Czytaj książkę: «Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen», strona 58

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3. Begründung, Übertragung und Verlust des Besitzes

a) Unmittelbarer Besitz

935

Der unmittelbare Besitz wird durch Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft begründet. Solche Ergreifung erfolgt nicht durch Willenserklärung im Sinne der Rechtsgeschäftslehre, sondern setzt nur – aber immerhin – eine bewusste Entschließung des Besitzergreifenden voraus, die auf Besitzbegründung gerichtet ist. Solcher Entschluss kann generalisierender Art sein und muss sich dann nicht am individuellen Stück aktualisieren.

Beispiele:

Anbringung eines Haus-Briefkastens; das gilt aber dennoch und deshalb nur für bestimmungsgemäße Sendungen, nicht für postalische Irrläufer oder unbefugt von Dritten eingeworfene Sachen, an denen dann zwar Gewahrsam, jedoch kein Besitz besteht). Weitere Beispiele betreffen alle Gegenstände in einer Wohnung oder einem Behördengebäude, aber auch in Bussen und Zügen einer Verkehrsgesellschaft (§ 978).

936

Geschäftsfähigkeit ist dementsprechend nicht erforderlich, jedoch das Bewusstsein der Handlung und die grundsätzliche Einsicht in ihre Bedeutung (der Schlafende und das Neugeborene mögen reflexhaft etwas ergreifen, erst das Schulkind kann unmittelbaren Besitz an seinen Alltagsgegenständen begründen, wobei es zumeist aber eher Besitzdiener seiner Eltern sein wird).

937

Besitz wird meist durch Übertragung vom bisherigen Besitzer erlangt (derivativer Erwerb).[47] Dies kann in Einzelrechtsnachfolge geschehen oder in Gesamtrechtsnachfolge.[48] Die Einzelnachfolge in den unmittelbaren Besitz kann auf körperlicher Übergabe der Sache beruhen, § 854 Abs. 1. Für den erforderlichen Besitzbegründungswillen gilt das zuvor gesagte und zwar auf Seiten des Erwerbers wie des Veräußerers des Besitzes, so dass ein einsichtsfähiges Kind unabhängig von seiner nur beschränkten Geschäftsfähigkeit Besitz ebenso ergreifen wie übergeben kann; eine von ihm übergebene Sache ist dem Minderjährigen, der selbst Besitzer ist, nicht i.S.d. § 935 abhanden gekommen. Der Besitzerwerb nach § 854 Abs. 1 ist ein Realakt.

Gibt ein Minderjähriger dagegen als Besitzdiener seiner Eltern eine Sache unbefugt weg, kommt sie den Eltern als Besitzer durchaus abhanden i.S.d. § 935

aa) Ausnahme: durch bloße Einigung nach § 854 Abs. 2

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Wenn der Erwerber sich die Gewalt über die Sache selbst verschaffen kann, genügt nach § 854 Abs. 2 zum Besitzübergang ausnahmsweise eine bloße Einigung mit dem bisherigen Besitzer. Typisches Beispiel hierfür ist die Übergabe der Schlüssel zu einer Wohnung oder zu eingeschlossenen Waren, wodurch allein die Gewalt über das Grundstück oder die Waren und damit der unmittelbare Besitz hieran noch nicht erworben werden, sondern der Erwerber nur in die Lage versetzt wird, die Gewalt auszuüben.[49]

Beispiel:

Ist der Erwerber zur Ausübung der Herrschaftsgewalt ohne Besitzeinweisung (also ohne Übergabe der Sache) aufgrund der tatsächlichen Umstände in der Lage, genügt nach § 854 Abs. 2 ein (dinglicher) Vertrag des Inhalts, dass der Besitz übergehe, also der Erwerber sich selbst die Sache nehmen dürfe. So z.B. hinsichtlich offenliegender Grundstücke ohne Umfriedung oder von im Wald lagerndem Holzeinschlag, bei dem die „Abfuhrerlaubnis“ (als zweiseitiges Rechtsgeschäft) den Besitzerwerb nach § 854 Abs. 2 vollzieht (das Gesetz will den Beteiligten schlicht den gemeinsamen Weg „bei Wind und Wetter“ ersparen). – Nicht hiermit zu verwechseln ist die Übereignung beweglicher Sachen durch bloße Einigung nach § 929 S. 2 in Fällen, in denen der Erwerber bereits Besitzer ist: etwa bei Veräußerung an einen Mieter. § 854 Abs. 2 betrifft eine Form des Besitzerwerbs, § 929 S. 2 setzt ihn als bereits erfolgt voraus.

bb) Durch Besitzdiener

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Erwerb des unmittelbaren Besitzes kann ohne Weiteres durch Einschaltung eines Besitzdieners (vgl. § 855) erfolgen, an den die Sache ausgehändigt wird. Dagegen ist Stellvertretung im rechtsgeschäftlichen Sinne im Fall des § 854 Abs. 2 möglich, weil diese Form des Besitzerwerbs rechtsgeschäftlichen Charakter hat. Im Übrigen ist (rechtsgeschäftliche) Stellvertretung nur bei der Begründung des mittelbaren Besitzes durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses (vgl. § 868) und bei der Übertragung des mittelbaren Besitzes durch Abtretung des Herausgabeanspruchs (vgl. § 870) denkbar.

b) Mittelbarer Besitz

940

Der mittelbare Besitz wird begründet durch Schaffung eines sog. Besitzmittlungsverhältnisses i.S.d. § 868: z.B. Nießbrauch, Pfandrecht, Pacht, Miete oder Verwahrung. Weitere wichtige Fälle[50] sind der Eigentumsvorbehaltsverkauf, Sicherungsübereignungen, die Verkaufskommission sowie Lager-, Fracht- und Speditionsgeschäfte. Besitzmittlungsverhältnis ist aber auch der Verkaufsauftrag und die auftragslose Geschäftsführung im Hinblick auf den Herausgabeanspruch nach § 667.[51] Entscheidend ist der gültige Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers gegenüber dem Besitzmittler. So wird ein unmittelbarer zum mittelbaren Besitzer, in dem er einem anderen den unmittelbaren Besitz im Rahmen z.B. einer Vermietung oder Pfandgabe überträgt, aber auch umgekehrt in dem der Vermieter von seinem Vermieterpfandrecht (vgl. § 562) Gebrauch macht und die verstrickten Sachen in Besitz nimmt (vgl. § 562b Abs. 1 S. 2). Umgekehrt kann ein unmittelbarer Besitzer auch Besitzmittler werden, so z.B. bei der Sicherungsübereignung nach § 930, bei der der Sicherungsgeber die Sache in seinem unmittelbaren Besitz behält und als unmittelbarer Fremdbesitzer den Besitz dem Sicherungsnehmer als mittelbarem Eigenbesitzer vermittelt.

941

Die Übertragung mittelbaren Besitzes erfolgt durch Abtretung des besitzmittelnden Herausgabeanspruchs (vgl. § 870). Die Person des Besitzmittlers als unmittelbarer Besitzer ist hierin in keiner Weise eingebunden und besitzt deshalb künftig ggf. für einen (neuen) mittelbaren Besitzer, ggf. auch ohne diesen zu kennen. Solche Übertragung des mittelbaren Besitzes erfolgt rein rechtsgeschäftlich durch Forderungsabtretung nach § 398.

aa) Besonderheiten des Wertpapierrechts

942

Lade-, Lagerschein und Konnossement als kaufmännische Wertpapiere nach § 363 HGB verbriefen den Herausgabeanspruch auf die gelagerten, transportierten oder verschifften Güter und vermitteln damit den Besitz (daher sog. Traditionspapiere; vgl. §§ 448, 475g oder 524 HGB).

Sind sie an Order gestellt (vgl. § 363 Abs. 2 HGB), können sie durch Indossament übertragen werden; diese wertpapiermäßige Übertragung (vgl. §§ 364 f. HGB) überträgt den Herausgabeanspruch und damit den mittelbaren Besitz nach § 870. Das Indossament umfasst zu seiner Wirksamkeit einen gültigen Begebungs- (Übertragungs)Vertrag.

Fehlt es an diesem (in Folge mangelnder Geschäftsfähigkeit oder späterer wirksamer Anfechtung nach § 142), erlangt der Indossatar (Erwerber) zwar den – natürlich kondizierbaren – Besitz am Papier, der ihm die Legitimation für den wertpapierrechtlich verkörperten Herausgabeanspruch verschafft, er erlangt jedoch keinen mittelbaren Besitz an der Ware.

Derart als Nichtberechtigter ohne mittelbaren Besitz kann der Erwerber die Ware nach BGB (nur) nach §§ 931, 934 Alt. 2 weiterveräußern. – Allerdings hätte der Erwerber hier ja Besitz am indossierten Traditionspapier. Dann steht seine (wirksame) (Weiter-) Indossierung mit Papierübereignung an einen Dritten nach §§ 448, 475g oder 524 HGB (jeweils S. 2) „der Übergabe“ und also der Verschaffung unmittelbaren Besitzes an der Ware gleich, so dass in dieser wertpapierrechtlichen Form auch dem nur formal Legitimierten eine Weiterverfügung (wie nach §§ 929, 932, 935 Abs. 1) möglich wäre (Verkehrsschutz des an Order gestellten Traditionspapiers). Vgl. nachf. Rn. 1191; ebenfalls bereits Beispiel Rn. 920.

bb) Erwerb/Übertragung mittelbaren Besitzes durch Stellvertreter

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Als rechtsgeschäftliche Übertragung kann der mittelbare Besitz mittels Stellvertreter erworben werden; in fremden Namen und mit Vertretungsmacht handelnd erwirbt der Vertreter den mittelbaren Besitz nicht selbst, sondern dem Vertretenen (z.B. als Vertreter des Zessionars bei der Abtretung des Herausgabeanspruchs oder des Verpfänders bei der Pfandgabe einer Sache).

Beispiel:

Der Vertreter kann zugleich selbst unmittelbarer Besitzer und also der Besitzmittler sein. So z.B. bei der Veräußerung von vermietetem Wohnungseigentum, wenn der Mieter die Auflassung an den Erwerber (vgl. §§ 873 Abs. 1, 925) im Beurkundungstermin als Vertreter des vielleicht entfernt wohnenden Erwerbers annimmt, der hierzu dann nicht eigens anzureisen braucht; Vertreter kann aber auch ein Besitzdiener (§ 855) sein.

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Beim Erwerb des mittelbaren Besitzes durch Einschaltung eines Dritten dürfen jedoch nicht Vollmacht („Innenverhältnis“) und Auftrag („Außenverhältnis“) verwechselt werden. Wird ein selbstständiger Handelsvertreter (§ 84 Abs. 1 HGB) als Einkaufsvertreter beauftragt und soll er den Kaufgegenstand gleich selbst entgegennehmen, so handelt er bei der dinglichen Einigung zum Eigentumserwerb nach § 929 S. 1 als Vertreter des Erwerbers. Nicht aber beim Besitzerwerb: zwar wird der Erwerber mittelbarer Besitzer, dies aber aufgrund des im Handelsvertreterverhältnis liegenden entgeltlichen Geschäftsbesorgungsverhältnisses mit dem darin begründeten Herausgabeanspruch nach §§ 675, 667 (der Handelsvertreter nimmt insoweit gerade nicht vertretungsweise einen Herausgabeanspruch des Veräußerers an, sondern begründet vielmehr einen solchen erst und gerade durch die auftragsgemäße Warenannahme durch Insichkonstitut oder antizipiertes Besitzkonstitut).

4. Beendigung des Besitzes

945

Der Verlust des Besitzes vollzieht sich beim unmittelbaren Besitz, indem die tatsächliche Sachherrschaft verlorengeht (vgl. § 856). Geschieht solches unfreiwillig (z.B. die verlorene Sache, das entlaufene Tier, aber auch durch Diebstahl genauso, wie durch die Unterschlagung durch einen Besitzdiener), ist die Sache i.S.d. § 935 abhanden gekommen. Gutgläubiger Erwerb des Eigentums hieran scheidet dann aus (vgl. auch §§ 1007 Abs. 2, 1006 Abs. 1 S. 2). Eine Sache kann dem unmittelbaren Besitzer auch abhanden kommen, obwohl im selben Vorgang die Begründung mittelbaren Besitzes liegt: so, wenn ein Mieter die ihm noch nicht übergebene Sache dem Vermieter gegen dessen Willen entwindet. Unterschlägt der Mieter die Sache nachfolgend durch Veräußerung an einen Gutgläubigen, so scheidet gutgläubiger Erwerb deswegen aus; der Vermieter hat die Vindikation nach § 985 und die Klage aus § 1007 Abs. 2.

946

Der mittelbare Besitz endet, wenn das Besitzmittlungsverhältnis wegfällt. Das ist der Fall, wenn die Sache dem unmittelbaren Besitzer abhanden kommt oder dieser den unmittelbaren Besitz aufgibt oder einem Dritten überträgt, ohne dass dieser Dritte einen Herausgabeanspruch gegen den bisherigen Oberbesitzer anerkennen würde.[52] Bei freiwilliger Aufgabe des unmittelbaren Besitzes durch den Besitzmittler unter Beendigung jedes Besitzmittlungsverhältnisses liegt für den mittelbaren Besitzer kein Abhandenkommen der Sache vor, selbst wenn er z.B. mit der Unterschlagung durch Veräußerung nicht einverstanden war (anders ist die Unterschlagung durch einen Besitzdiener aber Abhandenkommen). Schließlich kann der mittelbare Besitz des Oberbesitzers ohne gleichzeitigen Verlust des unmittelbaren Besitzes beim Besitzmittler verlorengehen, nämlich indem der Besitzmittler die Sache unterschlägt, um sie als Eigenbesitzer zu behalten (z.B. der Mieter gibt die Mietsache wahrheitswidrig als verloren aus oder nutzt die Unkenntnis des Erben vom mittelbaren Erbenbesitz nach § 857 aus und unterdrückt die Sache).

5. Besitzwirkungen

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Besitz bzw. das Besitzrecht ist das an einer Sache bestehende, also dingliche Recht gegenüber jedermann (absolutes Recht), das – automatisch – mit der Sachherrschaft verbunden und inhaltlich durch diese begrenzt ist. Besitz berechtigt dementsprechend zu jedem Umgang mit seinem Gegenstand, an dem es besteht, soweit solcher Umgang dem Innehaben entspricht. Regelmäßig bedeutet Besitz also das Recht zum funktionsadäquaten Gebrauch und zwar – und das ist der eigentliche Regelungszweck[53] – unter Ausschluss anderer, soweit diesen nicht ebenfalls ein Besitzrecht (Mitbesitz, mittelbarer Besitz etc.) oder ein anderes besonderes Recht zur Einwirkung (als Rechtfertigungsgrund) zusteht. Besitzschutz ist damit Teil einer allgemeinen Friedensordnung. Sie verweist jeden, der einen faktischen Besitzstand verändern möchte, auf den Rechtsweg und wehrt so Selbsthilfe, Selbstjustiz ab.

a) Rechtsscheinwirkung und Vermutungswirkung

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Daraus folgen eine Rechtsscheinwirkung und eine prozessuale Vermutungswirkung des Besitzes. Der Besitz begründet einen Rechtsschein für die Verfügungsbefugnis seines Inhabers über das Besitzobjekt (vgl. §§ 932 ff., 892, 893 – „Erwerbsfunktion“)[54] und eine prozessrechtliche Vermutung (vgl. §§ 1006, 891) für das „bessere“ Recht des fehlerfrei Besitzenden als mutmaßlichem Eigentümer (Eigenbesitzer).[55] Das ist die eigentliche rechtliche Bedeutung des Besitzschutzes (dazu sogleich ausf. unter Rn. 957 ff.: Rechtswirkungen des Besitzes in Bezug auf das Eigentum).

b) Abwehr verbotener Eigenmacht

949

Besitzschutz setzt bei der Abwehr verbotener Eigenmacht (vgl. § 859) an. Dem Besitzer werden dafür in engen Grenzen ein sofortiges Gewaltrecht (vgl. § 859; so auch dem Besitzdiener, vgl. § 860) und daneben Klagerechte (vgl. §§ 861, 862 und den „Abholanspruch“ nach § 867) gegeben. Dass damit auch unberechtigter Besitz etwa eines Diebes gegen Dritte geschützt und so seine Besitzlage als unberechtigter Eigenbesitzer in gewisser Weise stabilisiert wird, nützt letztlich dem wahren Berechtigten (im Hinblick auf das Auffinden und die Beweislage). Dass auch der Berechtigte Selbsthilfe gegen den Dieb nur „sofort“ (vgl. § 859 Abs. 2, 3) verüben darf, gewährleistet einen Rechtsfrieden.

aa) Besitzschutzklagen

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Praktische Bedeutung haben die Besitzschutzklagen nicht. Sie konkurrieren weitgehend mit den Schadensersatz-, Unterlassungs- und Beseitigungsklagen des § 823 Abs. 1, die den (jedenfalls berechtigten) Besitz als „sonstiges Recht“ gleichermaßen gegen verbotene Eigenmacht schützen. Wie sich deshalb Mieter und Pächter zum Schutz des ihnen überlassenen Besitzes (nicht ihres vertraglichen Forderungsrechts auf Besitzeinräumung!) auf § 823 Abs. 1 stützen können, gilt dies umso mehr für Besitzer, welche aufgrund eines dinglichen Rechts zum Besitz besitzen (Nießbraucher, Pfandgläubiger oder gar der Eigentümer).

951

Zwar vereinfacht und beschleunigt § 863 possessorische (Besitzschutz-) Klagen, indem (petitorische)[56] Einwendungen des Störers, also solche aus seinem (eventuell besseren) Recht zum Besitz, ausgeschlossen werden. Dadurch soll – vorläufig – die frühere, der verbotenen Eigenmacht vorangegangene Besitzlage wiederhergestellt werden. Auch der besser Berechtigte soll die Besitzlage eben nicht durch Selbsthilfe verändern können, sondern hätte ggf. Herausgabeklage erheben müssen (etwa der Vermieter einen Mieter also nicht eigenhändig auf die Straße setzen darf). Aber auch diese Sanktion ist praktisch wenig bedeutsam.[57]

Beispiel:

§ 863 bestimmt, dass die (freilich ggf. nur vorläufigen) Besitzschutzrechte unabhängig vom Recht zum Besitz und deshalb u.U. auch gegenüber einem an sich besser Berechtigten bestehen (auch der Bestohlene darf, wenn er nicht die sofortige Besitzkehr vermag, das Diebesgut später nicht durch Selbstjustiz beim Täter zurückholen).

952

Bedeutung verbleibt der verbotenen Eigenmacht als Gegenstand des Besitzschutzes nach § 823 Abs. 1 und des Gewaltrechts (Selbsthilferecht des Besitzers) nach § 859.[58] Verbotene Eigenmacht ist die widerrechtliche Besitzentziehung oder Besitzstörung (vgl. § 858 Abs. 1). Geschützt ist nur der unmittelbare Besitz, nicht ein eventuelles Besitzmittlungsverhältnis. Der mittelbare Besitzer kann nach § 869 zwar ebenfalls rückführende (rekuperatorische) Maßnahmen ergreifen, jedoch nicht wegen Verletzung seines mittelbaren, sondern nur wegen verbotener Eigenmacht gegenüber dem unmittelbaren Besitz. Insofern kann der mittelbare Besitzer seinerseits verbotene Eigenmacht gegenüber dem unmittelbaren, nicht aber umgekehrt der unmittelbare Besitzer verbotene Eigenmacht gegenüber dem mittelbaren Besitzer verüben. Unterschlägt der Besitzmittler z.B. die Mietsache, kann sich der mittelbare Besitzer (Vermieter) dessen „nur“ petitorisch aufgrund des Besitzmittlungsverhältnisses oder ggf. seines Eigentums nach §§ 985, 823 Abs. 1 erwehren.

953

Besitzentziehung und -störung unterscheiden sich darin, ob der Täter für sich selbst Besitz begründet (dann insoweit Entziehung) oder er ohne Begründung eigenen Besitzes den Besitzer an der Besitzausübung hindert, sei es selbst oder ihm zurechenbar durch Dritte (ein Vermieter ist ebenfalls Störer hinsichtlich ruhestörenden Lärms seiner Mieter gegenüber Nachbarn). Die gerichtliche Geltendmachung unberechtigter Ansprüche, ortsübliche Immissionen (vgl. § 906), werden diese auch als noch so störend empfunden, oder durch die Rechtsordnung gestattete Beeinträchtigungen[59] sind niemals verbotene Eigenmacht. Soweit der unmittelbare Besitzer mit Eingriffen einverstanden ist („natürlicher“ Wille genügt hier ebenso wie für Besitzbegründung und –übertragung), liegt ebenfalls keine verbotene Eigenmacht vor. Bedeutsam ist dies insb. für die Besitzwehr oder Besitzkehr durch den mittelbaren Besitzer nach § 869, mit welcher er sich nicht in Widerspruch zum Willen des unmittelbaren Besitzers setzen darf (und zwar auch dann nicht, wenn der unmittelbare Besitzer gegen die Vorschriften des Besitzmittlungsverhältnisses verstoßen sollte, z.B. unberechtigte Überlassung oder Untervermietung einer Wohnung durch den Mieter an Dritte).

bb) Gewaltrechte

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Gegen verbotene Eigenmacht hat das Opfer sofortige Gewaltrechte während der noch andauernden Störung (vgl. § 859 Abs. 1). Bei Besitzentziehung bestehen diese auch gegen den auf frischer Tat betroffenen oder verfolgten Täter im Falle der Wegnahme einer beweglichen Sache (vgl. § 859 Abs. 2) und sofort nach der Entziehung von Grundbesitz gegen den Besetzer (vgl. § 859 Abs. 3). Durch Besitzentziehung erlangt der Täter tatsächliche Sachherrschaft und damit Besitz nach § 854 Abs. 1. Der so erlangte Besitz ist nach § 858 Abs. 2 S. 1 fehlerhaft. Bedeutung hat die Fehlerhaftigkeit des Besitzes nur gegenüber dem Opfer (relative Fehlerhaftigkeit). Nur das Opfer (und für es ggf. ein Besitzdiener, § 860, oder ein mittelbarer Besitzer, § 869) hat die Gewaltrechte. Dritten gegenüber ist die Fehlerhaftigkeit des Besitzes insoweit unerheblich (jedoch Möglichkeit der Nothilfe nach § 227 Abs. 2 Alt. 2 auch zu Gunsten fremder Vermögensrechte, die durch Selbsthilfe nach § 229 ausgeübt werden kann, wenn staatliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen, aber sofortiges Eingreifen geboten ist). Nach fruchtlosem Verstreichen der Ausübungsfrist für die Gewaltrechte stehen dem Opfer sodann die besonderen possessorischen Besitzschutzklagen der §§ 861, 862 zu Gebote, die wiederum an eine Jahresfrist nach der verbotenen Eigenmacht gebunden sind (vgl. § 864 Abs. 1).

955

Umgekehrt trifft die Fehlerhaftigkeit des Besitzes nicht den Täter der verbotenen Eigenmacht, sondern stets auch seinen Gesamtrechtsnachfolger (z.B. dem Erben des Täters), aber auch einen Einzelrechtsnachfolger, der von der Fehlerhaftigkeit wusste (vgl. § 858 Abs. 2 S. 2, und für die Gewaltrechte nochmals ausdrücklich in § 859 Abs. 4).

956

Besonderheiten des Selbsthilferechts bestehen unter Mitbesitzern, die nach § 866 keine Gewaltrechte und auch keine Besitzschutzklagen untereinander hinsichtlich der Grenzen ihres jeweiligen Gebrauchsrechts haben (Notwehr und Selbsthilfe nach §§ 227, 229 sind im Rahmen ihrer Voraussetzungen dadurch nicht beschränkt).