Czytaj książkę: «Die blaue Reiterin im Murnauer Moos»
C.-A. Rebaf
Die blaue Reiterin im Murnauer Moos
Gerstenmayers zweiter Fall
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Impressum
Die blaue Reiterin im Murnauer Moos
Lakencourt der Warlord von Wolfratshausen
Ein neuer Mitarbeiter aus dem Nichts
Mayr wechselt das Gewerbe
Lakencourt wieder on Tour
Anitra versucht Bilder in Schwabing zu verkaufen
Alexis, the greek teuton
Ein Trojanisches Pferd in St. Marx
Anitra warnt Mayr
Das Neue Gewandhaus
Mayr hinter dem Peißenberg
Prof. Dr. Dr. med. Alan B. Bafier
Da Wiana Ferdl
Anitras schlaflose Nacht
Mayr im Sperrbezirk
Anitra sucht Hilfe
Der 'BJ' rettet den Laden
Wassy und sein Meisterwerk
Gerstenmayer hat Langeweile
Wassy im Gartenhaus
Eine ungewöhnliche Email
Im T-54 nach Leipzig
Mayr geht in den Untergrund
Der Pakt für die Schönheit
Andy agitiert oder das Manifest vom Peißenberg
Das große Konzert
Wiedersehen mit Christiane
Anitra zwischen zwei Kraftfeldern
Das Ochsenrennen von Haunshofen
Gerstenmayer hat wieder Langeweile
Wassy malt Madame Grinder
Quercus rubra
Der Dom und seine Sub
Operation ‚Lohengrin‘ oder Schwarzer Rauch am Peißenberg
Afrikaner mit Bayer in Wien
Ihr langer Ritt im heißen Juli
Mayr sucht neue Bierquellen
Madame Grinder onaniert vor ihrem Bild
The Atomic-Gen-Code
Wieder in Wien
Ochkatzel in se Whait Haus
Anitra vor dem Spiegel
ATA-ACA-TAT-CCA-CCC-ACA-GAT-GAC-AAA-GGG-ACA-TAT
Tod am Rabenkopf
Gerstenmayer löst den Fall…diesmal nur mit Unterstürzung!
ANHANG: The Atomic-Gen-Code
Bei wespen-kontor bereits erschienen
eBook bei neobooks
In Vorbereitung
Impressum neobooks
Impressum
Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig. Alle namentlich genannten Personen sind frei erfunden.
Enthält Beschreibungen sexueller Handlungen und ist nur für Erwachsene.
Buchumschlag: Collage von C.-A. Rebaf auf Basis eines unsignierten Ölgemäldes von Reinhard Bienhaus († 2012) in Anlehnung an das Gemälde von Franz Marc: Blaues Pferd I.
Text und Buchumschlag: Alle Rechte bei C.-A. Rebaf 2019
Verlag: wespen-kontor@email.de
Meinem lieben Freund Ralf gewidmet
Die blaue Reiterin im Murnauer Moos
Sie jagte mit ihrem Schimmel über die Wiesen, die jetzt im Frühling - Ende Mai - wunderbar blühten: Blaue, weiße und zart gelbe Farben kontrastierten zu dem saftigen Grün der Gräser. Das Rot des Klatschmohns und das penetrante Gelb des Löwenzahns fehlten noch in der Malpalette des Frühlings, sie werden sich später dazu gesellen. Das Murnauer Moos zeigte ihr seine schönste Seite. Wenn ein Weidezaun in die Quere kam, nahm sie Anlauf und für Ajax, ihren Schimmelhengst war kein Hindernis zu hoch. Kommt es mir nur so vor oder mischt sich wirklich im Weiß seines Fells eine Spur von Blau? Der Hauch an Farbe, den ihr Malerfreund 'Marcsi‘', wie sie ihn scherzhaft nannte, auch so deutlich gesehen hatte, als er Ajax malte.
Das Leben wurde in dem Maße wieder lebenswerter, als die Radioaktivität der Umgebung mit den Jahren immer stärker zurück ging. Die Katastrophe, bei der über ganz Europa ein Hagel von Atombomben niederging, lag nun schon Jahrzehnte zurück. Der Regen brachte immer weniger Kontamination, auch aus Süden.
Anitra in einem blauen langen Leinenkleid, das im Gegenwind des flotten Ritts schmeichelnd über ihre Haut flatterte, fügte sich farblich sehr harmonisch in die Landschaft ein. Sie war glücklich an diesem wunderschönen Morgen. Hatte sie nicht allen Grund dazu? Sie, eine junge hübsche Frau mit brünetten Haaren, zum Rötlichen tendierend, die jetzt gerade in nassen Strähnen vom Kopf hingen. Sie hatte ein kurzes Bad im Kochelsee genommen. Hätte man nicht vom anderen Seeufer denken können, da schwimmt ein Füchslein? Es badete, obwohl das wegen der hohen Radioaktivität der Oberflächen-Gewässer nicht gerade angeraten war. Aber das war ihr egal, zumal sie sich einer blendenden Gesundheit erfreute. Kein Wunder alle jungen Menschen hatten ja spezielle Gene mit höchster Strahlenresistenz.
Das Blau ihres Kleides brachte ihr Gesicht zum Leuchten. War es nur ihr Kleid? Die Nacht hatte sie bei ihm in seinem Atelier verbracht und jetzt spürte sie ihre völlige Befriedigung zwischen ihren Beinen. Die Bewegung ihrer Beckens im Sattel, jetzt beim Trab oder später beim Galopp, war ein wunderbares Nachspiel. Frauen sind unendlich lange Genießerinnen. Das Spiel ihrer gespreizten Schenkel mit dem Sattel erregte sie schon wieder.
Gleichzeitig freute sie sich auf das Frühstück mit ihm. Sicherlich hatte er schon wieder aus dem Dorf frische Brötchen für sie besorgt, während sie aus lauter Lebensfreude ihre morgendliche Runde ritt. Ihr lief das Wasser im Munde zusammen. Vielleicht hatte er über Nacht auch wieder gearbeitet und überraschte sie mit einem neuen Werk auf der Staffelei. Sicher würde er sie von hinten in die Arme und mit seinen festen Händen ihre Brüste nehmen. Wie liebte sie diese Umarmungen, in die sie sich wie ein Kind fallen lassen konnte. Zuerst würde noch ein schmeichelnder Stoff zwischen ihm und ihr sein, dann würde er sie ausziehen und seine Haut würde die ihre berühren.
Die junge Malerin genoss nicht nur den intellektuellen Austausch mit diesem witzigen Kopf, dessen Fantasie geradezu überbordete. Anitra hatte im Gegenzug überschüssige Lebensenergie in Hülle und Fülle, um das auszugleichen, wo er schwach war.
Sie war aus München nach Süden in die Natur gezogen, als sie ihre beide Eltern verloren hatte. Es war ein sauberer Schnitt für sie: Kindheit und Jugend in München waren mit der Doppelbeerdigung vorbei. Die Eltern hatten sich auch nach vielen Ehejahren so geliebt, dass nach dem Tode der Mutter, ihr Vater nicht alleine weiterleben wollte. Er, der sich immer eine Doppelurne für sich und seine geliebte Frau gewünscht hatte, machte seinem Leben dann ganz schnell ein Ende. Danach erfüllte Anitra ihrer Eltern letzter Wille und durchmischte sowohl seine Asche als auch ihre Asche gründlich, bevor die gemeinsame Doppel-Urne in einer Friedhofswand zur letzten Ruhe fest eingemauert wurde. Die Tochter hatte kein inniges Verhältnis zu ihren Eltern. War das immer so in dieser Zeit, wo Kinder im Bunker geboren werden mussten?
Anitras eigentliches Leben startete dann in Murnau. Wieso ausgerechnet Murnau? Irgendetwas zog sie genau dorthin. Eine innere Stimme gebot ihr das.
Lakencourt der Warlord von Wolfratshausen
Er war ein grauer Panter und hatte bestimmt das 60ste Lebensjahr schon überschritten. Ein Mann wie ein Schrank. An seinen Fingern schwere Goldringe, an seinem einen Ohr hing ein roter Rubin so groß wie eine Eichel. Die übliche Anrede für ihn war 'My Lord'. Seine Aura entsprach der von 'Darth Vader'. Wenn ihn jemand zu sehen bekam, verbreitete sich Gänsehaut und der Himmel verdunkelte sich.
Ein speziell aufgemotzter 'Leopard II' war sein 'Dienstfahrzeug', mit dem er sich herum chauffieren ließ. An dem Geschützturm auf der gegenüber liegenden Seite des Kanonenrohrs war eine kleine Plattform angebracht auf der ein breiter Plüschsessel mit einem Baldachin darüber befestigt war. Das war sein Thron, der mit speziellen Stoßdämpfern bequem gefedert war.
Die militärische Insignien aller Armeen der Welt und aus allen Zeiten hatte er sich zu seinem Eigen gemacht: Ein weißer langer Seidenschal war um sein Hals gewunden und flatterte im Fahrtwind, wie bei den japanischen Admirälen des zweiten Weltkrieges. Seine dunkelbraune Lederuniform könnte direkt aus der russischen Oktoberrevolution entsprungen sein. Sicher wollte er dem berühmt-berüchtigten Panzerzugführer der Roten Armee mit dem Decknamen 'Strelnikow' ebenbürtig sein, wie er von Boris Pasternak in 'Doktor Schiwago' geschildert wird und in dem wunderbaren Film mit Geraldine Chaplin und Omar Sharif zu sehen ist. Sein Gefährt war blutrot angestrichen, auf der rechten Seite prangte der 'White Star' der US-Army auf der linken ein 'Eisernes Kreuz' der Wehrmacht.
Da die Versorgung mit Treibstoff immer noch nicht flächendeckend funktionierte, war am Heck des Panzers eine Stahlplattform angeschweißt, auf der drei Holzvergaser mit hohen Schornsteinen angebracht, verbunden mit dem Motor, um ausreichend Holzgas für den 1500 PS starken 12-Zylinder-PORSCHE-Dieselmotor zu erzeugen. Die drei Heizer, die die Öfen bedienen mussten, waren die ärmsten Schweine, quasi seine Sklaven. Lange hielten die nie durch, denn wenn einer nur ein wenig nachließ, traf ihn seine Pistolenkugel.
Manchmal hing ein Aufleger mit einem riesigen Stahltank hinter dem Panzer und versorgte den Motor dann direkt mit Biogas und die Schornsteine blieben kalt.
Die 120-mm-Glattrohrkanone stand steil nach oben. Dieses Phallus-Symbol war Teil seiner Inszenierung. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal einen einzigen Schuss Munition für das Geschütz, aber das brauchte er auch nicht, da die Psychologie seines Auftritts seine wirksamste Waffe darstellte.
Freilich, seine Leute hatten ein paar geladene 'Kalaschnikows' zu seiner Sicherheit, wenn es jemand wirklich gegen ihn aufnehmen wollte.
Sein Geschäft nannte er ein 'Gewaltunternehmen' mit einem süffisantem Lächeln. Da es keine Staatsgewalt mehr gab, an die die Untertanen Steuern zu zahlen hatten, erkannte Lakencourt sehr früh die Lücke und füllte sie. Vom Allgäu bis Berchtesgaden reichte sein 'Königreich'. Wolfratshausen war sein ‚Headquarter‘. Von dort beherrschte und bestimmte er alles: Menschen, die sich niedergelassen hatten und gegen alle Widerstände sich einen bescheidenen Lebensunterhalt erwirtschaften konnten, wurden von ihm gnadenlos abgezockt. Er fuhr dann mit seinem 'Dienstwagen' mit einem riesigen Karacho auf die Häuser seiner 'Untertanen' zu, wobei er wie bei 'Apocalypse Now' mit zwei riesigen Lautsprechern am Geschützturm Wagners 'Walkürenritt' ertönen ließ. Diese Musik war der Inbegriff von Angst und Schrecken, wenn er durch das ganze Land fuhr. Horror und Flucht verbreitete sich, wenn man sie schon von Weitem hörte!
Lakencourt genoss seine Auftritte und erpresste die letzten Kompensationseinheiten aus seinen Mitmenschen.
Ein neuer Mitarbeiter aus dem Nichts
Eines Tages stand er vor der Tür des Laborbunkers in Wien, St. Marx. Gerstenmayer ging, um zu öffnen und sah einen jungen Mann da stehen, dessen Gesichtszüge ihm vertraut vorkamen, ohne dass er aber sofort eine eindeutige Zuordnung vornehmen konnte. In breitestem 'Wianerisch' grüßte er: „Meine Vere-e-ehrung! San sie dea Gerstenmayer?“ Der Angesprochenen nickte verdattert. „I bin der Baum Junior und wüll eana helfa! Nennen's mih 'BJ' wia alle meine Freind!“ Dabei sprach er seinen Namen im Wianer-English also 'Biih-Je-ih' aus.
Gerstenmayer war wie vom Donner gerührt. Wie konnte das sein? Baum war erst vor etwa 10 Jahren verstorben und den jungen Mann da schätzte er auf knapp 30. Er rechnete und rechnete, aber er wurde nicht schlau aus der Zeitabfolge. Wie konnte er so schnell so alt werden? Da er das Problem gerade nicht lösen konnte, versuchte er so normal wie möglich zu bleiben:
„Kommen's halt hat rein. Setzen sie sich und lassen sie uns reden“ brachte Gerstenmayer leise hervor. Es klang, als ob ihm eine Kröte im Hals stak. Neugierig schaute sich der junge Mann auf dem Weg zum Besprechungsraum im Bunker um. Gerstenmayer kam es vor, als ob dieser Dinge wieder erkannte, von denen er schon einmal gehört hatte.
„Kennen Sie sich in Labordingen denn aus?“ fragte Gerstenmayer zuerst.
„Noh, der Babaah, hot mir einiges beibroocht!“
„Ihr Papa? Wer ist das?“ Gerstenmayer war immer verwirrter.
„No den haben's doch kennt, den Professor? Er hot mear immer vom Labor gredt.“
„Der Professor... Professor... Baum?“
„Jo wear dann sooonst?“ flachste sein Gegenüber.
„Sie sind... sie sind ein Sohn von Prof. Baum?“
„Aber Herbert, lass uns beim 'Du' bleiben! Ich bin doch der ‚BJ‘!“
Gerstenmayer saß verdutzt und wie vom Donner gerührt an dem Besprechungstisch.
„Die Umsätz hier sann rückläufig! I muss mich wohl selbst ums Gschööft kümmern!“
Dann sah er sich um. „Do hod ea gewirkt, moi Oalda!“ Anerkennend ging er in die nächsten Zimmer und dann weiter unten ins Labor.
In der Tat waren die Umsätze stetig schlechter, weil der Andrang von Frauen, die ein Baum'sches Baby im Bunker austragen wollten sehr stark rückläufig war. Die Gerüchte über fragwürdige Gene waren der eine Grund und die Tatsache, dass nach einigen genetischen Korrekturen durch Gerstenmayer die Klone untereinander auch wieder lebensfähige Babys zeugen konnten, ohne dass die Mütter starben, war der andere. Inzwischen gab es sogar Tests, mit denen vor der Vereinigung eines Paares festgestellt werden konnte, ob es sich um 'Ur'-Bevölkerung oder Klone handelte. Und wenn Klone, welche Type. Diese Tests waren nicht auf der unsicheren psychologischen Basis wie in der Science Fiction Literatur etwa bei 'Blade Runner' von Philip K. Dick, wo versucht wurde, 'Empathie' als Messgröße zu nutzen. Schon Baum hatte drei eindeutige Biomarker in die Klone konstruiert, die sich aus Urin leicht mit einem Teststreifen nachweisen ließen. Dieser Test, auf Basis von knallharten biochemischen Fakten, war wichtiger als der zur Schwangerschaftserkennung und ein gutes wachsendes Zusatzgeschäft bei Gerstenmayer.
Was ‚BJ‘ nicht wusste, war, dass jeder Klon einen DNA-Barcode in sich trug, mit dem er völlig eindeutig den Laboraufzeichnungen zugeordnet werden konnte. Dieses alte Verfahren wurde schon lange vor der Katastrophe von einer Biotechfirma in Erlangen im November patentiert.
Gerstenmayer erholte sich langsam vom Schock, wurde wach und sein kritischer Geist gewann in ihm die Überhand.
„Erzählen Sie... erzähl doch von deinem Vater und vor allem von deiner Mutter, BJ.“ forderte er ihn auf und lernte von ihm, dass dieser seine Mutter nicht kannte und im Verborgenen von seinem Vater groß gezogen wurde. Dieser hatte ihm dann alles beigebracht, was er selbst über Molekularbiologie wusste. Gerstenmayer hatte die Vision, dass hier ein 'Klon' von einer 'Mutterzelle' in diesem Falle einer 'Vaterzelle' groß gezogen und vor allem erzogen wurde. Wie mögen sich die beiden Verstanden haben? Der Sohn, der eigentlich als Klon eher als Bruder, ja sogar Zwillingsbruder zu bezeichnen war. Gerstenmayer schüttelte es vor Entsetzen. Aber das Ergebnis saß ihm gegenüber. Um seine Hypothese zu testen fragte er nach einigen wissenschaftlichen Details und siehe da, 'BJ' schien doch nicht nur ein Grossmaul zu sein, sondern von diesem Metier auch eine Menge Ahnung zu haben!
Aber war da nicht eine sehr kurze Zeitspanne, die dem Junior blieb, um erwachsen zu werden? Da war doch etwas faul oder etwa manipuliert...
Mayr wechselt das Gewerbe
Der gute alte Mayr aus Weilheim kam auch in das Alter. Das Durchforsten der Gegend, um noch brauchbare Gegenstände zu finden, die er verkaufen konnte, war immer mühsamer, zumal seine Wampe immer runder und das Bücken immer beschwerlicher wurde. Ausserdem hatte er schon alles gründlich durchsucht und fand nichts mehr.
Eines Tages lernte er auf der Süd-Westseite des Peißenberg einen jungen pfiffigen Bauern kennen, der aus der anfallenden Kuhscheiße zusammen mit anderem Biomaterial tatsächlich Biogas erzeugen konnte. Andy hatte soviel Gas, dass er gar nicht wusste wohin damit. Sein Bauernhof lag auf der Seite des Berges, die München abgewandt war, so dass die atomare Zerstörung sich in Grenzen hielt, so im Schatten des Berges geschützt vor Strahlung. Die Biogasanlage war noch aus der Zeit vor der Katastrophe und konnte danach schnell repariert werden.
In München dagegen tauchte plötzlich fast gleichzeitig ein weitgereister, dunkelhäutiger, afrikanischer Händler auf, der gasdichte Gummiblasen mit Ventilen anbot: Importware aus Afrika! Afrika war das paradiesische Elysium, da dort keine Atombomben niedergegangen waren. Alle technologischen Sprünge kommen jetzt daher. Viele Menschen nahmen die sogenannte Südroute, den Weg zum Mittelmeer, um in das gelobte Land auszuwandern. Was vor Jahrzehnten noch umgekehrt ging, lief jetzt spiegelverkehrt ab.
Der Rohstoff Kautschuk für die Gummi-Produktion wuchs ja direkt im Land und konnte dort vor Ort verarbeitet werden. Allerdings gab es einen unbekannten technologischen Kniff, dass die kleinen Methan-Moleküle des Biogases nicht durch die Wand der Blase entweichen konnten.
Mayr erkannte seine Chance und nach einigen 'Hellen' mit dem Fremden, kaufte er ihm alles ab, was dieser an Waren hatte und bestellte noch einmal die doppelte Menge bei ihm. Er hatte ausreichend Kompensationseinheiten, mit denen der Schwarze zufrieden war.
Mayr fuhr mit seiner Ware direkt zum Peißenberg zu seinem Freund Andy aus Kenia, der Weltmeister in der Improvisation bei allen technischen Fragestellungen war. Nairobi war danach neben Kapstadt das ‚Silicon Valley‘ der Welt.
Der Afrikaner und der Bayer! Welch ein Paar, das nur durch die Katastrophe zusammen kommen konnte. Die beiden bastelten etwas herum und waren schnell in der Lage, die Gummiblasen mit Biogas zu füllen.
Der Einsatz war universell: Mayr baute seinen guten alten Holzvergaser um und fuhr jetzt mit Biogas aus drei Gummiblasen. Pfiffig wie der Alte war, hat er seinen Holzvergaserofen in seinem Hof aufgestellt und wenn Ebbe war, konnte er das selbst erzeugte Holzgas in die Behälter füllen.
Er hatte in seinem Lager noch sehr viele alte Gasbrenner, die er bisher nicht los bekam. Jetzt war das anders: Zusammen mit den Biogasblasen waren die Gaskocher sein neuester Renner!
So kam es, dass Mayr vom Gebrauchtwaren- oder Gerümpel-Händler zum Biogas-Lieferant wurde! Aus dem sporadischen Projektgeschäft wurde jetzt ein stetiger Lieferservice. Ein sprudelnde Geld-Quelle!
Auch Anitra in Murnau hatte von ihm einen Gasherd gekauft, mit dem sie ihren Espresso mit der Macchinetta kochen konnte. Mayr belieferte die junge Frau gerne. Er strahlte, wenn er sie sah. Hatte er, der alte Grandler, sich gar in sie verguckt? Er wurde sogar seinen kaufmännischen Grundsätzen untreu und ließ ihr die eine oder andere Gaslieferung ohne Bezahlung in ihrer Küche stehen. Wassy gab im dann ab und zu ein kleines Bild mit, das er gemalt hatte. Mayr hatte von Kunst keine Ahnung und stellte die Werke zu Hause in die hinterste Ecke seiner Scheune.
Lakencourt wieder on Tour
Der Warlord hatte von den lukrativen Geschäften mit Biogas in Gummiblasen gehört!
„Wo gibt es so was! Da macht einer Geschäfte ohne mich!“, brüllte er in seiner Zentrale an der Isar. „Ist der 'Leo' startklar?“ rief er seinen Leuten zu.
Er bekam keine Antwort, was sehr schlecht war! Er trat auf seinen Adjutant zu und schaute ihn scharf an. Dann ergriff er dessen Hand und drückte die Finger nach hinten. Sein Gegenüber ging in die Knie . 'My Lord' schmetterte die schmerzende Hand zu Boden und trat mit seinen eisenbeschlagenen Springerstiefel auf seine Finger. Das war eine Bewegungsabfolge, die nur er so perfekt beherrschte. Noch hatte er nicht sein ganzes Gewicht auf die Hand seines Gegners gestellt, der sich räusperte, um eine Bemerkung zu machen: „De-e-e-r Mo-o-o-t-o-o-o-r wird gewa-a-a-rtet!“
„Warum macht ihr das nicht Nachts?“
„Zu we-e-en-i-i-g Li-i-i-cht!“
Jetzt trat er voll auf die Finger und der Adjutant jaulte auf. Lakencourt machte keine Anstalten, ihn frei zu lassen. Er schien es zu genießen, seinem Gegenüber Schmerzen zu bereiten und grinste diabolisch.
„Beeilt euch, ihr faules Pack!“ brüllte der Boss: „Ich will in 10 Minuten abfahren.“ Er schaute auf seine goldene Breitling und stampfte noch einmal auf die Hand unter seinen Stiefeln. Da war inzwischen alles rot von Blut. Der Besitzer der Hand wimmerte nur noch. Danach drückte er seine brennende Zigarette auf dem Handrücken aus. Die Glut zischte auf der Haut.
Er ging ins Haus und lies sich von seinem Butler einen Whiskey servieren. Alle wussten, wenn er wütend war und dann auch noch trank, war alles zu spät.
Auf die Sekunde genau nach 10 Minuten stand der 'Leo' ab fahrbereit. Die Schornsteine der Holzvergaser stießen schwarze Rauchschwaden aus. Lakencourt schwang sich auf seinen Thron und befahl: „Nach Weilheim, italienisches Viertel!“ Die Menschen, die dort wohnten, taten der Panzer-Besatzung schon jetzt leid.
Dieser fuhr Richtung Westen. Dort trafen sie die alte A95, die lediglich eine Schneise durch den Wald darstellte. Der Asphalt war verbrannt. Dem 'Leo' machte es nichts aus, auf dem darunterliegenden Schotter zu fahren. Im Gegenteil es war wenig holprig als Querfeld ein. Bei St. Heinrich trafen sie auf den See und fuhren um das Südufer.
Zuvor im Café 'Hirn' lies er halten und trank eine Halbe, natürlich aufs Haus! Dort war er der anerkannte 'King of Upperbavaria' und alle zollten ihm demütig Tribut, wie ehemals dem Kini, nachdem er ihnen brutal auf die Hand getreten war. Manchmal musste er auch die zweite Hand foltern, selten aber andere Extremitäten. Das Café schloss im Jahre 2004, erstand allerdings kurz vor der Katastrophe wieder neu. Irgendeiner erinnerte sich an den alten, interessanten Namen für eine Traditions-Wirtschaft nahe am See.
Aus den Gesichtern der alten Seeshaupter war zu lesen: Wohin fährt er? Wer ist jetzt auf seiner Liste und wird von ihm beehrt? Geht er Richtung Penzberg oder Weilheim? Kann man noch jemand warnen? Nachdem dritten Glas Bier schwang der 'Lord' sich wieder auf seinen Sitz, der Leo brüllte auf und fuhr los. Mitten über den ehemaligen Sportplatz. Den übrig gebliebenen Pfosten eines Fußballtores mähte er mühelos um.
Dann überquerten sie die Schienen der Bahn, die einmal nach Kochel gefahren war.
Alle sahen es. Es ging über die alte kaputte Staatsstraße in Richtung Magnetsried. Das Vorwarnsystem des Widerstandes setzte sich in Bewegung und versuchte alle in diesem Areal wohnende Menschen zu warnen.
An einem Apfelbaum, der sehr geschützt in einer kleinen Senke stand. Vielleicht waren es sogar ein Gewürzluiken, die normaler weise nur in Württemberg und Baden vor Urzeiten angepflanzt und gezüchtet worden waren. Am Stamm dieses Baumes hing eine Art Plakat mit der Aufschrift:
Darunter war eine entsprechende Karikatur mit einem Steckbrief-Gesicht, das zweifelsohne gut erkennbar war. Darüber hinaus sah man ein Panzer mit einem angeschweißten Thron. Es war ein Holzschnitt und künstlerisch durch aus als hochwertig zu bezeichnen. Die Angst vor dem Ungeheuer wurde durch eine dunkle Wolke und die Gegenwehr durch eine sehr dünne weiße Rauchfahne angedeutet. In der linken oberen Ecke sah man eine sehr kleine Signatur 'Wassy'. Dummerweise war sie lesbar. Wie unvorsichtig von dem Künstler!
Lakencourt sah von weitem diesen Zettel am Baum und ließ den Leo dort anhalten. Einer seiner Schergen holte das Blatt und überreichte es ihm. Er wurde rasend, stieß den Überbringer vom Panzer, obwohl dieser völlig unschuldig war! Krachend viel er in eine Brennnesselhecke, schrie laut auf und blieb liegen. Es musste ihm sicher einige Rippen gebrochen haben.
Lakencourt brüllte wie ein Löwe: „Wenn ich den erwische! Zwergenaufstand in meinem Revier! Ich werde sie alle zermalmen! Gebt mir etwas zu trinken!“ Schon holte ein anderer seiner Lakaien eine Flasche Rum und übergab sie demütig. Der Boss nahm die Flasche und stieß auch diesen vom Turm zu den Brennnesseln. Dann setzte er die Flasche an, um seinen Jähzorn zu besänftigen. Er trank sie in wenigen Zügen vollständig aus und warf sie ins hohe Gebüsch. Dort schrie plötzlich jemand auf; offensichtlich hatte die Flasche wohl einen der beiden Lakaien an den Kopf getroffen, obwohl man niemand in dem Gebüsch ausmachen konnte.
„Weiterfahren!“ brüllte er dann. Aber es passierte nichts. „Warum geht es nicht weiter?“ Seine Stimme schwoll immer mehr an. Dann krabbelte einer aus der Panzerturmluke. Er hatte einen Stahlhelm auf und versuchte sich mit seinen Armen vor einem vermeintlichen Angriff des Chefs zu wehren, wobei er großen Abstand hielt! Mit dünner Stimme teilte er mit: „Die beiden Fahrer liegen da unten in den Brennnesseln! Sie sind die Einzigen, die das Gefährt steuern können!“
Lakencourt fluchte und suchte ein Wurfgeschoss in seiner Reichweite, fand aber nichts.
„Scheißladen!“
Dieser, sein Schrei, war sicher bis auf der Zugspitze zu hören. Dann stand er auf, hangelte sich um den Geschützturm, um in die Luke hinab zusteigen. Sein Lakai mit dem Stahlhelm und der dünnen Stimme war inzwischen von dem Turm gesprungen und rannte durch die Brennnesseln davon.
Daraufhin hörte man den Porsche-Motor aufjaulen und der Panzer fuhr ruckartig rückwärts und legte den schönen Gewürzluiken-Baum um.
Eine Schneise der Verwüstung, genau so breit wie ein Leopard II, war von Seeshaupt bis nach Wolfratshausen zu sehen.
Offensichtlich hatte der Warlord für heute die Nase voll!