Czytaj książkę: «Das Überlebensprinzip», strona 12

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49. Tag

Kurz nachdem wir aufgewacht sind, kam Lupus auch wieder hinzu. Er hatte sich sogar die Mühe gemacht uns wieder etwas zu Essen mitzubringen. Es gab sogar kalten Kaffee!

„Dann zeigt mir mal wie Ihr euch vorstellt über das Gebirge zu kommen.“ fragte er uns mit echtem Interesse und wir holten die Karte.

„Das dürfte wirklich keine schlechte Route sein. Aber nehmt nicht dieses Tal sondern das hier nach rechts.“

„Wieso das? Ist doch eine ganze Ecke länger.“ protestierte ich.

„Der andere ist vermint.“

Ich schaute ihn erstaunt an. Dann fragte ich: „Sollen wir besser im Tal unten oder auf halber Höhe den Gebirgsweg gehen? Wir haben einmal im Urlaub da oben eine Radtour gemacht - das geht ganz gut.“

„Keine schlechte Idee. Normalerweise ist so gut wie niemand mehr in diesen Tälern. Es ist dort zu unwirtlich. Trotzdem könnte man euch unten im Tal viel besser sehen.“

„Wir bräuchten noch entsprechende Kleidung und Schuhe.“ ergänzte Bianca „Ja und natürlich auch Proviant für eine Woche.“

„Da kann ich euch auch helfen.“ sagte Lupus „kommt einfach mit in den übernächsten Ort.“

„Danke.“ sagten Bianca und ich. Lupus lächelte nur.

Als wir später beim Zusammenpacken kurz alleine waren, nahm mich Bianca zur Seite: „Siehst du, er ist ein feiner Kerl. Hatte ich nicht recht?“

„Ja, das stimmt. Und er hat mich nachdenklich gemacht was meine Einschätzung von Menschen betrifft.“

Als alles verstaut war, marschierten wir gegen Mittag los in Richtung des breiten Tales. Lupus zeigte uns den Weg. Gegen Abend kamen wir in eine verlassene Stadt. Doch hier gab es genau die richtigen Wanderschuhe, Thermokleidung, Pullover, langen Unterhosen usw. Nur zu essen gab es nichts in diesem Ort.

„Das besorgen wir uns morgen. Ich habe da eine ganz besondere Quelle…“ meinte Lupus.

Als es später Abend wurde und Bianca und Ben schon im Zelt verschwunden waren, nahm mich Lupus noch mal zur Seite. Er legte mir eine Hand auf die linke Schulter und schaute mich wieder mit seinem tiefen und durchdringenden Blick an. Dann sagte er:

„Du lässt dir etwas von Älteren sagen und hörst aufmerksam zu wenn man dir einen Rat gibt. Damit gehörst du offensichtlich zu den schlaueren deines Alters. Das gefällt mir.“

Er machte eine Pause und fuhr dann fort: „Wenn junge Kerle wie du in Stress geraten, dann schießen sie um sich und töten alles was ihnen in die Quere kommt. Bei den älteren Männern ist das so, dass sie sich selbst das Leben nehmen wenn sie keinen Ausweg mehr sehen. Nur wenige sind besonnen und halten durch. Kann es sein, dass du so einer bist?“ So hatte ich die Dinge noch nie gesehen.

„Ich glaube schon.“ antwortete ich.

Lupus nickte mir freundlich zu: „Dann pass bitte auf meine kleine Bianca gut auf. Ich habe mich sehr gefreut sie zufällig noch mal wieder zu sehen. Versprichst du es mir?“

„Ja, Lupus.“ ich wurde leicht rot dabei.

Danach ließ er mich zu den anderen gehen. Langsam wurde mir dieser Kauz echt sympathisch.

50. Tag

Nun würde die letzte Etappe unserer langen Reise starten. Und einfach würde sie nicht gerade sein! Ich war ziemlich nervös, ob wir wirklich genügend Lebensmittel für drei Personen überhaupt zusammen bekämen. Irgendwie konnte ich mir das nicht so richtig vorstellen. Doch Lupus führte uns zielsicher quer durch das Tal auf ein Gelände zu, dass seltsam umzäunt und mit Wachtürmen gesichert war.

„Sollten wir nicht besser vorsichtiger sein?“ fragte Bianca.

„Keine Sorge. Hier ist niemand. Ich bin schon seit einem Monat hier im Tal und habe noch keinen gesehen.“ antwortet Lupus zuversichtlich. Trotzdem hielt ich mein Gewehr im Anschlag bereit.

Als wir näher kamen erkannten wir um was für eine Anlage es sich handelte: es war eine militärische Airbase. Wir passierten den Schlagbaum am Haupteingang und gingen hinüber zu den eingeschossigen Gebäuden. Es war echt gespenstisch hier! Es standen sogar einzelne millionenteure Flugzeuge herum - doch leider ohne einen Nutzen ohne den notwendigen Treibstoff. Dann betraten wir eines der Gebäude. Lupus hatte sogar einen Schlüssel dabei und öffnete die Tür.

„Hereinspaziert! Hier hätten wir das Lebensmittellager. Noch randvoll mit fast ewig haltbar abgepacktem Essen.“ ein gewisser Stolz war aus seiner Stimme zu hören.

Es war das reinste Paradies - wir überlegten was am leichtesten war und wie viel wir an Brot, Käse, Dosenwurst, Marmelade und Schokolade bräuchten.

„Getränke brauchen wir wahrscheinlich nicht. Da können wir aus den Bächen trinken, oder?“ fraget Bianca.

„Könnt ihr machen. Aber nehmt den Alkohol hier mit. Der könnte im Notfall nützlich sein.“ Lupus reichte uns die kleine Flasche mit hochprozentigem Inhalt.

Dann wurde es Zeit Abschied zu nehmen. Wahrscheinlich für immer. Und so gaben wir Bianca und Lupus jede Menge Zeit sich noch einmal auszusprechen. Als die beiden wieder zu Ben und mir kamen, riet uns Lupus noch folgendes:

„Wenn ihr drüben über den Pass gekommen seid, dann ist dort auf halbem Weg ins Tal eine kleine Kapelle. Dort legt eure Waffen ab.“

„Wieso das denn?“ wollte ich wissen.

„Ihr müsst unbewaffnet sein wenn ihr zu den Leuten auf der anderen Seite Kontakt aufnehmen wollt. Sonst hält man euch für Banditen und macht kurzen Prozess.“

„Okay. Danke für den Tipp.“ sagte Bianca und nickte.

„Dann wünsche ich euch nun eine gute Reise!“ sagte Lupus und hielt uns die Hand hin. So schwer es uns fiel - wir mussten weiter. Unserem Ziel entgegen…

-

Je weiter wir in das breite Tal hineinliefen, desto imposanter ragten links und rechts die Hänge empor. Teilweise schon mit felsigen Gipfeln waren sie jedoch nur ein Vorgeschmack für die echten Berge, die uns erwarteten. Der Anblick war unglaublich schön und der Himmel leuchtete im kräftigen Blau dazu.

Wir entschieden uns auf den Eisenbahnschienen entlang zu laufen. Das war nicht nur der geradlinigste Weg sondern hatte auch den Vorteil, dass auf beiden Seiten Bäume und Büsche uns verdeckten. Auch mussten wir uns über Brücken keine Gedanken machen. Wenn die Gleise in einen Ort mündeten, umgingen wir diesen sorgfältig über die vielen Weideflächen. So kamen wir ziemlich gut voran.

Am späten Nachmittag wurde uns dann doch ziemlich langweilig. Das ewige hintereinander her trotten, immer im Schritt der Eisenbahnschwellen, war auf die Dauer sehr stumpfsinnig. Mir gingen noch einmal die Gedanken von unserem Gespräch über Gott durch den Kopf: „Sag mal Bianca, wieso glaubst du eigentlich an Gott?“

Bianca blickte von den Schwellen auf: „Weil er mein ein und alles ist.“

„Und wieso bist du dir da so sicher? Schließlich sieht und hört man ja nichts von ihm - zumindest nicht unmittelbar.“ ergänzte ich etwas unsicher in der Sorge dass sie das hoffentlich nicht beleidigen würde.

„Da hast du zwar recht, aber du vergisst die Bibel.“ antwortete sie. „Darin kannst du ihn ganz persönlich kennen lernen.“

Als ich sie nur fragend anschaue, lächelt Bianca mir zu. Wir gehen eine Weile schweigend nebeneinander im Gleichschritt weiter. Es war mir bislang gar nicht aufgefallen, dass ihr das so viel bedeutet. Ob das für unsere gemeinsame Zukunft vielleicht doch nicht so gut wäre? Religionen haben manchmal so ihre Eigenarten wo gar nichts mehr geht… Mein Herz wurde immer schwerer und ich wusste schließlich nicht mehr, was ich mit der Situation anfangen sollte.

„Wovor hast du Angst?“ unterbrach dieses Mal Bianca die Stille.

„Ich habe keine Ahnung. Weder dass ich mich mit der Bibel auskenne, noch was ich mit ihr anfangen soll?“

„Soll ich dir noch mal was vorlesen?“

„Ja, gut.“ antwortete ich kurz aber durchaus erwartungsvoll.

Bianca suchte ihr kleines Buch hervor und blätterte ein wenig hin und her. Ich schaute ihr von der Seite dabei zu. Es waren viele bunte Markierungen und Bleistifteinträge darin - du meine Güte. Sie schien das wohl intensiv zu lesen! Nun, kann man ihr aber nicht verdenken, wenn es sonst keine Abwechslung gibt.

„Hier ist was: Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.“ las Bianca laut vor.

Auch Ben war von hinten näher gekommen und an unserem Gespräch besser Anteil haben zu können.

„Erkläre mir das mal. Wie sieht diese Rettung aus und von was?“ wollte ich es genauer wissen.

„Es geht hier um die Rettung von der Sünde - und ihre Folgen.“ begann sie mit Ihrer Ausführung.

„Aha, also alle meine Fehler, schlechten Taten, Gedanken… So ist das doch gemeint?“

„Nein.“

„Wie, NEIN?!“

Bianca blieb stehen und schaute mir tief in die Augen. Sie hatte einen ernsten Gesichtsausdruck und machte die Sache echt spannend. Schließlich fuhr sie fort:

„Die Sünde ist die Trennung von Gott. Du und ich sind ohne eine Beziehung zu ihm geboren worden. Je nach Elternhaus erfährt der eine mehr oder weniger bis hin zu gar nichts darüber, dass das so ist. Schlimmer noch - wir lehnen ihn dadurch ab, dass wir ihn nicht brauchen oder wollen.“

„Also ich habe nichts gegen Gott.“ war meine spontane Reaktion. Aber die schien Bianca nicht zu überzeugen. Also fragte ich weiter:

„Was bringt mir diese Beziehung zu ihm? Kann man die überhaupt erleben?“

Bianca überlegte eine Weile. Dann sagte sie mit leiser Stimme:

„Kennst du das nicht, dass du dein Leben nicht in den Griff bekommst? Dass dich ein innerer Trieb zu allem möglichen zwingt, was du normaler weise nicht tun möchtest? Wenn ich in diesem Moment nicht wüsste, dass es Gott gäbe, dem ich verantwortlich gegenüber bin und der mir liebevoll gesagt hat was schlecht für mich ist…“ sie holte tief Luft und fuhr fort: „…dann würde ich es trotzdem tun und hinterher hilflos sagen: ist halt so gewesen.“

„Nimm es mir nicht übel, aber das war jetzt einfach zu theoretisch für mich.“

„Als ihr mich damals gefangen genommen hattet, wollte ich euch sofort bei nächster Gelegenheit umbringen. Ich hatte nämlich echt Angst vor euch Typen. Das ist doch das, was dein Überlebensprinzip vorgibt, oder etwa nicht? Jetzt erklär mir mal warum ich es nicht gemacht habe?“

Erstaunt blickten Ben und ich sie an. Die Angst hatten wir damals genauso gehabt.

„Ich, ich… keine Ahnung.“ stotterte ich.

„Weil ich weiß, dass ich zu Gott gehöre und nicht unter dieses fürchterliche Überlebensprinzip - egal wie es ausgeht!“

„Du meinst also, dass man eine Wahl hat anders zu leben?“ fragte ich nach.

„Genau. Und Gott hilft dir dabei. Das meint er mit Rettung anstelle von Richten.“

„Das habe ich nun kapiert!“ sagte ich nicht ohne Stolz.

Bianca lächelte mich freundlich an. Scheinbar war ich doch nicht so der hoffnungslose Fall.

Wir liefen noch bis kurz vor die nächste Brückenüberquerung. Dort schlugen wir am Abend unser Lager auf. Der Bach war unglaublich klar und eiskalt von den Gletschern aus denen er stammte. Das sanfte Rauschen zwischen den großen, runden Steinen hindurch war unglaublich romantisch und beruhigend. So freuten wir uns auf eine friedliche Nacht.

51. Tag

„Wir müssen nun in das rechte Tal abbiegen, so wie es Lupus gesagt hat.“ Bianca hatte sich schon fertig gemacht und wollte aufbrechen.

„Leider führen die Bahngleise ins andere Tal.“ stellte ich nach einem Blick in die Karte fest und ergänzte: „Wir sollten wohl besser nun den Höhenweg nehmen.“

Ben nickte und wartete darauf, dass nun einer von uns beiden losgehen würde.

„Du hast die Karte. Sag du wo es nun lang geht.“ forderte Bianca mich auf.

„Zwei Orte weiter kommt eine Seilbahn. Der folgen wir am besten nach oben. Wollt ihr den geraden Weg nehmen oder lieber die Serpentinenstraße?“

„Den geraden Weg - bis einer schlapp macht!“ lachte Bianca mit ihrem typisch frechen Augenzwinkern.

So liefen wir nun endlich los und kamen gegen Mittag an die Stelle wo es bergauf gehen sollte. Mit dem Lift hätte das keine zwanzig Minuten gedauert. Aber wir hatten in der ersten Etappe gut 800 Meter zu überwinden und später noch mal etwas flachere 400 Meter. Aus einem Kiosk besorgte ich noch schnell eine detailliertere Wanderkarte aus der Region. An einem Ständer daneben gab es verschiedene Souvenirs für Touristen. Ich fand die Filzhüte ganz nett und besorgte einen für Ben.

„Habe ich dir mitgebracht. Magst du ihn?“ fragte ich ganz unbefangen. Dabei bemerkte ich Biancas Blick von der Seite.

„Was ist? Habe ich etwas falsch gemacht?“

„Ach nein, Michael. Es ist nur die alte Gewohnheit.“

„Was denn?“ wollte ich näher von ihr wissen.

„Früher wäre das Diebstahl gewesen einfach so den Hut zu nehmen. Aber das ist heute ja ganz anders… Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen.“

Ich bekam große Augen. So hatte ich das noch nie gesehen und war mir auch nicht mehr so sicher ob das nun in Ordnung war oder nicht.

„Du hast eigentlich Recht, Bianca.“

„So habe ich das doch nicht gemeint.“ sie wurde richtig verlegen.

„Doch, natürlich.“ versuchte ich mich zu rechtfertigen. „Wir brauchen den Hut nicht - im Gegensatz zu Lebensmitteln oder anderen wichtigen Dingen. Die kann ich zwar auch nicht bezahlen, aber ich benötige sie.“

So brachte ich den Hut eilends zurück und hatte das zufriedene Gefühl etwas richtig gemacht zu haben. Dann begannen wir mit dem Aufstieg. Wir liefen unter den Seilen der Bahn entlang. Ganz kleine Schritte in einem ruhigen und ausdauernden Tempo. Nach einer halben Stunde blickte ich kurz zurück - was für ein Weitblick! Und noch mehr Bergspitzen waren am Horizont zu sehen. Dabei war es nur ein kleiner Teil gewesen, den wir bislang zurückgelegt haben.

Am späten Nachmittag kamen wir endlich oben an. Hier gab es keine Bäume mehr, nur Wiesenflächen oder Fels. Wir waren die ganze Zeit geradewegs der Seilbahn gefolgt. Nun waren wir völlig fertig und legten uns auf der Aussichtsterrasse auf die dort verteilten Liegestühle. Der Blick durch das gläserne Geländer in das Tal hinein war einfach majestätisch! Die Sonne sank allmählich und das Tal füllte sich halbseitig mit dunklem, kühlem Schatten, der die Hänge hinaufkroch.

„Wir können heute Nacht in der Bergstation übernachten. Dann brauchen wir das Zelt nicht aufzubauen.“ schlug Bianca vor.

„Gute Idee - los lasst uns mal reingehen.“

Drinnen war alles noch wie es vor Jahren einmal verlassen wurde. Ordentlich dekoriert aber ziemlich staubig. Hier oben hatte wohl nicht die übliche Plünderei stattgefunden. Am gemütlichsten fanden wir den kleinen Mitarbeiterraum. Er war gerade groß genug, dass wir auf dem Boden bequem unser Nachtlager einrichten konnten.

Nach dem Abendessen wollten wir uns gar nicht mehr groß bewegen.

„Hoffentlich gibt das keinen Muskelkater.“ jammerte Bianca.

„Das war aber erstmal der härteste Teil gewesen.“ erklärte ich den beiden den bevorstehenden Weg „Ich bin ja mal gespannt wie viel wir am Tag überhaupt schaffen können.“

„Hmm…“ kam eine leise Bestätigung aus Biancas Ecke.

Und auch Ben schien nicht mehr wirklich viel wissen zu wollen. Aus seiner Richtung hörte man nur ein leises Atmen. So werde ich für heute auch erstmal Schluss machen.

52. Tag

Muskelkater! Abartig und heftig, schmerzhaft bei jedem Schritt. Insbesondere bei Treppen - und wenn es nur eine Stufe ist! Auch den anderen schien es nicht besser zu gehen. Halb gelähmt setzten wir uns in den Speiseraum direkt an die bodentiefe Fensterfront und aßen unser Frühstück. Was für ein Ausblick sich uns dabei bot…

„OK. Wir können heute nicht weiterlaufen. Außerdem scheint es schlechtes Wetter zu geben. Schaut mal da drüben.“

Ich zeigte mit dem Finger in Richtung Westen. Eine richtig graue Regenschleierwand schob sich da heran und überdeckte die morgendliche Schönheit des Himmels.

„Oh ja, sieht echt düster aus.“ bestätigte Bianca.

Nur eine halbe Stunde später goss es wie aus Eimern. Der Wetterumschwung hier oben war schon nicht ohne. So blieben wir den ganzen Tag wie Gefangene in dieser Bergstation im Trockenen. Zwar entdeckte Ben ein paar Brettspiele, aber nach dem fünften Mensch-ärgere-dich-nicht hatte keiner mehr so richtig Lust…

-

„Hast du nicht noch mal Lust uns was vorzulesen?“ fragte ich irgendwann am Nachmittag Bianca.

Sie öffnete die Augen und erhob sich langsam von dem Sofa in der Lounge. Kurze Zeit später kam sie mit dem Buch zurück, dass sie aus ihrem Rucksack geholt hatte.

„Wie wäre es damit. Ist aber etwas länger.“ sagte sie schließlich.

„Schon in Ordnung. Wir haben im Moment ja viel Zeit.“

Ben kam zu mir rüber, lehnte sich an meine Seite und machte es sich auf meiner Couch zusammen mit mir bequem.

Bianca las uns den Text vor: „Jesus sagte aber zu einigen, die sich anmaßten, fromm zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis: Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand für sich und betete so: ‚Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.‘ Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: ‚Gott, sei mir Sünder gnädig!‘ Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden - und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.“

„Ich glaube mir gefallen deine Geschichten immer besser. Langsam kriege ich Geschmack daran. Das ist einmal was ganz anderes, was man sonst so den Tag über denkt.“ war meine erste Reaktion darauf.

„Wahrscheinlich liegt das daran, dass Gott an deinem Herzen arbeitet.“ lächelte Bianca mir zu und ergänzte: „Also aus meiner ehemaligen Schulklasse kenne ich keinen Jungen, der sich für so etwas interessiert hätte.“

„Dabei bist du so eine hübsche Vorleserin, doch ehrlich!“

„Michael, bleib bitte beim Thema.“ ermahnte Bianca und fuhr fort: „Was meint ihr will Jesus den Menschen hier klar machen?“

„Das Selbstgerechtigkeit doof ist.“ warf ich spontan ein.

„Und du Ben?“ stellte Bianca ernsthaft die Frage auch an ihn.

Eigentlich fand ich das komisch, da wir alle wussten dass Ben es nicht schaffen wird seine innere Blockade zu überwinden und zu sprechen. Aber wie selbstverständlich stand er auf, ging zum Empfang und kam mit einem Block und einem Stift wieder zurück. Schlaues Kerlchen!

Als er fertig geschrieben hatte, riss er den Zettel ab und gab ihn Bianca zum Lesen. Sie nickte kurz und zustimmend.

„Was steht den drauf?“ fragte ich neugierig „Lies doch mal vor.“

„Hier, lies es selbst.“ Bianca reichte mir das Papier.

Es stand nur ein Wort drauf: Bedürftigkeit.

„Hä? Wie jetzt? Das ist die richtige Antwort?“

„Er hat voll ins Schwarze getroffen, unser kleiner Ben.“ bekräftigte Bianca noch einmal.

„Dann erklär mir das bitte mal.“

„Solange du glaubst, du könntest Gott mit einer Tat oder deiner inneren Einstellung beeindrucken, liegst du voll daneben.“

„Ja meine ich doch - falsche Selbstgerechtigkeit eben.“

„Du blickst auf den lächerlichen Pharisäer genauso herab, wie dieser auf den Zöllner.“ erklärte Bianca weiter „Merkst du das denn nicht?“

Ich überlegte. Das war wohl war. Also war ich instinktiv genauso selbstgerecht wie er?

„Das heißt ich sollte mir eher den miesen Zöllner zum Vorbild nehmen?“

„Genau. Denn er hat seine wirkliche und ungeschminkte Position gegenüber Gott erkannt und sich richtig eingeschätzt.“ ergänzte Bianca meinen Gedankengang.

„Hilfsbedürftigkeit - das ist die richtige Lebenseinstellung?“ fragte ich etwas unsicher nach.

„Ja, Michael. Jetzt hast du es begriffen. Und Gott möchte uns dabei helfen. Ist das nicht prima?“

Bianca nahm erwartungsvoll meine Hand. Es fühlte sich gut an, aber noch mehr begeisterte mich diese tiefgreifende Erkenntnis. Eine Träne lief mir die Wange hinunter. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mich in diesem Moment noch nie so geborgen gefühlt habe!