Czytaj książkę: «Das Überlebensprinzip», strona 7

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28. Tag

Nach dem Frühstück löste ich Bianca nun endlich die Fesseln. Gemeinsam gingen wir bis zum Waldrand die Strecke zurück und ich zeigte ihr von hier oben den Weg zur Bushaltestelle.

„Deine Sachen und die Leine sind noch unten. Du kannst sie dort holen und dann weiterziehen.“ sagte ich ihr „Wird wohl das Beste sein.“

„Dann macht es mal gut ihr zwei.“ verabschiedete sie sich und lief los während ich zu Ben und unserem Lager zurückging. Er hatte schon alles gepackt, so dass wir sofort aufbrechen konnten. Am Abend saßen wir schweigend vor unserem aufgebauten Zelt und aßen stumm unsere Mahlzeit. Auch wenn Ben sowieso nie redete so machte er heute keine Gesten und blickte nur stumm ins Leere. Mir ging es genauso. So wurde der Abend sehr kurz und wir legten uns bald schlafen.

29. Tag

Etwas Feuchtes und eklig nasses riss mich aus dem Tiefschlaf. Es war einfach nur bäh! Dann spürte ich eine Art haarige Bürste in meinem Gesicht die hin und her wuschelte. Ich versuchte sie mit den Händen zu vertreiben Als mich aufrichtete und die Augen endlich öffnen konnte, sah ich nur noch ein Tier zum Zelteingang hinaus huschen. Wie konnte das sein, wo ich gestern selbst den Reißverschluss zugezogen hatte? Was war das überhaupt für ein Vieh gewesen, dass uns besucht hatte? Ich griff nach meinem Messer und krabbelte vorsichtig auch nach draußen…

Da traute ich meinen eigenen Augen nicht: vor mir saß mit ihrem Hund im Schoß und ihn liebevoll streichelnd - „Bianca!“

„Hat euch mein guter Carlos brav geweckt?“ lachte sie schmunzelnd zu mir herüber. Auch Ben steckte nun seinen Kopf neugierig heraus. „Ich dachte mir, dass ich mit euch Jungs vielleicht doch was anfangen könnte. Da habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und mit Hilfe von Carlos euch auch gefunden. Schaut mal, ich war noch mal in der Stadt und habe was Leckeres zum Frühstück gefunden. Marmelade und Dosenwurst - je nachdem was man lieber mag. Ja, ich hoffe ihr seid mir nicht böse? Also ich möchte aber auf gar keinen Fall aufdringlich sein…“ sprudelte es nur so aus ihr heraus.

Als ihr Blick ein wenig hilflos wurde weil wir vor Überraschung keinen Ton von uns gaben, schubste Ben mich von hinten an.

„Bianca und äh - ihr beide seid willkommen.“

Noch ein Schubs von hinten.

„Ja, also - herzlich Willkommen natürlich.“ ergänzte ich ein wenig verlegen.

„Dann lasst uns frühstücken.“ kam es fröhlich als Antwort zurück. Der Himmel war ebenso fröhlich blau und verhieß ein prima Sonnenwetter für den Tag. Während Ben ihr freundlich die Hand reichte und sich neben den Hund setzte, nahm ich gegenüber von Bianca Platz. Wie es schien konnte sie auch ganz anders sein. Sie trug ihr Haar heute Morgen offen und ließ es herunter hängen. Das wirkte viel freundlicher. Die Sonnenstrahlen fielen schräg zwischen den Bäumen in unsere Lichtung hinein und streiften den Rauch unseres abgebrannten Lagerfeuers.

„Wo wollt ihr beide eigentlich hin? Oder wandert ihr nur ständig von einem Ort zum anderen?“ wurden wir neugierig befragt. Ich nickte nur kurz. „Genau, einfach nur so durch die Gegend ziehen. Immer der Gefahr aus dem Wege gehen…“ Ben schaute mich einen kurzen Moment verdutzt an. Doch dann begriff er was ich vorhatte.

Nun wollte ich mal die Fragen stellen: „Und du - immer auf Achse mit deinem Hund? Wo kommt ihr eigentlich her? Kennst du noch andere Überlebende…?“

Biancas Antworten kamen zügig und klangen plausibel. Doch waren sie auch möglichst kurz gehalten und schließlich wurde sie misstrauisch: „Ihr wollt mich doch nicht etwa aushorchen? Oder etwa doch? Also auf solche Bekanntschaften kann ich gerne verzichten, da gehe ich lieber alleine weiter mit Carlos.“

„Ja, ist schon gut.“ beruhigte ich sie „Ich mag es auch nicht ausgehört zu werden, deswegen habe ich dauernd gefragt damit ich nicht antworten muss. Ich denke wir sollten es dabei belassen.“

„Besonders gesprächig scheinst du ja nicht zu sein. Ist echt schade.“

„Wieso willst du eigentlich unbedingt mitkommen?“ brachte ich das ganze Gespräch auf den Punkt.

Bianca schaute nur verdutzt. „Na weil… Also ich dachte ihr seid ganz in Ordnung und würdet euch freuen? Sowas wie nette Bekanntschaften sind absolut selten geworden im Moment, findet ihr nicht?“

„Schon, aber woher soll ich wissen, dass ich dir trauen kann?“ fragte ich zurück und merkte, dass es ihr ein wenig wehtat.

„Du hast mein Leben gerettet. Ich bin dir sehr dankbar dafür. Die Kerle, die ich bislang kennen gelernt habe waren früher oder später immer nur auf eines aus…“ Bianca wurde plötzlich still und weinte. Es waren nur einzelne, stille Tränen, aber die konnte sie nicht zurückhalten.

„Bianca, du kannst doch frei dein eigenes Leben leben - was willst du denn bei uns??“

„Ich fühle mich so einsam…“ kam es leise und ein wenig verschämt zurück. Bianca blickte vor sich auf den Boden, so dass die Haare nach vorne fielen und ihr Gesicht verdeckten. Ja, das konnte ich nachvollziehen. So ging es mir, bevor ich Ben begegnet war, auch.

„Wir sind auf dem Weg nach Süden. Mit jedem Winter wird es schlimmer und so langsam sind die Reserven aufgebraucht. Vielleicht ist es dort leichter zu überleben. Hier jedenfalls geht es nicht.“ fing ich unsere Konversation neu an.

Bianca blickte vom Boden auf „Ja, davon habe ich schon von anderen gehört. Es würde sich angeblich lohnen - wenn man es wirklich über die Berge schafft. Ihr wollt das wirklich wagen?“

„Ja - unbedingt!“ entgegnete ich ihr „Was unsere jeweilige Vergangenheit betrifft, so schlage ich vor sollten wir lieber nicht darüber reden. Sie kommt eh nicht mehr wieder und die letzten Jahre waren nicht die schönsten meines Lebens. Wäre das für dich so in Ordnung?“

„Ich denke schon. Es lohnt sich echt nicht.“ stimmte Bianca mir zu. Wir beide lächelten uns ein wenig an. Prima, so würden wir noch gut miteinander klar kommen, denke ich.

„Da fällt mir ein“ sie schaute uns beide freundlich aber verschmitzt an „ich habe euch eine kleine Überraschung mitgebracht. Ein kleines Geschenk sozusagen als Dankeschön.“ Dabei griff sie in ihren Rucksack und holte für jeden von uns etwas Längliches mit Geschenkpapier und Schleife verpacktes hervor. Na so was nettes!

„Oh, danke!“ sagte ich und Ben nickte eifrig während wir die Geschenke entgegen nahmen. Was das bloß sein würde? Während Ben möglichst schnell an den Inhalt seiner Verpackung kommen wollte, ließ ich mir Zeit zum vorsichtigen Auspacken… An seinem erstaunten Gesicht sah ich aber, dass es was typisch weibliches sein musste: und in der Tat - es war eine Art Körperpflegemittel!

„Ah, vielen Dank. Das können wir gerne bei nächster Gelegenheit mal benutzen.“ bedankte ich mich.

„Warum nicht gleich heute? Wenn ihr wollt, kann ich euch auch die Haare etwas schneiden - falls ihr nichts dagegen habt…“ war Biancas Angebot.

„Hast ja recht. Ist wohl mal wieder fällig. Allerdings werden wir nacheinander baden - du verstehst?“ Bianca schaute etwas verwirrt. „Der Vorsicht halber.“ ergänzte ich, was sie mit einem kurzen Nicken bestätigte.

Als Badeort fanden wir eine volle, alte Badewanne an einer Kuhweide, die man früher als Viehtränke benutzt hatte. Erst wurden die grünen Algen so gut es ging heraus gefischt. Dann stieg Ben als erster hinein. Etwas abseits saßen Bianca und ich mit dem Rücken zu ihm gekehrt und warteten. Gerne hätte ich mich mit ihr unterhalten, nur wusste ich nicht über welches Thema. So starrten wir vor uns auf den Boden oder blickten über die zugewucherten Wiesen vor uns hin und her.

Als Ben barfuß und halb angezogen zu uns rüber kam, war ich nun an der Reihe. Nach dem Ablegen der Kleidung - sie müssten ehrlich gesagt gerade mit baden - stieg ich in die Wanne. Es war abartig kalt! Doch die Quälerei hatte sich gelohnt. Meine Haut war sichtbar sauberer und duftete ganz angenehm. Zitternd vor Kälte entstieg ich der Wanne und ließ mich vom warmen Morgenwind trocknen. Eine Gänsehaut überdeckte meinen Körper. Von den Sachen zog ich nur das nötigste an.

„Wir werden unsere Sachen gerade mit waschen und dann den Tag über trocknen lassen. Die Sonne kommt heute kräftig heraus.“ schlug ich vor.

„Wenn ihr möchtet, dann schneide ich euch beiden noch die Haare.“ schlug uns Bianca vor. „Ich kann das ganz gut, glaubt mir.“

Ein wenig misstrauisch war ich schon, aber im Endeffekt spielt es jetzt wirklich keine Rolle mehr. Die Tatsache, dass sie bei uns war, war schon außergewöhnlich genug - wenn sie gewollt hätte, hätte sie längst handeln können…

„Fein, du kannst ja bei Ben anfangen. Er ist da ziemlich anspruchslos. Am liebsten mag er, glaube ich, ganz kurz?“

Ben nickte eifrig und setzte sich vor Bianca auf den Boden. Die Sonne kam nun kräftig heraus und die Wärme tat uns allen nur gut. In der Zwischenzeit wusch ich unsere T-Shirts und Pullover gründlich durch und hängte sie über den Weidezaun auf. Die Sachen dürften bis heute Abend schnell getrocknet sein. Dann gesellte ich mich zu den beiden um Biancas geschickten Handgriffen zu zu schauen…

„Sieht cool aus Ben - besonders die Seiten. Jetzt müsste man nur noch einen Spiegel haben…“ sagte ich anerkennend.

„Habe ich doch!“ entgegnete Bianca. „Schau’ mal in meinem Rucksack in der Seitentasche nach.“

Ich durchwühlte die Nebentasche und fand so allerlei an Kosmetikartikel - schon ulkig wenn jemand so etwas mit sich herum trägt. Als ich den runden Handspiegel Ben reichte, blickte er erst etwas skeptisch. Lag wohl daran, dass er sich schon lange nicht mehr selbst im Spiegel angeschaut hatte. Doch als er sich mit der Hand über sein kurzes Haar fuhr, nickte er zufrieden und lächelt schließlich.

„So und jetzt kommst du dran, Großer.“ Bianca schaute mich erwartungsvoll an. „Wie darf es denn sein?“

Unschlüssig gab ich zur Antwort: „Keine Ahnung. Eigentlich mag ich schon mein langes Haar, wobei es mich vorne an der Stirn immer nervt…“

„Dann lass mich mal machen. So kurz wie bei Ben mache ich es jedenfalls nicht. Setz dich.“

Zwar fragte Bianca hier und da noch mal nach, hielt mir auch den Spiegel entsprechend hin, aber letztlich war es mir egal. Das Gefühl durch die Haare gefasst zu werden, im Nacken die Spitzen gestutzt und an der Seite die Büschel mit dem Kamm über die Kopfhaut hochgezogen zu bekommen, war einfach nur schön und völlig entspannend. Ich schloss die Augen dabei und ließ mir die Sonne ins Gesicht und auf die Haut scheinen, während ich vor ihr auf dem Boden saß. Als Bianca es bemerkte weil ich nicht mehr in den Spiegel schaute, den sie mir hinhielt, musste sie lachen: „Schlaf’ mir bloß nicht ein!“

Ich schüttelte ein wenig den Kopf.

„Vorsicht, sonst schneide ich noch zu viel ab… Aber die Frisur ist jetzt eh fertig. Gefällt sie dir?“

Ich öffnete die Augen und schaute in den Handspiegel. Zu meiner Verblüffung stellte ich fest, dass der Schnitt richtig gut an mir ausschaute: „Kompliment, du hast ein gutes Händchen!“

„Ja schon, aber gefällt es dir auch?“ hackte sie nach.

„Sehr.“ sagte ich und lächelte sie dabei an.

„Danke, das freut mich. Jetzt sollten wir aber langsam wieder losziehen.“

Gerne hätte ich mich noch ein wenig mehr mit ihr unterhalten, aber das war wohl noch zu früh im Moment. Wir werden ja noch viele Abende Zeit dazu haben…

30. Tag

So waren wir nun zu dritt auf dem Weg nach Süden! Da Bianca sogar Kartenmaterial über diese Gegend hatte, konnten wir uns sehr gut orientieren und uns Gedanken über eine Route im Detail machen.

„Wo sollen wir am besten über die Berge gehen? Tunnels dürften nicht sicher sein, aber Pässe genauso schwierig. Und dazwischen gibt es nur Felsen und Gletscher, die wenn überhaupt nur mit entsprechender Ausrüstung zu überqueren sind…“ so schwer hatte ich mir das nicht vorgestellt!

„Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd!“ entgegnete Bianca. „Du glaubst doch wohl nicht, dass in diesen Tälern jemand lebt? Die sind viel zu unwirtschaftlich und teilweise zu kalt. Außerdem läuft niemand mehr quer über die Berge - wozu auch? Keiner kommt freiwillig zurück wenn er mal im Süden angekommen ist.“

„Woher willst du das so genau wissen? Warst du etwa schon mal dort gewesen?“ war meine kritische Frage.

Bianca stockte zunächst doch dann sagte sie etwas, was ich nicht erwartet hatte: „Ich habe es schon einmal versucht… ich musste aber umkehren.“

„Wieso??“

„Es wurde zu gefährlich. Es war… unmöglich!“

„Das glaub ich dir nicht! Das will ich einfach nicht glauben!“ Zorn stieg in mir hoch. „Was war denn das Problem?!“

Bianca schaute mir tief in die Augen: „Im Winter geht es nicht wegen der Eiseskälte, im Frühjahr hindert dich die Schneeschmelze und im Herbst kämpfst du gegen das trügerische Wetter an.“

„So - und was ist mit dem Sommer? Schließlich war ich als Kind öfters in den Bergen in Urlaub. Wo soll da ein Problem sein?“ ich kann es immer noch nicht glauben.

„Ja, das dachte ich auch. Halte mich ruhig für verrückt wenn du willst, aber es ist absolut lebensgefährlich dort - wegen der Bären.“

Pause. Das war zu viel für mich…

Bianca fuhr fort: „Es sind Dutzende. Keine Ahnung woher die kommen. Vielleicht sind sie aus irgendeinem Zoo entkommen? Vielleicht konnten sie sich wegen der großen Menge an Kuhherden so gut vermehren…?“

Die Erklärung setzte mir ziemlich zu. Bianca sah meine tiefe Enttäuschung, meine Verzweiflung, mein „nicht-akzeptieren-können“ in den Augen. Ich fasste mir in den Nacken und legte den Kopf zwischen meine Knie.

„Dann kommen wir genau in die Zeit der Bärenjungen hinein.“ resignierte ich.

„Mag sein. Aber vielleicht schaffen wir es ja zu dritt. Wollt ihr?“ sie schaute mir mit gebeugtem Kopf unter meinen nach vorne gefallenen Haaren ins Gesicht.

„Ja … JA doch!“ mein Entschluss festigte sich wieder. Ich schaute nach oben. Der Himmel leuchtete königsblau mit einzelnen Wolkenstreifen. Ben lächelte aufmunternd zu mir herüber und nickte bestätigend. Für ihn war die Sache klar - wo ich hin gehen würde, da wäre er auch dabei!

Bianca hatte den unteren Teil ihrer Karte wieder geöffnet und vor uns auf den Boden ausgebreitet. Gemeinsam suchten wir eine Passage, die nicht zu kompliziert und nur wenige hohe Stellen hatte…

„Hier das könnte gehen.“ schlug ich vor. „Was meinst du?“

„Ja schon. Am Anfang ganz OK, aber was ist damit?“ ihre Frage war nicht ohne Sorge.

„Das sind wohl fünf, sechs Kilometer Schlucht. Und ohne einen eingezeichneten Weg. Hmm. Wir müssen uns vor Ort eben nach Wanderwegen informieren. Es dürfte genügend Touristenläden geben.“ meine Worte klangen überzeugend. „Hier an dem See gibt es ein bekanntes Kloster. Ich kenne die Gegend sehr gut. Da waren wir früher oft…“ aber ich brach meinen letzten Satz ab. Die Erinnerung an meine Kindheit und die Urlaube mit meinen Eltern kam wieder hoch und quälten mich!

„Was hast du?“ fragte Bianca besorgt, als sie mein zusammengezogenen ernsten Augenbrauen sah.

„Es tut so weh. Der Magen schmerzt mir und - mir wird übel. Sie sind alle weg. Keiner ist mehr übrig! Für immer. Nie mehr zurück… Ich…“

„Beruhige dich, Michael. Es hört gleich wieder auf. Bestimmt!“ redete sie sanft auf mich ein.

Vor Schmerz und Kummer beugte ich mich nach vorne. Sanft legte sie mir ihre Hand auf den Rücken. Tränen flossen mir die Wangen hinunter und tropften in das Gras.

„Manchmal habe ich das auch. Glaube mir, ich kenne dieses Gefühl. Unterdrücke es nicht - lasse es lieber raus.“ ihre Worte waren eine Wohltat. Noch nie hatte mir einer bestätigt, dass meine Ängste normal sind. Die Tränen liefen nun ungehemmt und still über die Wangen. Nach einer guten Weile war dann alles vorbei und normal. Mein Herz war nun wieder leer und der Kopf von seiner Schwermut entladen, klar und ruhig.

„Danke“ entgegnete ich ihr „dass du mich nicht alleine gelassen hast.“

„Klar doch - wir sind ein Team, schon vergessen?!“

Zuversichtlich machten wir uns nun los. Den Tag über wurde nicht viel gesprochen. Als wir abends unser Quartier aufgeschlagen hatten, saßen wir noch lange draußen. Ein Lagerfeuer hatten wir zur Sicherheit nicht angezündet. Der Himmel war unbewölkt und die ersten Sterne blinkten aus dem dunkelblauen Himmel hervor. Ben ging als erster ins Zelt. Wir folgten ihm kurze Zeit danach auch, während Carlos die Umgebung bewachte… Selten war ich so zufrieden wie heute.

31. Tag

Die Gegend veränderte sich allmählich. Es waren nun mehr die geschlossenen, dunklen Tannenwälder die das Bild prägten. Dadurch dass hier seit Jahren keiner mehr Waldpflege betrieben hatte, waren sie noch dichter und unheimlicher geworden. So mühsam es war - unser Weg führte nun mal hier durch. Belohnt wurden wir durch einzelne Kuppen die bestimmt schon an die tausend Meter hoch liegen und einen herrlichen Überblick über das Land boten! Wir mussten nun mehr auf unsere Vorräte aufpassen, denn hier oben gab es nur selten Siedlungen. Ziemlich abgelegen lebten hier einmal Menschen und deswegen dürften sie auch relativ schnell als erste weggezogen sein. Jedenfalls gab es kaum Kampfspuren oder Versuche hier autark überleben zu wollen.

Die einzige Überraschung, die wir heute erlebt hatten, war ein Skilift der mitten durch den Wald führte. Von den Abfahrtshängen war absolut nichts mehr zu sehen. Nur schwerlich ließ sich am jüngeren Bewuchs der Tannen und Fichten erahnen, wo hier mal freie Flächen gewesen waren…

Übernachtet hatten wir übrigens diesen Abend in einem ehemaligen Kurhotel. Hervorragende Anlage - bis auf den Schwimmbadbereich, der mit einem Schild „wegen Umbau geschlossen“ leider nicht nutzbar war. Schade.

32. Tag

Was für eine Nacht! Der Hund Carlos hatte bestimmt dreimal angeschlagen weil draußen irgendjemand oder irgendetwas herumgeschlichen war. Da waren wir natürlich sofort in Alarmbereitschaft! Doch jedes Mal war nichts zu sehen. Vielleicht war es auch nur ein Tier gewesen, welches unserer Witterung gefolgt ist? Da konnte man sich natürlich fragen, welche Art Tier sich in die Nähe von Menschen hingezogen fühlt… Aber in diesen dichten Waldgebieten hatte die Natur schon längst die Oberhand gewonnen. Der Mensch war nur noch ein Gast auf dieser Erde.

Selbst am Tag während unseres weiteren Marsches fing Carlos immer wieder an zu schnuppern, zu lauschen und war sichtlich angestrengt dabei.

„Normalerweise ist er nicht so empfindlich gegenüber fremden Gerüchen.“ erklärte Bianca besorgt das Verhalten ihres Hundes. „Es muss schon ernst sein, wenn er so derart nervös reagiert.“

Ich hielt mein Gewehr im Anschlag bereit. Auch Ben trug sein Messer nun offen seitlich am Gürtel. Eine komische Stimmung herrscht in der Luft. Jemand war in der Nähe, aber er hielt sich im sicheren Abstand zurück!

Als wir kurz Mittag machen, suchten wir uns einen Rastplatz knapp oberhalb eines wild daher plätschernden Baches aus. Das ständige Rauschen war sehr angenehmen und während die beiden anderen noch die Konserven vorbereiten, begab ich mich runter zum Wasser um die Flaschen aufzufüllen. Dabei hatte ich nichts bemerkt und war voll konzentriert auf das geschickte Auffüllen des Behälters über den engen Flaschenhals gewesen. Doch als ich aufblickte - sah ich direkt in die Augen eines Fuchses! Keine zwei Meter von mir entfernt hatte er sich ganz still und heimlich heran geschlichen. Sein Blick war wir gebannt auf mich gerichtet. Selbst als ich dem Tier direkt in die Augen schaute, wendete er sich mit seinem irren Blick nicht von mir - da bemerke ich den Speichelfluss aus seinem Mund - Tollwut!

Zu meinem Ärger hatte ich das Gewehr einfach oben gelassen. Es war mir einfach zu lästig gewesen es überall hin mitzuschleppen und selbst wenn - bis ich es mir geschnappt hätte, wäre es eh zu spät. Jetzt bloß keine unbedachte Bewegung machen, dachte ich. So richtete ich mich erstmal auf und nahm dabei in jede Hand einen etwa faustgroßen Stein aus dem Bachbett. Der Fuchs verhielt sich nicht einschätzbar: mal sah es aus, wie wenn er weglaufen würde. Dann aber fauchte er mich angriffslustig an. Schritt für Schritt ging ich rückwärts den Hang hoch. Immer das Tier im Auge behaltend und wurfbereit…

Das ganze wäre bestimmt auch gut gegangen, wenn ich nicht auf der glitschigen Wurzel hinter mir ausgerutscht wäre! Das hochwirbeln meiner Beine beim Hinfallen interpretierte der Fuchs irgendwie als versuchter Tritt in seine Richtung. Na ja, und dann schnappte das Biest natürlich sofort zu, bevor ich nur einen Stein werfen konnte!

Es war auch nur ein kurzer Biss in den Unterschenkel etwas oberhalb über dem Knöchel. Dann rannte der Fuchs erschrocken vor sich selbst einfach weg.

„Ben, Bianca! Kommt schnell!“ rief ich so laut ich nur konnte.

Sofort kamen sie angestürmt.

„Was ist denn passiert, um alles in der Welt?“ Bianca war total erschrocken über mein blutiges Bein.

„Ein Fuchs war es. Ein tollwütiger Fuchs, der uns die ganze Zeit verfolgt hat. Das Mistvieh war plötzlich vor mir ohne dass ich es bemerkt habe. Ja und dann - hat er mich gebissen.“ fasste ich das Geschehene kurz zusammen.

„Das sieht zwar nicht schlimm aus“ begutachtet Bianca mein Bein „aber bist du sicher, dass er tollwütig war?“

„Ich denke schon. Sag’ was bedeutet das jetzt?“

Bianca schwieg. Das gefiel mir ganz und gar nicht.

„Nun rede doch, weißt du was das für mich bedeutet? Ist Tollwut nicht tödlich?“ mir wurde schlecht bei dem Gedanken.

„Nur wenn du innerhalb der nächsten drei Tage keine Postexpositionsprophylaxe bekommst.“ antwortete sie klar und beherrscht. Als sie meinen erstaunten Blick sah, erklärt sie kurz: „Ich war mal - sagen wir in einem Krankenhaus tätig. Also: bist du früher mal gegen Tollwut geimpft worden?“

Ich dachte angestrengt nach, konnte mich aber nicht erinnern, zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf.

Bianca bohrt weiter: „Vielleicht als Vorbereitung für einen Auslandsurlaub?“

„Vielleicht. Kann gut sein, aber der ist Jahre her.“ antworte ich. Noch immer war mir nicht klar worauf sie hinaus wollte.

„Ganz egal wie - wir müssen bis spätestens übermorgen dich in ein Krankenhaus bringen. Vielleicht haben die noch Reste vom Impfstoff.“ klar und bestimmend klangen ihre Worte.

„Ja und wenn nicht?“ fragte ich nochmal nach.

„Dann greift die Tollwut deine Nerven und insbesondere dein Gehirn an. Zwei bis sechs Wochen kann die Quälerei dauern. Was meinst du warum die Krankheit toll-Wut genannt wird?“ Bianca blickte mir direkt ins Gesicht. Schließlich fügte sie noch hinzu: „Wenn du willst dann können wir dein Leiden mit seinem unabwendbaren Ende natürlich auch verkürzen…“

„Was?!“ Angst überkam mich. „Wir müssen sofort los!“

Die Wunde wurde noch gereinigt, gegen Schmutz geschützt und abgebunden. Dann räumte jeder sein Gepäck zusammen während Bianca schon mal die Karte bereitlegte.

„Wir haben Glück. Hier unten im Tal ist eine Großstadt mit einem Klinikum am Rande des Naherholungsgebietes. Unser Wald grenzt genau in Verlängerung daran an.“

Wir gingen sofort los. Es schmerzte ein wenig beim Gehen, angeschwollen war der Fuß auch, aber nun ging es um Leben oder Tod! Ben blickte mich ängstlich an. Er würde jetzt doch nicht seinen besten Kumpel, seinen großen Bruder verlieren? Ich versuchte ihn aufmunternd an zu lächeln: „Es wird bestimmt wieder.“

Als wir abends immer noch im Wald waren, hatte ich Angst einzuschlafen. Was, wenn ich morgen nicht mehr Herr meines Verstandes wäre?! Was, wenn wir es nicht schaffen würden oder gar kein Impfstoff mehr da wäre? Wer kann schon bei solchen Gedanken einschlafen?

„Was schreibst du da eigentlich jeden Abend?“ fragte mich Bianca, die meinen Zustand immer wieder beobachtete.

„Das ist so eine Art Reisebericht in Tagebuchform“ versuchte ich zu erklären.

„Okay. Verstehe - würde es gerne mal lesen wenn es fertig ist und du es mir erlaubst.“ sie lächelte mir zu. „Aber jetzt ist Ruhe angesagt.“

So schließe ich diesen Tag ab und hoffe auf morgen…