Czytaj książkę: «Vom Kriege», strona 12

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Solange es keine erträgliche Theorie, d. h. keine verständige Betrachtung über die Kriegführung gibt, muß der Methodismus auch in den höheren Tätigkeiten über die Gebühr um sich greifen, denn die Männer, welche diese Wirkungskreise ausfüllen, sind zum Teil nicht imstande gewesen, sich durch Studien und höhere Lebensverhältnisse auszubilden; in die unpraktischen und widerspruchsvollen Räsonnements der Theorien und Kritiken wissen sie sich nicht zu finden, ihr gesunder Menschenverstand stößt sie von sich, und sie bringen also keine andere Einsicht mit als die der Erfahrung; daher sie denn bei denjenigen Fällen, die einer freien, individuellen Behandlung fähig und bedürftig sind, auch gern die Mittel anwenden, die ihnen die Erfahrung gibt, d. h. eine Nachahmung der dem obersten Feldherrn eigentümlichen Verfahrungsweise, wodurch denn von selbst ein Methodismus entsteht. Wenn wir Friedrichs des Großen Generale immer mit der sogenannten schiefen Schlachtordnung auftreten, die französischen Revolutionsgenerale immer das Umfassen in lang ausgedehnten Schlachtlinien anwenden, die Bonapartischen Unterfeldherren aber mit der blutigen Energie konzentrischer Massen hineinstürmen sehen, so erkennen wir in der Wiederkehr des Verfahrens offenbar eine angenommene Methode und sehen also, daß der Methodismus bis zu den an das Höchste grenzenden Regionen hinaufreichen kann. Wird eine verbesserte Theorie das Studium der Kriegführung erleichtern, den Geist und das Urteil der Männer erziehen, die sich zu den höheren Stellen hinaufschwingen, so wird auch der Methodismus nicht mehr so weit hinaufreichen, und derjenige, welcher als unentbehrlich zu betrachten ist, wird dann wenigstens aus der Theorie selbst geschöpft werden und nicht aus bloßer Nachahmung entstehen. Wie vortrefflich auch ein großer Feldherr die Dinge macht, immer ist in der Art, wie er sie macht, etwas Subjektives, und hat er eine bestimmte Manier, so ist ein guter Teil seiner Individualität darin enthalten, die dann nicht immer mit der Individualität dessen stimmt, der diese Manier nachahmt.

Indessen wird es weder möglich noch recht sein, den subjektiven Methodismus oder die Manier ganz aus der Kriegführung zu verbannen, [125] man muß ihn vielmehr als eine Äußerung desjenigen Einflusses betrachten, den die Gesamtindividualität eines Krieges auf seine einzelnen Erscheinungen hat, und dem, wenn die Theorie ihn nicht hat vorhersehen und in ihre Betrachtungen mit aufnehmen können, nur so Genüge geschehen kann. Was ist natürlicher, als daß der Revolutionskrieg seine eigentümliche Weise hatte, die Dinge zu machen, und welche Theorie hätte die Eigentümlichkeit mit aufzufassen vermocht? Das Übel ist nur, daß eine solche, aus dem einzelnen Fall hervorgehende Manier sich selbst leicht überlebt, weil sie bleibt, während die Umstände sich unvermerkt ändern; das ist es, was die Theorie durch eine lichte und verständige Kritik verhindern soll. Als im Jahre 1806 die preußischen Generale: Prinz Louis bei Saalfeld, Tauentzien auf dem Dornberge bei Jena, Grawert vor und Rüchel hinter Kappeldorf, sämtlich mit der schiefen Schlachtordnung Friedrichs des Großen sich in den offnen Schlund des Verderbens warfen, war es nicht bloß eine Manier, die sich überlebt hatte, sondern die entschiedenste Geistesarmut, zu der je der Methodismus geführt hat, womit sie es zustande brachten, die Hohenlohische Armee zugrunde zu richten, wie nie eine Armee auf dem Schlachtfelde selbst zugrunde gerichtet worden ist.

Fünftes Kapitel: Kritik

Die Einwirkung theoretischer Wahrheiten auf das praktische Leben geschieht immer mehr durch Kritik als durch Lehre; denn da die Kritik eine Anwendung der theoretischen Wahrheit auf wirkliche Ereignisse ist, so bringt sie jene dem Leben nicht nur näher, sondern sie gewöhnt auch den Verstand mehr an diese Wahrheiten durch die beständige Wiederkehr ihrer Anwendungen. Wir halten es daher für nötig, neben dem Gesichtspunkt für die Theorie den für die Kritik festzustellen.

Von der einfachen Erzählung eines geschichtlichen Ereignisses, welche die Dinge bloß nebeneinander hinstellt und höchstens ihre nächsten Kausalverbindungen berührt, unterscheiden wir die kritische.

In dieser kritischen können drei verschiedene Tätigkeiten des Verstandes vorkommen. Erstens die geschichtliche Ausmittelung und Feststellung zweifelhafter Tatsachen. Sie ist die eigentliche Geschichtsforschung und hat mit der Theorie nichts gemein.

[126] Zweitens die Ableitung der Wirkung aus den Ursachen. Dies ist die eigentliche kritische Forschung; sie ist der Theorie unentbehrlich, denn alles, was in der Theorie durch die Erfahrung festgestellt oder unterstützt oder auch nur erläutert werden soll, kann nur auf diesem Wege erledigt werden.

Drittens die Prüfung der angewandten Mittel. Dies ist die eigentliche Kritik, in welcher Lob und Tadel enthalten sind. Hier ist es die Theorie, welche der Geschichte, oder vielmehr der aus ihr zu ziehenden Belehrung dient.

In diesen beiden letzten, eigentlich kritischen Teilen der geschichtlichen Betrachtung kommt alles darauf an, die Dinge bis in ihre letzten Elemente, d. h. bis zu unzweifelhaften Wahrheiten, zu verfolgen und nicht, wie so sehr häufig geschieht, auf dem halben Wege, d. h. bei irgendeiner willkürlichen Setzung oder Voraussetzung, stehenzubleiben.

Was die Ableitung der Wirkung aus den Ursachen betrifft, so hat diese oft eine unüberwindliche äußere Schwierigkeit, daß man nämlich die wahren Ursachen gar nicht kennt. In keinem Verhältnisse des Lebens kommt dieses so häufig vor, als im Kriege, wo die Ereignisse selten vollständig bekannt werden, und noch weniger die Motive, die von den Handelnden entweder absichtlich verhehlt werden, oder, wenn sie sehr vorübergehend und zufällig waren, auch für die Geschichte verlorengehen können. Daher muß die kritische Erzählung mit der geschichtlichen Forschung meistens Hand in Hand gehen, und doch bleibt oft ein solches Mißverhältnis zwischen Ursache und Wirkung, daß sie nicht berechtigt ist, aus den bekannten Ursachen die Wirkungen als notwendige Folgen zu betrachten. Hier müssen also notwendig Lücken entstehen, d. h. geschichtliche Erfolge, die für die Belehrung nicht benutzt werden können. Alles, was die Theorie fordern kann, ist, daß die Untersuchung entschieden bis zu dieser Lücke geführt werde und bei ihr alle Folgerungen einstelle. Ein wahres Übel entsteht erst, wenn das Bekannte schlechterdings hinreichen soll, die Wirkungen zu erklären, ihm also eine falsche Wichtigkeit gegeben wird.

Außer dieser Schwierigkeit hat die kritische Forschung darin noch eine sehr große innere, daß die Wirkungen im Kriege selten aus einer einfachen Ursache hervorgehen, sondern aus mehreren gemeinschaftlichen, und daß es also nicht genügt, mit unbefangenem, redlichem Willen die Reihe der Ereignisse bis zu ihrem Anfange hinaufzusteigen, sondern daß es dann noch darauf ankommt, einer jeden der vorhandenen Ursachen ihren Anteil zuzuweisen. Dies führt also zu einer näheren Untersuchung ihrer Natur, und so kann eine kritische Untersuchung in das eigentliche Feld der Theorie führen.

Die kritische Betrachtung, nämlich die Prüfung der Mittel, führt zu der Frage, welches die eigentümlichen Wirkungen der angewendeten Mittel sind, und ob diese Wirkungen die Absicht des Handelnden waren.

[127] Die eigentümlichen Wirkungen der Mittel führen zur Untersuchung ihrer Natur, d. h. wieder ins Feld der Theorie.

Wir haben gesehen, daß in der Kritik alles darauf ankommt, bis zu unzweifelhaften Wahrheiten zu gelangen, also nicht bei willkürlichen Satzungen stehenzubleiben, die für andere nicht gültig sind, denen dann andere, vielleicht ebenso willkürliche Behauptungen entgegengestellt werden, so daß des Hin- und Herräsonierens kein Ende, das Ganze ohne Resultat, also ohne Belehrung ist.

Wir haben gesehen, daß sowohl die Untersuchung der Ursachen als die Prüfung der Mittel in das Feld der Theorie führt, d. h. in das Feld der allgemeinen Wahrheit, die nicht bloß aus dem vorliegenden individuellen Falle hervorgeht. Gibt es nun eine brauchbare Theorie, so wird die Betrachtung sich auf das, was in derselben ausgemacht ist, berufen und ihre Untersuchung da einstellen können. Wo es aber eine solche theoretische Wahrheit nicht gibt, wird die Untersuchung bis in die letzten Elemente fortgesetzt werden müssen. Kommt diese Notwendigkeit oft vor, so muß sie natürlich den Schriftsteller, wie man sich auszudrücken pflegt, von dem Hundertsten ins Tausendste führen; er bekommt dann alle Hände voll zu tun, und es ist fast nicht möglich, daß er überall mit der erforderlichen Muße verweile. Die Folge ist jedoch, daß er, um seiner Betrachtung Grenzen zu setzen, bei willkürlichen Behauptungen stehenbleibt, die, wenn sie es auch wirklich für ihn nicht wären, es doch für die anderen bleiben, weil sie sich nicht von selbst verstehen und unerwiesen sind.

Eine brauchbare Theorie ist also eine wesentliche Grundlage der Kritik, und es ist unmöglich, daß diese im allgemeinen auf den Punkt gelange, auf welchem sie hauptsächlich erst belehrend wird, nämlich daß sie eine überzeugende Demonstration und sans réplique sei, ohne den Beistand einer vernünftigen Theorie.

Aber es wäre eine träumerische Hoffnung, an die Möglichkeit einer Theorie zu glauben, die für jede abstrakte Wahrheit sorgte und es der Kritik nur überließe, den Fall unter das passende Gesetz zu stellen; es wäre eine lächerliche Pedanterie, der Kritik vorzuschreiben, daß sie an den Grenzen der heiligen Theorie jedesmal umdrehe. Derselbe Geist analytischer Untersuchung, welcher die Theorie schafft, soll auch das Geschäft der Kritik leiten, und es kann und mag also geschehen, daß er oft in das Gebiet der Theorie hinüberschweift und sich diejenigen Punkte noch aufklärt, auf die es ihm besonders ankommt. Es kann vielmehr umgekehrt der Zweck der Kritik ganz verfehlt werden, wenn sie zu einer geistlosen Anwendung der Theorie wird. Alle positiven Ergebnisse der theoretischen Untersuchung, alle Grundsätze, Regeln und Methoden ermangeln der Allgemeinheit und absoluten Wahrheit um so mehr, je mehr sie zur positiven Lehre werden. Sie sind da, um sich beim Gebrauch anzubieten, und dem Urteil muß es immer überlassen bleiben, ob sie angemessen sind oder nicht. Solche Resultate [128] der Theorie darf die Kritik nie als Gesetze und Normen zum Maßstabe gebrauchen, sondern nur als das, was sie auch dem Handelnden sein sollen, als Anhalt für das Urteil. Wenn es in der Taktik eine ausgemachte Sache ist, daß in der allgemeinen Schlachtordnung die Reiterei nicht neben, sondern hinter das Fußvolk gehört, so wäre es doch töricht, jede davon abweichende Anordnung deshalb zu verdammen; die Kritik soll die Gründe der Abweichung untersuchen, und nur wenn diese unzureichend sind, hat sie ein Recht, sich auf die theoretische Feststellung zu berufen. Wenn es ferner in der Theorie ausgemacht ist, daß ein geteilter Angriff die Wahrscheinlichkeit des Erfolges vermindert, so würde es ebenso unvernünftig sein, überall, wo ein geteilter Angriff und schlechter Erfolg zusammentrafen, ohne weitere Untersuchung, ob es sich wirklich so verhält, den letzten als die Folge des ersten zu betrachten, oder da, wo der geteilte Angriff einen guten Erfolg hatte, etwa daraus rückwärts auf die Unrichtigkeit jener theoretischen Behauptung zu schließen. Beides soll der untersuchende Geist der Kritik nicht erlauben. Es ist also hauptsächlich auf die Resultate der analytischen Untersuchung in der Theorie, auf welche sich die Kritik stützt; was hier schon ausgemacht ist, hat sie selbst erst nicht von neuem festzustellen, und es wird dort ausgemacht, damit sie es festgestellt vorfinde.

Diese Aufgabe der Kritik, zu untersuchen, welche Wirkung aus der Ursache hervorgegangen ist, und ob ein angewandtes Mittel seinem Zweck entsprochen habe, wird leicht sein, wenn Ursache und Wirkung, Zweck und Mittel nahe beieinanderliegen.

Wenn eine Armee überfallen wird und dadurch zu keinem ordnungsmäßigen und verständigen Gebrauch ihrer Fakultäten kommt, so ist die Wirkung des Überfalles nicht zweifelhaft. - Wenn die Theorie ausgemacht hat, daß ein umfassender Angriff in der Schlacht zu größerem, aber weniger gesichertem Erfolge führt, so fragt es sich, ob der, welcher den umfassenden Angriff anwendet, sich vorzugsweise die Größe des Erfolgs zum Ziel gesetzt hat; in diesem Fall ist das Mittel richtig gewählt. Hat er aber damit seinen Erfolg gewisser machen wollen, und war dieser nicht auf die individuellen Umstände, sondern auf die allgemeine Natur des umfassenden Angriffs gegründet, wie wohl hundertmal vorgekommen ist, so hat er die Natur jenes Mittels verkannt und einen Fehler begangen.

Hier ist das Geschäft der kritischen Untersuchung und Prüfung nicht schwer, und es wird jedesmal leicht sein, wo man sich auf die nächsten Wirkungen und Zwecke beschränkt. Man kann dies ganz nach Willkür tun, sobald man von dem Zusammenhange mit dem Ganzen abstrahieren und die Dinge nur in diesem Verhältnisse betrachten will.

Es steht aber im Kriege, wie überhaupt in der Welt, alles im Zusammenhange, was einem Ganzen angehört, und folglich muß jede Ursache, wie klein sie auch sei, in ihren Wirkungen sich bis ans Ende des kriegerischen Aktes erstrecken und das Endresultat, um ein wie Geringes es auch sein [129] möge, modifizieren. Ebenso muß jedes Mittel bis zu dem letzten Zweck hinaufreichen.

Man kann also die Wirkungen einer Ursache so lange verfolgen, als Erscheinungen noch des Beobachtens wert sind, und ebenso kann man ein Mittel nicht bloß für den nächsten Zweck prüfen, sondern auch diesen Zweck selbst als Mittel für den höheren, und so an der Kette der einander untergeordneten Zwecke hinaufsteigen, bis man auf einen trifft, der keiner Prüfung bedarf, weil seine Notwendigkeit nicht zweifelhaft ist. In vielen Fällen, besonders wenn von großen entscheidenden Maßregeln die Rede ist, wird die Betrachtung bis zu dem letzten Zweck, bis zu dem, welcher unmittelbar den Frieden bereiten soll, hinaufreichen müssen.

Es ist klar, daß man diesem Hinaufsteigen mit jeder neuen Station, die man einnimmt, einen neuen Standpunkt für das Urteil bekommt, so daß dasselbe Mittel, welches in dem nächsten Standpunkt als vorteilhaft erscheint, von einem höheren aus betrachtet verworfen werden muß.

Das Forschen nach den Ursachen der Erscheinungen und das Prüfen der Mittel nach den Zwecken gehen bei der kritischen Betrachtung eines Aktes immer Hand in Hand, denn das Forschen nach der Ursache bringt erst auf die Dinge, welche es verdienen, ein Gegenstand der Prüfung zu sein.

Dieses Verfolgen des Fadens, hinauf und herunter, ist mit bedeutenden Schwierigkeiten verbunden; denn je weiter von einer Begebenheit die Ursache, welche man aufsucht, entfernt liegt, um so mehr andere Ursachen sind zugleich mit ins Auge zu fassen und für den Anteil, welchen sie an den Begebenheiten gehabt haben mögen, abzufinden und auszuscheiden, weil jede Erscheinung, je höher sie steht, durch um so viel mehr einzelne Kräfte und Umstände bedingt wird. Wenn wir die Ursachen einer verlorenen Schlacht ausgemittelt haben, so haben wir freilich auch einen Teil der Ursachen der Folgen ausgemittelt, welche diese verlorene Schlacht für das Ganze hatte, aber nur einen Teil, denn es werden in das Endresultat nach den Umständen mehr oder weniger Wirkungen anderer Ursachen hineinströmen.

Eben diese Mannigfaltigkeit der Gegenstände entsteht bei der Prüfung der Mittel, je höher man mit dem Standpunkt hinaufrückt; denn je höher die Zwecke liegen, um so größer ist die Zahl der Mittel, welche zu ihrer Erreichung angewendet werden. Der letzte Zweck des Krieges wird von allen Armeen gleichzeitig verfolgt, und es ist also nötig, alles, was von diesem geschehen ist oder geschehen konnte, mit in die Betrachtung zu ziehen.

Man sieht wohl, daß dies zuweilen in ein weites Feld der Betrachtung führen kann, in dem es leicht ist, sich zu verwirren, und in welchem die Schwierigkeit obwaltet, weil eine Menge von Voraussetzungen gemacht werden müssen über diejenigen Dinge, die sich nicht wirklich zugetragen haben, die aber wahrscheinlich waren und deshalb aus der Betrachtung schlechterdings nicht wegbleiben dürfen.

[130] Als Bonaparte im März 1797 mit der italienischen Armee gegen den Erzherzog Karl von dem Tagliamento vordrang, geschah es in der Absicht, diesen Feldherrn zu einer Entscheidung zu zwingen, ehe noch derselbe seine vom Rhein erwarteten Verstärkungen an sich gezogen hatte. Sieht man bloß auf die nächste Entscheidung, so war das Mittel gut gewählt, und der Erfolg hat es bewiesen; denn der Erzherzog war noch so schwach, daß er am Tagliamento nur den Versuch eines Widerstandes machte, und als er seinen Gegner zu stark und entschlossen sah, ihm den Kampfplatz und die Eingänge der Norischen Alpen räumte. Was konnte nun Bonaparte mit diesem glücklichen Erfolg bezwecken? Selbst in das Herz der österreichischen Monarchie vorzudringen, den beiden Rheinarmeen unter Moreau und Hoche das Vordringen zu erleichtern und in nahe Verbindung mit ihnen zu treten. So sah Bonaparte die Sache an, und von diesem Gesichtspunkte aus hatte er recht. Stellt sich nun aber die Kritik auf einen höheren Standpunkt, nämlich auf den des französischen Direktoriums, welches übersehen konnte und mußte, daß der Feldzug am Rhein erst sechs Wochen später eröffnet werden würde: so kann man das Vordringen Bonapartes über die Norischen Alpen nur als ein übertriebenes Wagstück betrachten; denn hatten die Österreicher in Steiermark vom Rhein her beträchtliche Reserven aufgestellt, womit der Erzherzog über die italienische Armee herfallen konnte, so war diese nicht allein zugrunde gerichtet, sondern auch der ganze Feldzug verloren. Diese Betrachtung, die sich Bonapartes in der Gegend von Villach bemächtigte, hat ihn vermocht, zu dem Waffenstillstand von Leoben so bereitwillig die Hand zu bieten.

Stellt sich die Kritik noch eine Stufe höher und weiß sie, daß die Österreicher keine Reserve zwischen der Armee des Erzherzogs Karl und Wien hatten: so war durch das Vordringen der italienischen Armee Wien bedroht.

Gesetzt, Bonaparte hätte diese Entblößung der Hauptstadt und diese entschiedene Überlegenheit, welche ihm auch in Steiermark über den Erzherzog blieb, gekannt, so würde sein Vorauseilen gegen das Herz des österreichischen Staates nicht mehr zwecklos gewesen sein, und der Wert desselben hängt nur von dem Wert ab, den die Österreicher auf die Erhaltung Wiens legten; denn wenn dieser so groß wäre, daß sie lieber die Friedensbedingungen eingehen würden, die Bonaparte ihnen anzubieten hatte, so war die Bedrohung Wiens als das letzte Ziel zu betrachten. Hätte dies Bonaparte aus irgendeinem Grunde gewußt, so kann auch die Kritik dabei stehenbleiben; war es aber noch problematisch, so muß die Kritik sich wieder zu einem höheren Standpunkt erheben und fragen, was entstanden sein würde, wenn die Österreicher Wien preisgegeben und sich weiter in die noch übrige große Masse ihrer Staaten zurückgezogen hätten. Diese Frage aber kann, wie leicht zu erachten ist, gar nicht mehr beantwortet werden, ohne die wahrscheinlichen Ereignisse zwischen den beiderseitigen Rheinarmeen [131] in Betrachtung zu ziehen. Bei der entschiedenen Überlegenheit der Franzosen (130000 Mann zu 80000 Mann) würde der Erfolg an sich zwar wenig zweifelhaft gewesen sein, aber es entstand wieder die Frage, wozu das französische Direktorium diesen Erfolg benutzen würde, ob zu einer Verfolgung seiner Vorteile bis an die entgegengesetzten Grenzen der österreichischen Monarchie, also bis zur Zertrümmerung oder Niederwerfung dieser Macht, oder ob bloß zur Eroberung eines bedeutenden Teils als Unterpfand des Friedens. Für beide Fälle ist das wahrscheinliche Resultat auszumitteln, um nach diesem ersten die wahrscheinliche Wahl des französischen Direktoriums zu bestimmen. Gesetzt, das Resultat dieser Betrachtung fiele dahin aus, daß für die gänzliche Niederwerfung des österreichischen Staates die französischen Streitkräfte viel zu schwach gewesen wären, so daß der Versuch dazu ganz von selbst einen Umschwung der Dinge herbeigeführt hätte, und daß selbst die Eroberung und Behauptung eines bedeutenden Teiles die Franzosen in strategische Verhältnisse geführt hätte, denen ihre Kräfte wahrscheinlich nicht gewachsen waren: so muß dieses Resultat Einfluß auf die Beurteilung der Lage haben, in welcher sich die italienische Armee befand, und dieselbe zu geringen Hoffnungen berechtigen. Und dies ist es unstreitig, was Bonaparte auch da, als er die hilflose Lage des Erzherzogs ganz übersehen konnte, vermocht hat, den Frieden von Campo-Formio auf Bedingungen abzuschließen, die den Österreichern keine größeren Opfer auferlegten als den Verlust von Provinzen, die sie auch nach dem glücklichsten Feldzug nicht wieder erobert haben würden. Aber selbst auf diesen mäßigen Frieden von Campoformio hätten die Franzosen nicht rechnen, und sie hätten ihn also nicht zum Zweck ihres kühnen Vorschreitens machen können, wenn nicht zwei Betrachtungen anzustellen gewesen wären; die erste besteht in der Frage: welchen Wert die Österreicher auf jedes der beiden Resultate gelegt haben würden, ob sie dieselben trotz der Wahrscheinlichkeit eines endlichen glücklichen Erfolges, welcher in beiden für sie lag, der Opfer wert gefunden haben würden, die mit ihnen, d.i. mit der Fortsetzung des Krieges, verbunden waren, und die sie durch einen Frieden auf nicht zu nachteilige Bedingungen vermeiden konnten. Die zweite Betrachtung besteht in dieser anderen Frage: ob die österreichische Regierung überhaupt mit ihrer Überlegenheit so weit gehen, ob sie die letzten möglichen Erfolge ihrer Gegner gehörig prüfen, sich nicht von dem Eindruck der augenblicklichen Mißverhältnisse zur Mutlosigkeit fortreißen lassen würde.

Die Betrachtung, welche den Gegenstand dieser ersten Frage macht, ist nicht etwa eine müßige Spitzfindigkeit, sondern von so entschiedenem praktischem Gewicht, daß sie jedesmal vorkommt, wenn ein auf das Äußerste gerichteter Plan vorliegt, und sie ist es, welche die Ausführung solcher Pläne am häufigsten verhindert.

Die zweite Betrachtung ist ebenso notwendig, denn man führt den Krieg nicht mit einem abstrakten Gegner, sondern mit einem wirklichen, den [132] man immer im Auge haben muß. Und gewiß hat dem kühnen Bonaparte dieser Gesichtspunkt nicht gefehlt, d. h. nicht gefehlt das Vertrauen, welches er in den Schrecken setzte, der seinem Schwerte voranging. Dasselbe Vertrauen führte ihn im Jahre 1812 nach Moskau. Hier hat es ihn im Stich gelassen; der Schrecken hatte sich in den gigantischen Kämpfen schon etwas abgenutzt; im Jahre 1797 war er allerdings noch neu, und das Geheimnis von der Stärke eines bis aufs Äußerste gerichteten Widerstandes noch unerfunden, aber nichtsdestoweniger würde ihn auch im Jahre 1797 seine Kühnheit zu einem negativen Resultat geführt haben, wenn er nicht, wie gesagt, im Vorgefühl davon den mäßigen Frieden von Campo-Formio als Ausweg gewählt hätte.

Wir müssen diese Betrachtung hier abbrechen; sie wird hinreichen, um als Beispiel den weiten Umfang, die Mannigfaltigkeit und die Schwierigkeit zu zeigen, welche eine kritische Betrachtung bekommen kann, wenn man bis zu den letzten Zwecken hinaufsteigt, d. h. wenn man von Maßregeln großer und entscheidender Art spricht, die notwendig bis so weit hinaufreichen müssen. Es wird daraus hervorgehen, daß außer der theoretischen Einsicht in den Gegenstand das natürliche Talent auch einen großen Einfluß auf den Wert einer kritischen Betrachtung haben muß, denn von diesem wird es hauptsächlich abhängen, das Licht in den Zusammenhang der Dinge zu tragen und von den zahllosen Verknüpfungen der Begebenheiten die wesentlichen zu unterscheiden.

Aber das Talent wird noch auf eine andere Art in Anspruch genommen. Die kritische Betrachtung ist nicht bloß eine Prüfung der wirklich angewendeten Mittel, sondern aller möglichen, die also erst angegeben, d. h. erfunden werden müssen, und man kann ja überhaupt nie ein Mittel tadeln, wenn man nicht ein anderes als das bessere anzugeben weiß. Wie klein nun auch die Zahl der möglichen Kombinationen in den meisten Fällen sein mag, so ist doch nicht zu leugnen, daß das Aufstellen der nicht gebrauchten keine bloße Analyse vorhandener Dinge, sondern eine selbsttätige Schöpfung ist, welche sich nicht vorschreiben läßt, sondern von der Fruchtbarkeit des Geistes abhängt.

Wir sind weit entfernt, das Feld großer Genialität zu sehen, wo sich alles auf sehr wenige, praktisch mögliche und sehr einfache Kombinationen zurückführen läßt; wir finden es unbeschreiblich lächerlich, das Umgehen einer Stellung der Erfindung wegen wie einen Zug großer Genialität zu betrachten, wie so oft vorgekommen ist, aber nichtsdestoweniger ist dieser Akt schöpferischer Selbsttätigkeit notwendig, und der Wert kritischer Betrachtung wird durch ihn wesentlich mitbestimmt.

Als Bonaparte am 30. Juli 1796 den Entschluß faßte, die Belagerung von Mantua aufzuheben, um dem vorrückenden Wurmser entgegenzugehen und mit vereinter Kraft seine durch den Gardasee und den Mincio getrennten Kolonnen einzeln zu schlagen, erschien dies als der sicherste Weg zu [133] glänzenden Siegen. Diese Siege sind wirklich erfolgt und haben sich bei den späteren Entsatzversuchen mit demselben Mittel noch glänzender wiederholt. Man hört darüber nur eine Stimme, die der ungeteilten Bewunderung.

Gleichwohl konnte Bonaparte am 30. Juli diesen Weg nicht einschlagen, ohne den Gedanken an die Belagerung Mantuas ganz aufzugeben, weil es unmöglich war, den Belagerungstrain zu retten, und ein zweiter in diesem Feldzuge nicht zu beschaffen war. In der Tat verwandelte sich die Belagerung in eine bloße Einschließung, und der Platz, der bei fortgesetzter Belagerung in den ersten acht Tagen gefallen sein würde, widerstand trotz aller Siege Bonapartes im freien Felde noch sechs Monate.

Die Kritik hat dies als ein ganz unvermeidliches Übel angesehen, weil sie keinen besseren Weg des Widerstandes anzugeben wußte. Der Widerstand gegen einen anrückenden Entsatz innerhalb einer Zirkumvallationslinie war so in Verruf und Verachtung gekommen, daß dieses Mittel dem Auge ganz entrückt war. Gleichwohl hatte es zur Zeit Ludwigs XIV. so sehr oft seinen Zweck erfüllt, daß es nur eine Modeansicht zu nennen ist, wenn es keinem Menschen einfiel, daß es hundert Jahre später wenigstens mit in die Betrachtung kommen könnte. Hätte man diese Möglichkeit gestattet, so würde die nähere Untersuchung der Verhältnisse ergeben haben, daß 40000 Mann der besten Infanterie von der Welt, welche Bonaparte in einer Zirkumvallationslinie vor Mantua aufstellen konnte, bei einer starken Verschanzung die 50000 Österreicher, welche Wurmser zum Entsatz anführte, so wenig zu fürchten hatten, daß diese schwerlich auch nur einen Versuch zum Angriff auf ihre Linien gemacht haben würden. Wir wollen uns hier auf keinen näheren Beweis dieser Behauptung einlassen, wir glauben aber genug gesagt zu haben, um diesem Mittel das Recht der Mitbewerbung zu verschaffen. Ob Bonaparte im Handeln selbst an dieses Mittel gedacht hatte, wollen wir nicht entscheiden; in seinen Memoiren und den übrigen gedruckten Quellen findet sich davon keine Spur; die ganze spätere Kritik hat nicht daran gedacht, weil der Blick sich von dieser Maßregel ganz entwöhnt hatte. Das Verdienst, an dieses Mittel zu erinnern, ist nicht groß, denn man braucht sich nur von der Anmaßung einer Modeansicht loszumachen, um daraufzukommen; aber es ist doch notwendig, daß man darauf komme, um es in die Betracht zu ziehen und mit dem Mittel, welches Bonaparte anwendete, zu vergleichen. Wie das Resultat dieser Vergleichung auch ausfallen möge, die Kritik darf sie nicht versäumen.

Als Bonaparte im Februar 1814 von der Blücherschen Armee, nachdem er sie in den Gefechten von Etoges, Champ-Aubert, Montmirail usw. besiegt hatte, abließ, um sich wieder gegen Schwarzenberg zu wenden, und dessen Korps bei Montereau und Mormant schlug, war jedermann voll Bewunderung, weil Bonaparte gerade in diesem Hin- und Herwerfen [134] seiner Hauptmacht einen glänzenden Gebrauch von dem Fehler machte, welcher in dem getrennten Vorgehen der Verbündeten lag; wenn ihn diese glänzenden Schläge nach allen Seiten hin nicht gerettet haben, so meint man, war es wenigstens nicht seine Schuld. Niemand hat bis jetzt die Frage getan, was der Erfolg gewesen sein würde, wenn er sich nicht von Blücher wieder gegen Schwarzenberg gewendet, sondern seine Stöße ferner gegen Blücher gerichtet und diesen bis an den Rhein verfolgt hätte. Wir halten uns überzeugt, daß ein gänzlicher Umschwung des Feldzuges eingetreten, und die große Armee, statt nach Paris zu gehen, über den Rhein zurückgekehrt wäre. Wir verlangen nicht, daß man diese Überzeugung mit uns teile, aber daß die Kritik diese Alternative mit zur Sprache bringen mußte, wird kein Sachverständiger bezweifeln, sobald sie einmal genannt ist.

Hier lag das zur Vergleichung zu stellende Mittel auch viel näher als im vorigen Fall; gleichwohl ist es versäumt worden, weil man einer einseitigen Richtung blind folgte und keine Unbefangenheit hatte.

Aus der Notwendigkeit, für ein gemißbilligtes Mittel das bessere anzugeben, ist die Art von Kritik entstanden, die fast allein gebraucht wird, nämlich sich mit der bloßen Angabe des vermeintlich besseren Verfahrens zu begnügen und den eigentlichen Beweis schuldig zu bleiben. Die Folge ist, daß nicht jedermann überzeugt wird, daß andere es ebenso machen, und daß dann Streit entsteht, der ohne allen Anhalt für das Räsonnement ist. Die ganze Kriegsliteratur strotzt von diesen Dingen.

Der Beweis, den wir fordern, ist überall nötig, wo der Vorzug des vorgeschlagenen Mittels nicht so evident ist, daß er keinen Zweifel zuläßt, und er besteht darin, daß jedes der beiden Mittel seiner Eigentümlichkeit nach untersucht und mit dem Zweck verglichen werde. Hat man die Sache so auf einfache Wahrheiten zurückgeführt, so muß der Streit endlich aufhören, oder er führt wenigstens zu neuen Resultaten, während bei der andern Art das pro und contra sich immer rein verzehrt.

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