Seewölfe - Piraten der Weltmeere 451

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 451
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Impressum

© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-859-1

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Burt Frederick

Hinter Gittern

Sie steckten in einer bösen Klemme – bis die beiden Deutschen auftauchten

Pedro Ibarra, Bootsmann auf jener spanischen Kriegskaravelle, von der Dan O’Flynn und seine fünf Gefährten auf See „aufgesammelt“ worden waren, hatte die Absicht, den sechs „Neuen“ gleich von Anfang an zu demonstrieren, welcher Kurs bei ihm anlag. Für die Kerle vom Vordeck war er der Herrgott, aber er herrschte nicht mit Güte, sondern mit den Fäusten. Arme Sünder pflegte er im abgeschlossenen Vordeck durchzuklopfen, bis sie auf den Planken herumrutschten und bereit waren, ihn anzubeten. Bei den sechs Männern geriet er zu seiner eigenen Überraschung an die verkehrte Adresse. Dieses Mal wurde er durchgeklopft, und zwar nach allen Regeln der Raufkunst. Als er aus dem Vordeck wankte, meinte er dennoch, es sei „ein feiner Abend“ gewesen …

Die Hauptpersonen des Romans:

Arne von Manteuffel – Hasards Vetter reist in geheimer Mission nach Panama.

Don Alfonso de Roja – der Hafenkapitän von Panama glaubt, einen Geist zu sehen, als ihn Arne besucht.

Dan O’Flynn – landet mit seinen fünf Gefährten in einer Gefängniszelle.

Edwin Carberry – kann sich freuen, daß er seinem Papagei recht deftige Sprüche beigebracht hat.

Don Antonio de Quintanilla – der dicke Gouverneur von Kuba glaubt, bald ein armer Mann zu sein.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Aus dem Hafen von Havanna ertönten die immer gleichen Geräusche, die von Betriebsamkeit und bunter Lebensvielfalt zeugten. Laute Stimmen waren zu hören, aber auch das Knarren von Tauwerk, das Klappern von Pferdehufen und das Knirschen von eisenbeschlagenen Rädern auf dem Steinpflaster der Hafenstraßen.

So gesehen, war dieser 4. Februar des Jahres 1595 ein Tag wie jeder andere.

Jussuf, der stämmige Türke mit dem sichelförmigen Schnauzbart und den wie poliert wirkenden schwarzen Augen, hätte ein Königreich dafür gegeben, diesen Tag ebenfalls als völlig normal betrachten zu können. Wenn es sich so verhalten hätte, dann wäre er sicherlich längst zu seinem morgendlichen Besorgungsgang aufgebrochen, hätte hier ein Schwätzchen mit einem Gemüsehändler und dort ein Gespräch mit einem Seemann aus der Alten Welt geführt. Aber nach nichts dergleichen stand ihm der Sinn an diesem Morgen.

Es war, als existierten weder Havanna noch das Handelshaus seines Dienstherrn Arne von Manteuffel. Die Welt rings um Jussuf war versunken und nicht mehr vorhanden.

Schon seit dem Morgengrauen harrte er vor dem Taubenschlag aus. Sein erster Gang hatte hierher geführt, und seitdem stand er wie festgewurzelt da. Arne von Manteuffel und Jörgen Bruhn hatten noch im Haus zu tun. Ohnehin schauten sie selten auf den Hinterhof, wo Jussuf die Behausungen für seine gefiederten Lieblinge eingerichtet hatte.

Als Schreiber des angeblichen Kaufherrn aus dem fernen Deutschland hatte Jörgen an seinem Stehpult genug zu tun. Und für den Señor von Manteuffel, wie er in Havanna genannt wurde, bestand die Hauptaufgabe darin, tagtäglich von neuem zu beweisen, daß er wirklich eine Handelsvertretung für potente Geschäftspartner an den Küsten des Baltischen Meeres und der Nordsee unterhielt.

So vermuteten sie Jussuf bei seinen morgendlichen Einkäufen, während sie das Frühstück in der Behaglichkeit des Kontorhauses genossen – jenes Gebäude, das Arne für hundert Goldtaler vom Gouverneur gekauft hatte. Als Geschenk hatte er eine fast taubeneigroße Perle hinzugefügt und damit die besonderen Neigungen des Don Antonio de Quintanilla genau erkannt.

Jussuf seufzte tief. Er konnte den Blick nicht von jenem einen Schlag wenden, bei dem er wie vom Donner gerührt stehengeblieben war, als er sich auf seinem ersten Rundgang befunden hatte. Seitdem war eine kleine Ewigkeit vergangen. Endlose Minuten, die sich zu mehr als einer Stunde aneinandergereiht hatten. Aber nichts hatte sich geändert.

Osman, der so stattliche junge Täuberich, lag noch immer völlig entkräftet da. Seine Beine trugen ihn nicht mehr, und er ruhte auf seinem Bauch. Immer wieder sank der kleine Kopf nach vorn. Jedesmal, wenn Osman ihn mühsam hob, hatte Jussuf das Gefühl, daß die blassen Knopfaugen ihn hilfesuchend ansahen. Es versetzte ihm einen Stich, hilflos zu sein und nichts tun zu können.

„Junge“, flüsterte er mit bebender Stimme, „Osman, mein Kleiner! So sei doch vernünftig. Friß deine Körner, dann geht es dir sehr schnell besser. Los, los, nun mach schon, du mußt fressen, damit du wieder zu Kräften kommst.“ Seine Stimme wechselte in einen scherzhaften, neckenden Ton über. „War wohl, zu anstrengend, deine letzte Reise von der Schlangen-Insel hierher, was? Mit wem hast du’s unterwegs getrieben, du Schlingel? Mit einem Kormoran? Oder mit einer Papageiendame? Heraus mit der Sprache, du kleiner Halunke! Hast es faustdick hinter den Ohren und tust jetzt, als könntest du kein Wässerchen trüben!“

Aber Osman reagierte weder auf scherzhafte Anspielungen, noch auf freundliches Lob oder väterliche Ermahnungen. Bei den anderen „Kinderchen“, wie Jussuf seine Tauben liebevoll nannte, waren stets Reaktionen festzustellen. Genauso hatte es sich bislang auch mit Osman verhalten.

Die gefiederten Prachtstücke, die pfeilschnell durch die Lüfte zu jagen vermochten, hatten in Jussuf einen Taubenvater, wie er besorgter nicht sein konnte. Zu jedem einzelnen seiner kleinen Lieblinge hatte er eine besondere Beziehung – so, wie er bei jedem einzelnen meinte, dessen Gedanken lesen zu können.

Osman aber hatte keine Gedanken mehr, davon war Jussuf überzeugt, so sehr es ihn auch schmerzte. Das Hirn des armen kleinen Kerls war leer und dumpf.

„Nun sei doch vernünftig“, sagte der Türke drängend. „Denk an die vielen schönen Inseln mit den Palmen, auf denen du unterwegs rastest. Und was du alles siehst auf dem Weg von Havanna zur Schlangen-Insel und zurück! Das wirst du doch nicht vermissen wollen, mein Kleiner. Also, raff dich gefälligst auf, friß deine Körner und sei ein guter Junge.“

Als auch dies nur dazu führte, daß Osman kurz den Kopf hob und ihn dann wieder sinken ließ, stemmte Jussuf energisch die Fäuste in die Hüften.

„Jetzt will ich dir mal was sagen“, knurrte er. „Du verwöhnter kleiner Strolch denkst wohl, du könntest mich an der Nase herumführen, was? Willst meine Aufmerksamkeit erwecken, um dich wichtig zu machen, wie? Aber da hast du dich getäuscht, Freundchen. Nicht mit mir! Ich lasse dich jetzt allein. In einer halben Stunde komme ich wieder. Dann sehe ich dich auf beiden Beinen, und du hast dein Fressen weggeputzt. Ist das klar?“ Als Osman auch darauf nicht reagierte, nickte Jussuf noch einmal grimmig und bekräftigend, ehe er sich abwandte.

Doch er war nie so geistesabwesend gewesen wie an diesem Morgen. Die Einkäufe für die Mittagsmahlzeit erledigte er ohne sonderliches Interesse. Er feilschte nicht mit den Händlern, die ihn verwundert ansahen, weil sie ihn so noch nicht erlebt hatten. Und er prüfte nicht die Qualität des frischen Gemüses und der Früchte. Es schien ihm an diesem Tag völlig einerlei zu sein, was sein Dienstherr, Jörgen Bruhn und er selber auf den Tisch bekamen.

Aber Jussuf registrierte nicht einmal die rätselnden Blicke, die ihm nachgesandt wurden. Viel zu sehr war er in Gedanken versunken. Die Menschen, die tagtäglich im Hafen von Havanna zu tun hatten, kannten ihn als einen redseligen und geselligen Burschen, der immer zu einem Scherz aufgelegt war. So unnahbar und weltentrückt wie an diesem schönen Februarmorgen hatten sie ihn noch nicht gesehen.

Noch bevor er das Tor zum Hinterhof des Kontorgebäudes auch nur sah, beschleunigte der Türke seine Schritte. Wenig später stieß er das Tor in fliegender Hast auf, ließ Gemüse und Früchte einfach fallen und stürmte auf den Taubenschlag zu.

Das kleine Häufchen Körner lag unverändert auf dem Holzboden.

Osman hatte nichts angerührt. Auch hockte er noch immer da, als sei er eine Puppe aus Stoff und kein lebendes Wesen. Was aber schlimmer war: Diesmal hob er nicht einmal mehr den Kopf, wie er es vor einer guten halben Stunde noch getan hatte, wenn auch mühevoll.

Jussuf schlug die flache Hand vor den Mund.

„Osman, mein Junge, um Himmels willen!“ rief er entsetzt. „So kann das doch nicht weitergehen mit dir! Du wirst doch nicht ernsthaft krank spielen wollen, oder sogar …“ Er stockte, konnte es einfach nicht aussprechen. Mit zusammengepreßten Lippen wandte er sich Achmed, dem Täuberich im Nachbarschlag, zu. „He, mein Alter, hast du vielleicht eine Ahnung, was mit deinem Kumpel Osman los ist?“

 

Aber Achmed und auch die übrigen Brieftauben schienen mehr Interesse für ihr Körnerfutter zu haben als für das Schicksal des einen Gefährten, der todkrank zu sein schien.

„Was seid ihr nur für eine herzlose Brut“, tadelte Jussuf. Abermals beugte er sich über den Schlag, in dem der Täuberich Osman dahindämmerte. Jussuf öffnete die Klappe mit einem Seufzer und hob den kraftlosen Vogel heraus. Er nahm ihn in beide Hände und hauchte ihm die Wärme seines Atems über den Kopf. Als auch dies nichts nutzte, schob er den Täuberich mit einem ratlosen Achselzucken zurück in den Schlag.

Geistesabwesend hob Jussuf das Gemüse und die Früchte auf und begab sich ins Haus. Ob Arne einen Rat wußte? Sagte man nicht von den Deutschen, daß sie für alle Probleme eine Lösung hatten? Von neuer Hoffnung beseelt, eilte Jussuf ins Haus, lud seine Einkäufe in der Küche ab und traf Arne und Jörgen noch im Speisezimmer an.

Jörgen Bruhn, der Seefahrer aus Hamburg, der einmal eine Kaufmannslehre absolviert hatte, blickte überrascht auf.

„He, was ist los mit dir? Du siehst aus wie sieben Tage Regenwetter, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.“

„Du darfst, du darfst.“ Jussuf seufzte und ließ sich auf einen freien Stuhl sinken. „Was passiert ist, ist leider viel schlimmer als Regenwetter.“

Arne von Manteuffel nahm einen letzten Schluck aus seinem Becher, und sah den Türken forschend an.

„Dann muß es etwas sein, was nur dich betrifft“, sagte der blonde Deutsche, der dem Seewolf wie ein Zwillingsbruder ähnelte – von der Haarfarbe abgesehen. „Von Regenwetter kann keine Rede sein, und das Dach ist uns auch nicht auf den Kopf gefallen. Also, was ist es?“

Jussuf schenkte sich einen Becher mit heißem Tee ein und schlürfte mißmutig daran. Minutenlang schwieg er und stierte nur auf die Tischplatte, als stünden dort die passenden Worte geschrieben.

„Er macht es mal wieder richtig spannend“, sagte Jörgen zu Arne. „Er hätte Komödiant werden sollen, findest du nicht auch? Einer für traurige Rollen.“

Jussuf hob ruckartig den Kopf.

„Halt den Mund!“ sagte er schroff. „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, nicht wahr? Die Menschen werden sich wohl nie ändern. Selbst jene, die man für Freunde hält, lachen sich ins Fäustchen, wenn man …“

„Jetzt reicht es, Jussuf“, unterbrach ihn Arne energisch. „Den großen Schweiger spielen und Mitgefühl erwarten – nein, mein Lieber, so geht das nicht.“

„Aber ich erwarte kein Mitgefühl!“ brauste Jussuf auf.

„Sondern?“

„Einen Rat, Hilfe, Unterstützung …“ Der Türke zog hilflos die Schultern hoch und stellte seinen Becher auf den Tisch. „Ich weiß nämlich beim besten Willen nicht mehr, was ich tun soll.“

Arne hatte längst geahnt, wo die Ursache für Jussufs Niedergeschlagenheit zu suchen war. Jetzt wurde es klarer. Arne wechselte einen Blick mit seinem Kontorgehilfen, und Jörgen nickte langsam und bedächtig.

„Es handelt sich um deine Tauben“, sagte Arne.

Jussuf hob erstaunt den Kopf.

„Aber woher …“

Arne winkte ab.

„Etwas anderes kann es nicht sein, weil du dich durch etwas anderes nie unterkriegen läßt. Also heraus mit der Sprache!“

Als Arne ihm aufmunternd auf die Schulter klopfte, lächelte Jussuf zum erstenmal wieder.

„Osman“, sagte er dumpf. „Ich fürchte, es geht ihm verdammt schlecht.“

„Das ist einer von den jungen Täuberichen, nicht wahr?“ fragte Jörgen Bruhn.

Abermals empfand Jussuf Dankbarkeit. Die Tatsache, daß sogar Jörgen die Namen seiner Kinderchen kannte, bewies, wie sehr man die gefiederten Lieblinge zu schätzen wußte.

„Eben deshalb kann ich es nicht begreifen“, murmelte Jussuf niedergeschmettert. Stockend schilderte er, was ihn an diesem Morgen beim Taubenschlag so sehr gerührt hatte.

Arne und Jörgen hörten aufmerksam zu. Sie dachten nicht im Traum daran, über den Türken zu lachen. Sie wußten, welchen Narren er an seinen Brieftauben gefressen hatte, daß sie sein ein und alles waren. Ein Mensch, der sich so ernsthaft mit einer Sache befaßte, war nichts Lächerliches. Er verdiente zumindest, daß man für seine besondere Denkensweise Verständnis zeigte.

In Jussufs Fall kam etwas anderes hinzu: Seine Brieftauben hatten für den Bund der Korsaren eine geradezu fundamentale Bedeutung gewonnen. Die Möglichkeit der Nachrichtenübermittlung zwischen Havanna und der Schlangen-Insel war für den Seewolf und seine Verbündeten von unschätzbarem Wert. Das hatte sogar dazu geführt, daß die Schlangen-Insel mit ihren Bewohnern im Grunde überhaupt nur noch deshalb existierte, weil Jussufs Brieftauben rechtzeitig warnende Nachrichten überbracht hatten.

Aus diesem Grunde durfte man Jussufs Besorgnis nicht mit einer Handbewegung vom Tisch wischen, wenn sie vielleicht auch ein wenig übertrieben erscheinen mochte. Nur jemand, der Jussuf gut genug kannte, vermochte zu ermessen, was ihm seine Täubchen bedeuteten.

„Hast du ähnliche Krankheiten schon einmal bei anderen Tauben festgestellt?“ fragte Arne.

Auch aus einer anderen Überlegung heraus ließ sich Jussufs Besorgnis nämlich leicht nachempfinden. Wenn es sich um eine seuchenartige Krankheit handelte, konnte man im Handumdrehen den gesamten Taubenbestand verlieren. Und dann war die Nachrichtenübermittlung zunächst einmal unterbrochen.

Es würde fraglich sein, ob und wann man überhaupt Ersatz beschaffen konnte. Die auf der Schlangen-Insel ansässigen Brieftauben waren an ihre Partner aus Havanna gewöhnt. In der Tat, es würde eine langwierige Arbeit bedeuten, die Brieftauben-Verbindung neu ins Leben zu rufen.

Jussuf schüttelte den Kopf.

„Nein. Ich weiß beim besten Willen nicht, was es sein könnte.“

„Hoffen wir, daß es keine ansteckende Krankheit ist“, sagte Jörgen dumpf.

Jussuf ruckte erschrocken herum und blickte den Kontorgehilfen an.

„Himmel, daran habe ich überhaupt noch nicht gedacht!“

„Jörgens Hinweis ist begründet“, sagte Arne und nickte. „Ich weiß zwar nichts über Taubenkrankheiten, Jussuf, aber ich kann dir nur den einen guten Rat geben: Dein Täuberich Osman muß so schnell wie möglich isoliert werden. Ich will den Teufel nicht an die Wand malen. Aber so eine Seuche könnte schlimme Folgen haben. Und wir sind nun einmal auf deine Brieftauben angewiesen. Ohne sie wäre unser gesamter Einsatz in Havanna wirkungslos.“

Ein Leuchten huschte über Jussufs Gesicht. Obwohl Arne ihm wenig Hoffnung machen konnte, waren die Worte doch wie Labsal für seinen Gemütszustand. Zu wissen, wie hoch die Bedeutung der „Kinderchen“ eingeschätzt wurde, war mehr als tröstlich. Und zweifellos hatte Arne recht, wenn er sagte, daß es jetzt vor allem darum ging, die gesunden Tauben vor Ansteckung zu schützen.

„Ich werde Osman sofort von den anderen trennen“, sagte Jussuf und stand auf. „Natürlich ist das wichtig. Bei Allah, warum habe ich nicht selbst daran gedacht!“

„Vielleicht hat er auch nur ein schlechtes Korn erwischt!“ rief Jörgen ihm nach. „Bei dem Futter weißt du doch nie, ob es ganz in Ordnung ist. Und wenn dann mal was Giftiges dazwischen ist …“

Aber Jussuf hörte schon nicht mehr hin. In aller Eile nahm er den immer noch reglosen Osman aus seinem Schlag und bettete ihn in einen transportablen Käfig um, den er ins Dachgeschoß des Hauses trug. Dort oben hatte es der kranke Täuberich warm und gemütlich, und nichts und niemand störte ihn. Auf leisen Sohlen schlich Jussuf aus dem Bodenraum. Wenn Osman gesunden konnte, dann hatte er hier die beste Gelegenheit dazu.

Im Erdgeschoß des Hauses begab sich Jörgen Bruhn unterdessen an sein Stehpult, während Arne sich in seinem eigenen Kontor mit den dicken, ledergebundenen Journalen befaßte. Jörgen hatte den Federkiel noch nicht ins Tintenfaß getaucht, als es an der Haustür klopfte.

Ein Bote des Gouverneurs stand draußen und verneigte sich. Der Mann war auf den ersten Blick erkenntlich an seiner prunkvollen Livree. Jörgen brauchte nicht erst zu fragen, wen er vor sich hatte.

„Ich habe eine persönliche Nachricht für Señor von Manteuffel“, sagte der Bote. „Ist er zu sprechen?“

Jörgen Bruhn wußte, daß es ratsam war, die Höflichkeitsformen zu wahren. Der Fortbestand der Faktorei von Manteuffel in Havanna hing nicht unwesentlich vom Wohlwollen des feisten Gouverneurs ab. Mochte er auch das durchtriebenste Schlitzohr sein, das man sich nur vorstellen konnte – wenn man sich gegen ihn stellte, war es fast aussichtslos, die Faktorei in Havanna zu erhalten. Nach außen hin mußte sie von Arne hieb- und stichfest als deutsche Handelsniederlassung geführt werden. Daran durfte niemand zweifeln, am allerwenigsten Don Antonio de Quintanilla. Nur dann war es möglich, Philip Hasard Killigrew und den Bund der Korsaren weiterhin mit lebenswichtigen Nachrichten zu versorgen.

Jörgen führte den Boten des Gouverneurs also in das Kontor des deutschen Kaufherrn und ließ die beiden Männer allein.

Kurze Zeit später, nachdem der Bote gegangen war, brach auch Arne von Manteuffel auf. Seinem Status eines wohlhabenden Kaufmanns entsprechend, ließ er sich von einer Kutsche zum Gouverneurspalast bringen.

Es gehörte einiges dazu, den Schein zu wahren.

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