Czytaj książkę: «Das Überlebensprinzip», strona 13

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53. Tag

Wir hatten gut gefrühstückt und unsere Sachen nach dem jeweiligen Tragvermögen fair verteilt. Ein letzter Blick in die Wanderkarte und los ging es! Dichter Nebel hing tief unten im Tal. Es sah so aus als wenn die Wolken sich zum Schlafen hinein gelegt hatten. Während es unten noch schattig war, liefen wir bereits in der hellen Morgensonne den gekennzeichneten Schotterweg entlang.

Auch wenn ich nicht unbedingt ein begeisterter Botaniker bin - die Blumenwelt, die jetzt nach dem Frühjahr bereits zu blühen begann, war unglaublich intensiv. Wenn etwas blau oder gelb blühte, dann richtig kräftig leuchtend! Bienen und Mücken schwirrten umher und tauchten erwartungsvoll in diesen Farbrausch hinein…

Da ich immer mal wieder die Karte im Auge behielt, lief ich vorne voran. Ben hatte sich zu Bianca gesellt und freute sich daran, dass sie ihm so einiges mehr von ihrem Glauben erzählen konnte. Auch wenn er ja nicht reden konnte, hatte er immer wieder Fragen, die er ihr verständlich machen konnte. Bianca erwies dabei eine Engelsgeduld. Ich musste innerlich lächeln über ihre liebevolle Art mit anderen umzugehen.

„Ich glaube wir haben jetzt ungefähr Mittagszeit. Wollt ihr auch bald etwas essen?“ fragte ich die anderen.

Beide nickten.

Wir gingen noch gut einen Kilometer weiter bis zu einem kleinen Rastplatz, der auf der Karte vermerkt war. Hier gab es hölzerne Tische und Bänke. Sogar eine breite, geschwungene Liege mit Blick ins Tal. Ideal um mal die Beine hochzulegen. Wir zogen uns die festen Wanderschuhe aus und gönnten unseren Füssen eine kleine Entspannung. Unter uns lag ein kleiner Bergsee. Er leuchtete in einem tiefen blau und spiegelte die weißen Wolken, die über uns hinweg schwebten. Schade, dass es keine Fotos mehr gab - diesen Eindruck hätte ich nur zu gerne mit uns dreien festgehalten.

„Wir müssen weiter.“ sagte Bianca schließlich und fragte: „Weißt du schon wo wir übernachten werden?“

„Kommt darauf an. In ungefähr zwanzig Kilometern kommt eine Kapelle. Wenn wir wollen, können wir aber auch noch mal sieben Kilometer weiterlaufen zu einer Berghütte. Da müssen wir dann aber ganz schön hochlaufen.“ erklärte ich den beiden den weiteren Verlauf.

„Klingt gut. Wir entscheiden das am besten an der Kapelle.“

So stapften wir unsere Route immer weiter Richtung Hochgebirge. Die spannendste Abwechslung waren dabei ein paar dicke Murmeltiere. Aber die ließen uns gar nicht erst so nahe an sich rankommen. Hoffentlich würden wir nicht irgendwelchen Bären oder Wolfsrudel begegnen. Denn hier hätten wir nicht einmal die Möglichkeit auf einem Baum Schutz zu suchen… Ich hatte den Eindruck, dass das Überlebensprinzip immer noch voll da war. Zumindest was die Natur anging.

-

Endlich erreichten wir die Kapelle. Sie hatte ein hübsches kleines Türmchen, in dem ganz oben sogar ein Glöckchen hing. Beim Anblick des steil ansteigenden Weges zur Hütte war uns sofort klar, dass wir heute nicht mehr weitergehen sollten. Da das Gebäude noch intakt war, konnten wir unser Nachtlager hier drinnen ebenso gut einrichten. War schon ein komisches Gefühl in einem Sakralbau zu übernachten. Die Abendsonne viel von Westen her durch den Eingang in den Innenraum. Da hier keine Bänke rumstanden, haben wir unsere Matratzen und Schlafsäcke kreisförmig verteilt. Wir schauten uns die Wand- und Deckenmalereien an und versuchten zu erraten was dort abgebildet war. Bianca wusste natürlich am meisten und konnte uns die biblischen Szenen und Personen am besten erklären.

„Ich glaube, dass die Kapelle Johannes dem Täufer gewidmet ist.“ meinte sie nach längerem betrachten.

„Aha. Und was hat der Typ für eine Bedeutung, dass er so wichtig ist?“ wollte ich wissen.

„Er hat die Leute in Israel damals zur Umkehr aufgerufen, da er wusste das Jesus als Sohn Gottes bald anfangen würde. Scheinbar war es nötig die Leute darauf zu sensibilisieren.“

„Nicht schlecht.“

Bianca fuhr fort: „Als sichtbares Zeichen hat er dann die Leute, die es wollten, im Jordan getauft.“

„Getauft bin ich auch“ warf ich kurz ein „schon als Baby.“

Bianca überlegte kurz. Dann sagte sie: „Die Taufe ist eine Willensentscheidung. Mit ihr bekräftigt man, dass man zu Gott gehören möchte.“

„Da habe ich als Baby nicht viel von gehabt. Aber jeder wird doch so früh getauft. Du doch auch, Bianca?“ meinte ich.

„Nein, bei meinen Eltern nicht. Ich habe mich erst mit zwölf taufen lassen als ich begriffen habe worum es geht.“

„Oh Mist! Warum haben meine Eltern nur nicht auf mein Schreien bei der Taufe gehört?!“ rief ich lachend und zuckte mit den Schultern. Bianca lachte auch mit - das mag ich an ihr, dass sie solche Bemerkungen von mir nicht so bierernst nimmt.

Plötzlich regte sich Ben auf einmal. Die ganze Zeit hatte er still und regungslos auf dem Bauch auf seiner Luftmatratze gelegen. Nun setzte er sich in den Schneidersitz und stupste Bianca von der Seite an.

„Was möchtest du uns sagen, Ben?“ fragte sie freundlich.

Er zeigte zuerst an die Stelle auf der Wand wo Johannes gerade im Fluss jemanden taufte. Dann zeigte er auf sich. Bianca und ich schauten uns verblüfft an. Wir wussten sofort was er meinte und es schien ihm ernst zu sein!

„Du willst getauft werden?“ fragte ich ihn „Aber es gibt hier doch keinen Pfarrer…“

„Den brauchen wir auch nicht.“ widersprach mir Bianca „Jeder Christ darf andere Menschen taufen. Wir benötigen nur etwas Wasser.“

„Das besorge ich!“ rief ich ganz aufgeregt, zog mir die Schuhe an, nahm eine Leere Trinkflasche und lief nach draußen.

Es war bereits duster geworden und ich musste aufpassen wohin ich trat. rechts hinter der Kapelle ging es eine kleine Schlucht hinunter. Ganz unten hatte ich einen Bach gesehen. Im Prinzip war es eine Kleinigkeit hier schnell etwas Wasser zu besorgen, doch hätte ich mal besser mein Gewehr mitgenommen…

Während ich mich hinkniete und irgendwie zwischen den Steinen versuchte die Flasche so schräg zu halten, dass etwas hineinfloss, hörte ich hinter meinem Rücken wie etwas herum huschte. Ich schaute kurz um mich aber es war nichts zu sehen. Mir wurde unheimlich zu Mute. Was wenn es ein hungriges Raubtier wäre?

Die Flasche war voll, ich drehte den Deckel zu und wollte gerade losgehen, da fauchte es von hinten scharf. Ein Wolf! Regungslos kauerte ich noch an derselben Stelle. Mit der anderen Hand tastete ich nach einem passenden Stein. Das Tier beobachtete mich dabei und es schien ihm gar nicht zu gefallen was ich da tat.

„Bianca! Ben!“ rief ich aus Leibeskräften.

Das Tier wurde wilder und sprang ein paar Sätze vor. Sofort schleuderte ich den Stein in der Hand nach ihm. Doch dieser prallte nur von einem Felsen ab. Immerhin blieb der Wolf zunächst abrupt stehen, sprang dann aber auf den Fels und blickte mich von schräg oben an. Längst hatte ich den nächsten Stein in der Hand. Mir war aber klar, dass wenn er gleich zum Sprung ansetzen würde, dies keine echte Verteidigung gegen seine blitzenden Zähne sein konnte. Wenn ich wenigstens mein Messer dabei gehabt hätte!

Ein Schuss zerriss auf einmal die angespannte Situation. Das Tier jaulte auf und lief getroffen davon.

„Michael! Alles in Ordnung? Bist du Verletzt?“ rief Bianca von der Kapelle herüber.

„Nein. Das war Rettung in letzter Sekunde!“

Sofort lief ich zu den beiden anderen zurück und wir gingen hinein in den Schutz der gemauerten Wände. Die Tür wurde ordentlich von innen verschlossen. Ich atmete schwer während die anderen verängstigt nach mir schauten.

„Ist wirklich alles gut. Aber verdammt knapp!“ beruhigte ich sie.

„Die wilden Tiere kommen wohl erst in der Dämmerung raus. Da müssen wir das nächste Mal besser drauf achten. Was bin ich froh, dass dir nichts passiert ist!“ Bianca nahm mich in den Arm und auch Ben umschlang uns beide.

„Ich habe hier das Wasser.“ sagte ich und gab es Bianca. „Das hätte ich beinahe mit meinem Leben bezahlt - ist also äußerst wertvoll.“

Sie schaute mich erstaunt an.

„Was ist?“ erwiderte ich ihren Blick.

„Nichts. Mir fiel nur gerade ein, dass Jesus mit seinem Leben für unsere Sünde bezahlt hat, damit die Taufe überhaupt zum Ziel führen kann. Schon seltsam…“

Dann entzündeten wir die Kerzenreste, die wir hinter dem Altar noch fanden. Es gab dem Raum ein wunderbares, warmes Licht, welches lebendig flackerte. Bianca und Ben standen sich gegenüber während ich einen Arm um Ben’s Schulter legte.

„Möchtest du die christliche Taufe empfangen?“ fragte sie ihn.

Ben nickte tief, lies aber seine Augen dabei auf Bianca gerichtet. Dann senkte er den Kopf etwas vor und während sie ihm dreimal etwas Wasser darüber goss, taufte sie Ben im Namen des Vater, des Sohnes und des Heiligen Geistes - so wie es sich nach ihrer Darstellung gehörte. Ben lächelte, nein er lachte freudig und war total glücklich!

Auch wenn es uns allen schwerfiel - der nächste Tag würde an Anstrengung und Anspruch deutlich härter ausfallen. Denn vor uns lag das Hochgebirge - dort wo immer Schnee liegt.

54. Tag

Vollmotiviert machten wir uns morgens wieder auf den Weg. Immer wieder beobachteten wir kritisch das Wetter, ob es sich nicht schlagartig ändern würde.

„Wenn wir erstmal hier über dem Kamm sind, dann können wir endlich in alle Richtungen schauen.“ war meine Hoffnung beim Studium der Höhenlinien.

Als wir das erste Stück hoch gelaufen waren, kamen wir an der Schutzhütte vorbei, die wir gestern erstmal nicht mehr erreichen wollten. Jetzt zeigte sich, dass dies keine schlechte Entscheidung gewesen war: die Holzhütte war fast bis auf die Grundmauern abgebrannt!

Allmählich verabschiedete sich die Natur vollends. Wir liefen nur noch auf Schotterflächen von denen bereits der Schnee geschmolzen war. Es war echt mühsam darauf zu laufen. Immer wieder mussten wir aufpassen uns nicht die Knöchel durch herunter rollendes Gestein zu verletzen. Doch irgendwann war auch dies zu Ende und wir liefen nun durch den Schnee der Berggipfel.

„Wir müssen es um zwei dieser Berge schaffen - dann erst kommt wieder eine neue Schutzhütte.“ erklärte ich den anderen.

„Und wenn die auch zerstört ist?“ fragte Bianca nach „Haben wir dann eine Alternative?“

„Leider nein. Außer unser Zelt.“

„Na dann, hoffen wir das Beste!“

Wir waren bereits um den ersten Gipfel herum, da hallte ein lauter Knall von einer Explosion von unten aus dem Tal zu uns herauf. Wir schauten uns ratlos an.

„Was war das?“ fragte ich.

„Keine Ahnung.“

„Aber jetzt ist es wieder still.“

„Das kam von unten aus dem Tal - ob das vielleicht eine der Minen gewesen sein könnte?“ überlegt Bianca.

„Und wie soll die explodiert sein?“

„Keine Ahnung - entweder durch einen Mensch oder vielleicht eine Kuh oder sowas.“

„Lasst uns weitergehen!“

So beunruhigend solche Geräusche auch sind, wir hatten jetzt eh keine Möglichkeit etwas zu ändern. Wir mussten möglichst rasch hinter den zweiten Berg gelangen bevor uns der Sonnenuntergang einen Strich durch die Rechnung machte. Denn im Dunkeln hätten wir keine Orientierung mehr und würden die Hütte nie finden…

-

Es wurde langsam Abend. Der zweite Gipfel war umwandert, fehlte nur noch die in der Karte ausgewiesene Schutzhütte. Doch sie kam nicht.

„Ich hoffe du hast dich nicht im Tal vertan?“ fragte Bianca.

Ich war sehr gereizt: „Doofe Karte! Ich versteh das nicht!“

„Zeig doch mal her…“

Ich gab entnervt Bianca die Karte. Seit einer halben Stunde irrten wir hier oben sinnlos umher und hätten den Unterstand schon mehrfach sehen müssen. Sie studierte intensiv den Abschnitt in dem wir uns befanden. Dann drehte sie die Karte auf die Rückseite und suchte nach der Legende.

„Was machst du da?“ fragte ich.

„Mir ist nur etwas aufgefallen. Das will ich kurz überprüfen…“

„Ach ja? Und was?“ ich war ziemlich verärgert - als könnte ich keine Karten lesen.

„Moment, gleich…“

Dann blickte Bianca endlich zu mir auf und sagte: „Die Schutzhütte, die wir hier die ganze Zeit suchen ist nicht rot eingemalt sondern grün.“

„Das heißt?“

„Laut Legende ist sie noch in Planung.“

Ich starrte sie entgeistert an. Das konnte doch nicht wahr sein!

„Ich sehe da aber keinen Unterschied zu den anderen Symbolen.“ antwortete ich schnippisch.

Bianca schaute mich kurz an und überlegte. Dann sagte sie vorsichtig: „Michael, kann es sein dass du eine Rot-Grün-Schwäche hast?“

„Was meinst du?“

„Das für dich rot oder grün wie grau auf der Karte erscheint.“

Ich blickte erneut auf die Stelle in der Karte wo die Schutzhütte eingetragen war. Dann suchte ich nach einer anderen. Mir wurde auf einmal klar, was Bianca meinte.

„Mist. Ich glaube du hast recht!“ musste ich feststellen.

Ben, der unser Gespräch mit verfolgt hatte, kam beängstig auf mich zu und fasste mich am Arm. Wir mussten nun einen geeigneten Platz finden, der eben und groß genug war unser Zelt aufzubauen. Dass man hier im Gestein oder Schnee keine normalen Heringe einschlagen konnte war uns durchaus bewusst. Ein Sturm würde zwangsläufig unser Zelt wie ein Segel davontragen.

Hinter einer Felskante fanden wir schließlich eine brauchbare Stelle die sogar dreiseitig Schutz bot. Wir legten schwere Steine auf den Rand der Zeltplane in der Hoffnung, dass diese dadurch besser gehalten werden konnte. Dann schlüpften wir in unser Zelt, zogen uns noch die Ersatzklamotten über, um uns möglichst gut warmhalten zu können. Eng aneinander gekuschelt und nur die Nasenspitze rausschauend schliefen wir unruhig aber allmählich ein.

55. Tag

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56. Tag

Ich weiß gar nicht wie ich das jetzt schreiben soll. Gestern war ich gar nicht fähig gewesen überhaupt noch etwas machen zu können und habe deswegen die Seite einfach leer gelassen. Auch jetzt sitze ich hier - mein Gesicht von endlosen Tränen beschmiert und völlig apathisch… Wir haben Ben verloren! Für immer! Ich versuche mal den gestrigen Tagesablauf zusammen zu fassen:

Unsere Übernachtung im Zelt war nicht gerade gut gewesen. Wir fühlten uns total schlapp, wussten aber, dass dies mit Ausruhen nicht besser werden konnte. Wir mussten so schnell wie möglich dieser unwirtlichen Gegend entfliehen!

Vor uns lag aber noch ein Gipfel und der hatte es in sich. Um zu ihm zu gelangen mussten wir erst durch eine Schlucht unten am eisigen Bach entlang und dann fas senkrecht hoch einen ziemlich steilen Hang gut fünfhundert Meter hinauf. Dadurch dass dies alles im Schatten und zwischen den Schneegletschern stattfand, war es noch mal viel kälter und echt anstrengend. Wir schwitzten, konnten aber nicht die nassen Sachen ausziehen. Alles war extrem mühsam und erforderte eine hohe Konzentration.

Bianca und ich liefen abwechselnd vorne und suchten nach den besten Stellen zum Klettern. Am Ende kam Ben. Wir dachten das wäre am Sichersten für ihn. Ich weiß auch gar nicht wie es dazu gekommen ist. Unter uns tobte der eisige Bach des Gletschers und wir stiegen gerade über eine senkrechte, zum Teil auch überhängende vereiste Felskante hinweg, als ich ein kurzes Gleiten hörte und das herunter kullern einzelner Steine. Erst nach ein paar Schritten drehte ich mich noch mal mühsam erschöpft nach hinten, um nach Ben zu schauen - und er war weg!

„Bianca - STOP!“ rief ich verzweifelt.

Wir beide ging ein paar Meter zurück, fanden aber nur eine Stelle seitlich von unseren Fußspuren, wo der Schnee fehlte. Danach kam der Abgrund.

„Ben! BEEEEN! riefen wir aus Leibeskräften.

Ich legte meinen Rucksack ab, klammerte mich an den Fels und wollte über die schräge Kannte schauen.

Bianca hielt mich aber zurück: „Tu es nicht! Du bekommst Übergewicht…“

„Vielleicht hängt er da noch und wir können ihn retten…“

„Da ist nichts zum Festhalten! Bleib hier!“

Mir liefen die Tränen, ich schrie vor Schmerz aus Leibeskräften und mein Körper schütteltete sich. Ich wurde Wahnsinnig bei dem Gedanken, dass Ben hier herunter gestützt war.

„Er hat noch nicht mal um Hilfe schreien können.“ rief ich verzweifelt „Oh, mein armer Ben!“

Bianca hielt mich noch immer an den Beinen fest. Langsam, ganz langsam krabbelte ich allmählich mit den Armen rückwärts zurück zu ihr. Sofort nahm sie mich in den Arm. Wir beide weinten auf den Knien. Es dauerte eine ganze Weile…

-

Es ist nun Abend. Wir sind auch heute weitergezogen ohne nach Ben zu schauen weil wir keine andere Wahl haben um lebend hier wieder raus zu kommen. Wahrscheinlich liegt sein Körper zerschmettert und leblos kalt zwischen den Felsen im Bach. Dort wo wir ihn zurücklassen mussten.

Wir haben den Tag fast schweigend und jeder für sich in Gedanken verbracht. Nur bei den Pausen haben Bianca und ich uns nebeneinander gesetzt und in die Arme genommen um uns gegenseitig still zu trösten. Nun sitzen wir wieder in einem Unterstand und uns beiden einfach unwohl zu Mute. Es fehlt Ben’s Anwesenheit. Stumpfsinnig blicke ich an die hölzerne Wand, denke an all die Jahre, an all die Erlebnisse und alltäglichen Situationen dich ich mit ihm erlebt hatte. Ich mach mir Vorwürfe, dass ich die Idee zu dieser Reise hatte, auch wenn der Gedanke Blödsinn ist. Ich erinnere mich immer wieder an den Tag, wo ich ihn aus dem Teich gerettet habe - aber nun ist er für immer weg. Und ich habe seinen Tod nicht verhindern können! Mein kleiner Bruder Ben…

Bianca kommt zu mir herüber und fragt: „Wie geht es dir?“

„Ich bin völlig fertig.“

„Geht mir genauso.“

„Ich kann einfach nicht mehr weiter. Es - macht keinen Sinn.“

Bianca kniete sich direkt hinter mich und fing an meine Schultern zu massieren. Es fühlte sich zwar gut an, aber half nicht wirklich über den Kummer hinweg.

„Hast du denn nicht einen guten Bibelvers als Trost?“ fragte ich sie verzweifelt.

Bianca überlegte: „Es gibt da schon ein paar passende…“

„Aber?“

Bianca drehte sich zur Seite und setzte sich nun genau gegenüber vor mir auf den Boden.

„So kann ich dir besser ins Gesicht schauen.“ erklärte sie.

Ich schlug die Augen zu Boden. Mir war nicht danach sie so direkt anzuschauen.

„Also“ fuhr sie schließlich fort „in der Bibel gibt es die Geschichte von Hiob. Vielleicht schon mal was davon gehört? Er hatte alles verloren - aber so wirklich alles! Sein Geschäft, sein Vermögen, seine Familie und alle seine Kinder. Und das innerhalb eines Tages. Zusammen mit drei Freunden saß er nun in seinem Kummer und sie versuchen zusammen seine Situation zu erklären und in Griff zu bekommen.“

„Und?“ warf ich kurz ein.

„Nichts. Kapitelweise kein Erfolg. Schließlich wird Hiob sauer gegenüber Gott und wirft ihm vor zu Unrecht zu leiden. Da meldet sich Gott endlich persönlich zu Wort und macht ihm recht drastisch klar, dass kein Mensch das Recht hat von IHM Rechenschaft zu verlangen.“

„Na toll.“ seufzte ich vor mich hin.

„Warte - denn Hiob begreift das sofort. Und er ist Gott gar nicht mal böse deswegen sondern wird überglücklich.“ Bianca wurde ganz aufgeregt „Und ahnst du warum?“

„Nein. Sag’ es mir bitte.“

„Weil er in diesem direkten Streit mit Gott seine Nähe endlich wieder gespürt hatte, statt nur über ihn zu reden. Und genau nach dieser Nähe hatte er sich die ganze Zeit gesehnt: dass Gott sich überhaupt noch für ihn interessiert.“

„Du meinst, wie bei einem kleinen weinenden Kind, was endlich in die Arme genommen wird und sofort wieder ruhig wird?“ fragte ich nach.

Bianca nickte und schaute mich erwartungsvoll an.

Ich saß erstmal nur still da und tat einen großen Seufzer.

„Danke, Gott. Diesen Trost habe ich echt gebraucht. Gut, dass du da bist…“ sagte ich schließlich und es klang eigentlich fast wie ein Gebet.

„Michael?“

„Ja.“

„Wenn wir endlich auf der Südseite der Berge ankommen, dann will ich bei dir bleiben.“

„Unbedingt. Nicht nur weil ich sonst wieder einsam wäre…“

„Ich weiß. Geht mir doch genauso.“

„Wirklich, Bianca?“

Sie lächelte mich an. Schließlich sagte sie: „Auch wenn ich die ganze Zeit hier so fromm daher rede - ich bin auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut.“

Ich musste irgendwie lachen: „Der Spruch könnte von mir gewesen sein.“

Auch Bianca musste lachen: „Echt? Scheinbar färbt deine ungehobelte Art auch etwas auf mich ab.“

„Und deine Art auf mich…“

Als wir uns schließlich zum Schlafen hinlegten, baten wir noch Gott um Ben’s Seele, wussten aber zu gleich, dass Gott ihn bestimmt zu sich aufgenommen hat und er nun für alle Ewigkeit gerettet ist.