Czytaj książkę: «Harry in love», strona 4

Czcionka:

„Nachdem meine Tränen versiegt waren, stürzte ich mich in meine Arbeit als Krankenschwester. Auch wenn die Anfangszeit wirklich hart war! Jeden Tag große und kleine Kinder um sich herum zu haben, geht schon ganz schön an die Psyche; und dass es Dir da nicht anders ergeht, zeigt mir Dein Körper, Isabel. Aber ich bin dankbar, dass Du in der Zwischenzeit wieder ein wenig zu Kräften gekommen bist. Das haben wir sicherlich auch unter anderem Deinem Freund zu verdanken?!“ Während Harry eindringlich nickte, wurde Isabel rot. Lindsay lächelte selig. „Aber zurück zum Thema: Auch wenn es komisch klingen mag, aber mit jedem Kinderlachen kam auch meine eigene Kraft wieder zurück. Es baute auf, zu sehen, wenn die Kindertränen vergessen waren, wenn ein gebrochener Arm geschient war oder die Eltern die Kinder nach der Genesung wieder aus dem Krankenhaus abholten. Sie gaben mir Halt, denn sie gaben mir die Bestätigung, dass ich gebraucht wurde. Und wenn ich dann den Kindern wieder eine Märchengeschichte vorlas, dann strahlten mich tausend Kinderaugen dankend an. Sie gaben mir ihre Liebe, weil ich für sie da war, wenn ihre Eltern nicht bei ihnen sein konnten, und ich schenkte ihnen meine. Ich kam somit wieder in Einklang mit mir und meiner Umwelt. Tja, und bei einer Routineuntersuchung im Spätsommer 1984 erfuhr ich dann, dass ich erneut schwanger sei – mit Dir …“, eröffnete Lindsay.

„Hast Du Dich da gefreut oder hattest Du Angst?“, war sogleich Isabels nächste Frage.

Lindsay sah unweigerlich zu Harry herüber. Sie konnte ihm im Gesicht ansehen, dass er sich auf das Kind mit Isabel gefreut hätte.

Lindsay ergriff Isabels linke Hand und strich ihr sanft über den Handrücken. „Zuerst einmal schlug die Information ein wie eine Bombe und ich war am Boden zerstört: Um ehrlich zu sein, kam durch diese Botschaft alles wieder hoch und ich hatte eine wahnsinnige Angst! Nicht, dass ich mir Sorgen darüber machte, ob ich Dich eventuell aufgrund der Vorgeschichte wieder verlieren könnte. Nein, mir machte vielmehr Sorge, was Dein Vater dazu sagen würde. Da ich nicht wusste, zu wem ich hätte gehen können, um mir meine Sorgen von der Seele zu reden, bin ich nach Highgate zu Alice gefahren. Als ich vor ihrem Grab stand und ihr von Dir erzählte, blendete mich plötzlich heftig die Sonne, obwohl der Himmel sonst wolkenverhangen war. Da wusste ich, dass alles gut werden würde! Ich fuhr überglücklich mit dem Bus wieder zurück nach Hause. Wir wohnten zu diesem Zeitpunkt noch über einem Blumenladen. Als ich an dessen Schaufenster vorbeilief, sah ich dort einen Geige spielenden Engel in der Fensterecke sitzen …“

„Der Engel an Deiner Schreibmaschine!“, unterbrach Harry Lindsays Erzählung und sah dabei zu Isabel herüber.

„Genau. Er ist Isabels persönlicher Schutzengel hier auf Erden!“, erklärte Lindsay. „Ich kaufte also diesen Engel und stellte ihn sogleich auf mein Nachtschränkchen neben meinem Bett. Er sollte Dich, liebe Isabel, ab sofort beschützen. Aber es gab noch jemand anderen: Denn in genau dieser Nacht kam Dein Vater unverhofft zurück von seiner Tour. Ich hatte ihn eigentlich erst drei Tage später zurückerwartet. Er erzählte mir damals, dass er gerade im Depot angekommen war, um dort die Ladung für die nächste Station umzuladen, als ihn plötzlich die Sonne heftig blendete, obwohl es ein wolkenverhangener Tag war. Er ließ sogleich alles stehen und liegen und fuhr direkt nach Hause. Als er dann den Engel auf meinem Nachttisch erblickte, wusste er sofort Bescheid. Er beantragte umgehend am nächsten Morgen Sonderurlaub und ließ mich die nächsten sechs Monate nicht mehr aus den Augen. Er wachte mit Argusaugen über Dich und mich. Ich glaube, er war auch einer der ersten Männer im Kreissaal, obwohl dies zu der damaligen Zeit den Männern noch untersagt war; vor allem, da wir ja noch nicht einmal verheiratet waren?!“ Harry und Isabel lächelten gerührt. Lindsay tat es ihnen gleich.

„Ich sollte Dir vielleicht noch etwas erzählen: Die gesamten sechs Monate bis zu Deiner Geburt haben wir nicht ein einziges Mal darüber gesprochen, wie Du heißen solltest. Dein Name stand bereits fest, als Dein Vater in der einen besagten Nacht nach Hause kam. Ich erfuhr ihn jedoch auch erst nach Deiner Geburt.“

„Aber woher wusste denn Dad, dass ich ein Mädchen werde?“

Lindsay lachte. „Ich habe keine Ahnung; er wusste es einfach!“

Mit den Worten „Danke, Mum“ ging Isabel zu ihrer Mutter herüber und nahm sie in den Arm. „Mir geht es jetzt besser. Ich hab Dich lieb.“

„Ich Dich auch, mein Engel!“

„Na, habt ihr Kaffeedurst bekommen?“, fragte Lindsay mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen, als gegen halb fünf am Nachmittag Harry die Treppe von Isabels Zimmer herunter ging und zu Lindsay in die Küche kam. Harry schüttelte den Kopf. Besorgt blickte Lindsay dem Freund ihrer Tochter ins Gesicht. „Was ist mit Isabel?!“

„Sie schläft. Ich glaube, das waren ein wenig viel Informationen auf einmal für sie, die sie da zu verarbeiten hat“, erwiderte Harry matt, der auch ein wenig geschafft wirkte. Lindsay bat Harry sich zu setzen und schob ihm sogleich eine Tasse Kaffee herüber.

„Danke.“

„Und wie geht es Dir?“, fragte Lindsay direkt.

„Ich muss gestehen, dass diese ganzen Informationen auch für mich ein ganz schöner Schock waren und ich möchte nochmals meine aufrichtige Anteilnahme aussprechen. Ein Kind auf natürliche Weise zu verlieren ist ja schon schwer, aber das, was …“

„Reden wir nicht mehr darüber“, unterbrach Lindsay Harry. „Ich weiß Deine Anteilnahme zu schätzen, aber viel wichtiger ist, dass ihr jetzt an Euch denkt!“

„Das ist auch der Grund, warum ich heruntergekommen bin. Ich habe nämlich darüber nachgedacht, was man machen könnte, um Isabel auf andere Gedanken zu bringen und wie ich vielleicht wieder ein glückliches Lächeln auf ihr Gesicht zaubern könnte“, erklärte Harry.

„Das ist eine sehr schöne Idee und an was hast Du dabei gedacht?“, fragte Lindsay.

„Ich dachte daran, mit ihr vielleicht zu verreisen. Möglichst weit weg von hier; irgendwohin, wo es schön warm ist und es viel Sonne gibt! In die Karibik oder so?! Aber ich weiß nicht, ob Isabel da mitmachen würde; schon allein wegen ihrem Vater und der Sache mit dem Kindergarten; eine Vertretung für zwei Tage ist ja kein Problem, aber bei zwei Wochen sieht es sicherlich schon ein wenig anders aus …“, offenbarte Harry.

„Ja, da gibt es einiges zuvor noch abzuklären. Aber ich finde den Gedanken an einen Urlaub nicht schlecht. Harry, um ehrlich zu sein, war Isabel noch nicht ein einziges Mal außer Landes. Es gibt Tage, da beneidet sie ihre Freundin Anabel, denn die reist regelmäßig in der Weltgeschichte umher; zuletzt war sie auf Teneriffa. Wenn wir als Familie Urlaub gemacht haben, dann immer nur in England. Der Einzige von uns, der wenigstens Teile von Europa gesehen hat, oder besser gesagt regelmäßig sieht, ist mein Mann aufgrund seiner Arbeit.“

Harry nickte.

„Ich selbst möchte einmal im Leben nach Frankreich, nach Paris, und den Eiffelturm sehen!“, offenbarte Lindsay schwärmerisch. „Isabel dagegen ist, glaube ich, mehr für die Natur und das Meer zu haben. Deshalb finde ich die Karibik als Urlaubsziel wunderbar; nur, wir haben nicht so viel Geld …“

„Das steht ja wohl außer Frage, dass ich für die Kosten aufkomme!“, unterbrach Harry Lindsay sofort. „Ich würde auch alles andere veranlassen und regeln. Wenn Du für die Zeit, in der Isabel nicht daheim ist, eine Haushälterin benötigen solltest, würde ich sie Dir zur Verfügung stellen. Genauso wie ich mich um eine angemessene Ersatzbetreuung von Isabels Kindern kümmern würde. Melissa käme dafür zum Beispiel wieder in Betracht.“

„Harry, das ist alles sehr lieb und nett von Dir gemeint. Und ich wollte Dir sicher nicht zu nahe treten; es geht nur darum, dass wir es nicht gewohnt sind, einfach so etwas geschenkt zu bekommen. Wir haben uns in unserem Leben bislang alles allein und hart erarbeiten müssen und können demnach nur schwer einfach solche Großzügigkeit annehmen“, erklärte Lindsay und wurde unweigerlich rot.

Harry lächelte. „Ich weiß. Aber Isabel ist nun einmal meine Freundin und demnach ist es für mich eine Selbstverständlichkeit. Gerne arrangiere ich auch eine Reise für Dich und Deinen Mann nach Paris. Ihr sollt schließlich nicht auf der Strecke bleiben! Dein Mann muss ja auch nicht erfahren, von wem die Reise stammt. Vielleicht hast Du mal bei einem Preisausschreiben oder so teilgenommen und rein zufällig nun das große Glück gehabt, den Hauptpreis zu gewinnen …?!“

Lindsay fing sogleich an zu lachen. Harry stimmte mit ein. „Harry, Du bist ein ganz schöner Schelm!“

„Ja, das hat meine Mutter auch immer gesagt“, gab Harry noch immer breit grinsend bekannt. „Also, was ist? Wollen wir versuchen, eine ganze Familie wieder glücklich zu machen? Nicht, dass ihr nicht glücklich seid, aber …“

„Ich weiß schon, was Du sagen willst“, unterbrach Lindsay Harry erneut. „Also gut, einverstanden: Lass uns alles Traurige vergessen und die Glückseligkeit wieder in diese Familie zurückbringen!“

„Schön.“

„Harry?“, fragte Lindsay daraufhin und fuhr dabei einmal um den Tisch herum.

„Ja?!“, kam es mit leichter Skepsis im Blick von Harry, als Lindsay nunmehr direkt neben ihm zum Stehen kam.

„Darf ich Dich jetzt einfach einmal küssen?!“

Noch bevor Harry irgendetwas darauf erwidern konnte, hatte Lindsay ihm auch schon einen dicken Schmatz auf die Wange gedrückt. „Danke.“

Harry errötete unweigerlich und blickte etwas verwirrt zu seiner Schwiegermutter in spe herüber. „Wofür war der denn jetzt?“

„Für alles. Für alles, was Du bisher für uns getan hast! Du bist ein guter Junge. Auch wenn es ein paar Menschen gibt, die das bestreiten würden. Aber ich weiß es besser! Und Deine Mutter wäre stolz auf Dich.“

Harry lächelte verlegen.

Kapitel 3

„Oh Mann, bin ich geschafft!“, rief Keith Canningham, schon während er das Haus betrat, aus. „Aber jetzt ist ja Gott sei Dank erst einmal Weihnachten und danach habe ich eine ganze Woche lang frei!“

Lindsay, die gerade an der Spüle stand, drehte sich um und strahlte ihren Mann an. Er ging zu ihr herüber und küsste sie zärtlich auf die Lippen.

„Das trifft sich gut, dass Du zwischen Weihnachten und Neujahr frei hast, denn ich habe eine kleine Überraschung für Dich!“

„Erfahre ich auch jetzt schon, um was es sich bei Deiner Überraschung handelt oder muss ich noch bis nach Weihnachten warten?“, fragte Keith mit gemischten Gefühlen, denn er mochte Überraschungen nicht sonderlich. Lindsay tat übertrieben so, als ob sie sehr genau abwägen müsste, was sie ihrem Mann jetzt darauf antwortete. Sogleich wurde Keith ungeduldig. Als just in dem Moment auch Isabel zur Tür hereinkam.

„Oh, hallo Dad, Du bist ja schon da! Mum, auch Dir einen schönen guten Abend“, begrüßte Isabel ihre Eltern.

„Hallo Sternchen. Ja, ich bin schon da; ich bin aber auch gerade eben erst reingekommen. Deine Mutter wollte mir übrigens gerade etwas kundtun, aber irgendwie scheint sie vergessen zu haben, was“, provozierte Keith seine Frau.

Verständnislos blickte Isabel zu ihrer Mutter herüber. Lindsay grinste breit. „Also schön, dann will ich Euch nicht länger auf die Folter spannen: Isabel, Dein Vater und ich werden dieses Jahr Silvester nicht daheim verbringen, Du kannst also nun doch die Einladung von Anabel annehmen und mit ihr wieder ins neue Jahr starten,“ gab Lindsay ohne weitere Umschweife bekannt.

„Aha, und wo werden wir stattdessen das Jahr 2012 begrüßen?“, fragte Keith mit knirschenden Zähnen.

„Wir werden womöglich das Neujahr auf dem Eiffelturm willkommen heißen!“ Keith und Isabel sahen beide entgeistert Lindsay an, die sogleich anfing zu lachen. „Ihr guckt beide wie ein Schweinchen ins Uhrwerk. Das eben war kein Scherz, sondern mein völliger Ernst! Ihr könnt es auch gerne noch einmal schriftlich nachlesen. Dort drüben auf der Kommode liegt ein großer blauer Umschlag.“

Isabel flitzte sogleich hinüber und holte den Umschlag. Er war von einem der städtischen Radiosender. Sie zog ein Schreiben aus dem Umschlag und reichte es ihrem Vater, der laut vorlas: „Sehr geehrte Misses Canningham, wir gratulieren Ihnen noch einmal ganz herzlich zu Ihrem Gewinn: Eine einwöchige Reise nach Frankreich, in die Stadt der Liebe! Verleben Sie dort unvergessliche Stunden mit Ihrem Partner und heißen Sie das neue Jahr am Arc De Triumph, auf der Seine oder beim Feuerwerk über dem Eiffelturm willkommen! Anbei erhalten Sie alle notwendigen weiteren Reiseinformationen wie Abflugzeit, Hotelunterbringung usw., usw., bla, bla, bla …“

Fragend sah Keith zu seiner Frau herüber.

„Tja, Du wirst es mir zwar nicht glauben, aber ich habe an einem Radioquiz heute Morgen teilgenommen und gewonnen! Ein Bote hat mir vorhin das Kuvert überbracht“, gab Lindsay noch immer vor Freude strahlend bekannt.

Isabel strahlte nunmehr auch und umarmte ihre Mutter überschwänglich. „Oh Mum, das hast Du Dir doch schon immer einmal gewünscht! Aber warum hast Du mich denn nicht angerufen? Ich hätte mir die Sendung zu gerne im Radio angehört!“, beschwerte sich Isabel auch sogleich.

„Weil das wohl in einer Live-Sendung etwas schwer geht …“

„Stimmt“, kam es deprimiert von Isabel.

„So, und wer von Euch beiden deckt jetzt den Tisch?“, warf Lindsey ablenkend in den Raum.

„Ich! Ich melde mich freiwillig“, gab Isabel bekannt.

„Und, Keith, freust Du Dich wenigstens ein bisschen?“, hakte Lindsay derweil bei ihrem Mann nach.

Er seufzte. „Ich finde es zwar etwas unverantwortlich von Dir, überhaupt bei solch einem Blödsinn mitzumachen. Aber natürlich bin ich auch ein bisschen stolz auf meine Frau. Nur eines macht mir ein wenig Sorgen: Müssen wir irgendetwas selbst bezahlen?“

„Nein, nicht einen Pfund. Alles ‚All Inclusive‘!“, gab Lindsay freudig bekannt.

„Nun denn, so erfüllt sich wenigstens Dein großer Wunsch: Feiern wir also dieses Jahr Silvester in Paris! Und ja, ich freue mich. Ich kann Dir doch sowieso nichts abschlagen und das weißt Du auch ganz genau! Nur schade, dass Sternchen nicht mitkommen kann …“

„Ach Dad, selbst wenn die Möglichkeit bestanden hätte, die Reise auf drei Personen aufzustocken, hätte ich nicht mitkommen wollen: Es sollten Eure zweiten Flitterwochen werden und da würde ich nur stören. Wir können auch noch nächstes Jahr Silvester zusammen feiern; nach so vielen Jahren getrenntem Feiern kommt es nun auf dieses eine Jahr auch nicht mehr an. Zudem werde ich mit Anabel genügend Spaß haben. Du weißt doch: Mit Annie wird es nie langweilig!“, scherzte Isabel.

Keith brummte. „Gerade deswegen mache ich mir ja Sorgen!“

„Keith“, sagte Lindsay und legte ihm ihre Hand auf seine. „Deine Tochter wird in gut zwei Monaten siebenundzwanzig; sie kann allein auf sich aufpassen und hochanständig ist sie doch sowieso!“

Keith seufzte erneut. „Ihr habt ja Recht, trotzdem fällt es einem Vater schwer loszulassen; ich habe mich nun einmal auf unser erstes gemeinsames Silvester nach so vielen Jahren einfach gefreut!“

Sofort kam Isabel herüber und legte ihrem Dad die Arme um den Hals. „Ich weiß, Papa. Wir holen das nach, versprochen! Ich hab Dich lieb.“

„Ach Sternchen …“

Während Isabels Eltern das Jahr 2011 in Paris verabschiedeten, begrüßten Isabel und Anabel in London, zusammen mit anderen jungen Leuten, auf einer Silvesterparty des Club Five das Jahr 2012. Als alle um Mitternacht auf die Straße gingen, um dem Feuerwerk beizuwohnen, wurde Isabel ein wenig melancholisch, da sie Neujahr ohne Harry erlebte. Er hatte bereits die Weihnachtsfeiertage mit seiner Familie in Sandringham verbracht und nunmehr waren alle im Buckingham Palast. Sie hatte zwar gehofft, ihn heute zu treffen, so wie letztes Jahr, doch bisher Fehlanzeige … Als sie daran dachte, wie das vergangene Jahr dabei allerdings endete, konnte sie nur mit dem Kopf schütteln.

Anabel versuchte natürlich, ihre beste Freundin aufzuheitern und abzulenken. Gemeinsam mit Alexander, Anabels Bruder und seiner Freundin Lucy standen sie mit Champagnergläsern auf der Straße und sangen und tanzten. So dass Isabel gar nicht anders konnte, als lachend mitzuziehen. Doch plötzlich blieb sie abrupt stehen und starrte auf den Bürgersteig auf der anderen Straßenseite. Sie glaubte, sich verguckt zu haben und schloss kurz die Augen. Als sie sie wieder öffnete, sah sie noch immer in zwei strahlende, mausgraue Augen. „Ich wünsche allen ein gesundes neues Jahr!“, rief Harry von der anderen Straßenseite zwar an alle gerichtet aus, doch er hatte nur Augen für seine Bell! „Hallo Glöckchen, auch Dir alles Liebe und Gute für 2012. Und jetzt schau mich nicht weiterhin an wie ein Auto, sondern komm verdammt noch mal her!“ Sogleich kam Isabel Harrys Aufforderung nach und fiel ihm sehnsuchtsvoll um den Hals. Ihre Lippen fanden sich zu einem nicht enden wollenden, innigen Kuss.

Plötzlich räusperte sich jemand hinter ihnen. „Ich will ja das turtelnde Paar nur sehr ungern stören, aber dürften wir vielleicht unsere Neujahrsglückwünsche auch noch loswerden?!“, fragte William. Jane stand neben ihm und grinste.

„Das hätte auch nicht noch fünf Minuten mehr Zeit gehabt?“, fragte Harry knurrend und hielt Isabel weiterhin fest an sich gedrückt.

„Nein, denn es ist ein wenig frisch und wir würden gerne in die warmen Räume des Clubs!“, erklärte Jane, die nur eine dünne Stola um die Schultern trug. Harry gab Isabel nur schweren Herzens für einen kurzen Moment frei. Doch kaum waren Jane und William ihre Wünsche losgeworden, zog Harry seine Freundin auch sogleich wieder zurück in seine Arme.

„Ich liebe Dich, Kätzchen!“, flüsterte er an ihren Lippen.

„Und ich liebe Dich! Möge uns das neue Jahr nur Glück bringen!“, gab Isabel bekannt.

„Das wird es; das wird es!“, prophezeite Harry und nahm seine Freundin an die Hand. Doch statt den anderen in den Club zu folgen, lief Harry mit Isabel an der Hand die Straße ein kleines Stückchen weiter rauf und blieb dann dort vor dem Schaufenster eines Reisebüros stehen und platzierte Isabel genau vor sich. Anschließend umarmte er sie von hinten und ließ seinen Kopf auf ihrer rechten Schulter ruhen. „Was würdest Du davon halten, wenn wir Ende Januar für zwei Wochen verreisen?“, fragte Harry vorsichtig.

„Der Gedanke ist sehr verlockend, doch wie stellst Du Dir das vor???“

„Ganz einfach, Du steigst am 27. Januar in ein Flugzeug und lässt Dich von mir in eine völlig andere Welt entführen. Und am 10. Februar kommst Du dann gut erholt wieder in London an.“

Isabel drehte sich zu Harry um und sah ihm verwirrt ins Gesicht.

„Dein Vater ist auf Tour, Deine Mum ist von der Idee begeistert und Anabel würde auch mitkommen. Du musst also nur noch ‚Ja‘ sagen …“, offenbarte Harry.

„Aber ich kann doch nicht für vierzehn Tage die Kita schließen!“, widersprach Isabel trotz alledem.

Harry grinste. „Auch an Deine sechs Rabauken habe ich gedacht. Sie würden in dieser Zeit von Deiner Mutter und Melissa, Marybeth’ ehemaligem Kindermädchen, betreut werden. Melissa hat auch auf Deine Kids aufgepasst, als wir in Freshwater waren. Sie freut sich schon riesig darauf, Deine Zöglinge wiederzusehen.“

„Aber den Flug hast Du noch nicht gebucht, oder?“, hakte Isabel nach.

„Nein, noch nicht. Aber es bedarf lediglich eines Anrufs und die Reise steht.“

„Da habe ich wohl keine Chance ‚Nein‘ zu sagen, oder?“, fragte Isabel rein rhetorisch.

„Nein, eigentlich nicht. Bell, Deine Mutter ist der Meinung, dass es Dir guttun würde, einmal rauszukommen. Und ich bin der gleichen Ansicht. Ich weiß von ihr zum Beispiel auch, dass Du noch nie England verlassen hast und Euer letzter Familienurlaub schon eine ganze Weile zurückliegt. Zudem wollte ich sowieso einmal richtig mit Dir verreisen. Warum nicht also jetzt?!“ Hoffnungsvoll blickte Harry Isabel an. Ihre Unsicherheit stand ihr ins Gesicht geschrieben. Harry strich ihr sanft über die Wange und erklärte völlig ruhig: „Ich kann Dich natürlich nicht zwingen und wenn Deine Antwort ‚Nein‘ sein sollte, dann lautet sie halt ‚Nein‘. Ich bin auch nicht enttäuscht oder böse auf Dich. Denn mir ist nur eines wichtig: Dass Du glücklich bist, Isabel!“

Isabels Miene hellte sich sogleich auf. Dafür entglitten Harry prompt die Gesichtszüge und er stellte sich auf eine Absage ein. Zu seiner Überraschung nickte Isabel jedoch nur freudestrahlend.

„Ist das ein ‚Ja‘?“, fragte Harry trotzdem noch einmal vorsichtig nach.

„Natürlich ist das ein ‚Ja‘! Glaubst Du wirklich, ich würde mir diese Gelegenheit entgehen lassen? Wer weiß, vielleicht ist es ja meine einzige Reise außer Landes?!“, sagte Isabel schlicht.

„Oh Bell! Solange Du mit mir zusammen bist, verspreche ich Dir eines: Es wird nicht die letzte Reise dieser Art gewesen sein! Eher solltest Du Dich bereits jetzt daran gewöhnen, dass Du des Öfteren einfach von heute auf morgen von mir zu einem Urlaub entführt werden wirst“, gab Harry vor Glück überschäumend von sich.

„Und ich kann Dich nicht davon abbringen?“

„Nein, definitiv nicht!“, bestätigte Harry Isabels Vorahnung.

„Also schön. Und wo soll es hingehen?“, fragte Isabel.

Harry grinste breit und tippte Isabel zärtlich neckend auf die Nasenspitze: „Das, meine liebe Bell, wird nicht verraten. Nur so viel: Dort, wo wir hinfliegen, gibt es viel Sonne und blauen Himmel!“

„Super, das kann ja dann so ziemlich überall sein!“

Harry lachte laut auf und zog Isabel fest in seine Arme. Zärtlich küsste er sie aufs Haupt. Anschließend liefen sie zurück zum Club und feierten noch bis weit in die frühen Morgenstunden in das neue Jahr hinein.

„Hallo, Erde an Isabel! Jemand da?“, rief Anabel und tippte ihrer Freundin an die Schulter. Isabel schreckte sogleich hoch. „Hey, ganz ruhig. Ich wollte Dir nur mitteilen, dass wir da sind.“ Fragend sah Isabel aus dem Taxifenster und las die großen Letter über dem Flughafeneingang: HEATHROW Airport. Isabel seufzte. „Alles in Ordnung mit Dir?“, fragte Anabel besorgt.

„Ja, alles okay. Ich habe nur die Nacht nicht schlafen können und nun bekomme ich die Quittung dafür“, gestand Isabel kleinlaut.

Anabel grinste nur. „Ach, das ist doch nicht schlimm, dann schläfst Du halt nachher im Flieger.“ Skeptisch sah Isabel zu ihrer besten Freundin herüber. „Hey Isa, fliegen ist nicht viel anders als mit einer Achterbahn zu fahren. Nach Wales bist Du doch auch geflogen und war es schlimm?“

„Nein, aber das war ja auch nur ein Kurzstreckenflug …“

„Und? Ob Du nun zwei Stunden im Flieger sitzt oder zwölf …“, erwiderte Anabel. Sogleich keuchte Isabel auf. Anabel kicherte und erwähnte: „Warts ab, wenn nachher Harry da ist, dann wirst Du eh alles andere vergessen. Also komm, lass uns das Gate F3.b finden. Nicht, dass wir zu spät kommen und der Flieger schon ohne uns abgehoben hat!“, scherzte Anabel weiter. Doch Isabel sah sogleich wieder panisch auf. Anabel schüttelte nur amüsiert den Kopf und nahm ihre Freundin an die Hand.

Kurz darauf wurden sie in einen privaten, hinter Milchglasscheiben befindlichen VIP-Wartebereich geführt. Außer drei schwarzen Lebercouchen und einem großen Plasmafernsehbildschirm war der Raum leer.

„Sind wir zu spät?“, fragte Isabel prompt.

Anabel kicherte. „Nein, eher zu früh. Soll ich uns mal einen Kaffee holen?“ Isabel nickte dankend und Anabel verschwand kurz hinter der Schiebetür. Zwei Minuten später überreichte sie Isabel eine Tasse Kaffee.

Isabel nahm einen Schluck und ging dann zum Fenster herüber, um sich das geschäftige Treiben im Airport anzuschauen, als sie plötzlich Tumult hinter sich vernahm. Ein großer schlaksiger Typ hatte Anabel von hinten umarmt und drückte ihr gerade einen feuchten Schmatz auf die Wange. Begleitet mit den Worten: „Ah, da ist ja schon meine Schöne! Darf ich Euch einen wahren Goldschatz vor …“ Doch weiter kam der junge Mann nicht, der sich die Frechheit herausgenommen hatte, Anabel zu nahe zu treten. Denn plötzlich traf ihn eine kleine, aber steinharte Faust mitten im Gesicht. Der junge Mann taumelte vor Schreck gleich zwei Schritte rückwärts und sah verwirrt in das Gesicht seines Angreifers. Vor ihm stand eine sehr attraktive junge Frau mit brünetten schulterlangen Haaren und funkelte ihn aus großen, dunkelbraunen Augen, die schon fast schwarz waren, wütend an; bereit, gleich noch einmal zuzuschlagen. Die Frau war nicht Isabel!

Isabel kam stattdessen sogleich panisch angerannt und rief: „Hey, hey! Nicht!“, und riss den Arm des anderen Mädchens herunter, bevor sie zu einem weiteren Schlag ausholen konnte. „Ehm, Annie, darf ich Dir Simon Bangs, Alex’ Arbeitskollegen und Harrys besten Freund, vorstellen?!“

Überrascht schaute Anabel zu dem jungen Mann mit der wilden goldblonden Mähne herüber. Simon wurde sogleich knallrot, während von der Tür ein überaus heiteres Kichern zu vernehmen war.

Isabel und Anabel blickten hinter Simon: Dort standen drei junge Frauen und zwei weitere junge Herren, denen es merklich schwerfiel, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.

„Ist ja schon gut, ihr könnt Euch wieder einkriegen!“, kam es zähneknirschend von Simon, der sich sein linkes Auge rieb und aus der Schusslinie ging.

Eine der jungen Frauen beruhigte sich als Erste wieder und kam breit lächelnd auf Isabel und Anabel zu. „Wenn ich mich kurz vorstellen dürfte: Carmen Donald, aber bitte nennt mich Cam. Du bist sicherlich Isabel. Angenehm. Übrigens, alle Achtung, solch eine Freundin hätte ich auch gern …“, sagte Carmen und reichte nunmehr auch Anabel die Hand.

Dann stellten sich Kevin Spencer und Emily Winters vor. Anabel nickte und nahm anschließend auch die Hand von Vivienne La Rouché und von Mitch Pierse entgegen, welche Isabel ihr vorstellte, da sie sie bereits auf Simons Geburtstagsparty kennengelernt hatte.

„Hallo“, sagte Anabel. „Schön, Harrys Freunde kennenzulernen.“ Danach drehte sie sich zu Simon um, der noch immer an der hinteren Wand stand und sich nicht traute, wieder vorzutreten. Anabel positionierte sich sogleich wieder vor ihm und sah ihn aus zusammengekniffenen Augen finster an.

„Bitte verzeih, das war nur ein Missverständnis! Ich wollte Dir nichts Böses tun, wirklich! Ich dachte, Du seist Isabel …“, versuchte sich Simon zu entschuldigen. Sofort ballte Anabel erneut die Hand zur Faust und ließ sie flink nach vorne schnellen. Simon kniff sogleich die Augen zu und wandte das Gesicht ab. Als er jedoch keinen weiteren Schlag vernahm, drehte er seinen Kopf vorsichtig wieder zu der jungen Frau. Ein süffisantes, breites Grinsen stand in ihrem Gesicht. Simon sah zu ihrer Hand herunter, die geöffnet war, um ihn mit einem Handschlag zu begrüßen.

Alles grölte los.

Verblüfft starrte Simon mit offenem Mund Anabel an. Reflexartig ergriff er dabei ihre ihm gereichte Hand zur Begrüßung und sagte: „Hallo, wenn ich mich noch einmal vorstellen dürfte: Simon Bangs, der beste Freund von Harry.“

„Angenehm, Anabel Baxtor, die beste Freundin von Isabel.“

Simon versuchte ein Lächeln, doch es war nicht mehr als eine unsichere Grimasse.

„Na, da hat doch wohl nicht jemand Angst vor einem Mädchen?!“, zog Kevin sogleich Simon auf. Unweigerlich musste auch Anabel schmunzeln und straffte die Schultern. Simon ging gleich automatisch wieder einen Schritt rückwärts und schlich sich dann schnell zu Isabel her-über, um auch sie begrüßen zu können.

„Was denn, was denn: Jetzt auch noch hinter einem anderen Frauenrock Schutz suchen?“, setzte Mitch noch eins drauf. Sogleich verfielen alle wieder ins Lachen.

Just in dem Moment kam Harry zur Tür hinein. Er strahlte, denn alle schienen sich auf Anhieb gut zu verstehen. Doch als Isabel, nachdem sie ihren Freund entdeckt hatte, sogleich hektisch zu ihm herübergelaufen kam, zog er die Stirn kraus und sah fragend in die Runde.

Kevin, Mitch, Cam, Emily, Vivienne und Anabel grinsten. Nur Simon sah betreten zu Boden und seine Wangen schimmerten rosa. „Simon!“, knirschte Harry mit den Zähnen.

„Lass bloß den armen Jungen in Ruhe!“, rief Emily. „Er hat seine Abreibung schon erhalten.“ Harry machte ein überraschtes Gesicht und sah zu Isabel herunter, die sogleich ihr Gesicht an seiner Brust verbarg.

„Anabel hat Simon bereits in seine Schranken gewiesen“, setzte Vivienne Emilys Äußerung fort.

Kichernd fügte Mitch hinzu: „Im wahrsten Sinne des Wortes!“

Fragend blickte Harry zu Anabel herüber, die nunmehr anstelle von Simon errötete.

„Hätte vielleicht irgendeiner von Euch einmal die Güte, mich komplett aufzuklären?“, fragte Harry, der aus den ganzen Andeutungen nicht recht schlau wurde.

„Ist es dafür nicht schon ein bisschen zu spät …?“, fragte Kevin amüsiert.

„Oh, Kevin. Der Witz ist uralt, und liegt bereits tot im Keller begraben!“, beschwerte sich Vivienne.

„Na und?!“, gab Kevin mit einem Schulterzucken von sich und setzte sich auf die in der Nähe stehende Couch. Emily und Carmen machten es ihm sofort nach und setzten sich zu ihm, während Vivienne Harry noch einmal hübsch ausgeschmückt erzählte, was er verpasst hatte.

Harry konnte sich bildhaft das Geschehene vorstellen und so hauchte er Isabel einen Kuss auf die Wange und lief dann zu Anabel herüber, die noch immer mitten im Raum stand und nicht so ganz wusste, was Harry von ihrem Eingreifen hielt. Doch zu ihrer Verwunderung verbeugte er sich tief vor ihr; begleitet mit den Worten „Ich danke Dir, endlich hat Simon einmal das geerntet, was er gesät hat!“

Nichtsdestotrotz wurde Anabel knallrot und sah mitleidig zu Simon herüber, der sich gerade wieder über sein linkes Auge strich. Es war leicht gerötet. Anabel verließ daraufhin flugs den Raum. Fragend sahen ihr alle hinterher.

Isabel wollte ihr gerade hinterherlaufen, als Anabel auch schon wieder zurückkam. In der Hand hielt sie einen Plastikbecher; gefüllt mit Eiswürfeln. Sie lief zu Simon herüber, schob seine Hand beiseite und strich zaghaft über seine linke Augenbraue. Simon verzog kurz das Gesicht, als Anabel ihm den Plastebecher ans Augenlid hielt. „Tut es sehr weh?“, fragte sie im Flüsterton.

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