Czytaj książkę: «Seewölfe Paket 27», strona 24

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4.

Es dauerte nur knappe fünf Minuten, da wußte Marten de Groot, daß sein Lebensfaden mit rapider Geschwindigkeit dünner wurde. Mit einem Bein stand er bereits in der Hölle, da machte er sich gar nichts vor. Für ihn war das Paradies nicht geöffnet.

Er sah aus wie Hackfleisch. Das Blut rann ihm aus unzähligen Wunden, seine Hand am Degen war glitschig – schlimmer noch, er brachte den Degen kaum noch hoch. Er war fertig.

Keuchend lehnte er schief am Schanzkleid und sah rote flirrende Kreise vor seinen Augen. Aus den Kreisen wurde die Spitze einer Degenklinge. Sie näherte sich, berührte sein Kinn, glitt etwas tiefer – und jetzt verharrte sie auf seiner Kehle.

Marten de Groot quollen die Augen aus den Höhlen, und er begann zu röcheln.

„N-nein – n-nicht“, flüsterte er.

„Wo ist euer Stützpunkt?“

Marten de Groot hob den Blick von der Klinge an seinem Hals und stierte in die blauen Augen seines Gegners, die eisig schimmerten. Das tiefbraune Gesicht mit der Diagonalnarbe war von erbarmungsloser Härte.

Der Tod wartete auf ihn.

„Saranganis“, flüsterte Marten de Groot, „Balut-Insel – Südküste …“

„Danke.“ Der Degen verschwand.

Marten de Groot sackte der Kopf nach vorn. Er war zu schwach, ihn noch länger aufrecht zu halten. Jemand nahm ihm den Degen aus der Hand. Er rutschte am Schanzkleid in sich zusammen.

„Wasser!“ befahl eine Stimme, die Stimme des Mannes mit den eisigen Augen.

Pützen klatschten ins Wasser. Sekunden später prallte es ihm ins Gesicht und deckte ihn ein, ein Schwall nach dem anderen. Er begann zu zittern. Dann hustete er und erbrach sich.

„Saut auch noch das Deck voll, dieser Käsefresser“, sagte grollend eine andere Stimme. „Los, spült ihn ab.“

Sie besorgten es ihm. Fast soff er in den klatschenden Wassergüssen ab, mit denen sie ihn überschütteten. Er schnappte nach Luft und rappelte sich wieder hoch. Schwankend stand er da.

„Genug“, sagte der Mann mit den eisigen Augen. „Bringt ihn in die Vorpiek zurück, Ed.“

„Aye, Sir. Soll sich der Kutscher um seine Blessuren kümmern?“

„Ich höre wohl nicht richtig, Mister Profos!“ wurde der Narbenmann angefahren. „Haben sich die Kerle um die Blessuren der Badjao gekümmert? Haben sie die Kinder und Frauen verschont?“

„Haben sie nicht, Sir“, erwiderte der Narbenmann, „bin ganz deiner Ansicht. Man kann’s auch übertreiben mit dem Samiterdienst!“

„Samariterdienst!“ korrigierte eine andere Stimme.

„Halt’s Maul, Kutscher“, sagte der Narbenmann freundlich, „Samiter ist die Kurzform von Samariter, das ‚ar‘ wie Arsch wird dabei eingespart, klar?“

„Könnten wir demnächst auch den Anker hieven?“ fragte der Mann mit den eisigen Augen.

„Aye, Sir, wird gleich besorgt.“ Der Narbenmann drehte sich zu Marten de Groot um. „Vorwärts, du Rübenschwein, oder soll dich Papa tragen?“

Marten de Groot schüttelte den Kopf und setzte sich in Marsch. Er ging wie ein alter Mann, und so fühlte er sich auch. Und ihm schwante, daß diese Kerle noch härter und schärfer waren als die Langäxte, mit denen er und die anderen die Muskatnußbäume gefällt hatten.

„Was passiert jetzt mit mir?“ fragte er den Narbenmann. Er sprach ein holperiges, etwas kehliges Englisch.

„Mit dir? Oh, wir kalfatern dir deinen Affenarsch und vernähen ihn mit ’ner Bootsmannsnaht, spleißen dir ein Fall durch die Nasenlöcher, das wieder an den Ohren rauskommt, und heißen dich zum Großtopp hoch, damit alle sehen können, was da für ein Blödmann hängt.“ Und der Narbenmann grinste freundlich – etwa so wie der Oberteufel.

„Vergeßt nicht, ihn zu fesseln!“ rief der Mann mit den eisigen Augen.

„Wer bin ich denn!“ entrüstete sich der Narbenmann und schob Marten de Groot durchs Schott im Vordeck.

Hasards Gesicht verlor die Härte, und er murmelte: „Ja, das war’s wohl.“

Ben Brighton und Don Juan blickten ihm entgegen, als er aufs Achterdeck enterte.

„Du wolltest ihn zerbrechen, nicht wahr?“ fragte Ben.

„Genau das. Was dagegen?“

Ben schüttelte den Kopf. „Es war richtig – und auch fair, gleiche Waffen, gleiche Chancen.“

„Ersteres stimmt, das andere nicht“, sagte Hasard. „Er hatte keine Chancen. Jeder von euch ist mit dem Degen besser als er. Erzähl mir also nichts von Fairneß. Aber als er vor den Toten ausspuckte – und dann vor mir –, ging mir der Gaul durch. Ich wollte ihn am Boden sehen – und wissen, wo ich mir die anderen Strolche holen kann, die eigentlichen Mörder und Schänder. Er war zwar nicht dabei, aber er gehört zu ihnen.“ Hasard wechselte den Blick zu Don Juan. „Siehst du, die Saranganis, wie du sagtest. Und wir wollten sie sowieso ansteuern. Aber so ist es mir lieber, wegen der Überraschung. Ihr Stützpunkt liegt also an der Südküste der Balut-Insel. Jetzt wäre wichtig, etwas über diesen Stützpunkt herauszubekommen. Ich meine, wir sollten uns ein Plätzchen an der Ostküste der Sarangani-Insel suchen und von dort aus erst mal die Lage peilen, bevor wir weiter darüber nachdenken, wie die Kerle zu packen sind. Sie haben die acht Badjao-Frauen. Ich möchte nicht, daß sie in die Kampfhandlungen verwickelt werden. Einverstanden mit meinem Vorschlag?“

Ben Brighton und Don Juan nickten.

„Ach ja.“ Hasard rieb sich die Nase und bedachte Don Juan mit einem etwas schillernden Blick. „Ob ich dich wohl noch um etwas bitten darf?“

„Natürlich.“

„Äh – könntest du noch einmal an Land setzen und unserem alten Freund erklären, daß wir jetzt wissen, wo wir die Kerle zu suchen haben? Ich meine, es ist besser, wenn er es erfährt.“

Don Juan seufzte mit Nachdruck. „So was von Fallensteller ist mir auch noch nicht begegnet. Bittest mich erst um etwas, wartest mein ‚natürlich‘ ab und haust mich dann in die Pfanne.“

„Nun ja“, sagte Hasard, „du bist eben unser Zeichensprachenkünstler, und da siehst du mal, wie wichtig es ist, fremde Sprachen zu lernen, nicht?“

„Oh, ich habe von Igna schon einen Satz gelernt“, sagte Don Juan erbittert.

„Igna?“

„So heißt unser alter Freund.“

„Aha – verdammt, ich habe mich ihm nicht vorgestellt!“

„Das habe ich getan“, sagte Don Juan süffisant, „für dich. Er spricht deinen Namen ‚Haschard‘ aus – wie haschen.“

„Ach ja? Und welchen Satz hast du gelernt?“

„Ich habe ihn gefragt – mit den Händen natürlich –, ob sie etwas zu essen brauchten. Da hat er erwidert: ‚Salámat, busóg na akó!‘“

„Mann, Mann, und was heißt das?“ fragte Hasard verblüfft.

„Das heißt: Danke, ich bin satt.“

Hasard räusperte sich ausgiebig und sagte: „Das ist wirklich hervorragend, Juan, aber unzureichend.“

„Unzureichend?“ Don Juan runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“

„Na ja, wenn wir die Badjao-Ladys befreien, kannst du ja nicht sagen: Danke, ich bin satt! Das wäre irgendwie unpassend, nicht?“

Don Juan verlor etwas die sogenannte Kontenance, indem er kein sehr stubenreines Wörtchen ausstieß. Und er sauste – wie zuvor Hasard – mit einer eleganten Flanke ab zur Kuhl, um abzuentern und an Land zu pullen.

„Jetzt hat er aufgebraßt“, sinnierte Hasard, und dann grinste er.

Carberry kreuzte vor der Achterdecksbalustrade auf, nachdem er irritiert hinter Don Juan hergeschaut hatte, und meldete: „Rübenschwein unter Verschluß, gefesselt, versteht sich. Posten vorm Schott.“

„Danke, Ed. Hat er irgendwie gemotzt?“

„Der?“ sagte der Profos etwas verächtlich. „Der ist fertig und piept nicht mehr. Der rennt weg, wenn er ’ne Maus sieht. ’ne alte Erfahrung, Sir; Kerle, die herumstrunzen und aussehen wie Drachentöter, die fallen um, sobald man sie mal scharf anpustet …“ Der Profos verstummte, als sei ihm eben noch etwas eingefallen.

„Ja, Ed? Was noch?“

„Ach ja, du hast mich zwar verwarnigt“ – er sagte tatsächlich „verwarnigt“, der Profos –, „aber seine linke Hand sieht schlimm aus, wo du ihm die flache Klinge draufgedroschen hast. Ziemlich geschwollen. Scheußlich, möchte nicht in der Hand stecken. Da könnte ich das Jammern kriegen.“ Der Profos reckte sich. „Schlage vor, der Kutscher schaut sich das mal an, Sir.“

„Einverstanden. Sag ihm Bescheid.“

„Geht klar, Sir.“ Und der Profos kurvte ab zur Kombüse. Mit dem Kutscher im Schlepp verschwand er im Vordeck. Der Kutscher hatte wieder seine „Hebammentasche“ bei sich.

Von der einen Schaluppe setzte Dan O’Flynn zur „Santa Barbara“ über und stieg aufs Achterdeck.

„Darf man erfahren, was so des weiteren geplant ist?“ fragte er etwas gereizt.

„Entschuldige, Dan“, erwiderte Hasard, „aber ich hätte dich jetzt sowieso informiert. Unser Gefangener hat geplaudert. Die Kerle haben ihren Stützpunkt an der Südküste der Balut-Insel. Du hast die Karte im Kopf?“

„Sarangani-Inseln unten vor Kap Tanaki“, erwiderte Dan prompt. „Weiß Bescheid.“

„Gut. Wir planen, die Ostküste der Nebeninsel Sarangani anzusteuern, suchen dort einen geschützten Ankerplatz und erkunden dann, was mit diesem Stützpunkt los ist – Befestigungen, Armierung, Kampfstärke und so weiter. Wenn wir das wissen, überlegen wir, wie wir die Sache angehen. Wir haben von den Badjao erfahren, daß die Kerle acht Frauen entführt haben. Die holen wir heraus, müssen uns aber was einfallen lassen, um sie nicht zu gefährden. Das ist der Stand der Dinge. Wir gehen ankerauf, sobald Don Juan von Land zurück ist. Er informiert noch die Badjao, wo die acht Frauen gefangengehalten werden und die Mijnheers ihren Stützpunkt haben.“

„Alles klar“, sagte Dan O’Flynn. „Ich schlage vor, Don Juan und ich übernehmen mit den Schaluppen die Voraussicherung und dienen euch gleichzeitig als Lotsen. Mit unserem geringeren Tiefgang können wir uns auch besser an die Inselküsten herantasten.“

„Ich bin einverstanden“, sagte Hasard. „Dann überlasse ich dir die Karten. Sonst noch irgendwelche Fragen?“

„Keine, Sir.“ Dan O’Flynn übernahm die Karten und pullte zu seiner Schaluppe zurück.

Auch Don Juan hatte seine Mission an Land beendet und pullte an der „Santa Barbara“ vorbei zur anderen Schaluppe.

Zum Achterdeck der Galeone rief er hoch: „Ich habe noch einen Satz gelernt! Er lautet: Ini-ibig kita!“

„Und was heißt das?“ rief Hasard zurück.

„Ich liebe dich!“ Und Don Juan feixte breit.

Aber das Feixen verging ihm, denn Philip Hasard Killigrew hatte mal wieder das letzte Wort.

Er rief: „Da wird Taina aber entzückt sein, wenn ich ihr berichte, was du hier für merkwürdige Sprachstudien betrieben hast, mein Freund!“

„Maldito!“ knirschte Don Juan, und das hieß soviel wie „verdammt!“

Gegen fünf Uhr morgens am nächsten Tag pirschten sich die beiden Schaluppen Dan O’Flynns und Don Juans lotend von Norden her an die Ostküste von Sarangani heran. Die „Santa Barbara“ blieb mit aufgegeiten Segeln im Wind liegend zurück.

Die Insel hatte eine längliche Keilform, deren Spitze nach Süden wies. Hier oben im Norden, auf der Ostseite, lag querab noch ein weiteres Inselchen. Sarangani selbst ragte wuchtig aus dem Wasser, die Küste wirkte zerrissen mit zahlreichen Einschnitten, der Sandstrand, mit Palmen bewachsen, schien ziemlich schmal zu sein, denn gleich dahinter stiegen Felsen hoch.

Vermutlich waren die Sarangani-Inseln eine Fortsetzung des mittleren Gebirgszuges von Norden nach Süden auf Mindanao. Irgendwann war das Landstück zwischen den Inseln und Kap Tinaka weggebrochen – vielleicht bei einem Seebeben –, und nur die Inseln waren übriggeblieben. Darüber konnte man spekulieren, aber unverkennbar mußte ein Zusammenhang mit dem Festland bestanden haben, denn die Inseln waren relativ hoch.

Hasard schätzte sie auf eine Höhe von mehr als tausend Fuß. Diese Inseln waren also keine flachen Pfannkuchen, über die man wegschauen konnte, sondern ganz beachtliche Brocken. Und so war man hier an der Ostseite von Sarangani gegen Sicht von Westen her total abgeschirmt – immerhin ein Vorteil, den Hasard zu schätzen wußte.

Zusammen mit Ben Brighton beobachtete er die beiden Schaluppen, wie sie an der Küste entlang nach Süden törnten und immer wieder das Lot auswarfen. Langsam wurde es heller. Hasard sah, wie Don Juans Schaluppe nach Steuerbord drehte und Kurs auf einen dunklen Einschnitt nahm. Sie hatten Langriemen angebracht und pullten jetzt, denn zum einen lagen sie im Wind und zum anderen wurden sie von den Felsen abgedeckt. Die Schaluppe verschwand in dem Einschnitt.

„Wenn sich dort so etwas wie ein kleiner Fjord befindet“, meinte Hasard, „dann wäre das für uns genau richtig.“ Er wandte sich um und inspizierte die östliche Kimm. „Bald kommt die Sonne raus, da möchte ich hier weg sein.“

„Hm“, brummte Ben Brighton.

„Maulfaul, wie?“

„Das nicht. Ich dachte nur gerade an den Schrat in der Vorpiek. Der Kutscher meldete mir, daß der Mann fiebere.“

Hasard starrte seinen Ersten Offizier und Freund an. „Und warum hat der Kutscher mir das nicht gemeldet?“

„Wir wollten dich nicht wecken. Das war vor einer Stunde.“

„Aha. Dann laß den Kerl aus der Vorpiek holen und in eine Achterdeckskammer bringen.“

Ben Brighton grinste in sich hinein. „Schon geschehen, Sir.“

„So? Schon geschehen? Ich bin hier wohl überflüssig, wie?“

„Das hat niemand gesagt oder behauptet“, entgegnete Ben Brighton, „aber ich wußte, daß du genauso gehandelt hättest. Schließlich sind wir keine Folterknechte.“

„Markiert der Kerl auch nicht?“ fragte Hasard mißtrauisch.

„Könntest du Schweißausbrüche, einen knallroten heißen Kopf und Fieberphantasien markieren?“ fragte Ben Brighton zurück. „Und anschließend bibberst du vor Kälte und hast blaue Lippen?“

„Nein, das kann ich nicht“, sagte Hasard bissig. „Was meint der Kutscher?“

„Sumpffieber“, erwiderte Ben Brighton. „Er hat ihm bereits Chinarinde verpaßt und hofft, ihn wieder hinzukriegen.“

„Ist Ansteckung zu befürchten?“

„Das verneint der Kutscher.“

„Schöne Bescherung“, murmelte Hasard. „Wie heißt der Kerl eigentlich?“

„Marten de Groot. Carberry hat ihn gefragt.“

„De Groot, das paßt ja, denn klein ist er nicht. Hm“, Hasard runzelte die Stirn, „sag mal, habe ich ihn gestern mit dem Degen zu ruppig behandelt?“

„Er verdiente seine Lektion. Wenn das Fieber schon in ihm drinsteckte, konntest du das ja nicht wissen. Mir fiel nur auf, daß er ziemlich schnell fertig war, so fertig, daß ihm schon der Degen zu schwer war.“

„Wer ist jetzt bei ihm?“

„Deine Söhne und Mac kümmern sich um ihn.“

„Na gut, ich schaue ihn mir nachher mal an.“ Hasard spähte zu dem Einschnitt, in dem Don Juans Schaluppe verschwunden war.

Sie tauchte wieder auf. Don Juan hob den rechten Arm und stieß ihn auf und nieder. Dann deutete er zurück zu dem Einschnitt.

Hasard zeigte klar und sagte: „Es klappt also. Don Juan hat ein Plätzchen gefunden. Fragt sich nur, wie wir uns bei der Windabdeckung da reinmogeln.“

„Mit viel Fahrt anlaufen, soweit es geht, und dann aufschießen“, schlug Ben Brighton vor. „Sollten wir verhungern, müssen wir diese Tante an die beiden Jollen hängen und sie reinschleppen.“

„Dann mal los“, sagte Hasard.

Die Segel fielen aus dem Gei, die „Santa Barbara“ drehte mit backen Vorsegeln nach Backbord, die Segel wurden beigeholt, und die Galeone nahm Fahrt auf. Pete Ballie am Ruder steuerte den Einschnitt an.

Don Juan, die Hände am Mund, rief: „Die Einfahrt ist breit genug, Wassertiefe in Ordnung, hinten ist eine große Bucht!“

„Danke!“ rief Hasard. „Schaffen wir’s beim Aufschießen bis in die Bucht?“

„Müßte klappen!“

Die „Santa Barbara“ rauschte mit guter Fahrt halbwinds über Backbordbug auf die Einfahrt zu. Die Grenze, wo der Abdeckungsbereich begann, war auf dem Wasser deutlich zu sehen – es war dort ruhiger.

„Ed!“ rief Hasard zur Kuhl hinunter. „Wenn Pete in den Wind dreht, bitte Rahen anbrassen und dann lebend brassen!“

„Aye, Sir!“

„Lebend brassen“ bedeutete in diesem Fall, die Rahen in Längsschiffrichtung zu holen, so daß sich auch die Segel im Wind befanden und die auslaufende Fahrt nicht abbremsten.

Pete Ballie brauchte keine Ruderkommandos. Er war erfahren genug, selbständig zu handeln. Fast sanft legte er Ruder, als die „Santa Barbara“ die Grenze der Abdeckung erreichte – sanft deswegen, um nicht durch Hartruderlage die Fahrt zu vermindern. Die „Santa Barbara“ luvte an.

Carberrys Stimme röhrte über Deck, freundlich wie immer, versteht sich. Das heißt, er griff wieder voll in die Kiste, sprach die Arwenacks als „verlauste, verpennte und plattfüßige Seegurken“ an und drohte mit Strafen, die zwar die reinsten Horrorgeschichten waren, aber nichtsdestotrotz allgemeine Heiterkeit erregten.

Denn „den triefäugigen Luke Morgan mittels Spill in Kabellänge zu ziehen und künftig als Ankertrosse zu benutzen“, war schlicht ein Unding und völliger Nonsens.

Als die Rahen bereits lebend gebraßt waren, glitt die „Santa Barbara“ durch die kanalartige Einfahrt, die in West-Ost-Richtung lag und nur in ihrem letzten Teil etwas nach Norden schwenkte. Die ganze Einfahrt hatte eine Länge von etwa dreißig Yards, dann öffnete sich eine weite Bucht.

Sie war von einem Sandstrand umgrenzt, hinter dem felsige, zum Teil zerklüftete Wände aufragten. Aus diesen Wänden schoß im Nordwesten ein Wasserfall – offenbar in eine Felswanne, von der aus das Wasser als Bach in die Bucht floß.

Das Wasser! Es war kristallklar und glatt wie ein Spiegel. Man konnte bis auf den Grund sehen. Schwärme buntfarbener Fische stoben davon, als sie den herannahenden dunklen Rumpfschatten bemerkten. Auch Krebse verholten sich schleunigst.

Carberry rumorte bereits mit ein paar Mannen auf der Back herum, um den Buganker klarzumachen. Platz zum Ankern für alle drei Schiffe war genug vorhanden. Hasard entschied sich für die Südseite der Bucht und wählte eine Position, die von See her beim Vorbeisegeln nicht eingesehen werden konnte.

Bei auslaufender Fahrt wurde der Anker gesetzt. Die Trosse spulte sich ab. Carberry beugte sich weit über den Steuerbordkranbalken und verfolgte den fallenden Anker. Der verschwand bis zur Hälfte des Schaftes in einem Wald von Tang, Algen und Seegras und kantete um den Stock. Die Trosse ruckte ein bißchen ein.

Carberry stierte.

„Hat er gefaßt?“ fragte Smoky ungeduldig.

„Weiß ich nicht.“ Carberry stierte weiter.

„Soll ich die Trossen belegen?“

„Wart’s ab!“

Smoky begann zu nölen. „Mann, dauert das! Soll ich hier vielleicht anwachsen …“

„Halt’s Maul!“ zischte Carberry. „Bin ich Jesus? Scheiß-Ankermanöver – Schiff steht, Trosse hängt durch.“

„Steht nicht steif?“

„Nein!“ brüllte Carberry. „Steht nicht steif, hängt durch! Mach mich nicht schwach! Holt mal durch, aber sinnig!“

Die drei Mannen an der Ankertrosse, Smoky vorneweg, holten durch. Die Trosse lief um eine mächtige Decksklampe.

„Stopp!“ brüllte Carberry.

„Und jetzt? Hängt sie immer noch durch …“

„Bei dir häng’ ich gleich was durch!“ böllerte Carberry. „Dämliche Fragerei, verdammte!“

„Was ist los, Ed?“ Hasard war auf der Back aufgetaucht. „Hast du Probleme?“

„Ich weiß nicht, ob der verdammte Anker gefaßt hat!“ schnaubte Carberry. „Schiff steht, kein Pups Wind, Anker ist umgekantet, aber ob er sich eingegraben hat, kannst du in dem Gemüse dort unten nicht sehen – so was von Ankerei hab’ ich noch nicht erlebt.“

„Na“, sagte Hasard gemütlich, „wieviel Trosse habt ihr gesteckt?“

„Zehn Faden.“

„Das reicht bei der absoluten Windstille hier. Belegt die Trosse. Wir haben hier guten Ankergrund. Sollte – möglicherweise durch Strömung – Zug auf die Trosse kommen, gräbt sich der Anker eh ein. Keine Sorge. Aber ein Ankerposten muß aufziehen und die Trosse immer wieder kontrollieren. Wir liegen derart geschützt, daß ein Vertreiben nahezu ausgeschlossen ist. Aufpassen müssen wir trotzdem.“

„Aye, Sir. Sollen wir die beiden Jollen aussetzen?“

„Ich bitte darum.“ Hasard kehrte zum Achterdeck zurück.

Auch die beiden Schaluppen waren in der Nähe der „Santa Barbara“ vor Anker gegangen. Sie lagen gewissermaßen kreuz und quer – wie es Schiffe vor Anker tun, wenn tatsächlich kein Hauch Wind weht. Überall wurden die Segel aufgepackt. Don Juan und Dan O’Flynn setzten zur „Santa Barbara“ über. Die Sonne war inzwischen aufgegangen.

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1932 str. 21 ilustracje
ISBN:
9783954399956
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Bookwire
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