Czytaj książkę: «Seewölfe Paket 13»
Impressum
© 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
ISBN: 978-3-95439-502-6
Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de
Inhalt
Nr. 241
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 242
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 243
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 244
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 245
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 246
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 247
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 248
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 249
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nr. 250
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 251
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 252
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 253
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Nr. 254
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Nr. 255
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 256
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Nr. 257
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 258
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 259
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Nr. 260
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
1.
Mit den trockenen sommerlichen Winden des östlichen Mittelmeeres, den Etesien, war es nun endgültig vorbei.
Man schrieb den 26. November 1591. Der Himmel war von schnell dahinjagenden dunklen Wolken bedeckt. Die See ging hoch und war mitunter so kabbelig, daß die Feluke hart erschüttert wurde.
Feluke war nicht der richtige Ausdruck. Das Schiff war eher eine Kreuzung aus einer Feluke und einer Schebecke. Das ließ sich auf den ersten Blick nicht so genau einordnen.
Es fuhr drei lateingetakelte Masten, und war ein schnelles, wendiges und flachgehendes Schiff. Über das Heck hinaus ragte ein Grätingdeck als Fortsetzung des Quarterdecks, und vorn trug sie eine der Ramme vergleichbare Galion.
Ihr Baumeister war ein Genie, denn in dem Schiff gab es geheime Türen, geheime Räume und einige merkwürdige Schotten, die ebenso merkwürdige Funktionen erfüllten.
Ein größerer Laderaum befand sich vor dem Mast, und aus diesem Raum, über dem eine Gräting lag, drang Geschrei, das bis aufs Achterdeck zu hören war.
Der Kapitän, ein sarazenisches Schlitzohr, der das Mittelmeer von den Säulen des Herkules bis zum Libanon kannte, verzog unwillig das Gesicht. Sein Temperament ging wieder einmal mit ihm durch.
„Sieh nach den verdammten Christenhunden, Muhmad!“ befahl er. „Sie werden unruhig. Sag ihnen, wir werden bald Land erreichen.“
„Sie haben Angst vor der See, Sidi Reis.“
Reis wurde der arabische Kapitän genannt, und Sidi war die Anrede die „Herr“ bedeutete.
„Sie haben Angst, weil sie nicht an Allah glauben“, sagte der Kapitän verächtlich. „Sag ihnen, von nun an stehen sie unter Allahs Schutz, und nichts wird ihnen passieren.“
„Ja, Herr.“
Der Gaffir erfüllte die Funktion eines Aufsehers, und so ging er nach vorn, um die aufgebrachten Menschen zu beruhigen.
In dem Raum befanden sich, dicht zusammengepfercht, sechsundvierzig Europäer, vorwiegend Spanier, darunter auch ein paar Frauen, die der Sarazene beim Überfall auf eine Galeone in seine Gewalt gebracht hatte. Diese Leute sollten nach Kreta gebracht, dort in eine Höhle verfrachtet und später als weiße Sklaven auf den arabischen Märkten verkauft werden.
Der Sarazene und seine Besatzung lebten davon, daß sie weiße Sklaven an den geheimnisvollen Araber Ali Abdel Rasul verkauften. Dafür erhielten sie zehn Prozent vom Preis der erzielten „Ware“.
„Euch wird nichts passieren!“ schrie der Gaffir durch die Gräting nach unten. „Wir sind auch bald da. Benehmt euch vernünftig, ihr kriegt zu essen und zu trinken. Ihr braucht wirklich vor dem bißchen Wind keine Angst zu haben.“
Von unten tönte Gebrüll herauf. Die gefangenen Spanier beleidigten den Gaffir, nannten ihn einen arabischen Hund und fluchten ihm die Knochen ab.
Ein Großteil der Gefangenen hatte noch keine Erfahrung auf dem Wasser sammeln können, sie waren meist Kaufleute, Weinhändler und Reisende, die lediglich zu Gast in ein anderes Land wollten, dann aber von dem Sarazenen aufgebracht worden waren. Jetzt gingen sie einem höchst ungewissen Schicksal entgegen. Die Männer wurden als weiße Sklaven verkauft, die wenigen Frauen landeten später meist als Odalisken in irgendeinem Harem.
Der Gaffir hörte sich die Flüche und Beleidigungen mit unbewegtem Gesicht an, doch als das Geschrei kein Ende nahm, pützte er Wasser und goß es durch die Gräting nach unten. Dann, als es etwas stiller wurde und nur noch vereinzelte Männer ihn einen Hundesohn nannten, beugte er sich über die Gräting und blickte in den finsteren Raum.
„Wenn ihr jetzt nicht ruhig seid“, sagte er laut, „dann lasse ich das Geschütz vor dem Schott abfeuern. Ihr habt gesehen, daß es mit Bleistücken geladen ist, und genau auf euch zielt. Wir werden uns nicht lange mit euch herumärgern.“
Natürlich würde er das Geschütz nicht einsetzen, denn weiße Sklaven brachten Geld, viel Geld, und wenn sie die Gefangenen zusammenschossen, dann war die Reise umsonst, ganz zu schweigen von den eigenen Verlusten und den vielen Mühen.
Die Schebecke legte sich hart in die See, als der Gaffir wieder nach achtern ging. Ihr Bug hob sich steil in die Luft und knallte kurz darauf laut und hart auf das Wasser zurück. Durch ihren geringen Tiefgang lag sie nicht so gut im Wasser, und so wurde bald eine höllische Schaukelei daraus.
Etwas später ging die See noch höher. Das leichte Schiff tauchte tiefer ein, und die ersten Brecher fegten über das Deck.
Der sarazenische Kapitän sah besorgt zum Himmel, wo sich immer mehr Wolken zu einem wirbelnden Tanz auftürmten. Sein Versprechen, Allah würde helfen, schien sich nicht zu bewahrheiten, denn Allah überließ das Schiff sich selbst und den Elementen, die jetzt gewaltig aufschäumten.
Ein weiterer Brecher sprühte kalte Gischt bis zum Quarterdeck und durchnäßte den Mann am Kolderstock. Auch der Kapitän kriegte einen Schwall ab.
„Schnell, laß die Luken verschalken, Gaffir!“ schrie der Kapitän. „Wenn die Christenhunde ersaufen, zieht mir Ali Abdel Rasul das Fell über die Ohren! Beeil dich, verdammt! Nimm dir ein paar Männer!“
„Ja, Herr.“
Der schlitzohrige Sarazene kannte kaum Angst. Er fürchtete nicht die wilde See, nicht den heulenden Sturm. Er fürchtete nur zwei Dinge, und das waren Allahs Rache und der Zorn Ali Abdel Rasuls, jenes geheimnisvollen Arabers, der mal als einfacher Fellache, dann wieder als reicher Kaufmann, verkleideter Spion, als Gaffir oder Kapitän auftrat, und von dem niemand wußte, wer er wirklich war. Es hieß nur, er sei ein sehr reicher, aber auch gewalttätiger, listiger Mann, der tausend Ohren und tausend Augen hatte, alles sah und dem nichts entging.
Aber er bezahlte immer gut und sofort, und dafür verlangte er auch einwandfreie Ware. Die Bezahlung erfolgte in einem Geheimversteck auf Kreta, nahe dem Ort Chania, aber doch so weit entfernt, daß sich dort nur ganz selten jemand blicken ließ.
Fiebernd vor Ungeduld wartete er darauf, daß das Luk mit Brettern abgedichtet wurde, und als ihm das zu langsam ging, verließ er seinen Platz auf dem Achterdeck und legte selbst mit Hand an.
Ein getränktes Segeltuch wurde darüber festgezurrt, und so verhallte das erneute Geschrei da unten. Es wurde vom Donnern der Wellen, vom Heulen des Windes und vom Ächzen und Aufklatschen des Schiffes in der See verschluckt.
„Ein paar Verluste müssen wir einkalkulieren“, sagte der Sarazene, „falls es noch schlimmer wird. Aber die meisten werden es wohl überleben.“
„Es wird ganz sicher noch schlimmer, Sidi“, meinte der Gaffir Muhmad. „Und bis wir die Insel erreicht haben, werden auch noch zwei Tage vergehen. Sollten wir nicht lieber nach Norden ausweichen und den Sturm umsegeln?“
Der Sarazene schüttelte den Kopf. Er war ein großer schlanker Mann, mit einem sauber gestutzten Kinnbart und kohlschwarzen, verschlagen blickenden Augen, die mitunter sehr stechend wirkten. Seine Hände waren in ständiger unruhiger Bewegung.
„Dadurch wird die Strecke auch nicht kürzer“, sagte er. „Nein, nein, wir bleiben auf östlichem Kurs. So Allah will, wird er uns auch glücklich ans Ziel führen.“
Gegen die Anordnungen des Reis, des arabischen Kapitäns, gab es keinen Widerspruch. Muhmad durfte sich bestenfalls ein paar Vorschläge erlauben, doch das letzte Wort hatte der Kapitän, und demnach blieben sie auf östlichem Kurs, und wenn die ganze Welt dabei unterging.
Die meisten Leute verschwanden in den unteren Räumen. An Deck hielten sich nur fünf Mann auf.
Nach einer weiteren Stunde, als es immer schlimmer wurde, ließ der Sarazene, wie er von Feinden oft genannt wurde, jedoch die Besatzung hochpurren.
Es wurde dunkel, die Dämmerung ging ziemlich schnell in totale Finsternis über, und die See begann immer wilder zu toben, zu kochen und zu brodeln.
Der Wind fiel jetzt hart von Nordnordwest ein, jagte die Schebecke durch wilde aufgepeitschte See, ließ sie hüpfen und tanzen, jagte sie mit Urgewalten vor sich her und trieb sie mit wütendem Gebrüll nach Osten. Die Männer auf dem Achterdeck mußten schon schreien, um sich zu verständigen. Der harte Wind riß ihnen die Worte von den Lippen und richtete ihnen die Haare auf.
Donnernd ging es rauf und runter. In den Kammern flog alles, was nicht ganz besonders gut festgezurrt war, wild durcheinander.
Seen überfluteten das Deck, brüllten schäumend und mit wirbelnden Armen über die Galion, wälzten sich weiter und überfluteten das Mitteldeck, wo das Wasser wie eine schwarze Mauer aus Glas lange stehenblieb, bis es beim nächsten Aufklatschen wieder in die See zurücklief.
Immer wilder wurde der Höllentanz. Es krachte und knackte in allen Verbänden. Schon vorher waren die Segel eingeholt worden, und jetzt begann die Schebecke vor Topp und Takel zu lenzen.
Selbst die Sturmlaternen, die entzündet wurden, blies der Wind gleich wieder aus.
Muhmad brachte eine Lampe, die mit Leuchtöl brannte und deren Flamme der Wind durch das schützende Glas nicht ausblasen konnte. Doch sie verbreitete kaum Licht.
Der Restschein genügte jedoch, um vage die Umrisse des Mitteldecks erkennen zu können.
Dort liefen immer wieder gewaltige Seen auf, türmten sich bis zum Niedergang hoch und zischten über das Quarterdeck, liefen weiter über das verlängerte Heck und brausten wild durch die Gräting.
Der Sarazene hatte Angst um seine Gefangenen.
Wenn sie sich hier schon auf dem Achterdeck kaum noch halten konnten, dann mußte in dem großen Raum der Teufel los sein. Dort kullerten die Leiber wild durcheinander, da hielt sich keiner mehr auf den Beinen, und da war längst eine Panik ausgebrochen.
Vielleicht waren auch schon einige tot, dachte der Kapitän bekümmert, oder so schwer verletzt, daß ihr Tod nur noch eine Frage der Zeit war.
Tote Gefangene bezahlte Ali Abdel Rasul aber nicht, und so überlegte der Sarazene krampfhaft, wie er die Leute retten könne.
Aber es gab keine Möglichkeit, sie da herauszuholen. Zwar gab es geheime Wege zu dem Raum, und Platz war genügend an Bord, genügend, um zweihundert Mann zu verstekken. Doch wenn er die verängstigten Spanier jetzt auf dem geheimen Weg weiter nach achtern bringen ließ, dann drehten diese Ungläubigen durch, überwältigten vielleicht noch die Mannschaft oder schickten das Schiff zum Scheitan.
Nein, beschloß er, sie mußten da drin bleiben. Einmal würde dieser höllische Sturm ja auch wieder abflauen.
Ein paar Tote mußte er eben miteinkalkulieren.
Doch der Sturm flaute nicht ab. Er legte jetzt richtig los.
Um Mitternacht ritt die Schebecke durch die Hölle.
Der Wind fauchte mit Urgewalten, die pechschwarze See rannte allesverschlingend und mit mörderischer Wut gegen das Schiff an und versetzte ihm einen harten Schlag nach dem anderen.
Das Geschrei aus dem Raum war verstummt, man hörte jedenfalls auf dem Achterdeck nichts mehr außer einem hin und wieder auftretenden entnervenden Gepolter.
Das Mitteldeck stand permanent unter Wasser, und noch bevor die salzige Brühe ablaufen konnte, wälzte sich schon die nächste Woge mit elementarer Gewalt heran.
Um sie herum war Schaum, quirliger wirbelnder Schaum, der in langen Fetzen durch die Nacht heulte und die See trotz der Finsternis schaumig und weiß färbte.
Ein großer Lenzsack war ausgebracht worden, doch die Schebecke spielte weiterhin in der tobenden See verrückt.
Auf dem Achterdeck hatten sich der Kapitän und der Aufseher Muhmad mit Tauen festgelascht, um nicht über Bord gewaschen zu werden.
Sie ersoffen fast in dem steigenden Wasser und mußten für lange Zeit krampfhaft die Luft anhalten, bis sich ihre Gesichter blau verfärbten.
Jetzt hatte auch den Sarazenen die Zuversicht verlassen, hier noch jemals heil herauszugelangen. Er glaubte nicht mehr daran, daß sie Kreta noch erreichen würden.
Und es wurde noch schlimmer. Einmal, niemand wußte genau wie lange sie schon durch diese Hölle ritten, schäumte es weit vor ihnen in der See leuchtend weiß auf. Das übliche Brausen und Heulen wurde von einem anderen Geräusch überlagert, das sich so anhörte, als würde ein gewaltiger Sog das Meer mit sich fortreißen und irgendwo ablaufen lassen.
Gehetzt sah sich der Sarazene um. Hinter sich hörte er den Gaffir laut schreien und nach Allah rufen. Vor sich sah er ein blasenähnliches Gebilde aus dem Meer steigen, das von innen her wie erleuchtet wirkte, als brannten dort tausend mit Leuchtöl gespeiste Lampen.
Dann fühlte er sich übergangslos sanft in die Höhe gehoben, spürte, wie es immer höher ging, und wußte auch, was gleich danach passieren mußte.
Es ging mit teuflischer Geschwindigkeit bergab, wie in ein tiefes Tal hinunter, wie in einen Schlund der Hölle.
Die Schebecke setzte laut und donnernd auf, als sei sie auf einen Felsen geraten. Der Schlag pflanzte sich durch das ganze Schiff fort und ließ es unheimlich knistern. Sofort danach wuchtete die weißliche Riesenblase in den Himmel. Sie wälzte sich aus beängstigender Höhe heran, schob einen Schwall aus kalter Luft vor sich her und stürzte sich dann auf das Schiff.
Diesmal schrie auch der Kapitän unterdrückt auf. Das gesamte Mittelmeer schien sich auf das Schiff zu wälzen. Da war nur noch ein Donnern, Krachen und Bersten, mit dem der Himmel einstürzte.
Als der Sarazene wieder einen Gedanken fassen konnte und halbtot nach Luft schnappte, stand an Deck nur noch ein einziger Mast. Alles andere hatte der Berg aus Wasser gnadenlos abgeräumt und mit sich gerissen.
Die weiteren Verwüstungen ließen sich noch nicht erkennen, aber es schien schlimm genug zu sein.
Die Schebecke hatte Wasser genommen, und für das Leben seiner Gefangenen gab der Sarazene keinen lausigen Piaster mehr.
Sie kämpften sich weiter durch die See, blind, taumelnd, schwer angeschlagen und warteten auf die Morgendämmerung, die so unendlich lange auf sich warten ließ.
Mit dem heraufziehenden Morgen beruhigte sich auch der Sturm, das Meer wurde nicht mehr so aufgewühlt, und die Wellen wurden nach und nach kleiner.
Dann schob sich der Morgen bleigrau und düster über die Kimm, und die erschöpften Männer sahen das Ausmaß der Verwüstungen.
Der Sarazene ging nach vorn und ließ das Luk öffnen.
„Das hat niemand überlebt“, meinte Muhmad. „In dem Raum steht ganz sicher eine Menge Wasser, wir haben ziemlichen Tiefgang.“
Der Kapitän schwieg. Er war übernächtigt, durchnäßt und ihn fror ganz erbärmlich.
„Schneller, schneller!“ schimpfte er. „Nehmt die Enterbeile und schlagt die Luken ein – oder beeilt euch gefälligst.“
Aus dem Raum waren keinerlei Geräusche zu hören. Dort blieb alles unheimlich still und ruhig – totenstill.
„Es kann auch ein Trick sein“, warnte ein Mann in türkischen Bundhosen, die ihm bis an die Waden reichten. „Sie warten, bis wir öffnen, und dann fallen sie über uns her. So ähnlich tun wir es ja auch, wenn wir ein Schiff aufbringen.“
„Quatsch kein dummes Zeug“, sagte der Sarazene. „Sieh lieber zu, daß die Luke bald offen ist. Von diesen Leuten haben wir ganz sicher nichts zu befürchten.“
Endlich war das Luk geöffnet, die letzten dicken Bretter lagen an Deck, und der Kapitän beugte sich hinunter.
Er sah nur Wasser und Leiber, die in der Brühe herumschwammen, als lebten sie noch.
Das Wasser war etwa brusthoch, und es schwappte leicht hin und her. Aber diese Höhe und der Seegang hatten genügt, um fast alle ertrinken zu lassen.
Einundvierzig ungläubige Giaurs waren ertrunken. Fünf lebten noch, und merkwürdigerweise waren die überlebenden Frauen in der Überzahl.
Zwei Männer, drei Frauen hatten überlebt, sie hatten diese Höllennacht überstanden, wenn auch in allerschlechtester Verfassung.
Der Sarazene stieß einen erbitterten Fluch aus, als er sich wieder aufrichtete. Das war ihm in seinem ganzen Leben nur sehr selten passiert, daß so viele umgekommen waren.
Die See beruhigte sich weiter, die Wellen gingen nur noch als leichte Dünung.
„Bringt sie alle nach oben“, befahl der Sarazene. „Gebt die Toten über Bord. Die anderen werden verpflegt und verarztet. Die anderen kümmern sich um das Schiff. Lenzt die Räume leer, untersucht, wo das Wasser eindringt.“
Die grausige Arbeit nahm ihren Anfang. Leitern wurden in den Raum gestellt, die Ertrunkenen nach oben gebracht und über Bord gegeben. Bei jedem ließ der Kapitän feststellen, ob auch wirklich kein Fünkchen Leben mehr in ihm war.
Zwischendurch wurden die Überlebenden verarztet, behandelt und anschließend mit heißem Pfefferminztee und viel Zucker wieder zum Leben erweckt.
Die Schebecke selbst sah wüst aus, und sie ließ sich mit Bordmitteln auch nicht wieder aufriggen. Das konnte erst auf der Insel geschehen, die sie morgen anlaufen würden.
„Setzt das Segel!“ befahl der Sarazene einem Mann mit müdem, grauem Gesicht. „Und beginnt gleich damit, das Schiff zu lenzen.“
„Wo bleiben die Gefangenen Sidi?“
Der Kapitän überlegte einen Augenblick und fuhr mit der Hand durch seinen Kinnbart.
Ein anderer brachte ihm einen Becher kochend heißen Tee mit Rosenöl und Zucker, den er in kleinen Schlucken gierig schlürfte.
„Bringt sie nach achtern in die Kammer neben der meinen. Und stellt eine Wache mit gezogenem Schiffshauer davor auf.“
Das Lateinersegel wurde gesetzt, und ein Mann, der den Schiffszimmermann ersetzte, der vor ein paar Tagen erschlagen worden war, meldete sich beim Kapitän.
„Nur ein kleines Leck, Sidi, mehr nicht“, meldete er. „Wenn wir etwas Wasser abgepumpt haben, gelange ich besser heran. Nur an Deck können wir nicht arbeiten, wir haben keine Ersatzhölzer.“
„Allah hat uns verschont“, sagte der Sarazene, warf sich auf die Knie und stieß ein kurzes Gebet aus.
Nach dem Gebet schlürfte er weiter seinen Tee und blickte nachdenklich auf eine Spanierin mit nassen aufgelösten schwarzen Haaren und zerrissener Kleidung. Der Mann mit den Türkenhosen hob sie gerade auf und brachte sie nach achtern in die Gästekammer.
„Wir haben keinen einzigen Mann verloren“, sagte der Kapitän. „Die Ungläubigen hingegen sind fast alle ums Leben gekommen.“
„Ja, wir sind Allahs Söhne“, sagte der Gaffir, hütete sich aber zu bemerken, daß es von ihnen vermutlich auch keiner in dem engen Raum und dem vielen Wasser überlebt hätte.
Die Schebecke lag jetzt auf Ostkurs, und der Wind blies sie handig über das wieder ruhige Meer.
Der Sarazene ging nach unten und wechselte seine Kleider. Als er zurückkehrte, wirkte er bedrückt und ratlos. Mal blickte er über das Wasser, mal sah er Muhmad an.
Der Gaffir merkte, daß sein Herr und Meister etwas loswerden wollte, was ihn bedrückte, und er konnte sich auch schon denken, was es war, um was die Gedanken des Kapitäns kreisten. Aber er fragte nicht, er verhielt sich nur abwartend.
Nach einer Weile stampfte der Sarazene mit dem Fuß auf.
„Beim Scheitan!“ schrie er. „Diese Reise war umsonst, damit ihr das nur gleich wißt. Einen Anteil wird es nicht geben.“
„Wir haben noch fünf Gefangene, Sidi“, erinnerte Muhmad sanft.
„Fünf Gefangene! Pah, was ist das schon! Wir brauchen mindestens dreißig oder vierzig, lieber noch mehr. Ich kann nicht hingehen und die Bezahlung aus dem Versteck holen, wenn ich dafür keine Gegenleistung erbringe. Ich kann es auch vor meinem Gewissen nicht verantworten, Ali Rasul zu betrügen.“
„Er wird sicher von unserem Mißgeschick erfahren, Sidi. Aber das Gold oder die Perlen können wir wirklich nicht holen, wenn wir uns nicht seinen Zorn zuziehen wollen.“
Auch der Gaffir war bekümmert und starrte auf die Planken.
Nein, das konnten sie wirklich nicht, dachte er. Alis Rache würde sie alle furchtbar treffen. Ali konnte man nur einmal betrügen, dann nie mehr, denn nur der Kopf betrog, und den hatte man dann nicht mehr.
Auf den Gang zu den Felsen mußten sie also verzichten, und dabei war das jedesmal eine kleine feierliche Handlung, die nach einem ganz bestimmten Ritual ablief.
Nach der Landung auf der Insel wurden zunächst die Gefangenen in die Höhle gebracht und so ausreichend verpflegt, daß sie gut eine Woche lang von dem Proviant leben konnten. Dann schritten zwei Männer, meist der Sidi und Muhmad, zu den Felsen, wo sich das seltsame Zeichen im Gestein befand. Das Zeichen stellte einen Menschen mit einem Stierkopf dar, einen Minotaurus, ein Ungeheuer der griechischen Mythologie, den Minos, der König von Kreta, Sohn des Zeus und der Europa, im Labyrinth gefangenhielt.
Dieses Zeichen aber barg ein Geheimnis, und wer es kannte, der war in der Lage, den kleinen Felsblock zurückschwingen zu lassen. In dem dahinterliegenden Hohlraum lag die „Bezahlung“, meist Gold, Perlen oder silberne Piaster, wie Ali Abdel Rasul es für angemessen hielt.
Dieser Gang würde also jetzt entfallen, überlegte Muhmad, denn sie konnten das deponierte Gold nicht nehmen, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen.
Das tat ihm zwar in der Seele weh, ließ sich aber nicht ändern.
Er fand aber doch noch einen Ausweg, denn die Piaster ließen ihm keine Ruhe.
„Wenn wir nun fünfundvierzig durch fünf teilen“, meinte er listig, „dann steht uns doch der neunte Anteil zu, denn wir haben ja fünf Überlebende, Sidi. Und fünf mal neun ergeben fünfundvierzig. Das wird auch Ali Rasul einsehen.“
Der Sarazene blickte ebenfalls auf die Planken und rechnete. Natürlich gelangte er zu demselben Ergebnis, aber dann schüttelte er ablehnend den Kopf.
„Nein, das tun wir nicht. Wir verrechnen unsere nächste Ware und zählen fünf dazu. Ich weiß nicht, wie Ali reagieren wird, aber wir wollen seinen Zorn nicht beschwören. Er ist nicht nur ein geheimnisvoller, sondern ein einflußreicher und mächtiger Mann. Und solche Herren sind da ganz empfindlich.“
Das sah schließlich auch Muhmad ein, und so fügte er sich in Demut und gab keinen Widerspruch. Das Geld war ja nicht ganz verloren, wenn es natürlich auch schmerzte, so empfindliche Einbußen hinnehmen zu müssen.
Die Schebecke segelte weiter, lahm und angeschlagen, aber sie kam mit dem einen Mast dennoch ganz gut voran.