Czytaj książkę: «Impfpflicht»
Dr. Claudio Deriu
IMPFPFLICHT
Das Ende der freien Gesellschaft?
Inhalt
Impfpflicht vor dem Hintergrund der Verfassung
Welches Menschenbild liegt der Verfassung zu Grunde?
Die Menschenwürde
Die neue Normalität als Paradigmenwechsel
These der Erschaffung eines neuen Menschenbildes - Paradigmenwechsel im Mai 2021
These Paradigmenwechsel durch Impfpflicht
Mensch oder Nachweis einer lediglich geringen epidemiologischen Gefahr?
Die Gleichheit als Grundlage der Verfassung
Wie ist das Verhältnis zwischen Gemeinschaft, Solidarität und Freiheit?
Freiheit oder Gesundheit?
Grundrechte und Freiheit
Gerechtigkeit und Impfpflicht
Gestaltungsspielraum der Politik im Gesundheitsschutz
Der österreichische Weg zur Impfpflicht
Masken tragen
Testen
Contact Tracing
Tracking App
Quarantäne
Die 3Gs
Die 2Gs
Lockdown
Bewertung der Maßnahmen aus demokratiepolitischer Sicht
Missachtung von Eigenverantwortung als Antithese zu einer aufgeklärten Demokratie
Verbotspolitik versus Eigenverantwortung
Öffentlichkeit versus Geheimhaltungspolitik
Angstpolitik ist kontraproduktiv in einer Demokratie
Kritik der mangelnden Aufklärung durch Ausklammerung von Kollateralschäden
Mangel des Bewusstseins für die Verfassungsprinzipien
Mangelnde Transparenz
Gemeinschaft oder Spaltung
Wie funktioniert unser Immunsystem und was passiert bei einer Infektion?
Abwehr über Flimmerhärchen, bevor das Virus in die Zelle eingedrungen ist
Virus ist in die Zelle bereits eingedrungen – Abwehr über Hintergrundimmunität bzw. angeborene Immunantwort
Spezialisierte Immunabwehr (Antikörper und T-Zellen)
Kreuzimmunität
Herdenimmunität
Resümee
Zur Impfstrategie Österreichs unter Berücksichtigung europäischer Koordinierungs- und Beschaffungsmaßnahmen
Gesetzliche Grundlage für eine Impfpflicht
In welche Grundrechte wird durch eine Impfpflicht eingegriffen?
Recht auf Leben / Recht auf körperliche Integrität
Recht auf Privatleben
Recht auf Familienleben
Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
Gesundheitsschutz als öffentliches Interesse bzw. Schutzgut
Gesundheitsschutz als absolutes oder relationales Schutzgut?
Welches Verständnis von “Gesundheit” liegt dem Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützten Grundrechte zu Grunde?
Eignung der Impfstoffe zur Zielerreichung?
Effektivität
Herstellung einer Herdenimmunität
Schutz vor Hospitalisierung
Risikofaktor bedingte Zulassung
Nebenwirkungen
Direkte oder indirekte Impfpflicht?
Verhältnismäßigkeitsprüfung
Gefahrensituation
Nutzen versus Risiko
Ultima ratio
Gelinderes Mittel
Ausweitung des Gesundheitssystems
Impfpflicht bezogen auf Risikogruppen und Alter
Weitflächige Installation von Entlüftungsanlagen in Innenräumen
Antikörpernachweis oder negatives Testergebnis
Impfpflicht auf den gelindesten Impfstoff – Totimpfstoff
Medikamentöse Behandlungen
Verfahren vor dem EuGH
Zur Einführung der Impfpflicht
Zusammenfassung
Endnoten
Literatur- und Quellenverzeichnis
Autor
Impressum
Impfpflicht vor dem Hintergrund der Verfassung
Wenn über die Frage einer Impfpflicht debattiert wird, muss daran erinnert werden, dass die Impfpflicht nicht im rechtsfreien Raum entsteht, sondern wie jedes Gesetz ihre Grundlage in der Verfassung findet. Diese enthält Spielregeln und Wertentscheidungen, die die Basis des staatlichen und politischen Handelns darstellen.1 Die Verfassung in Österreich wie in Deutschland entspricht derjenigen einer rechtsstaatlichen Demokratie. Infolge dessen muss die Gesetzgebung wie die Verwaltung den Werten der Verfassung entsprechen. Der derzeitigen politischen Realität, die den Impfstatus einer Person zum allerhöchsten Maßstab erhebt, muss mit Skepsis begegnet werden. Im Jahr 2020 wird mit einem Mal die Gesundheit zum höchsten Gut erklärt, wo man sich jahrzehntelang zuvor gefragt hat, ob die Gesundheit in dieser Gesellschaft gar nichts zählt. Schließlich schreckt der Staat nicht davor zurück, Lebensmittel auf dem Markt zuzulassen, die die Gesundheit nicht eben fördern. Bekanntermaßen finden sich in unzähligen Produkten versteckt Zuckeranteile. Zucker wiederum schadet der Gesundheit vehement. Um endlich das Rauchen einzudämmen, zumindest in öffentlichen Orten, musste ein jahrzehntelanger Kampf ausgefochten werden. Da war die österreichische Regierung nicht Weltmeister im Gesundheitsschutz, als der sie sich jetzt gerne zu erkennen gibt. Rauchen wiederum schadet der Gesundheit allgemein.2 Die resultierenden Folgen eines vom Staat zumindest tolerierten Fehlverhaltens wie Rauchen oder ungesunde Ernährung, die wiederum zu Herzkreislauf-Krankheiten, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit führen, haben bislang zu keinem Aufruhr geführt. Man könnte meinen, der Staat nimmt allerlei Krankheiten in Kauf, bloß eine spezielle Infektionskrankheit wird nicht geduldet. Der Staat hat sich also bislang für die Gesundheit der Menschen nicht sonderlich interessiert. Jetzt wird auf einmal die „Gesundheit“ zum höchsten Gut erhoben. Aber nicht bloß zum erwünschten Gut, sondern zum verpflichtenden Gut. Denn ohne dieses Gut kann man nicht mehr arbeiten, nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Dabei ist in Wirklichkeit nicht die Gesundheit die Eintrittskarte ins Leben, sondern der Impfstatus. Da stellt sich die Frage, ob dieses politische Handeln als verfassungskonform bezeichnet werden kann, denn die Gesundheit stellt weder ein Grundprinzip der österreichischen Verfassung dar, noch ein Grundrecht noch ein Staatsziel. Wenn sich die gesellschaftliche Wirklichkeit in beinahe Sekundenschnelle wandelt, möchte man daher annehmen, die Verfassung habe sich geändert. Aber das ist nicht so. Die Verfassung ist nach wie vor dieselbe. Dieselbe Verfassung, die uns vordem alle erdenklichen Freiheiten erlaubte, beinahe alle, die will uns mit einem Mal alle Freiheiten nehmen? Diese Beobachtung aus der Wirklichkeit lässt sich nur auf zwei Weisen erklären. Entweder die Verfassungen sind derart flexibel, dass sie nahezu jede Änderung zulassen und sich von einer freiheitlich-individualistischen in eine totalitär-verpflichtende biegen lassen, ohne dass dies mit der Verfassung in Bruch stünde. Oder agieren die Regierungen mittlerweile tatsächlich außerhalb der Verfassung, wollen dies aber nicht wahrhaben oder eingestehen. Grundsätzlich muss man misstrauisch sein, weil Verfassungen sozusagen das Fundament des darauf gründenden Hauses, des Staates, sind. Eine Verfassung sollte in diesem Sinn wohl nicht allzu flexibel ausgestaltet sein, sonst könnte das Fundament möglicherweise einbrechen. Das Verfassungsrecht stellt die rechtliche Grundordnung des Staatsverbandes dar, und soll nach dem Verfassungsrechtler Funk Stabilität verleihen. Sie stellt einen Grundkonsens dar über den Rahmen der politischen Auseinandersetzungen.3 Mit Sicherheit benötigen die Staaten Europas derzeit „Wächter der Verfassung“. Es muss eine Institution darüber wachen, dass diese freiheitlichen, dem Gleichheitsgrundsatz verpflichteten Demokratien nicht aufgegeben werden. Und wiederum hinter jeder Verfassung stehen die Menschen. Wenn Spaltung unter den Menschen eintritt, ist auch die Verfassung in Gefahr. Sie ist aber auch in Gefahr, wenn die Regierung vor der Ergreifung autoritärer Maßnahmen nicht zurückschreckt und leise die neue Normalität ausruft.
Welches Menschenbild liegt der Verfassung zu Grunde?
Freiheit gehört zur menschlichen Natur, damit leitet Rousseau aus der menschlichen Natur das Naturrecht ab, und zu diesem gehört die Freiheit, die Freiheit ist ein Menschenrecht. Unserer Verfassung, den Verfassungen Europas und wohl weltweit, sofern die Staaten demokratisch verfasst sind, liegt das Bild eines Menschen zu Grunde, der anderen Menschen vor dem Gesetz gleichgestellt ist. Dieses Recht wurde schwer erkämpft, nicht zuletzt in der Französischen Revolution von 1789. Dieses Bildnis liegt auch dem Verständnis von Aristoteles betreffs der Demokratie zu Grunde. Der natürliche Zustand eines Menschen ist die gesunde Beschaffenheit seines Körpers und Geistes. Nunmehr – und das ist ganz gefährlich – wird dieses Menschenbild ins Gegenteil verkehrt. Der Mensch wird vermutungsweise als „krank“ angesehen, wiewohl er im Regelfall gesund ist. Die im Verhältnis zur Gesamtbevölkerungszahl geringe Anzahl an Infizierten wird zur Grundregel erhoben. Das Grundprinzip des gesunden Menschen wird aufgrund weniger Infizierter ins Gegenteil verkehrt. Die Ausnahme, der Infizierte, wird zur Grundnorm erklärt. Eine menschliche Fiktion, würde wohl Harari sagen. Aber menschliche Fiktionen werden sehr schnell von den Menschen akzeptiert, und damit wird ihnen auch ein gewisses Maß an Wirklichkeit zuteil, konstruierte Wirklichkeit. Die menschliche Psyche lässt sich leicht täuschen. Diese Sichtweise, die sich mit den 3Gs auf Gesetzesebene durchgesetzt hat, ist nach eigener Auffassung wider die Verfassung, weil sie mit einer freiheitlichen Grundordnung nicht vereinbar ist, weil sie auf Zwang beruht. Wie kann man einen freien Menschen als „Gefährdung“ betrachten, als jemanden, der sich frei beweisen muss, weil ihm der Verdacht anhaftet, er wäre „infektiös“, also krank. Wenn jemand, um zu seinen Rechten zu gelangen, mehr beweisen muss, als dass er ein „Mensch“ ist, dem von Natur aus Rechte zustehen, der unterteilt die Menschen in zwei Kategorien. Jene, die als gesund gelten, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, und jene, die dies nicht tun. Aber auch aus medizinischen Gründen ist diese Politik mehr als fragwürdig, weil der Impfstatus nur einen „Gesundheitsstatus“ suggeriert, diesen aber nicht verifizieren kann. Diese Art der Politik schafft das Naturrecht ab und versucht eine Privilegienkultur – Bioethikkultur – zu etablieren. Kein natürliches Menschenbild, sondern ein künstlich geschaffenes Artefakt der politischen Unkultur. Das Menschsein allein gewährt nach diesem „neuen Verständnis“ also nicht mehr die gleichen Rechte für alle und die Freiheit. Nein, der Mensch muss noch eine weitere Voraussetzung erfüllen, nämlich die der suggerierten „Nicht-Infektiosität“.
Man kann nicht so tun, als passe diese neue Voraussetzung in unser Verfassungsbild. Ehrlichkeit vorausgesetzt, müsste man dieses neue „Menschenbild“ in die Verfassung integrieren und dabei das Volk abstimmen lassen. Wenn das Volk dann dumm genug wäre, sich von der Menschenwürde zu verabschieden, so sei es. Diese Umkehrung des Menschenbildes von dem eines gesunden gleichen Menschen in einen unterstellt „infektiösen Krankheitsüberträger“ ist aus Sicht des Verfassers keine Frage, die über Gesetz eingeführt werden kann, vor allem, weil sie unser Leben schon knapp zwei Jahre lang dominiert. Normalerweise wird unser Rechtssystem vom Grundsatz dominiert, wer etwas behauptet, muss auch den Beweis dafür antreten. Wenn also jemand behauptet, ein Mensch sei infektiös, müsste er auch den Beweis dafür antreten. Hier kommt es offenbar zur Beweislastumkehr. Der gesunde Mensch wird als krank vermutet und kann über einen Test, eine Impfung den Beweis des Gegenteils antreten. Das ist eine Frage von Verfassungsqualität. Ohne Abstimmung ist diese Vorgangsweise als verfassungsverletzend offenzulegen und dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. Eine solche Abstimmung wäre in Österreich theoretisch denkbar, denn wir haben keinen Wertekatalog, der unabänderlich wäre. In Deutschland ist dies aufgrund der Menschenwürde, die in Artikel 1 Grundgesetz verankert ist, schwerer vorstellbar. Umso mehr nimmt es Wunder, dass in Deutschland dieser Widerspruch zur Verfassung verdunkelt wird, geblendet von mittels PCR-Test erhobenen Infektionszahlen, tritt die wahre Natur der Verfassung in den Hintergrund.
Stellen wir diese „neue Anforderung“ an das Menschenbild in den geschichtlichen Kontext der philosophischen Aufklärung, so spottet dies geradezu der bisherigen Erkenntnisse der Vernunft. Es ist dies ein völlig willkürliches Kriterium, man hätte es durch jedes erdenkliche ersetzen können. Man darf nicht vergessen, die herrschende Wissenschaft über weite Teile des vorhergehenden Jahrhunderts war der Meinung, schwarzfarbige Menschen seien weniger intelligent als weiße Menschen. Daran geknüpft hat man ihnen auch keine/weniger Rechte gewährt. Heute sieht die Wissenschaft dies als absurd an, aber lange glaubte man es vor allem in den USA. Man könnte auch behaupten, die Menschen seien Träger des HIV-Virus und müssten sich daher regelmäßig testen lassen, um Veranstaltungen zu besuchen. Lange Zeit war man der Meinung, Menschen mit angewachsenen Ohrläppchen seien Verbrecher. Das glaubte man lange in der Kriminologie. Man könnte also auch diese diskriminieren und von den gleichen Rechten ausschließen. Solche Tendenzen hat es daher immer schon gegeben. Die Willkür all dieser „erfundenen Unterscheidungsmerkmale“ ist offenkundig. Wenn man eines dieser Merkmale allerdings einführt und daran Rechte knüpft, dann wird die Spaltung der Menschen und damit eine Verletzung der Gleichheit der Menschen bewirkt. Diese Spaltung des Menschseins ist in der Verfassung nicht vorgesehen, diese verändert das Menschenbild, das unserer Verfassung zu Grunde liegt. Das Menschenbild von der „Würde des Menschen“. Dieses wird der Pandemie von der Politik „geopfert“. Ein Verzicht auf die Freiheit verträgt sich nicht mit der Natur des Menschen. Die Regierung soll die bürgerlichen Freiheiten wahren.4 Die ungeteilte Menschenwürde muss daher in die österreichische Verfassung Eingang finden und gerade in Zusammenhang mit der geplanten Einführung einer Impfpflicht zur Diskussion gestellt werden. Ein Impfausweis verschafft Zugang in den öffentlichen Raum, weil ein Geimpfter – unterstellt – nicht infektiös sei. Aber dies ist wissenschaftlicher Unsinn. Gerade die Geimpften haben sich durch ihr unvorsichtiges Verhalten, in der Meinung, für sie wäre die Pandemie vorbei, als Weiterverbreiter des Virus erwiesen. Dennoch genießen sie Vorzüge, einer Privilegienkultur nicht unähnlich. Vom Grundgedanken der Freiheit und Gleichheit aller Menschen verabschiedet sich die Politik immer weiter.
Die Menschenwürde
Sogar Platon, der in seinem Gesetzeswerk eine strenge Staatsführung befürwortete, sprach hinsichtlich der Staatsführung davon, eine Aufsicht „mit einer Strenge zu führen, die ihre Grenzen nur findet in der Würde des freien Mannes“.5 Also die einzige Grenze, die der Staat kenne sollte, ist die Menschenwürde, die Würde des freien Mannes, der freien Frau. Gerade diese Würde wird von den Regierungen missachtet. Die Massentests, die im Jahr 2021 an der Menschheit in Österreich (Deutschland) durchgeführt wurden, stellen einen Eingriff in die Menschenwürde dar. Testen sei jetzt so normal wie Zähneputzen, verkündete der Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz in Österreich. Den Begriff Menschenwürde kennt er nicht und achtet er nicht. Voltaire rückte den Begriff der Menschenwürde im Vorfeld der Französischen Revolution wieder in den Vordergrund. „Damit begann der Prozess jener Sinneswandlung, die das zu erkämpfen ermöglichte, was späteren Generationen als selbstverständliche Grundlage jeden Rechtsstaates galt.“6 Die Volksvertreter in Frankreich betonten 1791: Voltaire „war der erste, der die Würde des Menschen anerkannte“.7 Das deutsche Grundgesetz schreibt diesen Gedanken an die erste Stelle der Verfassung.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Ebenso ist die Menschenwürde in Art. 2 EUV und der Präambel der Europäischen Grundrechtecharta verankert. Menschenwürde verlangt nach Groth, „die Menschen mit Vernunft zu behandeln.“8 Der Schutz der Menschenwürde ist für Jürgen Papier „die Königin der Verfassungsnormen“, die Basis vieler Grundrechte, und sie herrscht über das Grundgesetz. Weder kann sie in ihrem normativen Wesensgehalt verändert werden noch können andere Grundrechte sie beschränken. Wohlgemerkt nicht die Gesundheit ist die Königin der Verfassungsnormen, sondern die Menschenwürde. Es möge ein Politiker in Deutschland oder Österreich oder der EU derzeit erklären, inwieweit dieser Grundsatz in der Politik, in der Pandemiebekämpfung Berücksichtigung findet. „Die Wahrung der Menschenwürde ist stets oberstes Gebot, auch für den Staat und in gleichem Maß, wenn andere Rechtsgüter bedroht sind.“9 Auch die Notlage, Leben retten zu wollen, würde nach Jürgen Papier nicht die Verletzung der Menschenwürde rechtfertigen.10 Wenn man diese Worte von Jürgen Papier liest, scheint es fast so als bekäme das Lied von Bob Dylan „Blowing in the wind“ eine neue Bedeutung. Sind dies in der Verfassungswirklichkeit alles Worte, die in den Wind geschrieben stehen, und das erste Erdbeben lässt sie einstürzen in bedeutungslose Wortfetzen? Spätestens mit Einführung der 3G-Regel wurde dieses Prinzip der Menschenwürde verlassen, mit der 2G-Regel, die jede Vernunft außer Acht lässt, noch mehr verletzt und letztlich mit Einführung einer sinnwidrigen Impfpflicht ins Absurde verkehrt. Papier spricht vom Rechtsstaatsprinzip der Menschenwürde, das offenkundig in den Juristenköpfen der neuen Generation aus dem Blickfeld geraten ist. Wie dieser zu bedenken gibt, habe eine Umfrage unter 3.000 Erlanger Juristen ergeben, 1/3 sei für die Wiedereinführung der Todesstrafe.11 „Für diese Generation sind auch die Schrecken des Dritten Reiches mit seiner millionenfachen Entwertung und Vernichtung von Leben bereits weit entrückt, die Anlass waren für die Schöpfer des Grundgesetzes, den Begriff der Menschenwürde in das Zentrum zu rücken. Nach Rassismus, Judenhass, Euthanasie, Eugenik und andere Formen der Diskriminierung hat das Grundgesetz diesen Begriff mehrfach konkretisiert und schreibt nunmehr ganz klar fest, dass jeder Mensch Wert und Achtungsanspruch hat – unabhängig von seinen Eigenschaften, seinen körperlichen oder geistigen Befähigungen, seiner Leistung oder sozialem Status.“12 Wenn es nun Menschen gibt, die Angst vor dem neuen Impfstoff haben, die Gründe dafür mögen verschieden sein, so haben sie nichts desto weniger Anteil an der Menschenwürde, die ihnen die Verfassung verleiht. In Österreich wird man mit Einführung der Impfpflicht diese „Angst“ nicht als Befreiung von der Impfpflicht anerkennen. Vermutlich weil nicht nur jeder Mensch als infektiös gilt, sondern auch als Drückeberger. Das BVerfG hat ausgesprochen, dass zur Unantastbarkeit der Menschenwürde die Anerkennung eines absolut geschützten Kernbereichs privater Lebensgestaltung gehört.13 Die Menschenwürde ist absolut und entzieht sich jeder Abwägung.14 Eine gleichlautende Bestimmung fehlt leider in der österreichischen Verfassung. Man findet den Ausdruck dieses Gedankens in der Kodifikation des Privatrechtes in § 16 ABGB. Sie wird unter jusline als eine Zentralnorm der österreichischen Rechtsordnung bezeichnet und als Einflugschneise der Grundrechte. (jusline.at). Diese Bestimmung weist in ihrer Bedeutung also über das Privatrecht hinaus, sie hätte besser in die Verfassung platziert werden müssen. Und selbst diese Bestimmung ist offenbar nur aus zarter Rücksichtnahme auf das Ausland in das ABGB ursprünglich aufgenommen worden.15
„Jeder Mensch hat angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte und ist daher als eine Person zu betrachten. Sklaverei oder Leibeigenschaft und die Ausübung einer sich darauf beziehenden Macht werden in diesen Ländern nicht gestattet.“
Diese angeborenen Rechte waren vom Naturrechtsdenken, dem Vernunftdenken geforderte Menschenrechte. Sie brachten laut Barta schon im 18. Jahrhundert neben Menschenwürde und Freiheit den wichtigsten Gleichheitsgedanken ein, der noch heute für das Privatrecht bestimmend ist.16 Aber dieser Gedanke ist wie dargelegt nicht bloß für das Privatrecht bestimmend, sondern viel mehr noch für das Verfassungsrecht. Weil die Politiker diese Bestimmung nicht zu kennen scheinen, böte es sich an, diese Norm ins Verfassungsrecht zu übernehmen, und zwar gerade so wie in Deutschland an erster Stelle. Diese Forderung stellte bereits der österreichische Verfassungsrechtler Klecatsky, um dadurch eine „Generalklausel für den Grundrechtsschutz“ zu erhalten.17 Unverständlich, dass diese Bestimmung bis heute keinen Verfassungsrang genießt. Die deutsche, die italienische und die spanische Verfassung stellen die unantastbare Würde des Menschen als höchste Aufgabe des Staates heraus.18 In der derzeitigen Politik vermisst man die Besinnung auf diesen Grundsatz zur Gänze, nicht zuletzt auch bei der Europäischen Union.