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b) Zwischenergebnis

Aus staatlicher Sicht ist es für den Erlass einer rechtmäßigen Maßnahme gegen einen Wirtschaftsakteur im Sinne des § 2 Nr. 29 ProdSG unerlässlich, dass die Marktüberwachungsbehörden im Rahmen der Störerauswahl die Tatbestandsvoraussetzungen der Wirtschaftsakteure und insbesondere des Herstellers korrekt anwenden. Wird der Wirtschaftsüberwachungsverwaltungsakt an einen Wirtschaftsteilnehmer als Hersteller gerichtet, der nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt, ist der Verwaltungsakt gegenüber diesem Wirtschaftsteilnehmer rechtswidrig. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Wirtschaftsteilnehmer, der die Tatbestandsvoraussetzungen des Herstellers nicht erfüllt, indes nicht automatisch als Händler, Bevollmächtigter oder Einführer angesehen werden kann. Durch die falsche Anwendung des Herstellerbegriffs seitens der Marktüberwachungsbehörden können in diesem Fall Schutzlücken entstehen, indem rechtswidrige Verwaltungsakte erlassen werden, die den betreffenden Wirtschaftsteilnehmer nicht rechtmäßig verpflichten und die er daher anfechten kann. Dadurch können gefährliche Produkte im Feld verbleiben oder weiterhin auf dem Markt bereitgestellt werden. Die Inanspruchnahme einer „anderen Person“ ist nämlich nur dann möglich, wenn Maßnahmen gegen die Wirtschaftakteure nicht einleitbar sind. Jedoch ist Voraussetzung, dass die Wirtschaftsakteure, das heißt insbesondere der Hersteller, zuvor zutreffend identifiziert wurden.

Die rechtmäßige Auswahl des Wirtschaftsakteurs kann nur dann erfolgen, wenn die Begriffe der verschiedenen Wirtschaftsakteure durch die erlassende Wirtschaftsüberwachungsbehörde rechtmäßig ausgelegt und angewendet werden. Der zentrale Wirtschaftsakteur als Adressat von Wirtschaftsverwaltungsakten ist der Hersteller, der im Rahmen des Auswahlermessens von entscheidender Bedeutung ist. Dies ergibt sich zum einen aus dem Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr, nach dem die Gefahrenabwehr grundsätzlich an der Gefahrenquelle, das heißt beim Hersteller, ansetzen sollte. Zum anderen ist zu beachten, dass sich Marktüberwachungsmaßnahmen wie ein Rückruf nach § 26 Abs. 2 Nr. 7 ProdSG oder ein Vertriebsstopp nach § 26 Abs. 2 Nr. 4 ProdSG am effektivsten beim Hersteller durchsetzen lassen. Der Hersteller ist in der Lage, relevante Informationen für einen Produktrückruf zu sammeln und zur Verfügung zu stellen. Sobald der Hersteller mehr als einen Händler beliefert, wäre ein Rückrufverwaltungsakt gegen zwei Händler weniger effektiv als ein Rückrufverwaltungsakt gegen den Hersteller, der über seine Händler die Informationen erhält, an welche Endkunden die Produkte vertrieben wurden.

40 Siehe dazu Teil B. III. 1. b) ff. 41 Siehe dazu Teil B. III. 1. e). 42 Siehe dazu Teil B. III. 1. a). 43 Bei einem Konstruktionsfehler bleibt nicht nur ein einzelnes Produkt, sondern auch die ganze Serie hinter dem zu erwartenden Sicherheitsstandard zurück, vgl. dazu Lach/Polly, Produktsicherheitsgesetz, S. 57. 44 Im Rahmen der Produktion hat der Hersteller negative Abweichungen eines einzelnen Produkts oder einzelner Produkte von dem Design beziehungsweise dem Bauplan zu verantworten. Diese Art Fehler haben ihren Ursprung zumeist in der Fertigung, vgl. dazu Lach/Polly, Produktsicherheitsgesetz, S. 56. 45 Ein Instruktionsfehler liegt dann vor, wenn der Verwender eines Produkts nicht ausreichend über den Umgang mit dem Produkt und mögliche Gefahren informiert wird (vgl. Wagner in: MüKoBGB, ProdHaftG § 3 Rn. 41.). Der Hersteller hat den Verwender in die Lage zu versetzen, das entsprechende Produkt trotz einer möglichen Gefahr, die vom Produkt ausgeht, sicher zu verwenden. Im Rahmen der Instruktionspflichten gibt es eine Reihe von Vorschriften, die besondere Hinweise an den Verwender betreffen wie § 3 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 und Abs. 4, § 6 Abs. 1 Nr. 1 und § 26 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 ProdSG. 46 v. Westphalen in: Foerste/Graf von Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 3. Auflage, § 48 Rn. 5. 47 Kapoor in: Klindt, Produktsicherheitsgesetz ProdSG, § 6 Rn. 30. 48 Lach/Polly, Produktsicherheitsgesetz, S. 35 f. 49 Das deutsche GS-Zeichen, das für „geprüfte Sicherheit“ steht und seine Rechtsgrundlage in § 20 ProdSG hat, kann neben dem CE-Kennzeichen angebracht werden. Hierbei darf die GS-Stelle gemäß § 20 Abs. 1 ProdSG das GS-Zeichen nur dann erlauben, wenn das geprüfte Baumuster den produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen entspricht. Das GS-Zeichen ist im Gegensatz zum CE-Kennzeichen ein freiwilliges Kennzeichen. Entscheidet sich der Hersteller zur Vergabe des GS-Zeichens, hat er sich den Verpflichtungen der §§ 20–23 ProdSG zu unterwerfen, vgl. dazu Tünnessen-Harmes, Die CE-Kennzeichnung zum Abbau technischer Handelshemmnisse in der Europäischen Union, S. 1334 und 1341; Ensthaler/Strübbe/Bock, Zertifizierung und Akkreditierung technischer Produkte, S. 188. 50 BHGZ 80, 186 f.; BGHZ 80, 199 f. 51 Nach der Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU und der neuen Marktüberwachungsverordnung (EU) 2019/1020 (siehe dazu vertieft Teil I) sind Wirtschaftsakteure nunmehr auch dazu verpflichtet, sämtliche potenziell unsicheren Produkte zu melden, das heißt nicht mehr nur potenziell unsichere Verbraucherprodukte. 52 Hierbei ist nach § 6 Abs. 5 S. 3 ProdSG die zuständige Marktüberwachungsbehörde insbesondere über die Maßnahmen zu unterrichten, die zur Vermeidung dieses Risikos getroffen wurden. 53 Dabei handelt es sich um das Betretungs-, Besichtigungs- und Prüfrecht der Marktüberwachungsbehörden. Dazu kommen das Entnehmen und das Verlangen von Proben oder Mustern, das Anfordern erforderlicher Informationen und Unterlagen nach § 28 Abs. 2 S. 1 ProdSG. Im Rahmen der Marktüberwachung haben Hersteller außerdem gemäß § 28 Abs. 4 ProdSG die Pflicht, rechtmäßige Handlungen und Maßnahmen von Marktüberwachungsbehörden zu dulden beziehungsweise den Maßnahmen Folge zu leisten. 54 Vieweg in: Schulte/Schröder, Handbuch des Technikrechts, S. 352. 55 Borges, CR 2016, 272, 280. 56 Daneben kommen zwar noch folgende weitere produktsicherheitsrechtliche Normen in Betracht, aber ihre Schutzeigenschaft im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist teilweise unklar, vgl. dazu Borges, CR 2016, 272, 275: Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO), die Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger (EG-FGV), die Verordnung über die Prüfung und Genehmigung der Bauart von Fahrzeugteilen sowie deren Kennzeichnung (Fahrzeugteileverordnung – FzTV). 57 Google Self-Driving Car Testing Report on Disengagements of Autonomous Mode, December 2015, S. 6, https://www.google.com/selfdrivingcar/files/reports/report-annual-15.pdf (Abrufdatum: 09.09.2018). 58 http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/maechtige-internetriesen/volvo-uebernimmt-haftungfuer-selbstfahrende-autos-13847238.html (Abrufdatum: 09.09.2018); http://www.technologyreview.com/news/520746/data-shows-googles-robot-cars-are-smoother-safer-drivers-thanyou-or-i/ (Abrufdatum: 09.09.2018). 59 Das ProdHaftG beruht auf der Europäischen Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG, die zu einer Angleichung der europäischen Produkthaftungsgesetze in den einzelnen Mitgliedstaaten geführt hat. 60 Auch Schadensersatz im Fall von Sachbeschädigung ist unter eingeschränkten Voraussetzungen nach § 1 ProdHaftG möglich. 61 Siehe dazu vertiefend Teil H III Nr. 2. 62 Lach/Polly, Produktsicherheitsgesetz, S. 57. 63 BGH, Urteil vom 23.10.1997 – I ZR 98–95 (Frankfurt a.M.) = NJW-RR 1998, 1198; Kopp/Klostermann, CCZ 2009, 155, 157 f.; OLG Hamm, Urteil vom 09.07.2015 – 4 U 59/15 = BeckRS 2015, 20832. 64 LG München I, Urteil vom 22.02.2005 – 9 HK O 23242/04; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.02.2014–20 U 188/13, BeckRS 2014, 17560, OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 25.09.2014 – 6 U 99/14 = GRUR-RS 2015, 08504. 65 BGH, Urteil vom 12.01.2017 – I ZR 258/15; BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 226/13 = GRUR 2016, 88 Rn. 22 = WRP 2016, 35; Beschluss vom 24. März 2016 – I ZR 243/14 = GRUR 2016, 833 Rn. 11 = WRP 2016, 858. 66 OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.10.2006 – 20 U 113/06. 67 Lach/Polly, Produktsicherheitsgesetz, S. 60. 68 Loerzer/Schacht, Konformitätsverantwortung, S. VIII. 69 Siehe dazu vertiefend Teil B III. Nr. 1 a). 70 Siehe dazu vertiefend Teil B III. Nr. 1 c). 71 Loerzer/Schacht, Konformitätsverantwortung, S. VIII. 72 Koch in: Hüffer/Koch, Aktiengesetz, § 93 Rn 4. 73 § 93 AktG ist zwingendes Recht und kann weder durch Satzung oder durch Geschäftsordnung noch durch Anstellungsvertrag abbedungen werden, vgl. dazu Eckert in: Wachter, AktG, § 93 Rn. 1. 74 Eckert in: Wachter, AktG, § 93 Rn. 5. 75 Koch in: Hüffer/Koch, Aktiengesetz, § 93 Rn. 17. 76 Dazu heißt es in Ziffer 4.1.3 DCGK (Deutscher Corporate Governance Kodex): „Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch Konzernunternehmen hin.“ 77 Bergmoser/Theusinger/Gushurst, BB Special 5 (zu BB 2008, Heft 25), 1, 8. 78 Siehe dazu vertiefend Teil B III Nr. 1 a). 79 Schücking in: MHdB GesR I, § 1 Einführung, Rn. 44 f.; Schäfer in: MüKo, § 705 Rn. 221. 80 Weipert in: MHdB Gesellschaftsrecht I, § 6 Rn. 32; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 3b, S. 557. 81 Sonnenberg, JuS 2017, 917, 917 f. 82 Nave/Bonenberger, BB 2008, 735, 735; Wieland in: Wieland/Steinmeyer/Grüninger, Handbuch Compliance-Management, S. 15. 83 Vorholt, Wirtschaftsstrafrecht, S. 17. 84 Marktüberwachungsbehörden sind Länderbehörden, in der Regel die Gewerbeaufsichtsämter der jeweiligen Bezirksregierungen. Eine Ausnahme zu diesem Grundsatz stellt das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg dar, das für Kraftfahrzeuge und damit im Zusammenhang stehende Produkte über eine besondere Zuständigkeit verfügt. Ferner ist die Bundesnetzagentur (BNetzA) als Bundesbehörde für den Vollzug des Funkanlagengesetzes (FuAG) zuständig, das die europäische Funkanlagen Richtlinie (2014/53/EU) in nationales Recht umsetzt. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin als Bundesoberbehörde unterstützt die Landesbehörden beim Vollzug des ProdSG. 85 Die möglichen Maßnahmen, die als Verwaltungsakte zu qualifizieren sind, sind in § 26 Abs. 2 S. 2 ProdSG geregelt. 86 Lach/Polly, Produktsicherheitsgesetz, S. 43. 87 Lach/Polly, Produktsicherheitsgesetz, S. 43. 88 Das ProdSG umfasst gemäß § 1 Abs. 1, § 2 Nr. 22, § 3 Abs. 5 ProdSG auch das Ausstellen von Produkten. Daher wird auch der Aussteller im Sinne des § 2 Nr. 3 ProdSG als Adressat gemäß § 27 Abs. 1 ProdSG umfasst. 89 Schucht in: Klindt, Produktsicherheitsgesetz ProdSG, 2015, § 27 Rn. 6. 90 Vgl. aber auch Geiß/Doll, Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), § 8 Rn. 74: „Mit diesen vier Personengruppen [Hersteller, Bevollmächtigter, Einführer und Händler] werden die Verhaltensstörer im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts erfasst.“ 91 Schucht in: Klindt, Produktsicherheitsgesetz ProdSG, 2015, § 27 Rn. 14. 92 Bauer, Das Recht des technischen Produkts, S. 219. 93 Kritisch dazu siehe Klindt, PHi 2011, 42, 48; Polly/Lach, PHi 2011, 220, 224; Moritz/Geiß, Das Produktsicherheitsgesetz, S. 112. 94 Schucht in: Klindt, Produktsicherheitsgesetz ProdSG, 2015, § 27 Rn. 10. 95 Klindt in: Klindt, Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), § 8 Rn. 159 ff. 96 BT-Drucksache 17/6276, S. 49. 97 Klindt, NVwZ 2008, 1073, 1077. 98 Schucht in: Klindt, Produktsicherheitsgesetz ProdSG, 2015, § 27 Rn. 10. 99 Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung unter mehreren Störern, S. 55. 100 Sokol, Die Bestimmung der Verantwortlichkeit für die Abwehr und Beseitigung von Störungen im öffentlichen und privaten Recht, S. 12; Giesberts, Die gerechte Lastenverteilung unter mehreren Störern, S. 45. 101 Sokol, Die Bestimmung der Verantwortlichkeit für die Abwehr und Beseitigung von Störungen im öffentlichen und privaten Recht, S. 12. 102 Schucht in: Klindt, Produktsicherheitsgesetz ProdSG, 2015, § 27 Rn. 14. 103 Schucht in: Klindt, Produktsicherheitsgesetz ProdSG, 2015, § 27 Rn. 14. 104 Moritz/Geiß, Das Produktsicherheitsgesetz, S. 112. 105 Nach § 2 Nr. 24 ProdSG ist eine Rücknahme „jede Maßnahme, mit der verhindert werden soll, dass ein Produkt, das sich in der Lieferkette befindet, auf dem Markt bereitgestellt wird“. Eine Rücknahme liegt folglich dann vor, wenn sich das betreffende Produkt noch im Handel befindet. 106 Nach § 2 Nr. 25 ProdSG ist ein Rückruf „jede Maßnahme, die darauf abzielt, die Rückgabe eines dem Endverbraucher bereitgestellten Produkts zu erwirken“. Ein Rückruf liegt folglich dann vor, wenn sich das betreffende Produkt bereits beim Endkunden befindet. 107 Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik, Leitlinien zum Produktsicherheitsgesetz, S. 32. 108 Beispielsweise können Fracht- und Logistikdienstleister in der Warenvertriebskette, Zulieferer, Verwender des Produkts, Fachleute und Spezialisten als Nichtstörer nach § 27 Abs. 1 S. 2 ProdSG herangezogen werden, vgl. dazu Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik, Leitlinien zum Produktsicherheitsgesetz, S. 32. 109 Schucht in: Klindt, Produktsicherheitsgesetz ProdSG, 2015, § 27 Rn. 26.

C. Teil C: Methodische Herangehensweise zur Schärfung des produktsicherheitsrechtlichen Rechtsbegriffs „Hersteller“

I. Methodik
1. Einführung

Der Herstellerbegriff ist ein normativer Rechtsbegriff, durch den beschrieben wird, welcher Wirtschaftsteilnehmer ein geeigneter Adressat für Marktüberwachungsmaßnahmen nach dem ProdSG ist. Um sich der Konkretisierung und Präzisierung eines normativen Rechtsbegriffs anzunähern, stehen verschiedene juristische Methoden zur Verfügung, die im Wesentlichen aus der Auslegung nach Savigny110, der Rechtsfortbildung und der unionsrechts- oder richtlinienkonformen Auslegung bestehen. Zwischen diesen verschiedenen Methoden besteht nach herrschender Meinung kein klares Rangverhältnis.111 Für eine umfassende Präzisierung des Herstellerbegriffs müssen die jeweiligen Methoden allerdings auf den normativen Rechtsbegriff anwendbar und in ihrer Zielrichtung zur Präzisierung geeignet sein. Im Folgenden wird daher untersucht, ob und in welchem Rahmen die aufgeführten Methoden zur Auslegung des Herstellerbegriffs anwendbar sind.

2. Auslegungsmethoden nach Savigny

Zur originären Auslegung von Rechtsbegriffen hat sich eine Reihe von Theorien entwickelt, die, der gestrafften Darstellung geschuldet, vorliegend nicht alle vorgestellt werden. Vielmehr beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die derzeit allgemein anerkannten Auslegungsmethoden von Friedrich Carl von Savigny (1779–1861).112 Er unterscheidet vier klassische Auslegungsmethoden: die Auslegung nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck.113 Ihre Anwendung ergibt sich daraus, dass die Auslegung eines Rechtsbegriffs nicht grenzenlos sein kann. Vielmehr bedarf es einer anerkannten Methodik, welche die Bindung an Recht und Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 GG berücksichtigt. Ob und in welchem Rahmen der Herstellerbegriff mit den Auslegungsmethoden nach Savigny präzisiert werden kann, ist auch im Wege einer Abgrenzung zur Rechtsfortbildung zu ermitteln, welche die Grenze zu einer noch rechtmäßigen Auslegung darstellt.

3. Abgrenzung zur Rechtsfortbildung
a) Allgemeines

Die dargestellten Auslegungsmethoden nach Savigny lassen sich für die Auslegung des Herstellerbegriffs nur innerhalb des Wortlauts der Norm anwenden; dies ist im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG ein verfassungsrechtliches Gebot.114 Falls über diesen Rahmen bewusst hinausgegangen wird, indem der Wortlaut aktiv angepasst wird, um ihn der Wertung der Norm anzupassen, wird die Auslegung einer Norm verlassen, und der Rechtsanwender begibt sich auf das Terrain der Rechtsfortbildung.115 Folglich handelt es sich nicht um die Suche nach der Wertung der Norm, sondern die Norm soll überhaupt erst verwirklicht werden, was vor allem Aufgabe der obersten Gerichte ist.116 Damit dient die Rechtsfortbildung dazu, Lücken in der Rechtsordnung zu füllen.117 Eine derartige Lücke liegt vor, wenn der Regelungsbedarf nicht vom bestehenden Gesetzesrecht abgedeckt ist.118 Eine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke besteht dann, wenn ein Rechtsproblem im Gesetz nicht oder nicht so geregelt ist. Jedoch liegt beim Herstellerbegriff im Sinne des Produktsicherheitsrechts keine Gesetzeslücke vor. Der Regelungsadressat soll im öffentlichen Recht aufgrund einer effektiven Gefahrenabwehr möglichst ohne jeden Zweifel ermittelbar sein, sodass der Gesetzgeber an dieser Stelle besonders engmaschige und konkrete Regeln setzen will. Vielmehr ist vorliegend nur eine Klarstellung erforderlich, welcher Wirtschaftsteilnehmer als „Hersteller“ im Sinne des ProdSG im Rahmen der anerkannten Auslegungsmethoden anzusehen ist. Damit sind vorliegend diejenigen Auslegungsergebnisse auszuschließen, welche die Grenze zwischen der Auslegung hin zur Rechtsfortbildung überschreiten.

Ob ein Auslegungsergebnis diese Grenze überschreitet, entscheidet sich danach, welche Art von Gegenstand beziehungsweise Sachverhalt vorliegt. Dabei ist zwischen neutralen, positiven und negativen Kandidaten119 zu unterscheiden.120 Lediglich bei einem neutralen Kandidaten wird die Methodik der Auslegung angewandt. Bei neutralen Kandidaten besteht keine Gewissheit darüber, ob die Vorschrift auf sie anwendbar ist, sodass eine Unsicherheit besteht.121 Positive Kandidaten sind eindeutig vom Wortlaut der Vorschrift erfasst, negative unzweifelhaft nicht. Soll nun beispielsweise von einer Vorschrift ein weiterer negativer Kandidat miterfasst werden, handelt es sich um eine Rechtsfortbildung und nicht um eine Auslegung der Vorschrift. Bei positiven und negativen Kandidaten wird folglich das Terrain der Rechtsfortbildung beschritten, wohingegen bei neutralen Kandidaten eine Auslegung des Begriffs stattfindet.

b) Abgrenzung der verschiedenen Kandidaten

Der Herstellerbegriff muss daher ein neutraler Kandidat sein, um der Auslegung zugänglich zu sein. Die Abgrenzung zwischen verschiedenen Kandidaten ergibt sich aus sprachlichen Eigenheiten, die dazu führen, dass die Bedeutung eines Wortes beziehungsweise Gegenstands oftmals nicht eindeutig zuzuordnen ist.122 Entscheidend ist somit, was die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke ausmacht. Dabei wird zwischen der Extension, dem Bezeichneten, sowie der Intension, der Bedeutung im eigentlichen Sinne, unterschieden.123 Die Sprachwissenschaft unterscheidet in einem semantischen Dreieck zwischen dem Zeichen, dem Bezeichneten (Extension) und dem, was die Verbindung zwischen dem Zeichen und dem Bezeichneten herstellt: der Bedeutung im eigentlichen Sinne (Intension). Die Intension ist nicht naturgegeben, vielmehr handelt es sich um Wortgebrauchsregeln, die sich zum Zwecke der Verständigung über die Welt herausgebildet haben.124 Jedoch ist entscheidend, in welcher Sprachgemeinschaft die Wortgebrauchsregeln herausgebildet wurden und welche Sprachgemeinschaft125 die ausschlaggebende Instanz darstellt. Darüber hinaus besteht die Problematik eines inkonsistenten Sprachgebrauchs, wodurch selbst innerhalb der Sprachgemeinschaft eine mehrschichtige Bedeutung erwachsen kann.126 Folglich ist der relevante Sprachgebrauch zu identifizieren, der den Rahmen und den Ausgangspunkt der Suche nach der Bedeutung der Norm bildet. Diese Suche nimmt immer „von einer im Lichte des relevanten Sprachgebrauchs bereits partiell semantisch interpretierten gesetzlichen Vorschrift ihren Ausgang“.127 Der relevante Sprachgebrauch entsteht durch den tatsächlich stattfindenden Diskurs der beteiligten Kreise. Beim Herstellerbegriff im Sinne des ProdSG sind die beteiligten Kreise zum einen der Verwender, der Arbeitnehmer, der Verbraucher, der Unternehmer und zum anderen die Marktüberwachungsbehörden. Die Adressaten der Gesetzgebung sind als Unternehmer und Behörden zwar größtenteils keine juristischen Laien, aber der Herstellerbegriff wird im Adressatenkreis der Unternehmer oftmals technisch verstanden. Dies liegt darin begründet, dass der Herstellerbegriff seiner Natur nach kein abstraktes juristisches Konzept darstellt, sondern einen Begriff, der alltäglich benutzt wird und bereits eine Bedeutung in der Laiensphäre besitzt. Demnach können die juristischen Wertungen hinter dem Begriff des „Herstellers“ nicht als gegeben vorausgesetzt werden.

Neben der Identifikation der einschlägigen Sprachgemeinschaft mit dem relevanten Sprachgebrauch sind semantische Erscheinungen wie Vagheit und Mehrdeutigkeit als Probleme zu beachten. Bei einer Mehrdeutigkeit kann eine Bezeichnung je nach Zusammenhang mehrere Bedeutungen aufweisen.128 Problematisch sind Situationen, in denen der Kontext den Begriff nicht konkretisiert: Wenn man sich eine Bank kauft, kann fraglich sein, ob damit das Geldinstitut oder die Sitzgelegenheit gemeint ist.129 Die Vagheit bezeichnet eine Unbestimmtheit. Ein Begriff ist vage, wenn es wenigstens ein Objekt130 aus dessen Grundbereich gibt, für den nicht feststellbar ist, ob er zur Extension (dem Bezeichneten) des Begriffs gehört. Dabei muss das Unvermögen aus dem Begriff und nicht aus subjektiven Gründen resultieren. Jedoch ist dies beim Herstellerbegriff nicht erkennbar: Er ist weder doppeldeutig noch als vage zu bezeichnen.

Folglich ist der Herstellerbegriff in semantischer Hinsicht zwar unproblematisch, aber es ergeben sich aufgrund seiner Wortbedeutung im allgemeinen Sprachgebrauch Probleme, wenn rechtliche Fiktionen die Herstellereigenschaft begründen, zum Beispiel bei der Quasi-Herstellereigenschaft.131 Demnach lässt sich begrifflich nicht eindeutig identifizieren, welcher Wirtschaftsteilnehmer als Hersteller anzusehen ist, womit es sich beim Herstellerbegriff um einen neutralen Kandidaten handelt, welcher der Auslegung zugänglich ist.