Czytaj książkę: «Drehschluss»
Claudia Rossbacher
Drehschluss
Thriller
Zum Buch
Promisterben Es gibt Promis, die sie lieben und noch mehr Promis, die sie hassen: Clara Bodenstein, Chefredakteurin des Boulevardmagazins UP in Berlin. Als Gesellschaftsreporterin hat die gebürtige Wienerin schon so manchen Stern am Society-Himmel aufgehen lassen, aber auch für einige gnadenlose Untergänge gesorgt. Gerade wegen ihrer Skrupellosigkeit wird Clara von der Filmdiva Jackie Benz beauftragt, deren Skandalbiografie zu schreiben, was einige Zeitgenossen lieber heute als morgen verhindern möchten. Nach etlichen Morddrohungen und einem nächtlichen Überfall bei Dreharbeiten auf Mallorca verschwindet die Benz auf einmal spurlos. Und sie soll nicht die einzige Prominente bleiben, die plötzlich wie vom Erdboden verschluckt ist.
Bestseller-Autorin Claudia Rossbacher wagt einen schonungslosen Blick hinter die schillernden Kulissen der Boulevardmedien und die perfekt geschminkten Masken der Stars und Promis, die beinahe zu allem bereit sind, um im Scheinwerferlicht zu glänzen.
Claudia Rossbacher, geboren in Wien, zog es nach ihrem Tourismusmanagementstudium in die Modemetropolen der Welt, wo sie als Model im Scheinwerferlicht stand. Danach war sie Texterin, später Kreativdirektorin in internationalen Werbeagenturen. Seit 2006 arbeitet sie als freie Schriftstellerin in Wien und in der Steiermark und schreibt vorwiegend Kriminalromane und Kurzkrimis. Ihre Steirerkrimis waren allesamt Bestseller in Österreich. »Steirerblut«, »Steirerkind«, »Steirerkreuz« und »Steirerrausch« wurden als Landkrimis für ORF und ARD verfilmt und sorgten in der Primetime für Topquoten. 2014 wurde Claudia Rossbacher mit dem »Buchliebling«, 2019 mit dem »Bacchuspreis« ausgezeichnet. www.claudia-rossbacher.com
Impressum
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alle Rechte vorbehalten
»Drehschluss« erschien erstmals 2009 beim echomedia buchverlag
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung: Julia Franze
E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Robert Daly/KOTO/
adobe.stock.com
ISBN 978-3-8392-6848-3
Widmung
Für meinen Vater, den ich sehr vermisse.
Ich danke der wunderbaren Schauspielerin Kathrin Beck für unsere Freundschaft, die seit über 40 Jahren ungebrochen besteht. Und meinem Mann, dem begnadeten Künstler Hannes Rossbacher, für seine bedingungslose Liebe und Unterstützung in den letzten drei Jahrzehnten. Euch zu Ehren beginnt die Geschichte am 8. März, euer beider Geburtstag.
Liebe Leserinnen und Leser!
Der vorliegende Thriller ist erstmals 2009 erschienen. Heute ist die überarbeitete Neuauflage fast schon ein historischer Roman. So viel hat sich seither verändert.
2007 kam das erste iPhone auf den Markt. Soziale Medien wie Facebook und Twitter, Selfies, YouTube und Streaming-Dienste steckten in den Kinderschuhen. Es gab kein Instagram und keine Influencer, wie wir sie heute kennen. IT-Girls wie Paris Hilton, Kim Kardashian & Co wurden über Reality-TV und Boulevardmedien weltberühmt.
Die Geschäftswelt war in fast allen Bereichen von Männern und Sexismus geprägt. Von #MeToo war die Welt noch weiter entfernt als von Hashtags an sich.
Das Rauchen in der Öffentlichkeit, auch in Gaststätten, war in Deutschland zum Teil noch erlaubt. In Österreich sowieso, wo ein generelles Rauchverbot in Gastronomiebetrieben erst seit 2019 besteht.
Corona war damals nur ein Bier, kein Virus, das Millionen Menschen dahinraffte.
Beim Überarbeiten meines Thrillers war ich kurz versucht, die Geschichte in die Gegenwart zu transferieren, fand es schlussendlich aber spannender, jene Zeit zu beleuchten, in der die Weichen gestellt wurden: für Selbstdarsteller, Cyber-Mobbing und -Stalking, Fake News, Politische Korrektheit, Klimastreiks, Corona und vieles andere, mit dem wir heute mehr oder weniger selbstverständlich leben.
Ob früher alles besser war? Oder auch schlechter? Urteilen Sie selbst.
Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung.
Ihre
Claudia Rossbacher
Wien, im Sommer 2021
Prolog
Ich sehe dich an.
Du bist schön.
Strahlend schön
wie die Sonne,
um die sich alles dreht.
Gleißend hell stehst du da,
gleich einer Göttin.
Unnahbar, unerreichbar
am Firmament deines Ruhms.
Bist du nicht einsam?
So allein dort oben?
Ohne die Nähe,
nach der du dich sehnst?
Ohne die Liebe,
nach der du dich verzehrst?
1
Donnerstag, 8. März 2007
Für Clara Bodenstein war es ein ganz normaler Donnerstagmorgen. Wie jeder Donnerstag, an dem sich die Chefredakteurin des Boulevardmagazins UP – Unter Promis – nicht auf Geschäftsreise befand. Oder sich einen ihrer seltenen Urlaubstage gönnte.
Pünktlich um 6.30 Uhr stöckelte sie den gläsernen Korridor entlang, vorbei an den noch verwaisten Schreibtischen ihrer Mitarbeiter, die in spätestens zweieinhalb Stunden in der Redaktion eintreffen würden, um ihren nervenaufreibenden Arbeitsalltag wieder aufzunehmen. Das hektische Treiben in dem Großraumbüro in der 21. Etage würde wie immer bis zum späten Abend anhalten. Vielleicht sogar bis tief in die Nacht hinein.
Am Ende des Ganges verschwand Clara Bodenstein in ihrem steril anmutenden Büro, dem jegliche private Note fehlte. Es gab hier keine Fotos, keine Pflanzen, keine persönlichen Gegenstände. Nichts, was irgendetwas über ihre Person verraten hätte. Außer, dass sie sich auf ihren Job konzentrierte.
Kurz vor der Jahrtausendwende war die Journalistin aus Wien dem Ruf der Medienmetropole Berlin gefolgt, in der sie sich seither mit viel Talent und noch mehr Einsatz Schritt für Schritt nach oben kämpfte. Inzwischen war sie fast am Ziel ihrer ehrgeizigen Träume angelangt. Spätestens mit 40, also in knapp zwei Jahren, würde sie auch noch den letzten Sprung schaffen. Bis ganz nach oben in die 22. Etage des Glaspalastes. Jene Etage, die den Vorstandsmitgliedern des Alex-Reiter-Verlages vorbehalten war. Wenn sie weiterhin ihre Kräfte in die Arbeit investierte und im richtigen Moment ihren unwiderstehlichen Charme einsetzte, würde es mit dem Vorstandsposten schon klappen. Davon war Clara felsenfest überzeugt.
Zu dieser frühen Stunde fiel das milchige Licht der noch zaghaften Frühlingssonne durch die gläserne Fassade ihres Eckbüros, das sie nach ihrer Beförderung zur Chefredakteurin bezogen hatte. Von hier aus genoss sie den atemberaubenden Blick auf Berlin, bis endlich das grüne Lämpchen der Espressomaschine zu blinken aufhörte. Die erste Tasse Kaffee war ihr heilig. Clara liebte es, ihn in aller Ruhe zu genießen. Mit viel Milchschaum. Besonders an den Donnerstagen, wenn nicht nur die UP erschien, sondern auch all die anderen bunten Klatschblätter, die Einblicke ins Leben der Promis und Stars gewährten. Die Konkurrenzbeobachtung war zwar längst an ein Marktforschungsunternehmen ausgelagert, das regelmäßig Berichte ablieferte, doch Clara zog es vor, sich selbst einen unmittelbaren, ungefilterten Überblick über die Society-News der vergangenen Woche zu verschaffen. Lieber vertraute sie der eigenen Urteilsfähigkeit als irgendwelchen Marktforschern. Die Ergebnisse ihrer Analysen archivierte sie fein säuberlich in den schwarzen Ordnern im Jalousieschrank, der bis knapp unter die Decke reichte. Man konnte ja nie wissen, wofür diese Aufzeichnungen eines Tages gut sein würden. Hier oben war die Luft schon recht dünn. Und es war in jedem Fall besser, stets wachsam und gut vorbereitet zu sein. Vor allem auf Angriffe aus den eigenen Reihen.
Clara liebte ihren wöchentlichen Blick über den Tellerrand. Überhaupt, wenn sie wie gerade eben zufrieden feststellte, dass sie einen hervorragenden Job gemacht hatte. Die Reportage über Steffen Wolke würden die Leserinnen verschlingen. Vor allem wegen der Fotostrecke, die den Soap-Star aus »Hier und jetzt« sexy wie nie zuvor zeigte. Die Titelstory der aktuellen UP-Ausgabe war ohnehin nicht zu toppen. Ihre Mitbewerber mussten früher aufstehen, wollten sie ihr das Wasser reichen. Clara war ihnen wie so oft um die berühmte Nasenlänge voraus.
Gestern Nachmittag hatte Saskia Hansen, die junge Society-Reporterin, die Clara vor wenigen Monaten vom größten Konkurrenten aus Hamburg abgeworben hatte, gerade noch rechtzeitig grünes Licht von der Rechtsabteilung eingeholt. Und heute Morgen prangte die Headline groß und fett, vor allem aber exklusiv, am druckfrischen UP-Titel.
Unfassbarer Verdacht gegen TV-Star:
Hat Henning Bach Sandra S. (21) vergewaltigt?
Clara nahm einen Schluck von ihrem Caffè Latte und leckte sich genüsslich den Milchschaum von der Lippe. Wieder einmal hatten sich die exzellenten Kontakte, die sie im Laufe der Jahre aufgebaut hatte, und die sie sorgsam hegte und pflegte, als ihr wertvollstes Kapital erwiesen. Ein kleiner inoffizieller Hinweis von offizieller Polizeistelle hatte ihr zum Exklusiv-Interview mit der bisher völlig unbekannten Sandra S. verholfen, die den beliebten TV-Star vor zwei Tagen angezeigt hatte und behauptete, von ihm vergewaltigt worden zu sein. Im Laufe eines tränenreichen Interviews hatte die junge Frau kein noch so schmutziges Detail ausgelassen. Clara hatte der Wasserstoffblondine zu bedenken gegeben, dass die Story gehörig Staub aufwirbeln und ziemlich sicher das Ende einer vielversprechenden Schauspielerkarriere bedeuten würde. Doch Sandra S. war standhaft bei ihrer Geschichte geblieben.
Fairerweise hatte die Chefredakteurin dem Beschuldigten eine Chance eingeräumt, zu den schweren Vorwürfen gegen seine Person Stellung zu beziehen. Doch Henning Bach hatte Clara, die seit seinen Anfängen als austauschbarer Nebendarsteller wohlwollend über ihn berichtet hatte, reichlich brüsk an sein Management verwiesen, das jeden Kommentar verweigerte. Mit diesem folgenschweren Fehler musste er nun leben. Clara konnte und wollte ihm nicht mehr helfen. Warum auch? Es gab keinen Grund Sandra S.’ Erzählungen anzuzweifeln. Sie war ein unbeschriebenes Blatt, eine junge hübsche Frau, deren Idol sie angeblich schamlos missbraucht hatte. Saskia hatte ihre Vergangenheit lückenlos überprüft. Und Henning Bach war geliefert. Als mutmaßlicher Vergewaltiger konnte er sich von seinem süßen Starleben erst einmal verabschieden. Höchstwahrscheinlich sogar für alle Zeiten.
In ungefähr einer Stunde würden die Telefone in der Redaktion heißlaufen, wusste Clara. Wenig später würde ihr Jan Decker, der Geschäftsführer des UP-Magazins und Vorstandsmitglied des Reiter-Verlages, zur brisanten Exklusiv-Story gratulieren. Die Auflage würde sich verkaufen wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Und Decker sie dafür lieben. Noch mehr, als er es ohnehin schon tat. Das war der anstrengendste Teil an ihrem Job.
Ständig musste sie sich ihren Boss vom Hals halten, ohne ihn zu vergrämen. Seit er sich für ihre Beförderung zur Chefredakteurin höchstpersönlich starkgemacht hatte, wie er nicht müde wurde zu betonen, war er hinter ihr her. Dabei hatte seine Frau Betty damals erst entzückende Zwillingstöchter zur Welt gebracht. Clara war selbst kein Kind von Traurigkeit und wahrscheinlich eine der wenigen Frauen, die davon überzeugt waren, dass Sex nicht zwangsläufig mit Liebe einhergehen musste. Oftmals war sogar das Gegenteil der Fall. Sie konnte sich an einige ziemlich heiße Nummern mit Männern erinnern, die ihr weder vorher noch nachher etwas bedeutet hatten. Ob sie gebunden waren oder nicht, war ihr dabei stets herzlich egal gewesen. Das mussten die Typen schon mit ihrem Gewissen ausmachen. Doch Jan Decker war für sie tabu. Nicht wegen Betty oder den Zwillingen, sondern weil Clara einem ihrer wichtigsten professionellen Prinzipien folgte: »Never fuck the office.« Sie hatte es bisher nicht nötig gehabt, sich nach oben zu schlafen. Und sie hatte nicht vor, diesen Grundsatz jemals zu brechen. Auch nicht für Decker, der trotz seiner Mitte 50 durchaus eine Sünde wert war. Was Clara betraf, so würde sie erst mit ihm schlafen, wenn er woanders sein Geld verdiente. Doch dann saß sie bereits auf seinem Vorstandssessel. Und das Interesse an ihr war damit vermutlich jäh erloschen.
Clara blickte in den Spiegel ihrer Puderdose, legte ein wenig Lipgloss auf ihre markant geschwungenen Lippen auf. Bis Jan Decker sein Büro in der 22. Etage für sie räumte, wollte sie ihn wenigstens mit ein paar zusätzlichen Marktanteilen beglücken, dachte sie schmunzelnd und steckte ihr Schminkzeug in die Handtasche zurück.
2
Für Mona Ettinghaus war dieser Donnerstagmorgen alles andere als ein ganz normaler, war er doch der letzte in ihrem Leben, das gerade einmal 43 Jahre lang gedauert hatte. Seit elf Tagen galt die Geschäftsführerin des Ettinghaus-Verlages nunmehr als vermisst. Daran hatten weder die beinahe Rund-um-die-Uhr-Ermittlungen des LKA Berlin noch die guten Beziehungen der einflussreichen Unternehmerfamilie Ettinghaus etwas ändern können.
Anfangs war der schwerreiche Verlegerclan – genau wie Kriminalhauptkommissar Frank Schütte – davon ausgegangen, dass das prominente Familienmitglied Opfer einer Entführung geworden war. Monas schwarzer Nobel-Geländewagen war auf einem Restaurant-Parkplatz in unmittelbarer Nähe des Lehnitzsees, etwa zehn Kilometer nördlich von Berlin, aufgefunden worden. Ihre Krokotasche, das Handy und ein paar Akten hatten im versperrten Wagen gelegen. Eine Lösegeldforderung war bisher nicht eingegangen. Von der Verlegerin, die ihre Firma an einem Montagabend wie gewöhnlich gegen 19 Uhr verlassen hatte, fehlte jede Spur.
Mittlerweile hatten auch die Medien Wind vom Verschwinden der Mona Ettinghaus bekommen und übertrafen sich gegenseitig mit den wildesten Spekulationen über ihr mögliches Schicksal. Doch nichts, was die Presse bisher erfunden hatte, reichte auch nur annähernd an die so viel grausamere Realität heran.
Monas nackter, blutleerer Körper und der kahl geschorene Schädel ließen ihren Leichnam wie eine Schaufensterpuppe aussehen, die mit gespreizten Armen und Beinen an ein Andreaskreuz an der Wand gefesselt war. Der blasse Kopf hing leblos vornüber, die tiefe Schnittwunde in der Kehle verbergend, aus der inzwischen alles Blut gewichen war. Von den Körpersäften, die auf dem Fliesenboden des Kellers eine übel riechende Lache gebildet hatten, und den Blutspritzern auf den weißen Wandfliesen war nichts mehr zu sehen, so sauber waren sie mit dem Wasserschlauch abgespritzt worden.
Genauso sauber, wie Monas penibel enthaarter Leichnam, den nie wieder jemand zu Gesicht bekommen sollte. Außer ihr geisteskranker Mörder, der sein perverses Ritual noch nicht zu Ende geführt hatte.
3
»Jetzt beruhige dich bitte, Jackie! Ich bin dein Agent und will wie immer nur dein Bestes.« Mark Konrad stand vor dem hohen französischen Fenster in seinem Schöneberger Loft und starrte in den trostlosen, vom langen Winter gezeichneten Innenhof, während er beschwichtigend ins Telefon sprach. Wieder einmal versuchte er, das beste und nervöseste Pferd in seinem Stall zu beruhigen. Doch Jackie Benz hatte sich fix in den Kopf gesetzt, ihre Biografie schreiben zu lassen. Und nichts und niemand konnte sie davon abbringen. Nicht einmal der geduldige, souveräne Mark, der seit mehr als drei Jahren der Agent der wohl bekanntesten deutschsprachigen Schauspielerin war. So lange wie er hatte es noch keiner mit der launischen Diva ausgehalten. Es war zum Verzweifeln. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund bildete sich die Primadonna des deutschen Spielfilms ein, dass es just an ihrem 45. Geburtstag, der in fünf Monaten anstand, mit ihrer Karriere vorbei sein würde. Die zahlreichen Rollenangebote, die sie in den letzten 22 Jahren mehr oder weniger auf dem Silbertablett serviert bekommen hatte, würden schlagartig ausbleiben. Davon war sie felsenfest überzeugt.
Was auch immer Mark Konrad an Argumenten vorbrachte, die Benz rückte keinen Millimeter von ihrem Vorhaben ab. Sie wollte dem angeblich bevorstehenden Karrieretief unbedingt mit ein paar skandalträchtigen Enthüllungen entgegenwirken.
»Jackie, bitte! Das hast du doch gar nicht nötig«, flehte Mark, der bereits eine gute halbe Stunde mit Engelszungen auf sie einredete.
»Was ich nötig habe und was nicht, bestimme ich immer noch selbst. Schließlich geht es hier um meine Karriere, von der auch du ganz gut lebst«, erwiderte Jackie scharf.
»Wie du meinst. Aber vergiss bitte nicht, dass ich dich davor gewarnt habe. Du machst dir jede Menge Feinde mit diesem Buch.«
»Na und? Das halte ich aus. Ich weiß schon, mit wem ich mich anlegen kann und mit wem nicht. Schließlich bin ich lange genug in diesem verdammten Business. Und ich gedenke es auch weiterhin zu bleiben. Bis zum letzten Atemzug, wenn du es genau wissen möchtest. Also, sieh zu, dass du Clara Bodenstein überzeugst. Ich will, dass sie meine Biografie schreibt«, forderte sie lautstark.
Mark seufzte. »Okay«, gab er sich geschlagen. »Ich versuche es.«
»Das reicht mir aber nicht. Ich will sie. Und nur sie. Hast du mich verstanden?«
»Ach, Jackie«, sagte Mark. »Wenn du schon in ein Wespennest stichst, dann aber gleich mitten hinein. Deine Promi-Geschichten und Clara Bodensteins gnadenlose Schreibe … Ich hoffe nur, dass ich in diesem Teufelswerk nicht erwähnt werde.«
»Teufelinnenwerk, mein Lieber, Teufelinnen. Mal sehen. Wenn du artig bist und mir die Bodenstein als Autorin verschaffst, könnte ich eventuell auf eine Erwähnung deiner ohnehin etwas farblosen Person verzichten.«
»Danke.« Mark schluckte.
»Ich meine es ernst.«
»Das war mir klar. Ich kenne dich schon länger.«
»Sobald die Bodenstein unterschrieben hat, soll die neue PR-Tante die Öffentlichkeit informieren, dass ich mit der Chefredakteurin der UP an meiner Biografie arbeite. Also hopp, hopp, mein Lieber! An die Arbeit! Und halte mich gefälligst auf dem Laufenden.«
»Du ziehst das also wirklich durch?«
»Volles Programm, Mark. Und ich werde es genießen, mit anzusehen, wie gewisse Leute zittern. Aus Angst vor der Wahrheit.« Die Vorstellung schien Jackie prächtig zu amüsieren.
Mark hingegen jagte ihr boshaftes, kehliges Lachen unbehagliche Schauer über den Rücken. Vielleicht war es an der Zeit, Jackie loszuwerden, überlegte er, nachdem das Telefongespräch beendet war. Mittlerweile vertrat er mit seiner Agentur etliche bekannte Namen, die alle gutes Geld im Film- und Fernsehgeschäft verdienten. Darunter auch ein paar vielversprechende Nachwuchstalente, die ihm besonders am Herzen lagen. Schließlich waren es die Stars von morgen, die mit ihren künftigen Gagen dafür sorgen würden, dass er von seinem Zehn-Prozent-Anteil auch später ein angenehmes Leben führen konnte. Ob er es riskieren konnte, sein bisheriges Zugpferd Jackie Benz zu verlieren? Oder war es dafür zu früh?
Wieder einmal beschloss Mark, diese schwierige Entscheidung zu vertagen. Stattdessen drückte er die Taste auf der Telefonanlage, die ihn mit seiner Sekretärin im Vorzimmer verband. Wenngleich sie mittlerweile an die 50 sein musste, war Fanny immer noch sein Mädchen für alles. »Bring mir doch bitte einen doppelten Espresso«, sagte er und ließ sich erschöpft auf seinen Lederstuhl fallen.
»Kommt sofort«, antwortete die vertraute Stimme aus dem Vorzimmer, die wie meistens resolut und fürsorglich zugleich klang.
Mark griff erneut zum Telefon, diesmal, um Katrin Schäfer anzurufen. Er kannte die kluge, unscheinbare Katrin von früher, als sie mit seinem ehemaligen Kommilitonen und Mitbewohner liiert gewesen war. Seit ein paar Jahren war sie Cheflektorin im Ettinghaus-Verlag. Jenem Verlag, der die meisten Prominenten-Biografien in Deutschland veröffentlichte. Und deren Geschäftsführerin seit Tagen vermisst wurde.
Vielleicht war Mona Ettinghaus einfach nur untergetaucht? Mit einem neuen Lover. So etwas kam schließlich auch in besseren Kreisen vor. Oder war sie doch entführt worden? Aber warum gab es dann keine Lösegeldforderung? Vielleicht war bei der Entführung irgendetwas schiefgelaufen, sinnierte Mark, während er in der Warteschleife des Verlages hing. Er würde Fanny bitten, ihn mit Katrin zu verbinden, wenn sie ihm den Kaffee brachte. Er wollte schon auflegen, als eine Frauenstimme seine Gedanken unterbrach.
»Sie möchten Frau Schäfer sprechen?«
Mark bejahte.
»Einen kurzen Moment noch, bitte.«
Niemand würde Clara Bodenstein ein Projekt besser verkaufen können als Katrin, die als ihre Busenfreundin galt, kehrte er gedanklich zum Grund für seinen Anruf zurück. Freilich hätte er die attraktive, aber arrogante Chefredakteurin des UP-Magazins selbst kontaktieren können. Er kannte sie ja von diversen Medienevents und Filmpreisverleihungen. Doch Clara Bodenstein löste jedes Mal eine Unsicherheit in ihm aus, wie er sie zuletzt als Halbstarker empfunden hatte.
Wann immer sie sich begegneten, schien sie ihn nicht einmal wahrzunehmen. Als wäre er Luft für sie. Der Umweg über Katrin Schäfer war eindeutig die bessere Strategie, um die Klatschtante der Nation für Jackies Skandalbiografie zu gewinnen, glaubte Mark. Und damit sollte er wie so oft auf das richtige Pferd setzen.