Czytaj książkę: «Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen», strona 32

Czcionka:

1. Anweisung als Grundform

482

Beispiel einer Anweisung ist der (echte)[205] Lieferschein, mittels welchem der Einlagerer den Lagerhalter zur Abgabe bezeichneter Waren an den Anweisungsempfänger anweist; Ähnliches gilt auch für den Lagerschein (vgl. §§ 475c, d HGB), allerdings weist dort der Lagerhalter sich selbst zur Aushändigung an.

Die Bedeutung des Lagerscheins liegt aber ganz anders als diejenige von Anweisung oder Lieferschein in der Eigenschaft als Traditionspapier, vgl. § 475g HGB, welche hierfür ergänzend voraussetzt, dass der Lagerschein nach § 475d Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 als Inhaberpapier oder Orderpapier ausgestellt wurde; daraus folgt dann eine besondere Übertragbarkeit unter erhöhtem Verkehrsschutz (z.B. Ermöglichung gutgläubigen Erwerbs auch abhandengekommener Inhaberpapiere, vgl. § 935 Abs. 2, bzw. nach § 365 Abs. 1 HGB, Art. 16 Abs. 2 WG des Orderpapiers) des „an Order gestellten“ Papiers.[206] Die Anweisung nach BGB kennt dagegen keine Orderklausel, wohl aber die handelsrechtliche Anweisung nach § 363 Abs. 1 S. 1 HGB („wenn sie an Order lauten“).[207]

a) Leistungspflicht

483

Der Angewiesene (Bezogene) wird erst durch seine Annahme (§ 784 Abs. 1) zur Leistung verpflichtet. Die Annahme ist gleichfalls ein abstrakt gültiger Formalakt (§ 784 Abs. 2 S. 1). Nimmt der Bezogene die Anweisung an, kann er der Zahlung an den Remittenten Einreden aus dem Valutaverhältnis nicht entgegen setzen; er begibt sich also eventueller Zurückbehaltungsrechte etc. In Fällen ungestörten Deckungsverhältnisses, z.B. aufgrund Girovertrags mit der angewiesenen Bank, ist der Angewiesene zwar zur Zahlung an den Dritten (Remittenten) jedenfalls bereits dem Anweisenden gegenüber verpflichtet, nicht aber zur Annahme einer Anweisung, § 787 Abs. 2.[208]

b) Rechtswirkungen

484

Die Annahme ist ein Formalakt aus schriftlicher Annahmeerklärung und Begebung der Urkunde an den Empfänger (§ 784 Abs. 2).

485

Ohne bzw. vor Annahme ist der Bezogene im Regelfall aufgrund Geschäftsbesorgungsvertrags nur dem Aussteller verpflichtet, auf die Anweisung hin und insoweit auch an den Dritten zu zahlen. Dies folgt aus der Kontoeröffnung, welche die Einlösung z.B. von Schecks umfasst, sofern diese vom Aussteller ordnungsgemäß ausgefüllt sind und Deckung vorhanden ist, sei es aus Guthaben, sei es aus Kreditgewährung (§§ 675, 675f Abs. 3 S. 2). Dies bezeichnet man als das sog. Deckungsverhältnis. Die Zahlung an den Dritten unternimmt der Bezogene entsprechend als Erfüllung seiner Pflicht aus diesem Deckungsverhältnis (er „leistet“ an den Aussteller, wo er an den Dritten „zahlt“). Bedeutung hat dies für die Rückabwicklung im Falle von Mängeln im Deckungs- oder Valutaverhältnis. Die Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1) hat die Bank (Bezogene) nur gegen den Aussteller. Gegen den Dritten bliebe ihr allenfalls die Kondiktion wegen Bereicherung in sonstiger Weise (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2); allerdings scheitert diese am Vorrang der Leistungskondiktion, weil aus Sicht des Zahlungsempfängers (Dritten) zwar keine Leistung der Bank, wohl aber des Ausstellers, nämlich aufgrund des Deckungsverhältnisses, vorliegt. Für ihn ist die Bank nur Zahlstelle seines Schuldners, mit dem allein er abzurechnen hat. Der Anweisungsempfänger (Remittent) hat die Forderung (aus der Annahme) „durch Leistung“ des Anweisenden erworben und nicht „in sonstiger Weise“. Ausnahmen bestehen nur im Hinblick auf § 822 und bei Anweisungen von Geschäftsunfähigen oder gefälschten Anweisungen.

486

Wie der Anspruch des Remittenten erst aus der Annahme entsteht, braucht der Angewiesene nur gegen Aushändigung der von ihm angenommenen Anweisung an ihn zu leisten (§ 785). Der Urkundsbesitz ist dann Quittung für die Zahlung und dient zugleich gegenüber dem Aussteller als Nachweis der Legitimation zur Leistung auf dessen Rechnung. Ist die angenommene Anweisung abhandengekommen, so muss der Angewiesene, wenn er überhaupt zahlt, nach § 371 S. 2 vorgehen und Zug um Zug Bestätigung verlangen, dass die Schuld aus der Anweisung erloschen sei.

c) Übertragung

487

Die Anweisung kann vom Empfänger jederzeit durch schriftliche Erklärung und Aushändigung der Urkunde auf einen Dritten übertragen werden (§ 792 Abs. 1). Der Anweisende kann die Übertragung ausschließen (§ 792 Abs. 2). Die Übertragung der Anweisung unterscheidet sich danach, ob der Angewiesene sie bereits angenommen hatte. Nur in diesem Fall ist der Anweisungsempfänger Inhaber einer Forderung, nämlich aus der Annahme. Die Übertragung der Anweisung erfolgt dann nach den für die Abtretung einer Forderung geltenden Vorschriften (§ 792 Abs. 3 S. 2).

488

Vor Annahme scheidet eine Abtretung folglich aus. Wenn § 792 Abs. 1 S. 1 a.E. dennoch eine Übertragung vorsieht, handelt es sich um eine Substitution.[209] Der Remittent stellt mit der Übertragung dem dritten Empfänger eine erneute Anweisung auf denselben Bezogenen aus, dem dadurch eine weitere Ermächtigung zur Zahlung nunmehr an den Ersatzmann erteilt wird. Die Forderung entsteht dann erst mit Annahme durch den Bezogenen gegenüber dem Dritten (vgl. § 792 Abs. 3 S. 1), was im Unterschied zur Forderungsabtretung (vgl. § 404) zum Verlust von Einwendungen führt.

d) Erlöschen

489

Die Anweisung erlischt mit Erbringung der angewiesenen Leistung. Vor ihrer Annahme und Ausfolgung der angewiesenen Leistung[210] kann die Anweisung vom Aussteller jederzeit frei widerrufen werden (§ 790). Dieser Widerruf ist beim Scheck als Sonderform der Anweisung ausgeschlossen (Art. 32 ScheckG), allerdings besteht der uneingeschränkte Handelsbrauch zur Beachtung jedes Scheckwiderrufs durch stillschweigendes Abbedingen von Art. 32 ScheckG. Tod und Eintritt der Geschäftsunfähigkeit eines der Beteiligten bringen die Anweisung nicht zum Erlöschen (§ 791).

e) Anweisung an einen Kaufmann

490

Die handelsrechtliche Anweisung, vgl. §§ 363–365 HGB, setzt Kaufmannseigenschaft des Angewiesenen voraus und darf in ihrer Wirkung nicht von einer zu erbringenden Gegenleistung abhängig gemacht sein. Sie kann auch an (eigene) Order gestellt werden. Besondere Formen der Anweisung sind sodann Scheck und Wechsel, für welche besondere Regelungen im ScheckG und WG gelten.

f) Akkreditiv

491

Das Akkreditiv ist keine Anweisung und kein Wertpapier, sondern dient der Zahlungssicherung, zumeist im internationalen Warenverkehr zwischen Exporteur und Importeur. Dabei beauftragt ein Käufer eine Bank zu einer Auszahlung unter bestimmten formalen Voraussetzungen (z.B. Vorlage von Lieferdokumenten beim sog. Dokumentenakkreditiv). Die Bank eröffnet das Akkreditiv sodann gegenüber dem Verkäufer durch ein (ggf. entsprechend bedingtes) abstraktes Zahlungsversprechen – zumeist durch Zwischenschaltung einer Korrespondenzbank im Land des Zahlungsempfängers. Der Verkäufer erhält eine Sicherheit im Hinblick auf seine Vorleistungspflicht.

2. Wechsel als Wertpapier

492

Das Wesen der Anweisung ist die Doppelermächtigung. Der Bezogene (die Bank) wird ermächtigt, die angewiesene Summe im eigenen Namen an den Remittenten auszuzahlen und der Remittent wird ermächtigt, die Zahlung im eigenen Namen vom Bezogenen anzunehmen. Eine Verpflichtung des Bezogenen auf Auszahlung an den Remittenten entsteht dadurch noch nicht. Erst die Annahme schafft den Verpflichtungsgrund. Bedeutung hat dies vor allem für den dadurch eintretenden Ausschluss von Einwendungen. Der Angewiesene kann nach Annahme Einwendungen aus seinem etwaigen Rechtsverhältnis zum Aussteller dem Empfänger der Anweisung nicht mehr entgegensetzen (§ 784 Abs. 1 HS. 2). Die Verpflichtung aus der angenommenen Anweisung ist eine abstrakte. Dies spiegelt sich in der Übertragung der Anweisung (§ 792) wieder.

Wird die bereits angenommene Anweisung nach den Regeln der Abtretung (§§ 792 Abs. 3 S. 2, 398) übertragen, so geht die (abstrakte) Forderung mit allen gegen sie gerichteten (selbstverständlich nicht denjenigen aus dem Grundverhältnis, die durch § 784 Abs. 1 HS. 2 abgeschnitten sind) Einwendungen nach Zessionsrecht auf den neuen Empfänger (Zessionar) über. Erst wenn der Bezogene (erneut) gegenüber Letzterem annimmt, werden wiederum die Einwendungen auch aus dem Verhältnis zum vorangehenden Anweisungsempfänger ausgeschlossen.

Die Bedeutung von Wertpapieren liegt nun darin, dass die Urkunde (das Wertpapier) aus sich selbst heraus (konstitutiv) einen klagbaren Anspruch (wechselrechtliche Verpflichtung) schafft, der in der Hand des berechtigten Inhabers von Einreden aus (allen) früheren Kausalverhältnissen (Valuta- und Deckungsverhältnisse) unabhängig ist. Diese Funktion übernimmt für den Wechsel Art. 17 WG. Dadurch verbessert sich die Umlauffähigkeit erheblich. Hinzu kommt, dass beim Wechsel jeder Inhaber, der den Wechsel weiter überträgt, sich ebenfalls zur Zahlung verpflichtet (Art. 15 Abs. 1 WG, sog. Garantiefunktion). Da auch auf diese Verpflichtung der Einwendungsausschluss nach Art. 17 WG anzuwenden ist, erhöht sich die Kreditwürdigkeit des Wechsels beim Umlauf durch jede Übertragung. Diese konstitutive Wirkung des Wertpapiers als Urkunde führt sodann dazu, dass strenge Formalanforderungen an die Erstellung und Übertragung des Wechsels gestellt werden und seine Übertragung sich nicht nach der zugrundeliegenden Forderung richtet, sondern das Eigentum am Papier der Urkunde maßgeblich ist.

3. Entstehung der Wechselobligation

493

Die Wechselschuld ist Skripturschuld. Ihre Gültigkeit setzt die Entsprechung mit den Formalien des Art. 1 WG voraus (vgl. Art. 2 Abs. 1 WG). Durch die Ausstellung des Wechsels wird der Bezogene zunächst nur ermächtigt, an den im Wechsel bezeichneten Remittenten zu zahlen (und diese Zahlung als Leistung im Deckungsverhältnis mit dem Aussteller zu verrechnen). Eine wechselmäßige Verpflichtung entsteht erst durch die Annahme (Wechselakzept, vgl. Art. 28 Abs. 1 WG).

Die Annahmeerklärung ist dabei nicht an den Aussteller, sondern an den Remittenten gerichtet. Sobald der Remittent den Wechsel erlangt und dabei (konkludent) die Annahmeerklärung des Bezogenen annimmt, kommt zwischen beiden ein wechselmäßiger Verpflichtungsvertrag zustande. Dadurch wird eine selbstständige Wechselverbindlichkeit begründet, die vom Grundverhältnis und entsprechenden Einreden unabhängig (abstrakt) ist. So kann der Bezogene („Akzeptant“) nach erklärter Annahme („Akzept“) gegenüber dem Remittenten keine Einreden aus dem Grundverhältnis zum Aussteller erheben (z.B. Erfüllung nach § 362), es sei denn, dass der Remittent beim Erwerb des Wechsels bewusst zum Nachteil des Schuldners gehandelt hat (vgl. Art. 17 WG). Noch weitergehender setzt die abstrakte Annahmeerklärung auf dem Wechsel einen Rechtsschein dergestalt, dass auch sie selbst und damit also den abstrakten Verpflichtungsvertrag treffende Einreden ausgeschlossen sind (so die herrschende Rechtsscheintheorie); stets vorausgesetzt, dass der Anspruchsteller diesbezüglich gutgläubig ist (z.B. Irrtum, Täuschung, Drohung, vgl. Rn. 497).

4. Übertragung des Wechsels

494

Anspruchsteller aus dem Wechsel als Wertpapier kann nur der berechtigte Inhaber sein. Maßgeblich hierfür ist das Eigentum an der Urkunde selbst, das nach §§ 929 ff. übertragen wird. Dies gilt für die Übertragung an den Remittenten gleich wie für spätere Abtretungen. Während der Remittent notwendigerweise bereits auf der Urkunde vermerkt sein muss, setzt die weitere Übertragung ein sog. Indossament (Art. 11 ff. WG) voraus. Dieses hat die Bestimmung zum Inhalt, dass nunmehr an den Indossatar gezahlt werden solle.

a) Übertragungsvertrag und Verpflichtungsvertrag

495

Hierbei sind nun zwei vertragliche Vorgänge streng zu unterscheiden: Einerseits der sachenrechtliche Übertragungsvertrag (§ 929 S. 1), andererseits der durch Wechselakzept bzw. für die weiteren Übertragungen durch Indossament gegenüber dem Empfänger angebotene wechselmäßige Verpflichtungsvertrag. Für die Geltendmachung des Wechselanspruchs ist allein das wirksam erlangte Eigentum – damit der sachenrechtliche Übertragungsvertrag – maßgeblich. Erleichterung bietet die widerlegliche Vermutung zu Gunsten des Besitzers des Wechsels, sofern er formell durch eine ununterbrochene Kette von Indossamenten namentlich (aber auch durch Blankoindossamente) legitimiert ist (Art. 16 Abs. 1 WG). Außerdem hindert es den Eigentumserwerb eines Gutgläubigen nicht, wenn der Wechsel zuvor „irgendwie abhanden gekommen“ ist (Art. 16 Abs. 2 WG).

Damit ist der gutgläubige Erwerb des Wechsels und mithin des daraus folgenden Anspruchs sehr weitgehend möglich. Damit steht allerdings noch nicht fest, dass der Eigentümer des Wechsels gleichzeitig eine Wechselforderung auch gegen alle diejenigen erlangt hat, deren Unterschriften der Wechsel aufweist. Vielmehr muss die wechselmäßige Verpflichtung jedes Einzelnen festgestellt werden. Diese wiederum richtet sich allein nach dem Verpflichtungsvertrag des jeweils in Anspruch zu Nehmenden. Hierfür gilt dann der bereits erwähnte Art. 17 WG zum Ausschluss persönlicher Einreden gegenüber früheren Wechselinhabern sowie der Ausschluss von Einwendungen auf der Grundlage der Rechtsscheintheorie (vgl. den Beispielsfall in Rn. 499).

b) Einreden aus dem Grundgeschäft

496

Art. 17 WG schneidet aufgrund der abstrakten Natur des Wechselverpflichtungsvertrags alle Einreden aus der Nichtigkeit des Grundgeschäfts (Bereicherungseinrede) und seiner Umwandlung in ein Rückschaffungsverhältnis (durch Rücktritt gem. § 346 Abs. 1 BGB) gegenüber all denjenigen Wechselinhabern ab, denen gegenüber die Einreden aus dem Grundverhältnis nicht unmittelbar bestehen. Geschützt werden also der Zweiterwerber und weitere spätere Erwerber.

Beispiel:

Der Wechsel hat Kreditfunktion und wird ausgestellt, akzeptiert und übertragen zur Erfüllung von Forderungen, etwa auf Auszahlung eines Darlehens. In diesem Grundverhältnis erfolgt auch die Abrechnung der späteren Auszahlung an einen Dritten. Läge insoweit eine Forderungsabtretung (§ 398) vor, könnten dem Abtretungsempfänger als neuem Gläubiger Einwendungen des Schuldners nach §§ 404–407 entgegengesetzt werden. Dies könnten z.B. Zurückbehaltungsrechte, Bereicherungseinreden, Stundung, Aufrechnung sein. Art. 17 WG schneidet diese ab und schafft so die Abstraktheit des Wechsels. Das Gläubigerrecht ist grundsätzlich durch nichts anderes begrenzt als durch den Inhalt der Urkunde selbst. Der Inhaber muss darüber hinaus nur mit denjenigen Einreden rechnen, die gerade gegen ihn persönlich bestehen.

c) Mängel im Übertragungs- oder Verpflichtungsvertrag

497

Die wechselmäßige Verpflichtung ist nicht nur von Einwendungen aus den Grundverhältnissen früherer Inhaber unabhängig, sondern es werden auch alle Entstehungsmängel und Mängel der wechselmäßigen Übertragungsverträge dadurch geheilt, dass die Urkunde selbst einen Rechtsschein begründet, der zu Gunsten gutgläubiger späterer Nehmer rechtserzeugend wird (Rechtsscheintheorie). Geschützt ist nur der redliche rechtsgeschäftliche Zweiterwerber und auch dies nur, soweit der Rechtsschein demjenigen, der ihn gesetzt hat, rechtlich zurechenbar ist.

Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen ohne die erforderliche Zustimmung ist der durch ihre Beteiligung gesetzte Rechtsschein nicht zurechenbar. Der Schutz durch die §§ 104 ff. geht dem Schutzinteresse des Wechselverkehrs vor. Gleiches gilt bei Fälschung einer Unterschrift und Verfälschungen im Text des Wechsel (vgl. Art. 69 WG). Schließlich wird auch der vollmachtlos Vertretende nur verpflichtet, wenn er zumindest den Anschein einer Vollmacht gesetzt hat (vgl. § 177). Auch in diesen Fällen heilt zwar Art. 16 Abs. 2 WG den wechselrechtlichen Übertragungsvertrag, nicht aber entsteht eine wechselmäßige Verpflichtung.

Hinsichtlich anderer Mängel des Verpflichtungsvertrags tritt hingegen durch redlichen Zweiterwerb Heilung ein (vgl. Rn. 492 a.E.).

498

Ist der Wechsel abhanden gekommen, fehlt es auch am Verpflichtungsvertrag; Gleiches gilt, wenn ein solcher durch Täuschung oder Drohung oder in anderer Weise sittenwidrig zustande gekommen war. Die wechselmäßige Verpflichtung kann überdies zwar wirksam entstanden, aber inzwischen durch Erfüllung oder Aufrechnung erloschen sein. Der Dieb, Täuschende oder Drohende etc. wird zwar selbst nicht Gläubiger, kann aber seinem redlichen rechtsgeschäftlichen Nachfolger das Vollrecht verschaffen (und zwar die formelle Legitimation über Art. 16 Abs. 2 WG und die Gläubigerschaft aufgrund des Rechtsscheins).

Einwendungen, die sich aus dem Inhalt der Urkunde selbst ergeben, schließen auch die Verpflichtung gegenüber einem Gutgläubigen aus (z.B. die Klausel „ohne obligo“, vgl. Art. 15 Abs. 1 WG).

d) Wechselverpflichtung

499

Aus dem Wechsel verpflichtet sind nach Maßgabe des Vorstehenden der Akzeptant (Art. 28 WG), der den Wechsel angenommen hat, sodann der Aussteller (Art. 9 WG) und jeder Indossant (Art. 15 WG). Soweit der Akzeptant den Wechsel bei Verfall nicht bezahlt, stehen dem Inhaber gegen den Indossanten, den Aussteller und evtl. weitere Wechselverpflichtete Rückgriffsansprüche zu (vgl. Art. 43), die dann jedoch einen rechtzeitig eingelegten Protest voraussetzen. Die notwendigen Formalien des Protests ergeben sich aus Art. 79 ff. WG.

Beispiel (Ausgangsfall):

A (Aussteller) hat eine Wette mit der minderjährigen R (Remittent) verloren und stellt aus Geldnot einen eigenen Wechsel (sog. Solawechsel, vgl. Art. 3 Abs. 2, 75 ff. WG: „auf den Aussteller selbst gezogen“) über die Wettsumme aus, den er an R begibt. Diese indossiert den Wechsel an ihre Mitbewohnerin I (Indossant), der sie gleichfalls Geld für einen von I übernommenen Wocheneinkauf ihrer studentischen Wohngemeinschaft schuldet. Ansprüche der I gegen A und R?

1. Ansprüche der I gegen A: I könnte gegen A wechselrechtliche Ansprüche nach Art. 78 Abs. 1, 28 WG haben, sofern ein formgültiger Wechsel vorliegt, sie Eigentümerin der Urkunde ist (Recht am Papier) und keine Einwendungen gegen das Recht aus dem Papier durchgreifen. a) Die zwingend notwendigen Bestandteile des Solawechsels ergeben sich aus Art. 75 f. WG (des – auf einen anderen – gezogenen Wechsels aus Art. 1–10 WG); im Zweifel handelt es sich um einen Sichtwechsel (Art. 75 Nr. 3, 76 Abs. 2 WG), der bei Vorlage fällig ist (Art. 33 Abs. 1, 34 Abs. 1 S. 1 WG). Davon ist hier auszugehen. b) I gilt jedenfalls als Eigentümerin der Urkunde, wenn sie durch eine ununterbrochene Reihe von Indossamenten legitimiert ist (widerlegliche Vermutung nach Art. 16 Abs. 1 WG), außer, ihr kann die fehlende materielle Berechtigung am Wechsel nachgewiesen werden. Die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 WG sind hier erfüllt. I konnte aber materiell nicht Eigentümerin der Urkunde werden. Sie leitet ihr Eigentum von R ab, die trotz Minderjährigkeit zwar selbst Eigentümerin von A werden konnte (vgl. § 107: lediglich rechtlich vorteilhafter Eigentumserwerb der R, vgl. dazu Rn. 46). Für die Weiterübereignung durch R an I greift § 107 dann allerdings nicht und der Eigentumserwerb der I (der sog. Übereignungs- oder Begebungsvertrag nach § 929 S. 1) ist nach § 108 schwebend unwirksam. Ohne Berechtigung der I am Wechsel hat sie aber keine wechselrechtlichen Ansprüche (vgl. dazu Rn. 493).

2. Ansprüche der I gegen R: I könnte möglicherweise Zahlung von R beanspruchen. a) I hätte wechselrechtliche Ansprüche nach Art. 77 Abs. 1, 15 Abs. 1 (Garantiefunktion des Indossaments, vgl. Rn. 499), wenn der wechselrechtliche Hauptschuldner, beim Solawechsel also mangels eines Akzeptanten der A nach Art. 77, 43 WG, bei Fälligkeit nicht gezahlt hätte und das durch förmliche Protesturkunde nach Art. 44 Abs. 1, 79 ff. WG bewiesen würde. Allerdings besteht die Garantiefunktion nur gegenüber einem berechtigten Inhaber, was die I nicht ist, wie bereits festgestellt (die Vermutung des Art. 16 Abs. 1 ist widerlegt worden). – b) I hat aber eine schuldrechtliche Forderung gegen die R aus §§ 670, 662 aus dem Einkauf. Zwar wird die Minderjährige durch § 108 geschützt, allerdings ist davon auszugehen, dass sie den eigenen Hausstand in der Wohngemeinschaft berechtigt begründet hatte und ihre Eltern in alle damit zusammenhängenden Rechtsgeschäft im Voraus generell eingewilligt haben (dazu Rn. 49; alternativ: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1).

Abwandlung des Ausgangsfalls: Was, wenn I die R gutgläubig für volljährig gehalten hatte?

1. Ansprüche der I gegen A: I könnte gegen A dann doch, nämlich gutgläubig, wechselrechtliche Ansprüche nach Art. 78 Abs. 1, 28 WG kraft Rechtsscheins erworben haben. Ein formgültiger Wechsel liegt vor, die I müsste Eigentümerin der Urkunde geworden sein (Recht am Papier) und es dürften keine Einwendungen gegen das Recht aus dem Papier durchgreifen. a) Gegenüber dem Ausgangsfall (Ziff. 1b im Ausgangsfall) könnte I Berechtigte an der Wechselurkunde geworden sein, weil die Widerlegung der Vermutung aus Art. 16 Abs. 1 WG jetzt durch Abs. 2 ausgeschlossen ist (gutgläubiger Erwerb des Rechts am Papier). Zwar schließt Art. 16 Abs. 2 WG nach seinem Wortlaut nur Einwendungen aus dem Abhandenkommen der Urkunde aus, allerdings wird die Vorschrift nach einhelliger Meinung auf alle Übertragungshindernisse erstreckt (Schutz der Transportfunktion des Indossaments, vgl. Rn. 497). Damit gilt I für die Geltendmachung der Art. 78 Abs. 1, 28 WG als Eigentümerin des Wechsels (obwohl R das Eigentum an sie sachenrechtlich nicht verloren hat). b) Daran schließt sich jedoch die Frage an, ob ihr auch das Recht aus dem Papier zusteht. Dem Wechsel liegt eine an sich unwirksame Wettschuld zugrunde (vgl. § 762 Abs. 2: „Wettschulden sind Ehrenschulden“ und können nicht eingeklagt werden; was allerdings auf sie gezahlt wurde, kann auch nicht zurückgefordert werden). Allerdings schließt Art. 17 WG alle Einwendungen aus dem Grundverhältnis aus. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut, der sich nur auf persönliche Einwendungen bezieht, aber wiederum aus Gesichtspunkten des Verkehrsschutzes (gutgläubiger Erwerb des Rechts aus dem Papier; vgl. dazu Rn. 496). Damit kann I gegen A aus dem Wechsel vorgehen.

2. Ansprüche der I gegen R: a) Im Verhältnis I gegen R ändern Art. 16 Abs. 2 und 17 an den fehlenden wechselrechtlichen Ansprüchen nichts (vgl. Ziff. 2a des Ausgangsfalls). Die Rechtsscheintatbestände können zwar sowohl den (sachenrechtlichen) Übertragungs-/Begebungsvertrag als – jedenfalls beim gutgläubigen Zweiterwerb – auch den wechselrechtlichen Verpflichtungsvertrag durch das Indossament (vgl. Art. 15 Abs. 1 WG und dazu Rn. 498) heilen. Die Garantiefunktion des Indossaments wirkt jedoch trotz Art. 17 WG niemals gegen Minderjährige – hier zeigt sich die Bedeutung der Trennung von Übertragungsvertrag und Verpflichtungsvertrag (vgl. Rn. 495, 497).

b) Da I nun aber wechselrechtliche Ansprüche gegen A hat, wird man hinsichtlich der schuldrechtlichen Forderung gegen R (Ziff. 2b des Ausgangsfalls) davon ausgehen müssen, dass durch den erfüllungshalber (vgl. § 364 Abs. 2) von R an I begebenen Wechsel implizit eine Abrede dahin getroffen wurde, dass die I vorrangig gegen A vorzugehen habe. Die Forderung gegen R aus §§ 670, 662 ist damit einstweilen einredebehaftet bis feststeht, dass A nicht leisten wird.