einer kleinen hölzernen Schleuder, aber ihr wäret gut beraten, wenn ihr griechisches Feuer bei mir kauftet. Auch solltet ihr euch eine ähnliche Schleuder zulegen, falls euch mal die Kugeln ausgehen.“

„Du hast griechisches Feuer zu verkaufen?“ fragte Ferris.

„Ja, Herr. Ihr könnt alle Zutaten haben, die ihr braucht.“

„Ich denke, die Zusammensetzung ist geheim.“

„Nun, Herr, Geschäft ist Geschäft, davon leben wir. Ihr werdet einige der dazugehörenden Ingredienzen nicht kennen, und ich werde auch nicht das Geheimnis verraten, sonst bin ich ja meine Kunden los“, setzte er listig hinzu. „Ich werde euch das gern einmal zeigen, Herr. Feuer, das von selbst entsteht.“

Dann wandte er sich an einen seiner ewig und unterwürfig grinsenden Kerle und sagte etwas auf Arabisch.

Zwei Männer verschwanden und kehrten gleich darauf mit kleinen Fässern unter den Armen zurück, die sie öffneten.

Der Händler erklärte es ihnen, griff in dieses und jenes Fäßchen, nahm ein paar Körner, etwas Pulver, Zeug, das aussah wie Holzkohle, und lächelte dazu.

„Man kannte es schon im alten Byzanz“, sagte er. „Kallinikus, der große Meister aus Heliopolis in Syrien hat es erfunden. Das ist fast tausend Jahre her. Hier sind Pech, Schwefel, Naphta, Holzkohle und ungebrannter Kalk, daraus besteht es.“

„Und was ist in dem Fäßchen da?“ wollte Ferris wissen, dessen Neugier jetzt immer stärker wurde.

„Das ist das Geheimnis, das mir meine Kunden sichert“, erwiderte der Händler lächelnd.

Er rührte die Mixtur, von jedem etwas, in ein Messingbecken und schnippte mit den Fingern.

„Geht nicht zu nahe heran!“ warnte er.

Ein weiteres Fingerschnippen zauberte den Kerl in Bundhosen herbei, der vorsichtig ein paar Tropfen gepütztes Meerwasser in das Messingbecken goß.

Es zischte, Qualm stieg auf, dann zuckte eine Flamme hoch, züngelte wild und heiß in der Luft und brannte ein paar Sekunden lang. Auch als der Mann weiteres Wasser nachgoß, erlosch das Feuer nicht. Schließlich ergriff der Händler das Messingbekken, hob es hoch und schüttete den Inhalt ins Meer. Auf der Oberfläche brannte das Zeug noch etwas weiter, dann erlosch es schließlich, wie der Inhalt der chinesischen Brandsätze.

Ferris Tucker war hellauf begeistert, Al Conroy verkniff sich gerade noch einen Freudenschrei, und auch der Seewolf war begeistert.

Über den Preis wurde man sich schnell einig. Ibrahim feilschte zwar noch ein wenig, aber er gab bald nach, und keiner hatte das Gefühl, er hätte sie übers Ohr gehauen.

Zum Teufel, dachte Hasard. Was hatte der Kerl nur vor? Er rüstete sie mit griechischem Feuer aus, schaffte Kanonenkugeln und Pulver herbei und verlangte lächerliche Preise. Aber er nahm nicht immer sehr wenig, trieb den Preis mitunter auch geschickt in die Höhe oder bedauerte, von diesem und jenem nur einen kleinen Vorrat auf Lager zu haben.

Die Seewölfe, die vom Schanzkleid aus zuschauten, begann jetzt auch noch, den Kerl zu loben. Ibrahim hatte sie mit seinen Sperenzchen schon halb in die Tasche gesteckt.

„Darf ich fragen, welchen Kurs ihr steuert, Herr?“ fragte der Händler, als sie zwischen Teppichen, Degen, Wasserpfeifen und Tonkrügen standen und immer wieder Datteln, Feigen, Nüsse und Backwerk angeboten kriegten.

Hasard sah den Händler aufmerksam an. War da nicht ein Lauern in den schwarzen Augen, eine versteckte Gier? Oder bildete er sich das nur ein?

Ibrahim senkte schuldbewußt den Blick.

„Verzeiht, Herr“, sagte er leise. „Es steht mir nicht an, Neugier zu zeigen, aber vielleicht kann ich euch helfen. Ibrahim kennt Weg und Steg. Ibrahim kennt alle Länder an den östlichen, nördlichen und südlichen Küsten.“

„Wir treiben Handel“, sagte Hasard ausweichend. „Oder versuchen, neue Märkte zu öffnen, Kostbarkeiten mitzubringen, und eines Tages werden wir, schwer mit den Schätzen des Orients beladen, wieder nach England zurückkehren. Aber vielleicht kannst du mir doch helfen, Ibrahim. Wir sind auch von Entdeckerdrang beseelt und haben von einem Land gehört, in dem es himmelhohe Bauwerke gibt oder geben soll. Diese Bauwerke sollen so unwahrscheinlich groß sein, daß ich nicht glauben kann, daß sie existieren, denn sie müßten allein durch ihr Gewicht einstürzen, können also gar nicht gebaut werden, wie mir zu Ohren kam.“

„Es gibt sie, Herr“, sagte der Händler sehr bestimmt. „Habt ihr eine Karte oder Aufzeichnungen darüber?“

„Ja, das heißt nein, natürlich nicht, wir haben mal eine Karte darüber in einer Spelunke gesehen, aber das ist schon lange her, und wahrscheinlich war das eine Fälschung.“

Der Händler ließ sich nichts anmerken, aber er spürte, daß der große schwarzhaarige Mann ihn soeben angelogen hatte.

„Diese Bauwerke“, sagte er. „nennt man die Pyramiden. Sie stehen in Ägypten, in der Wüste. Die Pharaonen haben sie vor Jahrtausenden erbauen lassen, und ich wette meine Feluke gegen euer Lächeln, daß es auf der ganzen Welt keine größeren Bauwerke gibt. Diese Pyramiden sind die Grabstätten der alten Könige und Pharaonen – und sie sollen unermeßliche Schätze bergen.“

„Das weißt du genau?“ fragte Hasard gespannt.

„Ganz genau, Herr.“

„Hast du sie selbst gesehen?“

„Nein, Herr. Um sie zu erreichen, muß man den größten Strom des Kontinents hinaufsegeln. Doch das ist mit unglaublichen Gefahren verbunden.“

Diesmal war sich der Seewolf ziemlich sicher, daß Ibrahim ihn anlog. Nicht, was diese Bauwerke betraf, die gab es vermutlich doch, und der Händler hatte sie auch schon gesehen, aber er stritt es ab, selbst schon einmal dort gewesen zu sein.

„Und wie gelangt man dahin?“ fragte Hasard. Er ließ sich seine Erregung nicht anmerken, denn er spürte, daß er ganz dicht vor dem entscheidenden Geheimnis stand, das die Karten bargen.

„Der Nil hat viele Arme“, sagte der Händler. „Ihr könnt in Dumyat hineinsegeln, in Rashid oder El Iskandariya, ihr werdet immer auf die Bauwerke stoßen, und sie werden euch ein Leben lang in Erinnerung bleiben.“

„Ich kann mit diesem Schiff auf dem Nil segeln?“ fragte Hasard gespannt.

„Ja, Herr. Natürlich braucht ihr viel Geschick und Mut. Ihr könnt bis zum ersten Katarakt segeln, bis zur Nilinsel Philae, vorbei an den Pyramiden, den Tempeln Echnatons, der Hathor, Karnak, Luxor, Theben. Ihr werdet den Tempel Amenophis’, den Tempel des Horus und den von Kom Ombo sehen. Dann geht es nicht mehr weiter, jedenfalls nicht mit eurem Schiff. Mit einem kleineren Fahrzeug könnt ihr weiter zum herrlichen Tempel der Göttin Isis oder des Ramses bis hinauf nach Abu Simbel zum zweiten Katarakt. Und damit ist der Nil immer noch nicht zu Ende und birgt Geheimnisse.“

Was Hasard hier hörte, ließ ihn erschauern, und er war fast geneigt, dem Händler die Karten zu zeigen.

Statt dessen aber fragte er: „Und woher weißt du das alles so genau?“

„Man hört viel, Herr, und man verkehrt mit Leuten, die das alles ganz genau wissen. Es stimmt, was ich sagte. Ihr könnt euch davon überzeugen, nichts an der Geschichte ist übertrieben oder gar gelogen.“

Hasard blickte nachdenklich auf die vielen Kostbarkeiten, die die Feluke in ihrem Innern barg. Sekundenlang spielte er wieder mit dem Gedanken, Ibrahim die Karten zu zeigen, doch ebenso schnell verwarf er diesen Gedanken wieder. Nein, die Karten sollte nur jemand sehen, der sein uneingeschränktes Vertrauen genoß, denn diesem Schlitzohr traute er nicht so richtig über den Weg.

Sie sahen sich weiter um, fasziniert von den Kostbarkeiten, die Ibrahim auf der Feluke hatte, und sie kauften auch einiges, genau genommen viel mehr, als sie eigentlich wollten.

3.

Gary Andrews und Blacky waren es satt, ständig auf die Feluke zu starren, und so gingen sie zur anderen Seite hinüber und sahen dem seltsamen Delphin zu, der pfeilschnell durch das Wasser pflügte.

„Wenn man dem so zusieht“, meinte Blacky, „dann kriegt man direkt auch Lust zum Schwimmen.“

„Tu’s doch“, riet Gary. „Der wird schon auf dich losgehn, wenn du im Bach bist. Und wenn er dir mit seinen scharfen Zähnen die Knochen anfrißt, vergeht dir die Lust aufs Schwimmen.“

„Delphine gehen nicht auf Menschen los“, erklärte Blacky. „Ich habe jedenfalls noch nichts Derartiges gehört.“

„Darauf würde ich mich nicht verlassen.“

Die Motzerei ging hin und her, und jeder wollte mit seiner Meinung recht behalten, bis der Kutscher erschien und ebenfalls ins Wasser blickte.

„Du weißt doch immer alles, Kutscher“, sagte Gary. „Blacky will nicht glauben, daß Delphine auch Menschen angreifen. Was meinst du dazu?“

„Glaub ich auch nicht, aber genau weiß ich es nicht. Probiert es doch aus, dann wißt ihr es.“

„Und wenn der Delphin wirklich angreift?“

„Dann wißt ihr es endgültig“, sagte der Kutscher trocken, „und könnt eure Weisheit an andere weitergeben.“

Blacky zog sich grinsend das Hemd über den Schädel, während Gary Andrews ihn fassungslos anstarrte.

„Du willst wirklich?“ fragte er entsetzt. „Der ist vielleicht so verfressen wie ein Hai.“

„Ich bin jedenfalls kein Feigling“, erklärte Blacky.

„Aha, das soll wohl heißen, daß ich einer bin, was?“

„Was du bist, ist mir gleichgültig, jedenfalls hast du vor dem kleinen Sardinenfresser Angst, das steht fest.“

Gary trat drohend einen Schritt vor.

„Sag noch einmal, daß ich Angst habe“, knurrte er. „Dann reiße ich dich Pfeffersack in Fetzen.“

Blacky grinste verwegen und sah Gary abschätzend an.

„Es steht doch fest, daß du nicht in den Bach willst, solange dieser Piepmatz da rumschwimmt. Oder täusche ich mich?“

„Das hat doch mit dem Piepmatz nichts zu tun!“ brüllte Gary empört. „Mir ist das Wasser viel zu kalt, das ist es.“

Blacky grinste so infam, daß Gary rot anlief. Auch er riß sich jetzt mit einem Ruck das Hemd vom Körper.

„Angst vor einem Delphin? Pah!“ sagte er verächtlich, und dann sprang er noch eher als Blacky.

Das Wasser war nicht kalt und auch nicht sonderlich warm, es hatte eine angenehme Temperatur, und dazu war die See so glatt wie ein Spiegel.

Die beiden Männer schwammen ein Stück vom Schiff weg. Ein paar andere Seewölfe wechselten ebenfalls die Seiten und fragten sich, was sie beiden wohl wieder ausheckten, daß sie gerade jetzt ein Bad nahmen.

Sie waren noch keine zwei Minuten im Wasser, als der Delphin unter ihnen entlangglitt. Aus der Tiefe heraus sah er aus wie ein sich schnell nähernder Hai, und Gary warf einen entsetzten Blick nach unten, denn er war der felsenfesten Überzeugung, das Biest würde jetzt sofort angreifen. Dann erkannte er, daß es doch der Delphin war, nur verringerte das seine Scheu keineswegs, denn man konnte ja nie wissen!

In diesem Augenblick tauchte der Körper unmittelbar neben den beiden auf. Gary verfluchte seinen Heldenmut und Blacky gleichzeitig mit, der ihn dazu animiert hatte.

Aber das Tier zeigte sich sehr gesellig, und es war keinesfalls scheu. Ganz langsam und sehr dicht schwamm es neben ihnen her und stieß hin und wieder dieses keckernde Geräusch aus, das sich anhörte, als wolle das Tier ihnen etwas mitteilen.

Es umkreiste sie und schien zu lachen. jedenfalls sah es so aus.

Blacky tastete vorsichtig mit der Hand zu dem geschmeidigen glatten Leib hinüber und erwartete, daß der Delphin jetzt erschreckt auf die Berührung reagieren würde. Doch das Tier störte sich nicht im mindesten daran, es empfand die Berührung eher als angenehm.

„Der hat schon öfter mit Menschen zu tun gehabt“, sagte Blacky überzeugt. „Los, wir reiten mal auf dem Kollegen.“

Ohne Garys Antwort abzuwarten, griff Blacky nach der gebogenen Rückenflosse und hielt sich fest. Gary packte die Schwanzflosse. Der Delphin hielt still, es schien ihm zu gefallen, und er ließ zu, daß sich Blacky auf seinen Rükken schwang.

Vom Schanzkleid aus wurde das von den Seewölfen mit lautem Beifall quittiert.

Auch Gary Andrews verlor nun seine letzte Scheu vor dem Tier, das wieder laute gluckernde Geräusche von sich gab und sich dann in Bewegung setzte. Zuerst langsam, dann schneller, glitt der Delphin los, auf dem Rücken den grinsenden Blacky, an der Schwanzflosse Gary Andrews, der in seinem ganzen Leben noch nie so schnell geschwommen war wie jetzt, da der Delphin ihn zog.

Erst als sie drei, vier Kabellängen von der „Isabella“ entfernt waren, wurde es Gary mulmig.

„Wenn der noch weiter schwimmt“, rief Gary, „dann wird es riskant für uns. Der Bursche setzt uns weit draußen ab, und dann können wir zurückschwimmen.“

Seltsam – als hätte der Delphin die Worte verstanden, drehte er langsam um und nahm wieder Kurs auf die „Isabella“. Erst dicht vor der Bordwand stoppte er und ging dann langsam in die Tiefe.

„Mann, das gibt’s doch gar nicht“, sagte der Profos oben vom Schanzkleid und schüttelte verwundert den Kopf. „Der ist ja zutraulicher als unser Arwenack.“

Jetzt, nachdem sich ihnen dieses Schauspiel geboten hatte, wollten auch Hasards Söhne nicht länger zurückstehen. Noch ehe Carberry sie hindern konnte, sprangen sie über Bord, um an dem Spielchen teilzuhaben. Des Profoses Fluch verhallte ungehört. Er warf eine Leine über die Bordwand und ließ Gary und Blacky aufentern.

„Und ihr auch!“ rief Ed den Zwillingen zu, doch die schienen ihn nicht zu hören.

„Laß sie doch“, meinte Blacky, „das Tier ist wirklich ganz zahm. Es tut ihnen nichts.“

Die Zwillinge tollten schon herum, als der Delphin sich spielerisch vor ihnen tummelte. So, wie sie es bei Blacky und Gary gesehen hatten, ließen auch sie sich von dem gutmütigen Tier durchs Wasser schleifen und brüllten begeistert, als der Delphin sie in einem weiten Bogen wieder zurückbrachte.

„Los, unter der ‚Isabella‘ durch“, sagte Hasard junior. „Das schaffen wir spielend.“

„Einverstanden!“ rief Philip begeistert.

Vor ihnen glitt der Delphin in fünf, sechs Yards Tiefe als grünlicher Schatten dahin, als wolle er sie führen.

Die Zwillinge tauchten noch tiefer, über sich den Rumpfboden der „Isabella“ wie ein drohender Schatten.

Die zehn Yards schafften sie spielend, erst dicht bei der Feluke wurde ihnen die Luft knapp, und sie tauchten auf. Niemand sah sie, außer den Männern, die noch immer oben am Schanzkleid standen und auf das Händlerschiff blickten.

Ibrahim und seine bunten Gesellen waren damit beschäftigt, den Seewölfen Lampenöl zu verkaufen und andere Sachen zu verschachern.

Der Delphin kehrte wieder zurück, umkreiste sie einmal und glitt dann weiter an der Feluke entlang.

Die Zwillinge verstanden sich auch ohne Worte, blickten sich nur an und tauchten am Heck der Feluke erneut. Dort entdeckten sie etwas, das sie in Staunen versetzte.

Unter Wasser, neben dem Ruderblatt, befand sich ein halbschräg nach oben führender dunkler Schacht, für den Hasard und sein Bruder keine Erklärung fanden. Abwechselnd spähten sie hinein, aber es ließ sich nur erahnen, daß dieser eingebaute Schacht irgendwo wieder, vielleicht durch einen Senkkasten, an Deck der Feluke führen mußte.

Im festen Glauben, wieder etwas entdeckt zu haben, tauchten sie auf und schnappten nach Luft. Dann zeigte Philip nach unten.

Als sie wieder tauchten, um das Geheimnis näher zu ergründen, glitt der Delphin dicht vor ihnen in die Öffnung. Er paßte bequem hinein, nur seine Schwanzflosse ragte noch ein Stück heraus. Sie hörten deutlich, wie er mit der Schnauze an Holz stieß und dieses Anstoßen noch dreimal wiederholte, dann glitt er aus dem Kasten und zog sich zurück.

Hasard blickte mit weit geöffneten Augen in die schiefe Ebene aus Holz. Die Dunkelheit wurde milchigtrüb, offenbar wurde an Deck eine Klappe oder ein kleines Luk geöffnet. Gleich darauf fiel ein größerer Fisch durch den Schacht. Er trudelte durchs Wasser.

Die Klappe wurde geschlossen, der Delphin schnappte zu, und damit war der Fisch verschwunden.

Die Zwillinge sahen sich unter Wasser aus erstaunt aufgerissenen Augen an. Dann tauchten sie dicht am Ruderblatt auf, lautlos, damit niemand sie bemerkte, und sofort legte Hasard den Finger an die Lippen, damit sein Bruder sich nicht verriet.

Zweifellos hatten sie hier ein seltsames Geheimnis entdeckt, aber sie begriffen nicht, was das alles sollte. Der Delphin jedenfalls war abgerichtet und dressiert, und er wußte auch, wo und wie er am leichtesten sein Futter kriegte.

Hasard junior grinste hinterhältig, dann glitt er in die Tiefe, schwamm in den hölzernen Kanal, bis er ein kleines Schott erreichte, und klopfte viermal mit der flachen Hand dagegen.

Der Erfolg war verblüffend.

Trübe Helligkeit fiel herein, graugrünes Dämmerlicht. Hasard erkannte eine riesengroße verschwommen wirkende Hand, und dann flog ihm zu seiner großen Verblüffung ein dicker Fisch vor die Nase. Hastig zog er sich zurück, als das Luk geschlossen wurde, und überließ den Fisch dem Delphin, der ihn sofort schnappte.

Grinsend tauchten beide am Ruderblatt wieder auf.

„Zurück an Bord“, raunte Hasard seinem Bruder zu. „Unter der Feluke durch und dann zur anderen Seite, damit uns niemand sieht.“

Philip nickte nur, dann holten sie tief Luft und schwammen die Strekke zurück, bis sie mit knallroten Köpfen drüben an der Bordwand der „Isabella“ wieder auftauchten.

Der Delphin umkreiste sie weiter, aber jetzt wollten sie an Bord, um ihre Neuigkeit loszuwerden.

An der Leine enterten sie auf, und als sie klatschnaß auf den Planken standen, sahen sie genau in Carberrys narbiges Gesicht. Sein mächtiges Rammkinn war vorgeschoben, ein Zeichen dafür, daß es gleich Ärger geben würde. Außerdem hatte der Profos noch die Arme in die Seiten gestemmt und sah finster drein.

„Wir sollten mal wieder gemeinsam zum Tampentänzchen aufspielen“, sagte er drohend. „Ihr kennt das Spielchen ja aus Erfahrung, und es wird euch sicher ganz guttun, mal wieder quiekend über Deck zu hüpfen, was, wie? Ihr wißt, daß wir vor dem Händler auf der Hut sein sollen, aber ihr umschwimmt sorglos den Kahn, obwohl das niemand erlaubt hat.“

„Es hätte nichts passieren können, Mister Carberry“, sagte Hasard noch etwas außer Atem. „Die anderen haben uns ständig gesehen. Aber wir haben etwas entdeckt, eine merkwürdige Sache.“

Ed lehnte sich ans Schanzkleid und sah die beiden an. Sein düsterer Blick verschwand, und auch das Kinn zog sich merklich zurück.

Eigentlich hatte er sich ja nur geärgert, weil die beiden Lümmel einfach über Bord gesprungen waren, und auf sein Gebrüll nicht reagiert hatten. Aber jetzt war sein Zorn wieder verraucht, und er schob den Vorfall beiseite.

„Na gut“, sagte er etwas versöhnlicher. „Was habt ihr denn so Merkwürdiges entdeckt?“

Hasard junior sprach etwas leiser. Big Old Shane gesellte sich ebenfalls zu ihnen und hörte zu.

Gatunki i tagi
Ograniczenie wiekowe:
0+
Objętość:
2032 str. 21 ilustracje
ISBN:
9783954395026
Wydawca:
Właściciel praw:
Bookwire
Format pobierania:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip