Czytaj książkę: «MIND»

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© 2017 Daniel J. Siegel

© 2017 der deutschen Ausgabe: Arbor Verlag GmbH, Freiburg

by arrangement with W.W. Norton & Company, Inc.

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel:

mind - A Journey to the Heart of Being Human

1. Auflage 2020

© 2017 by Mind Your Brain, Inc

Titelfoto: © 2017 Adam Birkett Photography | Unsplash.com

Alle Fotos ohne ausdrücklichen Quellenverweis von Daniel J. Siegel, © Mind Your Brain, Inc.

Lektorat: Klaus Kramer

Hergestellt von mediengenossen.de

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

Alle Rechte vorbehalten

E-Book 2020

www.arbor-verlag.de

ISBN E-Book: 978-3-86781-336-5

Wichtiger Hinweis:

Das Buch MIND möchte allgemeine Informationen zum Thema Gesundheit und Wohlbe-finden vermitteln. Es ist kein Ersatz für eine medizinische oder psychologische Behandlung und dient nicht zu Diagnosezwecken oder zur Behandlung von Krankheiten. Die Ratschläge zur Selbstbehandlung in diesem Buch sind von dem Autor sowie dem Verlag sorgfältig geprüft worden. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Bei ernsthafteren oder länger anhaltenden Beschwerden sollten Sie auf jeden Fall einen Arzt, Psychothera-peuten, Psychologen oder Heilpraktiker Ihres Vertrauens zu Rate ziehen. Eine Haftung des Autors oder des Verlages für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Für Caroline

Inhalt

1 Willkommen

2 Was ist der Geist?

3 Wie funktioniert der Geist im entspannten und im angespannten Zustand?

4 Ist die subjektive Realität des Geistes real?

5 Wer sind wir?

6 Wo ist der Geist?

7 Ein Warum des Geistes?

8 Wann ist der Geist?

9 Ein Kontinuum, das Bewusstsein, Kognition und Gemeinschaft verbindet?

10 Menschheit – engl. Humankind („Menschengütigkeit“): Können wir beides sein?

Danksagungen

Über den Autor

Literaturverzeichnis

Erweitertes Inhaltsverzeichnis

1 Willkommen

Die Neugier des Geistes auf sich selbst

Eine verbreitete Sichtweise: Der Geist ist das, was das Gehirn macht

Unsere Identität und der interne und relationale Ursprung des Geistes

Warum dieses Buch über den Geist?

Eine Einladung

Die Vorgehensweise unserer Reise

Reflektierende Worte über reflektierende Worte

2 Was ist der Geist?

An einer Arbeitsdefinition des Geistes arbeiten (1990–1995)

Das System des Geistes: Komplexe Systeme, Emergenz und Kausalität

Überlegungen und Einladungen: Selbstorganisation des Energie- und Informationsflusses

3 Wie funktioniert der Geist im entspannten und im angespannten Zustand?

Selbstorganisation, verloren und gefunden (1995–2000)

Differenzierung und Verknüpfung: Die Integration des gesunden Geistes

4 Ist die subjektive Realität des Geistes real?

Sich an eine Welt der Medizin anpassen, die ihren Geist verloren hat (1980–1985)

Mindsight in Gesundheit und Heilung

Überlegungen und Einladungen: Die zentrale Bedeutung der Subjektivität

5 Wer sind wir?

Die Erfahrungsschichten unterhalb der Identität erforschen (1975–1980)

Top-down und Bottom-up

Überlegungen und Einladungen: Identität, Selbst und Geist

6 Wo ist der Geist?

Könnte es eine Verbreitung des Geistes jenseits des Individuums geben? (1985–1990)

Neuroplastizität und kulturelle Systeme

Überlegungen und Einladungen: Innerhalb und dazwischen

7 Ein Warum des Geistes?

Bedeutung und Geist, Wissenschaft und Spiritualität (2000–2005)

Integration als „Sinn des Lebens“?

Überlegungen und Einladungen: Sinn und Zweck

8 Wann ist der Geist?

Die Präsenz im Geist und im Augenblick erforschen (2005–2010)

Einstimmung, Integration und Zeit

Überlegungen und Einladungen: Gewahrsein und Zeit

9 Ein Kontinuum, das Bewusstsein, Kognition und Gemeinschaft verbindet?

Das Bewusstsein integrieren, den Geist erleuchten (2010–2015)

Bewusstsein, Nicht-Bewusstsein und Präsenz

Überlegungen und Einladungen: Präsenz kultivieren

10 Menschheit – engl. Humankind („Menschengütigkeit“): Können wir beides sein?

Sein, Tun und den Geist integrieren (2015 - immerwährende Präsenz)

Überlegungen und Einladungen; MWe, ein integrierendes Selbst und eine Geistesart

Danksagungen

Über den Autor

Literaturverzeichnis

1

Willkommen


Hallo.

Eine einfache Kommunikation, die ich Ihnen anbiete.

Aber wer ist es, der weiß, dass ich Sie mit „hallo“ begrüßt habe?

Und wie wissen Sie es?

Und was heißt „wissen“ wirklich?

In diesem Buch werden wir die Natur des Wer, Wie, Was, Warum, Wo und Wann des Geistes, Ihres Geistes, Ihres Selbst beziehungsweise Ich, der Erfahrung, die Sie haben, die Ihnen sagt, dass ich Sie mit hallo begrüße, erforschen.

Manche verwenden den Begriff Geist, wenn Sie Intellekt und Logik meinen, das Denken und Schlussfolgern, Geist und Herz oder Geist und Emotion gegenüberstellen. Dies entspricht nicht der Art und Weise, wie ich den breitgefächerten Begriff Geist hier oder in anderen Schriften verwende. Mit Geist meine ich vielmehr alles, was sich auf unsere subjektiv empfundene Erfahrung bezieht, lebendig zu sein, von den Gefühlen bis zu den Gedanken, von den intellektuellen Ideen bis zu den inneren sensorischen Immersionen vor und unterhalb der Worte, zu unseren empfundenen Verbindungen mit anderen Menschen und unserem Planeten. Und Geist bezieht sich auch auf unser Bewusstsein, die Erfahrung, die wir haben, dieses Lebensgefühls gewahr zu sein, die Erfahrung, innerhalb des Gewahrseins zu wissen.

Der Geist ist die Essenz unserer grundlegenden Natur, unser tiefstes Gefühl, lebendig zu sein, hier, genau jetzt, in diesem Augenblick.

Doch jenseits des Bewusstseins und seines Wissens innerhalb des Gewahrseins unseres subjektiven Gefühls, lebendig zu sein, könnte Geist auch einen weiteren Prozess umfassen, nämlich einen, der uns miteinander und mit der Welt verbindet. Dieser bedeutende Prozess ist eine Facette des Geistes, die schwer zu messen sein dürfte, die aber nichtsdestoweniger einen zentralen Aspekt unseres Lebens darstellt, das wir auf der bevorstehenden Reise tiefgründig erforschen werden.

Obgleich wir diese Facetten unseres Geistes im Kern unserer Erfahrung, hier in diesem Leben zu sein, nicht zahlenmäßig quantifizieren dürften, sind dieses im Inneren gefühlte subjektive Phänomen und die Arten und Weisen, wie wir unsere Verbindungen untereinander und mit der Welt empfinden, subjektive Phänomene, die real sind. Manche nennen dies unsere Essenz, unser Wesen. Manche bezeichnen es als unseren Kern, unsere Seele, unseren Geist oder unsere wahre Natur.

Ich nenne dies einfach Geist.

Ist Geist lediglich ein Synonym für Subjektivität – das Wahrnehmen unserer Emotionen und Gedanken, Erinnerungen und Träume, der inneren Wahrnehmung und des Vernetzseins? Wenn Geist auch unsere Art und Weise einschließt, des inneren Gefühls gewahr zu sein, von Augenblick zu Augenblick zu leben, würde Geist zudem die Erfahrung namens Bewusstsein umfassen, unsere Art und Weise, des Wissens gewahr zu sein, was diese Aspekte unseres subjektiven Lebens sind, wenn sie sich entfalten. Daher ist Geist zumindest ein Begriff, der Bewusstsein und die Modalität einschließt, in der wir unserer gefühlten Erfahrung, unseres subjektiven Lebens gewahr werden.

Aber etwas geschieht auch unterhalb des Gewahrseins, das etwas umfasst, was wir für gewöhnlich desgleichen als Geist bezeichnen. Dies sind unsere nicht-bewussten mentalen Prozesse, wie etwa unsere Gedanken, Erinnerungen, Emotionen, Glaubensinhalte, Hoffnungen, Träume, Sehnsüchte, Einstellungen und Absichten. Manchmal sind wir uns deren gewahr, manchmal auch nicht. Obgleich wir uns dieser zeitweilig nicht gewahr sind, vielleicht sogar die meiste Zeit über, sind diese mentalen Aktivitäten, die unbewusst geschehen, real und beeinflussen unsere Verhaltensweisen. Diese Aktivitäten können als ein Teil unseres Denkens und Schlussfolgerns betrachtet werden, als ein Prozess, der es ermöglicht, dass „Informationen“ fließen und sich transformieren. Und ohne Gewahrsein könnte es sein, dass diese Informationsflüsse keine subjektiven Gefühle erwecken, insofern sie kein Teil der bewussten Erfahrung sind. So können wir sehen, dass jenseits von Bewusstsein und seines Gewahrseins subjektiver Erfahrung der Begriff Geist auch den fundamentalen Prozess subjektiver Informationsverarbeitung umfasst, der nicht von unserem Gewahrsein abhängt.

Doch was bedeutet der Geist als Verarbeiter von Informationen wirklich? Was sind Informationen? Wenn Informationen steuern, wie wir Entscheidungen treffen und Verhaltensweisen auslösen, wie befähigt uns der Geist dazu, ob bewusst oder nicht, willentliche Entscheidungen über das, was zu tun ist, zu treffen? Verfügen wir über einen freien Willen? Wenn der Begriff Geist Aspekte von Subjektivität, Bewusstsein und Informationsverarbeitung umfasst, inklusive seiner problemlösenden und verhaltensmäßigen Kontrolle, was macht die Essenz dessen aus, was Geist ist? Was ist dieses „Geist-Zeug“, das ein Teil dieses Spektrums mentaler Prozesse ist, von dem empfundenen Gefühl bis zur ausführenden Kontrolle?

Angesichts dieser bekannten Beschreibungen des Geistes, die Bewusstsein, subjektive Erfahrung und Informationsverarbeitung sowie die Art und Weise umfassen, wie sie sich so manifestieren, dass sie einem vertraut sind, einschließlich Gedächtnis und Wahrnehmung, Gedanken und Emotionen, Schlussfolgerungen und Glaubensinhalte, das Fällen von Entscheidungen und das Verhalten – was können wir über das sagen, was diese wohlbekannten mentalen Aktivitäten zusammenbindet? Wenn Geist die Quelle von allem ist, von Sinneseindrücken und Gefühlen bis zu Gedanken und dem Auslösen von Aktionen, warum werden all diese unter dem Begriff Geist subsumiert? Was können wir über das Wesen des Geistes sagen?

Geist als ein Begriff und Geist als eine Einheit oder ein Prozess kann als ein Substantiv oder als ein Verb angesehen werden. Als ein Substantiv hat Geist die Bedeutung eines Objektseins, von etwas Stabilem, von etwas, das Sie in Ihren Händen halten könnten, etwas, das Sie besitzen. Sie haben einen Geist und er ist Ihr Geist. Aber was hat es mit diesem substantivhaften Geist tatsächlich auf sich? Als ein Verb ist Geist ein dynamischer, ständig stattfindender Prozess. Geist ist voller Aktivität, entfaltet sich mit unaufhörlichem Wandel. Und wenn der verbhafte Geist tatsächlich ein Prozess ist, was ist diese „dynamische Sache“, diese Aktivität Ihres mentalen Lebens? Was hat es wirklich mit diesem Geist, ob im Sinn eines Verbs oder Substantivs, auf sich?

Manchmal hören wir von einer Beschreibung des Geistes als eines „Informationsverarbeiters“ (Gazzaniga, 2004). Dies deutet im Allgemeinen auf die Art und Weise hin, in der wir Vorstellungen von Ideen oder Dingen haben und sie dann transformieren, Ereignisse erinnern, indem wir sie verschlüsseln, abspeichern und die Erinnerung abrufen und von der Wahrnehmung zur Überlegung und zum Handeln übergehen. Jede dieser Formen von Geistesaktivität ist Teil der Informationsverarbeitung des Geistes. Was mich in meiner Eigenschaft als Wissenschaftler, Lehrer und Arzt fasziniert hat, mich mit dem Geist über fünfunddreißig Jahre zu beschäftigen, ist die Tatsache, dass diese Beschreibungen des Geistes zwar stark verbreitet sind, aber eine Definition dessen, was der Geist tatsächlich ist – eine klare Sicht der Natur des Geistes jenseits der Auflistungen seiner Funktionen –, von einem breiten Spektrum an Fachgebieten, die sich mit dem Geist befassen, von der klinischen Praxis und Lehre bis zur wissenschaftlichen Forschung und Philosophie, fehlt.

Als Fachmann für mentale Gesundheit (Psychiater und Psychotherapeut) habe ich mich gefragt, wie dieser Mangel einer Arbeitsdefinition für das, was der Geist tatsächlich ist, unsere Effektivität als Kliniker begrenzt. Mit einer Arbeitsdefinition könnten wir arbeiten und diese im Bedarfsfall im Abgleich mit Daten und unseren persönlichen Erfahrungen anpassend verändern. Eine Definition würde bedeuten, dass wir klar angeben könnten, was die Essenz des Geistes bedeutet. Wir hören das Wort Geist so oft, bemerken aber meist nicht, dass wir dazu keine klare Definition haben. Ohne eine klare Arbeitsdefinition von Geist in der Fachwelt der Wissenschaft, der Lehre und der Medizin und auch ohne eine Definition innerhalb des persönlichen und familiären Lebens zu haben, fehlt – zumindest in meinem eigenen Geist – etwas im Hinblick auf unser Verständnis und unser Gespräch über den Geist.

Mit bloßen Beschreibungen allein und ohne wenigstens den Entwurf einer Arbeitsdefinition von Geist, wie könnten wir da definieren, was einen gesunden Geist ausmacht?

Lassen Sie uns sehen, wohin uns das führt, wenn wir auf der Ebene der Beschreibung bleiben und Geist als Produkt aus Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen, Bewusstsein und subjektiver Erfahrung betrachten. Wenn Sie beispielsweise einen Augenblick lang über Ihre Gedanken reflektieren, was macht Ihr Denken dann wirklich aus? Was ist ein Gedanke? Sie könnten sagen: „Nun, Dan, ich weiß, dass ich denke, wenn ich Worte in meinem Kopf wahrnehme.“ Und ich könnte Sie dann fragen, was es heißt, zu sagen, „Ich weiß“ und „Worte wahrzunehmen“. Wenn dies Prozesse sind, ein dynamischer, verb-ähnlicher Aspekt der Informationsverarbeitung, was wird dann dabei verarbeitet? Sie könnten sagen: „Nun, wir wissen, dass es sich einfach um eine Gehirnaktivität handelt.“ Und Sie könnten überrascht sein herauszufinden, dass niemand weiß, ob diese Sichtweise des Gehirnes wahr ist und wie das subjektive Gefühl Ihres eigenen Denkens aus den Neuronen in Ihrem Kopf hervorgeht. Prozesse, die so vertraut und grundlegend wie unsere Gedanken und unser Denken sind, ermangeln immer noch eines klaren Verständnisses unsererseits, genauer gesagt – unseres Geistes.

Wenn wir den Geist als einen verb-ähnlichen, sich entfaltenden, emergierenden Prozess betrachten, der kein oder zumindest nicht nur ein substantivähnliches Ding ist, eine statische, fixe Einheit, kommen wir vielleicht dem Verständnis dessen, was Ihre Gedanken sein könnten und was Geist selbst sein könnte, näher. Dies ist das, was wir mit der Beschreibung des Geistes als einem Verarbeiter von Informationen, einem verb-ähnlichen Prozess meinen. Aber in beiden Fällen, sowohl beim substantivhaften Geist, der auf den Verarbeiter deutet, oder auch beim verbhaften Geist, der die Verarbeitung anzeigt, befinden wir uns im Dunkeln im Hinblick auf das, was die Informationstransformation umfasst. Wenn wir eine Definition des Geistes jenseits dieser häufig gebrauchten, wichtigen und genauen deskriptiven Elemente anbieten könnten, wären wir vielleicht in einer besseren Position, nicht nur klarzustellen, was der Geist ist, sondern auch klarzustellen, was mentales Wohlbefinden sein könnte.

Dies waren die Fragen, die meinen Geist über diese vergangenen vier Jahrzehnte beschäftigt haben. Ich habe sie gespürt, sie haben mein Bewusstsein erfüllt, sie haben meine nicht-bewusste Informationsverarbeitung in Träumen und Zeichen beeinflusst, und sie haben sogar die Art und Weise geprägt, wie ich mich auf andere beziehe. Meine Freunde und Familie, meine Lehrer und Schüler, meine Kollegen und Patienten – alle wissen aus eigener Erfahrung, wie besessen ich von diesen grundlegenden den Geist und die mentale Gesundheit betreffenden Fragen war. Und nun sind Sie es auch. Doch wie sie alle, werden auch Sie vielleicht herausfinden, dass es nicht nur ein an sich faszinierender Prozess ist, diese Fragen zu beantworten zu versuchen, sondern auch wertvolle Perspektiven eröffnet, die uns neue Wege aufzeigen, gut zu leben und einen stärkeren, belastbareren Geist zu schaffen.

Dieses Buch versteht sich vor allem als eine Reise, um zu einer Definition des Geistes jenseits der üblichen Beschreibungen zu gelangen. Und sobald wir das können, befinden wir uns in einer stärkeren Position, um die wissenschaftliche Grundlage dafür zu erkennen, wie wir einen gesunden Geist viel effektiver heranbilden könnten.

Die Neugier des Geistes auf sich selbst

Das Interesse am Geist hat die Menschen beschäftigt, seitdem wir die Geschichte unserer Gedanken aufgezeichnet haben. Wenn auch Sie neugierig darauf sind, was der Geist sein könnte, sind Sie nicht allein. Seit Tausenden von Jahren haben Philosophen und religiöse Anführer, Dichter und Geschichtenerzähler um Beschreibungen unseres mentalen Lebens gerungen. Der Geist scheint ziemlich neugierig auf sich selbst zu sein. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass wir sogar unsere eigene Spezies homo sapiens sapiens genannt haben: Jene, die wissen und wissen, dass wir wissen.

Doch was wissen wir eigentlich? Und wie wissen wir es? Wir können unser subjektives mentales Leben durch Nachdenken und kontemplative Praktiken erforschen, und wir können wissenschaftliche Studien betreiben, um die Natur des Geistes selbst zu erforschen. Aber was können wir wahrhaft über den Geist wissen, indem wir unseren Geist gebrauchen?

In den vorangegangenen Jahrhunderten hat das empirische Studium der Natur der Wirklichkeit, unsere menschliche mentale Aktivität namens Wissenschaft, den Versuch unternommen, die Charakteristika des Geistes systematisch zu studieren (Mesquita, Barrett & Smith, 2010; Erneling & Johnson, 2005). Doch wie wir sehen werden, haben nicht einmal die verschiedenen an der Natur des Geistes interessierten wissenschaftlichen Disziplinen eine nützliche Definition dessen aufgestellt, was der Geist ist. Es gibt zahlreiche Beschreibungen der mentalen Aktivitäten, einschließlich Emotion, Gedächtnis und Wahrnehmung, aber keine Definitionen. Merkwürdig, könnten Sie denken, aber wahr. Sie könnten sich fragen, warum der Begriff Geist überhaupt verwendet wird, wenn er nicht definiert ist. Als ein wichtiger akademischer „Platzhalter für das Unbekannte“ ist das Wort Geist ein Referenzbegriff ohne Definition. Und manche sagen, dass der Geist überhaupt nicht definiert werden sollte, wie mir einige Philosophie- und Psychologiekollegen persönlich mitteilten, da dies unser „Verständnis begrenzen“ würde, sobald wir Worte gebrauchen, um eine Definition zu umreißen. So wird Geist im Akademischen erstaunlicherweise in wunderbaren Details studiert und diskutiert, jedoch nicht definiert.

In den praktischen Bereichen, die die Entwicklung des Geistes unterstützen, wie Bildung und mentale Gesundheit, wird der Geist selten definiert. In Workshops der vergangenen 15 Jahre habe ich wiederholt Fachkräfte für mentale Gesundheit oder Lehrer danach gefragt, ob ihnen jemals eine Definition des Geistes angeboten worden sei. Die Ergebnisse sind ziemlich alarmierend und erstaunlicherweise übereinstimmend. Von über 100.000 Psychotherapeuten aller Richtungen auf der ganzen Welt wurden nur 2 bis 5 Prozent eine Vorlesung darüber angeboten, was der Geist ist. Nicht nur haben 95 Prozent der Fachkräfte im Bereich mentaler Gesundheit keine Definition des Mentalen, sie haben auch keine Definition von Gesundheit. Dem gleichen kleinen Prozentsatz von über 19.000 Lehrern, die ich befragt habe, Lehrer vom Kindergarten bis zur 12. Klasse, wurde eine Definition des Geistes angeboten.

Warum sollte man also versuchen, etwas zu definieren, das derart exklusiv in so vielen Bereichen zu sein scheint? Warum sollte man etwas in Worte fassen, das einfach jenseits der Worte, jenseits einer Definition liegt? Warum sollten wir nicht bei einem Platzhalter für das Unbekannte bleiben, der das Geheimnis umfasst? Warum sollten wir unser Verständnis mit Worten begrenzen?

Hier mein Vorschlag für Sie, warum der Versuch wichtig sein könnte, den Geist zu definieren.

Wenn wir eine spezifische Antwort auf die Frage, was die Essenz des Geistes ist, anbieten könnten, eine Definition des Geistes liefern könnten, die uns jenseits der Beschreibungen seiner Charakteristika wie beispielsweise Bewusstsein, Denken und Emotion führt, könnten wir in der Lage sein, die Entwicklung eines gesunden Geistes in unserem Leben produktiver zu unterstützen, genauso wie wir mentale Gesundheit in Familien und Schulen, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft im Allgemeinen kultivieren könnten. Wenn wir eine nützliche Arbeitsdefinition von Geist finden könnten, wären wir in der Lage, die Kernelemente eines gesunden Geistes zu beleuchten. Und wenn wir dies tun könnten, wären wir vielleicht besser in der Lage, die Art und Weise zu unterstützen, in der wir unsere menschlichen Aktivitäten durchführen, nicht nur in unserem persönlichen Leben, sondern auch untereinander und in unserer Lebensweise auf diesem Planeten, den wir mit allen anderen Lebewesen teilen.

Andere Tiere verfügen auch über Geist, mit Gefühlen und Informationsverarbeitung wie beispielsweise Wahrnehmung und Gedächtnis. Aber unser menschlicher Geist hat unseren Planeten bis zu einem Grad geformt, dass wir nun dazu gekommen sind – ja wir, die wir mit der Sprache Dinge benennen können –, diese Epoche als das „menschliche Zeitalter“ zu bezeichnen (Ackermann, 2014). Den Geist in diesem neuen planetarischen Zeitalter letzten Endes zu definieren, könnte uns dazu befähigen, eine konstruktivere und kollaborativere Art und Weise des Zusammenlebens zu finden, mit anderen Menschen und allen Lebewesen auf diesem gefährdeten und kostbaren Planeten.

Den Geist zu definieren könnte dergestalt vom Persönlichen bis zum Planetarischen eine wichtige Angelegenheit sein.

Der Geist ist die Quelle unserer Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen und Veränderungen vorzunehmen. Um die Richtung des globalen Zustandes unseres Planeten zu ändern, werden wir unseren menschlichen Geist verändern müssen. Auf einer persönlicheren Ebene, wenn es erworbene Störungen in unserer Gehirnfunktion gibt, aufgrund von Erfahrungen oder der Gene, könnte uns das Wissen darüber, was der Geist ist, dazu in die Lage versetzen, das Gehirn effektiver zu verändern, so wie viele Studien nun zeigen, dass der Geist das Gehirn in einer positiven Art und Weise zu verändern vermag. Das ist wahr: Ihr Geist kann Ihr Gehirn verändern. Und so kann der Geist unsere grundlegende Physiologie und unsere breiteste Ökologie beeinflussen. Wie kann Ihr Geist das tun? Dies ist das, was wir in diesem Buch erforschen werden.

Eine genaue Definition des Geistes zu finden ist mehr als eine bloße akademische Übung; den Geist zu definieren, könnte jeden von uns dazu befähigen, mehr Gesundheit in unserem individuellen, aber auch in unserem kollektiven Leben zu schaffen, so dass wir hoffentlich mehr Wohlbefinden in unsere Welt bringen können. Um sich diesen drängenden Problemen zu nähern, wird dieses Buch die einfache, aber herausfordernde Frage, was der Geist ist, anzugehen versuchen.

Eine verbreitete Sichtweise: Der Geist ist das, was das Gehirn macht

Eine von vielen zeitgenössischen Wissenschaftlern verschiedenster akademischer Disziplinen, wie beispielsweise Biologie, Psychologie und Medizin, verbreitete Sichtweise lautet, dass der Geist lediglich das Ergebnis der Aktivität der Neuronen im Gehirn sei. Dieser häufig bekundete Glaube ist tatsächlich nicht neu, da er über Hunderte und sogar Tausende von Jahren hochgehalten wurde. Diese in akademischen Kreisen so oft vertretene Sichtweise wird konkret folgendermaßen ausgedrückt: „Der Geist ist das, was das Gehirn macht.“

Wenn so viele angesehene und umsichtige Akademiker dieser Ansicht sind und sie mit fester Überzeugung vorbringen, wäre es nur natürlich, zu denken, dass diese Idee vielleicht die einfache und ganze Wahrheit sei. Wenn das in der Tat der Fall wäre, dann wäre Ihre innere, subjektive mentale Erfahrung meines „Hallos“ an Sie einfach das Feuern der Gehirnneuronen. Wie das geschehen kann – vom Feuern der Neuronen zur subjektiven Erfahrung innerhalb des Wissens zu gelangen –, versteht keiner auf dem Planeten. Aber die Vermutung innerhalb der akademischen Diskussionen ist, dass wir eines Tages herausfinden werden, wie die Sache zum Geist wird. Wir wissen es jetzt nur noch nicht.

So vieles deutet in der Wissenschaft und Medizin – wie ich auf der medizinischen Hochschule und in meiner Forschungsausbildung gelernt habe – auf die zentrale Rolle des Gehirnes bei der Formung unserer Erfahrung von Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen hin, was man sonst häufig als die Inhalte – oder Aktivitäten – des Geistes bezeichnet. Der Zustand des Gewahrseins, die Erfahrung des Bewusstseins selbst, wird von vielen Wissenschaftlern als ein Nebenprodukt neuronaler Verarbeitung betrachtet. Wenn sich daher herausstellt, dass „Geist = Gehirnaktivität“ die einfache und ganze Gleichung für den Ursprung des Geistes ist, dann könnten die wissenschaftliche Forschung nach der neuronalen Grundlage des Geistes, nach der Art und Weise, wie das Gehirn unsere Gefühle und Gedanken entstehen lässt, und das, was man die „neuronalen Korrelate des Bewusstseins“ nennt, lange und mühsame Bestrebungen sein, die sich aber auf der richtigen Spur befinden.

William James, ein Mediziner, den viele als Vater der modernen Psychologie ansehen, stellte in seinem 1890 veröffentlichten Lehrbuch The Principles of Psychology [dt. „Die Prinzipien der Psychologie“, A.d.Ü.] Folgendes fest: „Die Tatsache, dass das Gehirn die unmittelbare körperliche Voraussetzung für mentale Operationen ist, ist in der Tat heute derart allgemein anerkannt, dass ich keine weitere Zeit damit zubringen muss, sie zu erläutern, ich werde es einfach behaupten und fortfahren. Der ganze Rest des Buches wird mehr oder weniger ein Beleg dafür sein, dass das Postulat richtig ist“ (S. 2). Natürlich betrachtete James das Gehirn als zentral für das Verständnis des Geistes.

James stellte auch fest, dass die Introspektion eine „schwierige und fehlbare“ Informationsquelle über den Geist ist (S. 131). Diese Sicht, nebst der Schwierigkeit, vor der sich Wissenschaftler beim Quantifizieren subjektiver mentaler Erfahrungen gestellt sahen – (ein wichtiges Messverfahren, dessen sich viele Wissenschaftler bedienen, um wesentliche statistische Analysen vorzunehmen) –, machten das Studium neuronaler Prozesse und von außen sichtbarer Verhaltensweisen viel ansprechender und nützlicher, als sich die akademischen Disziplinen Psychologie und Psychiatrie entwickelten.

Doch ist das „Zeug in Ihrem Kopf“, das Gehirn, wirklich die einzige Quelle des Geistes? Was ist mit dem Körper als Ganzem? James erklärte daher, dass „körperliche Erfahrungen, und insbesondere Erfahrungen des Gehirnes, unter jenen Bedingungen des mentalen Lebens stattfinden müssen, welche die Psychologie in Betracht ziehen muss“ (S. 9). James wusste, wie auch die Physiologen seiner Zeit, dass das Gehirn in einem Körper lebt. Um dies zu betonen, verwende ich manchmal den Begriff „verkörpertes Gehirn“, was meine jugendliche Tochter mir mit Nachdruck als lächerliche Aussage vorhält. Warum? Ihre Antwort darauf lautete: „Papa, hast du jemals ein Gehirn gesehen, das nicht in einem Körper lebt?“ Meine Tochter hat eine wunderbare Art und Weise, mich über alle möglichen Dinge zum Nachdenken zu bringen, die ich ansonsten nicht berücksichtigen würde. Obgleich sie natürlich Recht hat, vergessen wir in der heutigen Zeit oftmals, dass das Gehirn im Kopf nicht nur ein Teil des Nervensystems, sondern des ganzen Körpersystems ist. James sagte: „Der mentale Zustand verändert sich auch aufgrund der Durchlässigkeit (sic) der Blutgefäße oder der Veränderung des Herzschlags oder noch subtilerer Vorgänge, in den Drüsen und inneren Organen. Wenn man diese in Betracht zieht, und zwar genauso als Ereignisse, die viel später erfolgen, da der mentale Zustand dem vorausging, kann mit Sicherheit die allgemeine Regel aufgestellt werden, dass niemals eine mentale Veränderung stattfindet, die nicht von einer körperlichen Veränderung begleitet wird oder der eine solche nachfolgt“ (S. 3).

Hier können wir sehen, dass James wusste, dass der Geist nicht bloß im Schädel saß, sondern im ganzen Körper. Nichtsdestoweniger akzentuierte er die körperlichen, mit dem Geist verbundenen Zustände oder jene, die dem Geist folgen, die aber keine mentalen Aktivitäten verursachen oder erschaffen. Das Gehirn wurde von alters her als Quelle des mentalen Lebens betrachtet. Geist ist in akademischen Kreisen ein Synonym für Gehirnaktivität – Ereignisse im Kopf und nicht im ganzen Körper. Um ein erläuterndes, aber verbreitetes Beispiel anzuführen – ein moderner psychologischer Text bietet folgende Sichtweise als komplette Begriffserklärung von Geist an: „Das Gehirn und seine Aktivitäten, einschließlich der Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen“ (Cacioppo & Freberg, 2013).

Diese Sichtweisen des Geistes als vom Gehirn herrührend sind mindestens 2500 Jahre alt. Wie der Neurowissenschaftler Michael Graziano darlegt: „Der erste wissenschaftliche bekannte Beitrag, der das Bewusstsein mit dem Gehirn in Verbindung setzt, geht auf Hippokrates im fünften Jahrhundert v. Chr. zurück… Er erkannte, dass Geist etwas vom Gehirn Geschaffenes ist und dass es Stück für Stück mit dem Gehirn stirbt.“ Er zitiert sodann Hippokrates Über die heilige Krankheit [Gemeint war damit die Epilepsie, A.d.Ü.]: „‚Menschen sollten wissen, dass vom Gehirn, und nur vom Gehirn, unsere Vergnügungen, Freuden, Lachen und Scherzen, aber auch unsere Traurigkeit, Schmerzen, Leid und Tränen ausgehen‘… Die Bedeutung von Hippokrates‘ Einsicht, dass das Gehirn die Quelle des Geistes ist, kann nicht überbewertet werden.“ (Graziano, 2014, S. 4).

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