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Zyklischer Wandel

Im Buch Ecclesiastes schrieb König Salomo: »Windhauch, Windhauch, das alles ist Windhauch.« Jahrhunderte später formulierte der griechische Philosoph Heraklit die Vergänglichkeit allen Seins als »Panta rhei« – alles fließt – und in der Schriftensammlung Daodejing schrieb der chinesische Philosoph Laotse: »Das einzig Beständige ist der Wandel.«

So ist es. Das Einzige, was sich nie ändert, ist, dass sich alles immerzu verändert. Die einzige Konstante in unserem Leben ist, dass alles ständig in Bewegung ist. Ein ziemlich beunruhigender Gedanke, oder? Ist unser Streben nach Sicherheit nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt, wenn sich doch alles permanent verändert?

Nein, ganz und gar nicht, denn gerade in der Beständigkeit des Wandels liegt der Schlüssel, ihn vorwegzunehmen. Im Wandel zeichnen sich bestimmte Muster ab, die erkennen lassen, dass sich manche Dinge mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks verändern.

Es gibt zwei Arten des Wandels, die ein hohes Maß an Sicherheit bieten. Die erste ist der zyklische Wandel.

Der zyklische Wandel zeichnet sich durch relativ viele sichere Fakten aus. Während ich diese Zeilen schreibe, ist in der nördlichen Hemisphäre der Welt Herbst. Ich kann also problemlos vorhersagen, dass in etwa sechs Monaten Frühling sein wird. Die Natur bietet uns unzählige Beispiele des zyklischen Wandels, zu denen unter anderem der Wechsel der Jahreszeiten und der jeweiligen klimatischen Bedingungen, der Wachstumszyklus der Pflanzen, zyklische Herdenwanderungen der Tiere, Ebbe und Flut und so weiter gehören. Das Wissen um diese zyklischen Muster war entscheidend für die Entwicklung der ersten Zivilisationen der Menschheit. Die Geschichte der Zivilisation ist untrennbar mit der Beobachtung und Erforschung zyklischer Veränderungen verbunden, die sich die Menschheit zunutze machte, um ihre Überlebenschancen zu verbessern.

Auch die ökonomischen und politischen Verhältnisse verändern sich zyklisch. Fetten Jahren folgen magere Zeiten, den Expansionsbestrebungen folgen Defensivstrategien. Shakespeare schrieb: »Es gibt Gezeiten für der Menschen Treiben; nimmt man die Flut wahr, führt sie uns zum Glück.« Kein Bereich unseres Lebens ist davon ausgeschlossen. Preise und Zinsen steigen und fallen. Einmal verfügen die Demokraten über die Mehrheit im Kongress, das andere Mal die Republikaner. Dem Ruf nach mehr Sicherheit, straffer Führung und staatlicher Regulierung folgt der Ruf nach weniger Einmischung und mehr Liberalisierung. Die gesellschaftlichen Normen werden abwechselnd großzügiger und restriktiver. Das Pendel schwingt bis zum Anschlag mal in die eine, dann wieder in die andere Richtung.

Unser politisches, wirtschaftliches, gesellschaftliches und privates Treiben ist Gezeiten unterworfen, die uns abwechselnd Ebbe und Flut bescheren. Der Puls der Zeit ist der Herzschlag unserer Gesellschaft, in dessen Takt wir uns für Neues öffnen und vor ihm verschließen, sich Stimmungen verbreiten und wieder abebben, sich progressive Weltoffenheit und konservativer Protektionismus abwechseln. Diese zyklischen Trends oder »Stimmungsschwankungen« spiegeln sich in der Mode, der Innenpolitik und in den internationalen und persönlichen Beziehungen wider. Uns sind mehr als 300 konkret unterscheidbare zyklische Prozesse bekannt, die bis zu einem bestimmen Grad präzise Zukunftsprognosen ermöglichen.

Beispiele zyklischer Prozesse

Aussaat und Ernte

Geburt und Tod

Tag und Nacht

Die Gezeiten und Mondphasen

Die Jahreszeiten

Die Migrationszyklen in der Tierwelt

Aktienkurse

Wirtschaftlicher Auf- und Abschwung

Konjunkturen und Flauten in der Bau- und Immobilienbranche

Saisonale Umsatzverläufe

Steigende und fallende Zinsen

Die aufmerksame Beobachtung zyklischer Schwankungen ist eines der Erfolgsgeheimnisse des schwerreichen Investors Warren Buffett. Er ist ein wahrer Meister darin, »die Gezeiten für der Menschen Treiben« wahrzunehmen. Seine oft zitierte Investment-Philosophie – »Sei gierig, wenn andere ängstlich sind, sei ängstlich, wenn andere gierig sind« – haben wir in der Einleitung als treffende Beschreibung für den Impuls der Richtungsumkehr erwähnt, doch genauso treffend beschreibt sie das Prinzip des zyklischen Wandels. Buffets simples Motto veranschaulicht den Wert sicherer Fakten für Zukunftsprognosen. Was lässt sich mit Sicherheit vorhersagen, wenn der Markt schrumpft oder expandiert? Dass zwangsläufig schon bald der Impuls in die Gegenrichtung erfolgt.

2008 wurde die US-amerikanische Wirtschaft von der größten Finanzkrise seit der Großen Depression in den 1930er Jahren erschüttert. Warum konnte es in unserer durchorganisierten, postmodernen Welt überhaupt noch zu einer derartigen Krise kommen? Weil wir die Gesetzmäßigkeiten des zyklischen Wandels hartnäckig ignorierten. Hatten wir wirklich geglaubt, der Immobilienmarkt wachse einfach immer weiter? Hatten wir ernsthaft mit einer kontinuierlichen Steigerung – oder wie in manchen Fällen gar mit einer jährlichen Verdopplung – der Immobilienwerte gerechnet? Nach unserem Verhalten zu urteilen, scheinen wir genau darauf spekuliert zu haben.

Es war uns natürlich klar, dass es nicht ewig so weitergehen konnte. Kein Mensch glaubt ernsthaft an eine permanente Wertsteigerung. Jedes Schulkind weiß, dass alles, was ansteigt, garantiert auch wieder fällt. Wir haben uns einfach von der allgemeinen Begeisterung, vom Rausch der großen Gewinne mitreißen und blenden lassen. Wir haben uns der trügerischen Hoffnung hingegeben, dass der Markt immer weiter wächst und der Wendepunkt, an dem er sich mit schöner Regelmäßigkeit zyklisch selbst korrigiert, ausnahmsweise nicht erreicht wird. Wir ignorierten, was wir wussten, und ließen uns von dem in die Irre führen, was wir nicht wussten. Wir haben glatt vergessen, von sicheren Fakten auszugehen.

Vielleicht stimmen Sie mir im Prinzip zu, denken sich aber: Kein Mensch konnte mit Sicherheit vorhersehen, wann der Wendepunkt erreicht wäre und die Werte ins Bodenlose stürzen würden.

Doch es war vorhersehbar. 2005 wies Robert J. Shiller, Professor der Wirtschaftswissenschaften an der Yale Universität und Autor der Bücher Irrational Exuberance und The Subprime Solution in einem Radiointerview darauf hin, dass die US-amerikanischen Immobilienpreise jeglichen Bezug zur ökonomischen Realität verloren hätten. Er bezeichnete den Immobilienmarkt als »Blase«, die früher oder später hundertprozentig platzen würde. Dies sei, so betonte Shiller, nur eine Frage der Zeit.

Auch ohne Studium der Wirtschaftswissenschaften hätte man die Zeichen richtig deuten können – wenn man es gewollt hätte. Was die Blase letzten Endes zum Platzen brachte, war die große Masse an Subprime-Hypotheken mit flexibler Verzinsung (sogenannte »Adjustable-Rate Mortgages«, ARMs), für die anfänglich ein niedriger Lockvogelzinssatz galt, der nach fünf bis sieben Jahren drastisch angehoben wurde. Der Immobilienboom begann im Jahr 2000 und zwischen 2002 und 2003 wurde ein sprunghaftes Wachstum verzeichnet. Wenn wir nun von den Jahren 2002 – 2003 als Startzeitraum ausgehen und fünf Jahre hinzuaddieren, sind wir in den Jahren 2007 – 2008 angelangt – in denen der Finanzmarkt in sich zusammenbrach. Die amerikanischen Hauseigentümer konnten aufgrund der gestiegenen Zinssätze ihre Kredite nicht mehr bedienen und sahen sich gezwungen, ihre Häuser zu verkaufen, doch zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Immobilienpreise bereits im freien Fall. Zahlreiche ARMs mit siebenjähriger Zinsfestschreibung sollten in den Jahren 2009 – 2010 an den Markt gekoppelt werden, was eine wahre Flut an Zwangsvollstreckungen auslöste. Für eine so komplexe und weltumspannende Krise waren natürlich noch viele weitere Faktoren verantwortlich, was jedoch nichts daran ändert, dass sich an ihr die Vorhersehbarkeit zyklischer Veränderungen veranschaulichen lässt.

Die Wahrheit ist: Die meisten Leute sahen die Krise kommen, hofften aber wider besseren Wissens, dass sie nicht eintritt. Eine Zukunftsstrategie lässt sich jedoch nicht auf Hoffnung, sondern nur auf Gewissheit gründen.

Dieselbe sträfliche Ignoranz führte dazu, dass zwischen 1998 und 2000 die Dotcom-Blase platzte. Im März 2000, dem Monat, in dem das NASDAQ-Börsenbarometer seinen Scheitelpunkt erreichte, machten sich einige erfahrene Börsianer Waren Buffetts Motto zu eigen und zogen sicherheitshalber ihr Kapital aus dem Technologiemarkt ab. Und während die große Mehrheit bei dem Börsencrash im Herbst 2008 Panikverkäufe tätigte, um ihre implodierenden Aktienportfolios schnellstmöglich loszuwerden, gab es ebenfalls einige erfahrene Investoren, die still und heimlich die am schwersten getroffenen Kapitalwerte aufkauften. Warum? Weil sie aus Erfahrung wussten, dass der zyklische Wandel unaufhaltsam voranschreitet. Und das ist keine Spekulation, sondern eine sichere Tatsache.

Linearer Wandel

Die Gesetzmäßigkeiten des zyklischen Wandels zu verstehen, ist für korrekte Zukunftsprognosen wichtig und hilfreich, aber damit ist es noch nicht getan. Um sich von Zukunftsflashs die Augen öffnen zu lassen, brauchen Sie einen absolut sicheren Ausgangspunkt, den Sie sich nur verschaffen können, wenn Sie ein anders geartetes Muster des Wandels verstehen. Dieses Muster ist azyklisch und progressiv, das heißt, es verläuft nicht in wiederkehrenden Zyklen, sondern linear in einer Richtung. Anders ausgedrückt: Was ansteigt, muss nicht zwangsläufig auch wieder abfallen. Es ist das Muster des linearen Wandels.

Ein simples Beispiel für den linearen Wandel ist der menschliche Alterungsprozess. Egal wie gut Sie auf Ihre Gesundheit achten – Sie werden vielleicht steinalt, aber ganz sicher niemals jünger. Und dennoch enthält der menschliche Alterungsprozess zyklische Elemente. Das sehen Sie daran, dass Sie mit fortschreitendem Alter miterleben, wie Ihre Kinder und Enkelkinder dieselben Entwicklungsphasen durchleben, wie einige Jahre oder Jahrzehnte vorher Sie selbst. Der Lebenszyklus an sich ist für jeden Menschen derselbe: Wir alle kommen nackt und hilflos auf die Welt und entwickeln uns im Lauf der Zeit zu selbstständigen, reifen Menschen. Mit fortschreitendem Alter werden wir wieder gebrechlicher und seniler, bis wir fast wieder so hilflos und von anderen abhängig sind wie ein Kleinkind.

Der Alterungsprozess selbst ist und bleibt jedoch linear. Aus Kindern werden Erwachsene und diese Entwicklung ist nicht umkehrbar.

Ein komplexeres Beispiel ist der gesellschaftliche und politische Wandel, auf dessen zyklische Elemente ich bereits verwiesen habe: gesellschaftliche Trends, die aufbranden und wieder abflauen; der gesellschaftspolitische Klimawechsel von liberal zu konservativ, von progressiv zu reaktionär, der sich regelmäßig in jedem Land der Welt vollzieht.

Langfristig und global betrachtet zeichnet sich jedoch ein eindeutig unidirektionaler, linear verlaufender Trend zu freiheitlichen, demokratischen Staatsformen ab, der unabhängig von allen regional begrenzten, zyklischen Richtungswechseln immer mehr Nationen erfasst. Dieser globale Trendverlauf ist nicht zyklisch. Trotz aller Rückschläge und zeitweiligen Niederlagen, die der Demokratisierungsprozess im Verlauf der Geschichte hinnehmen musste, ist der Siegeszug der Freiheit nicht aufzuhalten und schon gar nicht umkehrbar.

Beispiele linearer Prozesse

Der (menschliche) Alterungsprozess

Das globale Bevölkerungswachstum

Der Zuwachs an Daten, Informationen und Wissen

Der weltweite Bildungsfortschritt

Die steigende Zahl an Patenten und Erfindungen

Die zunehmend höhere Rechenleistung von Computersystemen

Die fortschreitende Konvergenz von Funktion und Funktionalität

Die Globalisierung

Zyklische Schwankungen nehmen die unterschiedlichsten Formen an. Das Elektrokardiogramm (EKG) – die Aufzeichnung der Herztätigkeit – zeichnet sich durch steile Spitzen aus, während sich der fließende Wechsel der Jahreszeiten in einer sanften, relativ gleichmäßigen Wellenbewegung widerspiegelt. Manchmal folgen die Zyklen innerhalb von Millisekunden aufeinander, wie beispielsweise bei der Darstellung der Gehirnwellen, zwischen anderen wiederkehrenden Zyklen – wie den Perioden der Eiszeiten – liegen ganze Erdzeitalter.

Ebenso vielfältig sind die Formen linearer Trendverläufe. Vom explosionsartigen Zuwachs einer Population bis zum graduell steigenden Interesse an einer neuen Musik-CD zeichnen sich lineare Trenddarstellungen aber allesamt dadurch aus, dass die Steigung der Geraden immer in eine Richtung verläuft und keine zyklischen Wiederholungen aufweist.

In den folgenden Diagrammen sind die zwei Formen der Wandlungsprozesse dargestellt.

Zyklische und lineare Prozesse

Beispiele zyklischer Prozesse

Beispiele linearer Prozesse

Die weiter oben genannten Beispiele zyklischer Prozesse – der Wechsel der Jahreszeiten und Gezeiten, Aktienkursverläufe und so weiter – nehmen Wellenformen an, wie im ersten Diagrammpaar dargestellt. Interessanter und spannender sind jedoch die linearen Trendverläufe des zweiten Diagrammpaars. Das Fehlen eines wiederkehrenden Musters deutet auf immer neue Bedingungen hin, unter denen sich einzigartige Chancen bieten. Es ist der linear verlaufende Wandel, der die Zukunft bestimmt und gestaltet, und seine Gesetzmäßigkeiten zu begreifen, schärft Ihren Blick für das, was die Zukunft bringt und lässt das noch nicht Offensichtliche Gestalt annehmen.

Die Fähigkeit, lineare Prozesse und ihr Zusammenspiel mit zyklischen Schwankungen zu erkennen, trägt in erheblichem Maß dazu bei, sich für die Art von blitzartigen Eingebungen zu öffnen, mit denen sich treffsichere Zukunftsprognosen erstellen lassen. Die Schwierigkeit dabei ist allerdings, zukunftsweisende Entwicklungen von kurzfristigen Modetrends zu unterscheiden. So mancher Trend, der Aufmerksamkeit erhascht, ist vielleicht schon nach kurzer Zeit wieder von der Bildfläche verschwunden, während andere an Bedeutung und Nachhaltigkeit gewinnen und einen klaren Blick in die Zukunft ermöglichen. Es gilt also, kurzfristige von dauerhaften Trends zu unterscheiden, um keine so kuriosen Prognosen zu treffen, wie die, von der mein nächstes Beispiel handelt.

Am 16. August 1977 starb der »King of Rock’n Roll« im Alter von nur 42 Jahren. Mit über einer Milliarde verkauften Tonträgern wurde Elvis Aaron Presley noch zu Lebzeiten zu einer Legende und gilt weltweit als der erfolgreichste Solo-Künstler aller Zeiten. Auch wenn ihm musikalisch natürlich keiner das Wasser reichen konnte, fand er jede Menge Nachahmer. Schon zu Elvis’ Lebzeiten gab es rund hundert professionelle Elvis-Imitatoren, und nach seinem Tod wurden es so viele, dass quasi eine neue Berufsgruppe geboren war. Aber war Elvis-Imitator ein Beruf mit Zukunft?

Als (zugegebenermaßen leicht wundersame) Trendanalyse-Übung untersuchte ich fünf Jahre nach Presleys Tod die Zuwachsquote der Elvis-Imitatoren nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten. Ausgehend von der Entwicklung zwischen 1977 und 1982 ergab meine Studie, dass sich bis zum Jahr 2000 jeder dritte männliche US-Bürger als Elvis-Imitator betätigen würde.

Rein statistisch gesehen schien meine Prognose durchaus realistisch zu sein, aber das war sie natürlich nicht. Aber weshalb, wenn doch die Daten stimmten? Ganz einfach deshalb, weil die »harten Fakten« einen Trend implizierten, der so schnell wieder vom Tisch sein würde wie ein Erdnussbutter-Bananen-Sandwich, das man Elvis vorsetzte – das war nämlich eine seiner Leibspeisen.

So unsinnig meine Trendanalyse auch war, veranschaulicht sie jedoch einen wichtigen Punkt: Es werden ständig falsche oder mangelhafte Zukunftsprognosen erstellt, auf deren Grundlage im privaten Bereich ebenso wie auf Unternehmens- und Regierungsebene oft schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden, weil sie als glaubhaft und zuverlässig erachtet werden. Die Trends, die auf der Basis korrekter, harter Zahlen und Fakten ermittelt werden, stellen sich jedoch oft genug als Eintagsfliegen heraus.

1999 prognostizierte die US-Regierung einen Haushaltsüberschuss von einer Billion US-Dollar innerhalb einer Dekade. Die Prognose beruhte auf statistischen Werten, die ebenso fundiert waren wie die, die ich für meine Elvis-Imitatoren-Prognose nutzte – und sie erwies sich als ebenso unzutreffend. Gemäß den Vorhersagen müsste Amerika heute das Land mit den meisten wohlhabenden Elvis-Doubles sein. Hm … irgendetwas ist da wohl schief gelaufen.

Übrigens sahen 47 der 50 US-amerikanischen Bundesstaaten ebenfalls einen wahren Geldsegen voraus – und täuschten sich gründlich. Sie verließen sich darauf, dass der stetige Strom aus Grund- und Vermögenssteuereinnahmen nie versiegen würde, und gaben das Geld mit vollen Händen aus. Sie wetteten Haus und Hof auf die Richtigkeit der Vorhersagen und waren knapp davor, alles zu verlieren. Und warum? Weil sie auf Trends setzten, die vielversprechend und solide aussahen, es aber nicht waren. Der Elvis-Trugschluss führt geradewegs ins Desaster. Das lässt sich jedoch sehr einfach vermeiden, wenn man zwischen »harten«, zukunftsweisenden Trends und »weichen« Modetrends unterscheiden kann.

Harte und weiche Trends

Die meisten Leute halten Vorhersagen für zweifelhaft, weil sie auf der Grundlage von Trends erstellt werden, auf die man sich besser nicht verlassen sollte. Gemeinhin werden Trends mit Modeerscheinungen gleichgesetzt: Heute ist etwas schwer angesagt und schon morgen spricht kein Mensch mehr darüber. Wenn etwas »trendy« ist, ist es eben gerade in Mode, und wie jeder weiß, ändert sich die Mode ständig. »Das ist wieder so ein neuer Trend«, heißt es oft. »Auf ihn zu setzen ist ein Glücksspiel. Vielleicht setzt er sich durch, vielleicht auch nicht.«

In der Wissenschaft, Technik und Wirtschaft bezeichnet der Begriff »Trend« aber keine Modeerscheinung, sondern die »Grundrichtung einer Entwicklung oder Veränderung, von der angenommen wird, dass sie längerfristig und nachhaltig wirkt« (Gabler Online-Wirtschaftslexikon: www.wirtschaftslexikon.gabler.de). Eine der wichtigsten Erkenntnisse, die ich in 25 Jahren Forschungsarbeit gewonnen habe, ist, dass es zwei unbedingt zu unterscheidende Arten von Trends gibt. Ich bezeichne sie als weiche und harte Trends. Weiche Trends verleiten zu Vorhersagen, die ebenso unwahrscheinlich sind wie meine Elvis-Imitatoren-Hochrechnung und die Billionen-Überschuss-Prognose.

Ein harter Trend dagegen ist eine Hochrechnung auf der Basis messbarer, konkreter und kalkulierbarer Fakten, Ereignisse oder Objekte. Ein weicher Trend ist eine Hochrechung auf der Basis statistischer Werte, die den Anschein erwecken, konkret und kalkulierbar zu sein. Ein harter Trend lässt heute erkennen, was in der Zukunft sicher geschehen wird, während ein weicher Trend nur zeigt, was geschehen könnte. Das ist der Unterschied zwischen Fakt und Fiktion.

Diese Unterscheidung verändert den Blick in die Zukunft radikal. Wenn Sie wissen, wie Sie harte und weiche Trends voneinander unterscheiden können, wissen Sie auch, welche zukünftigen Entwicklungen Sie treffsicher vorhersehen können und welche nicht. Durch diese Unterscheidung sind Sie in der Lage, von sicheren Fakten auszugehen, weil sie Ihnen klar und deutlich offenbart, was in Zukunft sicher und was eventuell geschehen wird. Der Grund, weshalb Trends gemeinhin als unzuverlässiges Prognoseinstrument gelten, ist, dass die wenigsten gelernt haben, harte von weichen Trends zu unterscheiden. Ein »Elvis-Trugschluss« ist nur möglich, wenn ein weicher mit einem harten Trend gleichgesetzt wird. Weiß man, wie sich der eine vom anderen unterscheiden lässt, weiß man auch, wann man sich auf sicherem Boden befindet. Und von diesem aus lässt sich ziemlich deutlich erkennen, was die Zukunft bringt.

Der Ende der 1990er Jahre von der US-Regierung prognostizierte Billionen-Überschuss beruhte ebenfalls auf einem weichen Trend, der irrtümlicherweise als zuverlässig und nachhaltig betrachtet wurde. Man rechnete nicht nur fest mit dem Geldsegen, sondern nahm ihn sogar vorweg und belastete den Etat mit Investitionen auf Pump. 1999 war ein finanziell so hervorragendes Jahr für Amerika, dass uns die Begeisterung vom Boden der Tatsachen abheben ließ. Wir waren hypnotisiert von dem weichen Trend wie ein Kaninchen, das regungslos vor einer Schlange sitzt. Ein typischer Elvis-Trugschluss!

»Harte Zahlen« allein sind keine Garantie für einen harten Trend. Meine Elvis-Hochrechnung beruhte ausschließlich auf harten Zahlen, die ich absolut korrekten Statistiken entnahm, einen harten Trend stellten sie jedoch ganz offensichtlich nicht dar. Warum nicht? Weil der Trend auf veränderbaren Werten beruhte. Die Entscheidung, sich als Elvis-Imitator seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist eben genau das: eine persönliche Entscheidung für einen Beruf, und wie das mit der freien Berufswahl nun einmal so ist, können sich die Interessen und Perspektiven jederzeit ändern. Eine Zukunftsprognose auf der Basis der Zuwachsrate von Elvis-Imitatoren zu erstellen, ist ebenso zweifelhaft wie die Vorhersage, dass es nach einer regnerischen Woche bis in alle Ewigkeit regnen wird oder sich die im Vorjahr erzielte Verdoppelung des Umsatzes für Hula-Hoop-Reifen oder Teddybären in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Das sind Trends, die vom aktuellen Zeitgeist, klimatischen Bedingungen oder der Mode diktiert werden, und keine Trends, denen unumstößliche, nachhaltige und langfristig wirkende Triebkräfte zugrunde liegen.

Die Unterscheidung zwischen harten und weichen Trends ist allerdings nicht immer so einfach zu treffen. Die Billionen-Überschuss-Prognose klang für viele Beobachter durchaus realistisch. Das ist das Problem mit weichen Trends. Manche sind eindeutig als solche erkennbar – wie meine Elvis-Prognose –, andere scheinen bei oberflächlicher Betrachtung durchaus glaubwürdig zu sein. Doch auch der schönste Schein ist trügerisch, und sofern der Trend nicht auf einer Entwicklung beruht, die unumstößlich ist und auf ein klar erkennbares Ergebnis hinausläuft, darf man ihm nicht trauen. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob Sie Spekulationen darüber anstellen, was sein könnte, oder ob Sie wissen, was sein wird. Wenn Sie diese Unterscheidung treffen, sind Sie Ihren Mitbewerbern tatsächlich um Nasenlängen voraus.

Harten Trends können sowohl zyklische als auch lineare Prozesse zugrunde liegen, weshalb auch die Trendlinien zyklisch oder linear verlaufen. Wenn beispielsweise der Aktienmarkt heute einbricht, lässt sich mit Sicherheit vorhersagen, dass die Werte auch wieder nach oben klettern. Das Auf und Ab an der Börse ist ein zyklischer Prozess und zugleich ein harter Trend.

Wann genau die Werte wieder nach oben klettern und wie hoch, lässt sich dagegen nicht vorhersagen. Zu welchem Zeitpunkt und in welchem Ausmaß sich das Börsenklima ändert, hängt vom Verhalten und den Entscheidungen der Investoren ab und ist somit ein weicher Trend. Sicher ist nur, dass die Kurse nach einer Talfahrt wieder steigen und nach einem Höhenflug wieder fallen. Das mag nun nach einer extrem vereinfachten Darstellung der Finanzmärkte klingen, aber es ist ein harter Trend, der sich für Warren Buffett als absolut zuverlässig und höchst lukrativ erwiesen hat.

In Anbetracht der rasanten Geschwindigkeit, mit der in den letzten Jahren immer schnellere und bessere Laptops auf den Markt kamen, lässt sich problemlos die Vorhersage treffen, dass sie in Zukunft noch schneller und noch besser werden. Die zunehmende Rechengeschwindigkeit und Speicherkapazität von Computern ist ein eindeutig linearer Prozess und ein harter Trend.

Welcher Hersteller in fünf Jahren das beste, leistungsfähigste Spitzenmodell auf den Markt bringen wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhersagen. Dass sich die Computertechnik ständig weiterentwickelt, ist ein harter Trend. Wer sich die technologischen Fortschritte zunutze machen und als Erster vermarkten wird, ist ein weicher Trend.

Um den Blick für harte Trends zu schärfen, möchte ich ein Beispiel aus der Mitte des 20. Jahrhunderts aufführen, als GM noch ungeschlagen an der Spitze stand und die suburbanen Wohngebiete in den USA aus allen Nähten zu platzen drohten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrten die siegreichen amerikanischen Soldaten aus der Schlacht zurück und feierten das Wiedersehen mit ihren Liebsten. Neun Monate später geschah etwas, das zu hundert Prozent absehbar war: Es wurden sehr, sehr viele Babys geboren. 78 Millionen Amerikaner kamen in der Babyboom-Phase zwischen 1946 und 1964 auf die Welt. Auch in Japan, Europa und vielen anderen Industrienationen stellen die Nachkriegsjahre die besonders geburtenstarken Jahrgänge dar.

Bevölkerungsstatistiken sind eine der Hauptquellen für konkrete, messbare Daten, die harte Trends erkennen lassen, und der Babyboom nach dem Zweiten Weltkrieg ist eines der eindeutigsten und dramatischsten Beispiele. Der sprunghafte Bevölkerungszuwachs ist eine im wahrsten Sinne des Wortes greifbare und nicht umkehrbare Tatsache: Die vielen Millionen Menschen, die während dieser Zeitspanne geboren wurden, lösen sich ja nicht einfach wieder in Luft auf. Und während die vielen Millionen Babyboomer altern, ergeben sich eine ganze Reihe von Konsequenzen, die ebenso zu hundert Prozent absehbar sind.

»Alles nichts Neues«, mag sich jetzt so mancher Leser denken. Die mit dem Babyboom einhergehenden Probleme sind doch bekannt. Davon hat jeder schon mal gehört. Stimmt! Und genau deshalb ist es ein so aufschlussreiches Beispiel. Obwohl angeblich alle wissen, was auf uns zukommt, werden keine geeigneten Maßnahmen ergriffen. Es ist doch höchst erstaunlich, dass ein harter Trend, der seit 50 Jahren klar ersichtlich ist, uns in jeder entscheidenden Phase seines Verlaufs mit Problemen konfrontiert, auf die wir nicht vorbereitet sind.

Schon als die amerikanischen Streitkräfte 1945 mehr oder weniger zeitgleich aus dem Krieg zurückkehrten, war absehbar, dass dies nicht ohne Folgen bleiben würde. Es wurde aber nicht berücksichtigt, und so gab es 1946 nicht genügend Krankenhausbetten für die zahlreichen Schwangeren, die kurz vor der Niederkunft standen.

Gut, das mit den Krankenhäusern haben wir glatt vergessen, könnte man sagen. Fehler sind schließlich dazu da, um aus ihnen zu lernen. Nach der ersten massiven Geburtenwelle hatten wir ja reichlich Zeit, um uns darauf vorzubereiten, dass die vielen Neugeborenen nach vier, fünf Jahren ins Kindergartenalter kommen. Kein Problem, oder? Doch! Obwohl der skandalöse Mangel an Geburtskliniken über Jahre in den Medien angeprangert wurde, fehlte es nach fünf Jahren plötzlich an Kindergärten. Und – kaum zu glauben, aber wahr – nach sieben Jahren stellte man fest, dass es nicht genug Grundschulen gab, einige Jahre später fehlte es an weiterführenden Schulen und – wer hätte es gedacht – wieder einige Jahre darauf an Hochschulen und Universitäten.

War das wirklich alles vorhersehbar? Ja. Man hätte sich nur ernsthaft und intensiv mit diesen harten Trends befassen müssen.

Kürzlich waren einige meiner Mitarbeiter und ich als Berater bei einer großen Versicherungsgesellschaft. Ich sprach gerade über harte und weiche Trends, sichere Fakten und demografische Daten als Trendindikatoren, als mich einer der Herren unterbrach: »Ja, ja, das mit den demografischen Daten und der Babyboom-Problematik ist uns bekannt, wir wissen Bescheid.«

»Großartig«, entgegnete ich, »dann muss ich das Thema ja nicht weiter vertiefen. Vielleicht beantworten Sie mir nur kurz zwei Fragen: Erstens, wie viele Topvertriebsleute beschäftigen Sie weltweit in etwa?«

Prompt wurde mir die Zahl genannt. Sie war erstaunlich hoch!

»Gut, mal sehen, ob Sie mir die zweite Frage auch so prompt beantworten können«, fuhr ich fort. »Wie viele dieser Topvertriebsleute, die 80 Prozent oder mehr Ihrer globalen Umsätze erwirtschaften, gehen in den nächsten drei Jahren in Rente?«

Betretenes Schweigen. Sie hatten keine Ahnung. Keine der Führungskräfte war je auch nur auf die Idee gekommen, sich diese Frage zu stellen.

Einer der Anwesenden klappte sein Laptop auf. Da die Daten der Vertriebsmitarbeiter in der Datenbank abgespeichert waren, war es nicht weiter schwierig, die Antwort herauszufinden. Als sie vorlag, wurde aus dem betretenen Schweigen eine Schockstarre. 60 Prozent! Im Lauf der nächsten drei Jahre würden 60 Prozent der Topvertriebsleute in den Ruhestand gehen und ihr Wissens- und Erfahrungsschatz mit ihnen. Diese wichtige neue Erkenntnis traf die Führungskräfte wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Weshalb hatten sie diese Entwicklung nicht vorausgesehen? Weil sie blind waren für das, was vor ihrer Nase lag. Sie hatten es sich nicht zur Gewohnheit gemacht, von sicheren Fakten auszugehen.

Etwa zur selben Zeit beriet ich auch führende Vertreter des USamerikanischen Sozialversicherungswesens – der Social Security Administration. Mein Ansprechpartner, der mich eingeladen hatte, stellte mich zu Beginn der Sitzung dem Leiter der Schulungsabteilung vor, und wir unterhielten uns darüber, was auf diesen Sektor zukommen würde.

Am 1. Januar 2008 um 00:01 Uhr wurde die Amerikanerin, die den Beginn der Babyboom-Phase markierte, 62 Jahre alt und hatte somit Anspruch auf ein vorgezogenes Altersruhegeld.1 Im selben Jahr erreichten weitere 3,2 Millionen US-Bürger ihr 62. Lebensjahr – also etwa 365 pro Stunde. Aktuell beziehen 50 Millionen Amerikaner Sozialleistungen, bis 2030 werden es 84 Millionen sein. Aus den heute rund 44 Millionen Medicare-Leistungsempfängern – Medicare ist die sozialstaatliche Krankenversicherung für behinderte und über 65-jährige US-Bürger – werden 79 Millionen. Dann sind wir an einem Punkt angelangt, an dem zwei Arbeitnehmer mit ihren Sozialversicherungsbeiträgen die Leistungen für einen Pensionär finanzieren. 1945 lag dieses Verhältnis noch bei 42 zu 1.2

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