Czytaj książkę: «Seewölfe Paket 26», strona 6
Die Galeone trieb auf das Land zu.
„Was, zum Teufel, ist los?“ brüllte Acosta.
Morro stemmte sich verzweifelt gegen das Ruder.
„Versager!“ schrie er. „Ein Ruderversager!“
Acosta ließ das Spektiv einfach fallen und war mit wenigen Schritten bei ihm.
„Laß mich mal ran, du Schwachlappen“, fauchte er, stieß den Dürren beiseite und packte mit harten Fäusten zu.
Nicht einmal um Fingerbreite ließ sich das Ruder bewegen, sosehr er sich auch abmühte.
„Hölle und Verdammnis!“ brüllte er mit überkippender Stimme. „Das kann doch nicht sein!“ Erst nach Sekunden wurde ihm bewußt, daß alles Abmühen nichts half. Er erwachte wie aus einem Alptraum, wich vom Ruder und stürzte zur Querbalustrade.
Die Kerle standen schreckensstarr auf der Kuhl und beobachteten das Geschehen wie ein wehrloses Kaninchen die Schlange.
„Werft Anker!“ brüllte er. „Beeilt euch, um Himmels willen, werft Anker!“
Sie lösten sich aus ihrer Erstarrung, Prado inbegriffen, und hasteten zur Back.
Zu spät.
Ein jäher Ruck lief durch das Schiff.
Den Schwarzbärtigen riß es von den Beinen wie die meisten anderen auch. Hart schlug er mit dem Hinterkopf auf die Achterdecksplanken, und sekundenlang drehten sich feurige Kreise vor seinen Augen. Voller Entsetzen hörte er dabei das Knirschen, das durch den Schiffsrumpf ging, bis es schließlich endete. Nur noch das Klatschen der Segel und das Singen des Windes in laufendem und stehendem Gut waren jetzt zu hören.
Benommen rappelte Acosta sich auf.
Die nächste Schreckensmeldung vernahm er, bevor er richtig zur Besinnung gelangt war.
„Wassereinbruch im Achterschiff!“ schrie Morro von der Heckbalustrade her. „Und damit du weißt, was los ist, Acosta: Da hat uns jemand das Ruderblatt blockiert.“
Der Schwarzbärtige stürzte nach achtern, und er hatte das Gefühl den Verstand zu verlieren. Mit wenigen Blicken überzeugte er sich von der verheerenden Lage.
An die zweihundert Yards vom Uferstrand entfernt waren sie aufgebrummt. Ein verdammtes Riff hatte ihnen das Achterschiff aufgeritzt, und es suppte herein wie verrückt. Und tatsächlich, deutlich sichtbar zwischen Achtersteven und Vorderkante des Ruderblatts steckten zwei Keile!
Acosta wirbelte herum und schüttelte die Fäuste zu den weit entfernten Jollen.
„Ihr entwischt uns nicht!“ schrie er schrill. „Ich kriege euch, und dann gnade euch Gott! Jeden einzelnen von euch lasse ich vierteilen, das schwöre ich euch!“
Von der Kuhl war heiseres Gebrüll zu hören, das aus Wut und Verzweiflung herrührte.
Morro war der erste, der wieder einen klaren Kopf hatte. Er versetzte Acosta einen Hieb in die Seite. Der Schwarzbärtige zuckte zusammen, wirbelte herum und wollte auf den Dürren losprügeln.
„Reiß dich zusammen!“ schrie Morro. „Verdammt noch mal, dein Geschrei nutzt jetzt überhaupt nichts! Wir müssen lenzen, lenzen, lenzen!“
Einen Atemzug lang starrte der Schwarzbärtige ihn an wie eine fremdartige Erscheinung. Dann rannte er los, zur Querbalustrade. Er überbrüllte das Geschrei auf der Kuhl.
„An die Lenzpumpen, ihr Narren! Wollt ihr euch wohl bewegen, ihr Blödmänner! An die Lenzpumpen, habe ich gesagt!“
Da endlich wurden sie still und befolgten den Befehl.
7.
Old Donegal und seine Mannen hatten beobachtet, was sich achteraus vor der Inselbucht abspielte. Voller Genugtuung hatten sie mitverfolgt, was das blockierte Ruder den Galgenstricken auf der „San Jacinto“ bescherte.
Der alte O’Flynn hatte nicht umhin können, wieder jenes meckernde Lachen anzustimmen, von dem er nicht ahnte, daß es dem Schwarzbärtigen bereits als Grund für ein Todesurteil ausreichte.
Nun aber näherten sie sich der „Empress of Sea II.“, die da führerlos im Kabbelwasser dümpelte und ein bißchen gerupft aussah. Ernsthafte Schäden, das war schon von weitem zu erkennen gewesen, hatte sie nicht davongetragen.
Die Welt hinter Old Donegal und den Männern versank in Bedeutungslosigkeit.
„Die gute alte ‚Empress‘“, flüsterte Old O’Flynn mit erstickter Stimme und drückte damit haargenau das aus, was alle in diesem Moment empfanden.
Die Rührung hatte sie sprachlos werden lassen.
Kein Wort fiel, als sie längsseits gingen, die Jollen vertäuten und eine erste rasche Inspektion der kleinen Karavelle vornahmen.
Mit eherner Miene stelzte Old Donegal zum Achterdeck, nahm seinen angestammten Platz ein und ließ seinen Blick über das Schiff gleiten, das Hesekiel Ramsgate mit meisterhaftem Geschick nach seinen Wünschen und Vorstellungen gebaut hatte. Es war ein vollendetes Werk daraus geworden. Und man konnte es als gütige Wende des Schicksals betrachten, daß dieses Werk nicht den Naturgewalten zum Opfer gefallen war.
Eine höhere, geheimnisvolle Macht mußte die „Empress“ vor schlimmerem Schaden bewahrt haben. Und eben diese Macht mußte sie auch dorthin zurückgeführt haben, wohin sie gehörte.
In meine Hände, dachte Old Donegal voller Ehrfurcht vor jenen Dingen zwischen Himmel und Erde, die ihm rätselhaft waren, an deren Vorhandensein er aber fest glaubte.
Sämtliche Segel waren noch sauber an den Rahruten aufgetucht – wie es der Fall gewesen war, als die „Empress“ in den Wirren des Sturms verschwunden war. Keine Fremden hatten also ihre Hand an das Schiff gelegt. Die wenigen Schäden – hier eine angeknackste Spiere und da ein zerbrochenes Stück Balustrade – waren ausschließlich durch Einwirkung des Sturmes entstanden.
Die Männer waren bereits dabei, die Empress-Jolle an Bord zu hieven und die anderen in Schlepp zu nehmen, nachdem sie die Besegelung unter den Duchten verstaut hatten.
Martin Correas Stimme ließ sich dumpf aus den Unterdecksräumen vernehmen.
„Wasser bis über die Bilge!“ Er streckte den Kopf aus der achteren Luke des Hauptdecks. „Keine Lecks, Sir!“
Old Donegal nickte und lächelte zufrieden. Von seiner Lady „Empress“ hatte er das nicht anders erwartet. Die ließ sich doch nicht von einem hergelaufenen Sturm kleinkriegen, wenn sie nur mal ein bißchen führerlos war! Nein, so etwas schüttelte die Lady mit ein bißchen Bilgenwasser ab, und dann hatte sich der Fall.
„Dann mal an die Lenzpumpen“, sagte Old O’Flynn, und das Faltenmeer seines Gesichts verhärtete sich. „Und anschließend kriegen sie Zunder, die Strolche von der Bucht! Die sollen sich wünschen, nie ihre ungewaschenen Füße auf Schiffsplanken gesetzt zu haben! Denen setzen wir Feuer unter den Hintern, daß sie denken, die Hölle hätte ihren Schlund aufgetan!“
Ed Carberry und die anderen sahen sich grinsend an. Jetzt steigerte sich der Alte zur Höchstform.
Hasard und Philip liefen auf ihn zu. Plymmie war bei ihnen. Nur Sir John hatte es offenbar vorgezogen, an Land in der sicheren Höhle zu bleiben.
„Sir!“ rief Hasard junior. „Das Lenzen übernehmen wir gern!“
„Dann sind die anderen Hände frei zum Segelsetzen“, sagte Philip.
„Und zum Klarieren der Drehbassen“, fügte Hasard hinzu.
„Einverstanden“, erwiderte Old O’Flynn. „Die beiden Killigrew-Junioren übernehmen das Lenzen. Für alle anderen“, er erhöhte seine Lautstärke zum schneidenden Befehlston. „Klarschiff zum Gefecht! Segel setzen und Drehbassen klarieren! Angriff auf den spanischen Dreckeimer!“
Die Männer gerieten in Bewegung. Martin Correa übernahm das Ruder, während die anderen die Zurrings und Geitaue lösten und das Tuch von den Rahruten abwärts rauschen ließen.
Gleich darauf konnte die „Empress of Sea II.“ ihre hervorragenden Eigenschaften als Am-Wind-Segler unter Beweis stellen, und Martin Correa bewies, daß er dieses Musterbeispiel englischer Schiffsbaukunst perfekt beherrscht. Hart über Backbordbug segelnd, ging die kleine Karavelle auf Kurs Südwest und stieß bereits Minuten später an der Nordspitze der Insel vorbei. Der Kurs der „Empress“ bildete nun einen spitzen Winkel zur Nord-Süd-Linie der Insel.
Old Donegal hatte sein Spektiv angesetzt und beobachtete das Geschehen vor der Bucht. Auf dem aufgebrummten Spanier herrschte noch immer Wuhling. Die Kerle schienen kopflos zu sein.
Was auch der Sinn des Ruderblockierens war, dachte Old Donegal voller Genugtuung, und gleich werdet ihr endgültig wie die aufgescheuchten Hühner herumrennen.
Denn offenbar waren die Dons so sehr mit sich selbst beschäftigt, daß sie noch gar nicht bemerkt hatten, welches neue Verhängnis sich ihnen näherte.
Martin Correa hielt die „Empress“ auf Anweisung Old O’Flynns zunächst weiter auf Kurs Südwest, und sie entfernten sich auf diese Weise von der Insel.
Der Kutscher hatte in der Kombüse Holzkohle entfacht und stellte die Becken mit der Glut für die Lunten bereit. Die Zwillinge waren mit dem Lenzen schon nahezu fertig. Carberry und die anderen hatten die Drehbassen in aller Eile gereinigt und den Rohren die erste Ladung gesetzt.
Die Taktik stand bereits fest. Worte waren darüber nicht mehr zu verlieren. Die Männer um Old O’Flynn zeigten wieder einmal, daß sie eine erprobte und verschworene Gemeinschaft waren, die sich in vielen gefahrvollen Situationen perfekt aufeinander eingespielt hatte.
Nach einer Halse in dreihundert Yards Entfernung von der Insel jagte die „Empress“ im Direktkurs auf die Bucht zu.
„Klar bei vorderen Drehbassen!“ brüllte Old Donegal.
Carberry, der an dem Hinterlader vorn an Steuerbord stand, zeigte klar. Auch Stenmark und die anderen gaben ihr Zeichen der Einsatzbereitschaft.
Die Einzelheiten wurden von Sekunde zu Sekunde deutlicher.
Die „San Jacinto“ war mit dem Bug voraus aufgelaufen. Ihr Achterschiff zeigte seewärts. Und damit bot der Spanier den Angreifern seine verwundbarste Seite.
Old Donegal überzeugte sich mittels des Spektivs, daß seine Kalkulation aufging. Die „Empress of Sea“ rauschte aus dem toten Winkel heraus auf die festsitzende Galeone zu. Denn sie blieben außerhalb des Wirkungsbereichs der Bordgeschütze. Achtern hatte die „San Jacinto“ keine Kanonen, und auch Drehbassen waren oberhalb der Heckbalustrade nicht zu sehen.
Ohnehin zeigte sich keine Seele auf dem Achterdeck.
Die Ursache erkannte Old O’Flynn, als er mit dem Spektiv die Wasserlinie rings um das Achterschiff absuchte. An der Steuerbordseite, knapp unterhalb der Wasserlinie, gluckerte es munter in den Schiffsleib. Also hatten sie an den Lenzpumpen alle Hände voll zu tun, schufteten vermutlich wie die Berserker und hofften, zu retten, was noch zu retten war.
Sie sollten kein Glück damit haben.
Das schwor sich der alte O’Flynn in diesen Minuten.
Augenblicke später war es soweit.
Mühelos fand die „Empress“ ihren Weg durch die Riffs. Wegen ihres geringen Tiefgangs bestand praktisch keine Gefahr, daß sie sich den Bauch aufschlitzte.
„Feuer frei!“ brüllte Old Donegal, als sie auf Schußweite an das Heck der Galeone herangesegelt waren.
Die Spanier, die noch immer nichts mitgekriegt hatten, traf es wie aus heiterem Himmel.
Carberry und Stenmark jagten die Ladungen der beiden vorderen Drehbassen in die Heckgalerie der „San Jacinto“.
Dem Wummern der Schüsse folgte das Bersten und Splittern von Holz und Bleiglas. Die Galerie flog auseinander, und kein Fenster der Achterdeckskammern blieb heil.
Die Männer an Bord der „Empress of Sea“ brüllten den alten Kampfruf aus Cornwall, der schon unendlich viele Gegner zur See in Furcht und Schrecken versetzt hatte.
„Ar – we – nack! Ar – we – nack!“
Es klang wie rollender Donner, und aus den Unterdecksräumen der Galeone drangen jetzt die Entsetzensschreie der Spanier. Ihnen war schockartig klargeworden, in welcher aussichtslosen Lage sie sich befanden.
Martin Correa drehte nach Backbord.
Lässig und elegant, im Vorbeigehen, hämmerten die Männer des alten O’Flynn die Drehbassenladungen von Steuerbord in das Achterschiff und in die Flanke des Spaniers.
Bei diesem Manöver zerschossen sie auch die Vorleine des Floßes, das längsseits vertäut war und gleich darauf abtrieb.
Old Donegal gab Befehl, beizudrehen und auf Distanz zu gehen, als auf der Kuhl der Galeone die ersten Gestalten sichtbar wurden. Jemand brüllte Befehle. Offenbar glaubten die Kerle, mit ihren Geschützen noch etwas ausrichten zu können.
Ein grimmiges Lächeln kerbte sich in die Mundwinkel des Alten, während er zusah, wie die Männer die Drehbassen an Steuerbord nachluden.
Dann gab er den Befehl zum erneuten Angriff.
Martin Correa legte Ruder, und nach einer eleganten Halse rauschte die „Empress“ zum zweitenmal auf die „San Jacinto“ zu – wieder aus dem toten Winkel.
Wütendes Geheul ertönte von der Kuhl der Galeone, als die Dons begriffen, daß ihre Geschütze nicht mehr wert waren als Spielzeug.
Gestalten stürmten auf das Achterdeck. Die langen Läufe von Musketen blinkten matt im frühen Tageslicht.
Nur eine einzige Kugel fetzte durch das Focksegel der „Empress“ und schwirrte davon, ohne weiteren Schaden anzurichten.
Der blonde Schwede drückte den Lauf des Hinterladers in der Drehlafette schräg nach oben und zündete.
Aus dem Lauf leckte die Feuerzunge mit Gebrüll, und die Ladung von gehacktem Blei hämmerte knapp unterhalb der Heckbalustrade in die beachtenswerten Schnörkelverzierungen, die dort angebracht waren.
Schreiend ergriffen die übrigen drei oder vier Musketenschützen die Flucht, ohne auch nur einen Schuß abgefeuert zu haben. Keine weitere Gestalt ließ sich auf dem Achterdeck blicken.
„Breitseite Steuerbord!“ rief Old Donegal mit Donnerstimme.
Augenblicklich legte Martin Correa Ruder. Das Heck der Karavelle schwang herum, und die Männer stießen die Lunten in die Zündlöcher.
Grellrote Blitze zuckten aus den Laufmündungen. Das Krachen der Drehbassen vereinte sich zu einem urgewaltigen Hall, der über die Wasseroberfläche rollte und sich mit dem schmetternden Klang der Einschläge vereinte.
Haargenau in die Wasserlinie rasten sämtliche Treffer.
Wirbelnde Splitter wurden aus den Außenplanken gerissen. Lecks klafften reihenweise, und das Wasser zeigte gurgelnde Schaumbildung, wo es seinen Weg in das Innere des Achterschiffs fand – zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Leck an der Steuerbordseite.
Mit Geheul und Gebrüll hatten sich der Schwarzbärtige und seine Kerle unter Deck verkrochen.
Den dritten Angriff fuhr der alte O’Flynn wiederum aus dem toten Winkel heraus. Diesmal ließ er die Backbordbreitseite auf den schon waidwunden Schiffsleib abfeuern.
Abermals leckten die Feuerzungen von der „Empress of Sea“ zum Achterschiff der Galeone hinüber. Die Splitter und größeren Plankenstücke, die jetzt knapp über und in der Wasserlinie herausgerissen wurden, vergrößerten die gerade begonnenen Lecks um ein Vielfaches.
Doch der alte O’Flynn dachte beileibe noch nicht daran, schon lockerzulassen.
Mit dem vierten Angriff nahmen sie sich die Backbordseite der „San Jacinto“ vor, die achtern zusehends tiefer sackte. Die Wasserlinie hatte bereits die Höhe der zerschossenen Heckgalerie erreicht. Es suppte in die Fenster, in denen nur noch Reste vom Bleiglas hingen.
Das Donnergebrüll der Drehbassen dröhnte von neuem auf die Galeone ein, und nun rasten die Ladungen zerfetzend und zerschmetternd über die Planken der Kuhl. Den Kerlen unter Deck mußte es durch und durch gehen.
Wieder drehte die „Empress“, wieder ging sie auf Distanz, und von neuem jagte sie auf das Schiff zu, das schon ein Wrack war.
Achtern saß die „San Jacinto“ jetzt auf Grund. Die unteren Räume des Achterkastells standen bereits vollends unter Wasser.
Und von neuem krachten die Drehbassen der „Empress of Sea“.
Old Donegal Daniel O’Flynn dachte nicht daran, schon aufzuhören. Mit eisenharter Miene gab er immer neue Angriffsbefehle. Er würde erst dann mit dem Beschuß aufhören, wenn er den verdammten Kahn in einen Trümmerhaufen verwandelt hatte …
ENDE
1.
9. Juli 1595 – Inseln der Cat Cays.
Im Drehbassenbeschuß der auf unerklärliche Weise zurückgekehrten „Empress“ hockten die Schnapphähne unter Deck. Fast alle hatten sich nach unten verzogen.
Über ihnen krachte es immer wieder, und sie selbst waren nicht einmal in der Lage das Feuer zu erwidern.
Die „San Jacinto“ war etwa zweihundert Yards vom Uferstrand entfernt aufgebrummt und saß unverrückbar fest.
Daß sie aufgebrummt war, verdankte sie den beiden Dänen Nils Larsen und Sven Nyberg, die in einer nächtlichen Aktion zusammen mit Edwin Carberry und Stenmark das Ruder verkeilt hatten.
Jetzt saß die Galeone mit dem Bug voran auf dem Grund und reckte das Achterschiff seewärts. Achtern hatte sie keine Kanonen oder Drehbassen und somit ihren „wunden Punkt“.
Die ersten Ladungen der Drehbassen waren ins Achterkastell gekracht und hatten dort erhebliche Schäden angerichtet. Als das Achterkastell dann unter Wasser stand, setzte sich die „San Jacinto“ auch achtern auf Grund.
Der Drehbassenbeschuß harkte auch über die Decks, und da hatten sich die Kerle heulend und brüllend nach unten verzogen oder waren in wilder Panik in Deckung gerannt.
Auch das Floß, mit dem sie die Seewölfe überrumpeln wollten, war längst davongetrieben, als ein Schuß die Vorleine zerfetzte. Jetzt hatten sie kein einziges Beiboot mehr und auch kein provisorisches Floß. Sie waren auf der „San Jacinto“ gefangen wie in einer großen Mausefalle.
Der grobschlächtige Acosta hatte das bereits eingesehen und auch der Bootsmann Prado wußte, daß es hier kein Entkommen mehr gab. Ein paar andere Kerle lebten noch, in der irrsinnigen Hoffnung, es würde ein Wunder geschehen.
Doch es geschah kein Wunder.
Immer wieder zuckten sie ängstlich zusammen, wenn achteraus das Krachen der Drehbassen zu hören war.
Und jeder Schuß saß. Die Galeone war längst gerupft und glich einem Trümmerhaufen.
Das Rigg war zerfetzt und zerschossen, einige Rahen waren unter ohrenbetäubendem Krach an Deck gefallen, und noch immer war kein Ende abzusehen.
Tote und Verletzte hatte es auf der Galeone gegeben. Ein paar Kerle lagen immer noch stöhnend und ächzend herum, doch niemand kümmerte sich um sie. Jeder war sich selbst der Nächste, so lautete ihre Devise, nach der sie lebten.
Acosta, Prado und ein paar andere hatten sich nach vorn verzogen, seit das Achterschiff auf dem Grund lag. Hier vorn, wo die Galeone mit dem Bug höher lag, waren sie noch relativ sicher. Aber das Überqueren der Decks hatte zwei Opfer gefordert, die unter dem Drehbassenfeuer ihr Leben ausgehaucht hatten.
Ein weiterer Mann war stöhnend und jammernd nach vorn gekrochen. Jetzt lag er im Vordeck, preßte beide Hände auf seinen Leib und schrie.
Sie ließen ihn schreien. Niemand schenkte ihm Aufmerksamkeit oder versuchte, zu helfen.
Achteraus war ein dumpfes Krachen und Bersten zu hören. Die Galeone erzitterte in allen Verbänden.
„Verflucht noch mal!“ brüllte Acosta in hilfloser Wut. „Die Bastarde schießen uns in Fetzen, bis nichts mehr übrig ist!“
„Hier gelangen wir nicht mehr heraus“, sagte Prado gepreßt und ebenfalls von ohnmächtiger und hilfloser Wut erfüllt. „Wir können ja nicht einmal an Deck, ohne wie die Hasen abgeknallt zu werden.“
Er starrte finster auf die paar Musketen, die sie noch hatten, mit denen sie aber nichts anfangen konnten, denn immer wieder strich ein Eisen- oder Bleihagel nach dem anderen über die Decks und richtete verheerende Schäden an.
Der schwerverletzte Kerl auf den Planken stieß einen lauten und gellenden Schrei aus, der allen durch Mark und Bein ging. Es regte sie noch zusätzlich auf, daß ihr Kumpan schrie und brüllte. Die meisten wünschten ihn zur Hölle, weil er ihnen mächtig auf die Nerven ging.
„Halt jetzt endlich dein Maul!“ brüllte Acosta unbeherrscht. „Durch dein Gebrüll wird alles nur noch schlimmer!“
„Ich muß sterben!“ schrie der Mann und wand sich wie in Krämpfen. „Helft mir doch, ihr dreckigen Halunken! Ihr könnt mich hier doch nicht so liegenlassen!“
Acosta wandte den Blick ab und gab keine Antwort. Prado und ein paar andere übersahen den schreienden Mann einfach.
Sie zuckten wie unter einem Hieb zusammen, als es einmal kurz und heftig über ihnen in der Luft rauschte. Dem Rauschen folgte ein Splittern, dann ein Knirschen und ein fürchterliches Getöse. Voller Wucht schlug eine Rah an Deck und bohrte sich in die Planken, wobei die ganze Galeone durchgeschüttelt wurde.
„Das war die Fockrah“, sagte Prado.
Der Verletzte schrie wieder gellend auf, als das Krachen vorbei war und für Augenblicke entsetzliche Stille herrschte.
Da war nur noch ein feines Knistern im Schiff zu hören. Irgendwo rauschte es auch leise. Das war in jenem Teil des Achterschiffes, wo jetzt pausenlos das Wasser eindrang.
Stumm und von Entsetzen geschüttelt, hockten auch Santos, Normando und der spitzgesichtige listige Morro da. Sie hatten erbärmliche Angst vor diesem so lange unsichtbaren Gegner, den sie erst in letzter Zeit zu sehen gekriegt hatten.
Neun Mann waren es, die auf rätselhafte und für die Schnapphähne unerklärliche Art und Weise in den Besitz einer kleinen dreimastigen bewaffneten Karavelle gelangt waren.
Diese neun Männer hatten sie tagelang zum Narren gehalten, und nie hatten sie die Kerle vorher gesehen. Sie rätselten immer noch über diese neun Teufel nach, die ihnen die fette Goldbeute abgenommen hatten.
Jetzt sah es nicht mehr danach aus, als würden sie von dem riesigen Kuchen noch ein Stück ergattern. Sie saßen in der Falle, in einer tödlichen Falle, der sie kaum noch entrinnen konnten, falls nicht doch noch das erhoffte Wunder geschah.
Als der Verletzte wieder schrie, lief Acosta vor Wut rot an.
„Ich kann das nicht mehr hören, verdammt! Fesselt und knebelt den Kerl, damit er endlich Ruhe gibt.“
Prado, skrupellos und boshaft, nickte beifällig.
Rigoros und roh verfuhren sie mit ihrem Kumpan. Prado stand auf, holte einen Lappen und stieß ihn dem Mann in den Mund. Dann band er den Knebel fest und fesselte den wimmernden Kerl an Händen und Füßen.
Dessen Geschrei hörte auf. Er rollte wild mit den Augen und gab unterdrückte Laute von sich.
Die anderen kümmerte das nicht. Mitleid war für sie ein absolut fremder Begriff. Sie waren froh, daß das Geschrei ausblieb.
Wieder raste ein Eisenhagel über die Decks. Splitter flogen nach allen Seiten. Es hörte sich an, als würden große Holzbrocken mit der Axt zerschlagen.
Prado nahm voller Wut die Muskete hoch und gab einen Schuß aufs Geratewohl ab. Er mußte sich abreagieren, obwohl es nichts nutzte.
„Ich will hier weg“, jammerte Normando, dessen linke Hand stark verkrüppelt war und der hündische Angst vor den pausenlosen Einschlägen hatte.
„Mir langt’s auch“, sagte Santos. „Ich hab’ schon die Schnauze von dem Gold voll. Das kriegen wir ja doch nicht mehr.“
Acosta sah aus schmalen Augen auf die Kerle. Insgesamt waren sie jetzt noch dreizehn Mann, die die Suche nach den Goldbarren überlebt hatten. Der eine, der jetzt gefesselt und geknebelt war, zählte ohnehin nicht mehr mit. Bleiben also noch zwölf, überlegte er. Damit erhöhte sich der Anteil jedes einzelnen ganz gewaltig. Möglicherweise würden auch noch ein paar weitere Kerle draufgehen.
Er dachte nicht im Traum daran, die Jagd nach dem Gold aufzugeben, aber er sah auch ein, daß die Aussichten im Augenblick mehr als schlecht standen. Selbst wenn sie das hier heil überstanden, hatten sie das Gold immer noch nicht.
Er wollte auch hier heraus und sann über eine Möglichkeit nach. Unter dem ständigen Beschuß fiel das Denken allerdings schwer. Immer wieder krachte es in seine Überlegungen, zerfetzte Holz, zersplitterte Rahen oder Spieren, oder jaulten heiße Bleibrocken über ihre Schädel weg.
„Wollen wir einen Ausbruch versuchen?“ fragte Prado nach einer Weile.
„Die Kerle sind ungefähr eine Schiffslänge achteraus. Wenn wir über die Back türmen und auf den Strand springen, sind wir im Vorteil, weil sie sich auf dem Wasser befinden. Mit ein paar weiteren Sätzen sind wir im Inseldickicht verschwunden.“
„Ohne Waffen?“ fragte Acosta. „Die sind bis an die Zähne bewaffnet und kennen sich auf der Insel aus. Wir haben keine Chance gegen sie.“
„Wenn wir hierbleiben und abwarten, bis sie uns die Rüben abgeschossen haben, sind unsere Chancen noch kleiner“, sagte Prado.
„Und wie geht es dann weiter?“
„Weiß ich noch nicht. Uns wird schon eine Lösung einfallen. Bei einer günstigen Gelegenheit können wir uns eine der Jollen schnappen, die die Bastarde uns geklaut haben.“
Acosta dachte diese Möglichkeit nur einmal kurz durch. Dann schüttelte er ablehnend den Kopf.
„Das bringt uns nicht weiter. Eine Jolle und ein paar Pistolen – was ist das schon gegen eine Karavelle mit Drehbassen und bis an die Zähne bewaffneten Kerlen?“
„Hast du eine bessere Lösung?“ fragte Prado gereizt. Er hielt seinen Vorschlag für besonders gut. Jetzt ärgerte es ihn, daß er auf Ablehnung stieß.
Acosta grinste hinterhältig und tückisch.
„Ich glaube schon, daß ich eine Lösung habe.“
Die beiden Männer blickten sich höhnisch an. Sie hielten nicht viel voneinander und ließen sich das gegenseitig auch spüren.
„Dann bin ich mal gespannt“, sagte Prado. „Viel besser als mein Vorschlag wird die Idee wohl kaum sein.“
Acosta wartete ab, bis der nächste Eisenhagel über das Deck rauschte und erneut die Fetzen nach allen Seiten flogen. Die Galeone war jetzt nur noch ein Wrack, das systematisch zerschlagen und zerhämmert wurde. Sie würde nie wieder unter Segel stehen.
Als der Hagel vorüber war, lehnte er sich zurück und sagte: „Wir ergeben uns, den Bastarden und bitten um freien Abzug.“
Seine Worte fielen wie Hammerschläge in die folgende Stille. Sie sahen ihn an, als hätte er plötzlich den Verstand verloren.
„Wir ergeben uns?“ Prado schrie die Worte fast. „Bist du übergeschnappt?“
Zwei Augen blitzten ihn eisig und verächtlich an.
„Das möchte ich überhört haben. Wenn ich etwas sage, dann habe ich mir das auch überlegt.“
„Ja, das haben wir bereits gemerkt“, höhnte Prado. „Leider waren es nicht immer die besten Überlegungen.“
Fast wären sie sich in die Haare geraten und hätten sich geprügelt.
Da lenkte Normando rasch ein: „Lassen wir ihn doch erst einmal weiterreden.“
„Du kannst ja über Bord springen“, fauchte Acosta. „Dann knallen sie dich ganz sicher ab. Aber wenn wir uns ergeben, sehe ich noch eine Chance für uns.“
„Und wie stellst du dir das vor? Diese Kerle haben unser Gold geklaut, sie haben unsere Beiboote geschnappt und uns das Ruder verkeilt, bis wir auf Grund liefen. Jetzt zerballern sie uns das Schiff, bis keine Planke mehr auf der anderen bleibt. Und die willst du um freien Abzug bitten? Da kann ich nur lachen!“
„Dann lach doch! Ich werde es jedenfalls versuchen. Was haben sie davon, wenn sie uns umbringen? Gar nichts.“
„Gefällt mir ganz und gar nicht“, motzte Prado. „Schön, wenn sie uns wirklich abziehen lassen – was dann? Dann können wir sehen, wie wir an Land gelangen. Selbst wenn wir das geschafft haben, hocken wir bis in alle Ewigkeit auf einer dieser Scheißinseln und fressen für den Rest unseres Lebens Kokosnüsse, was?“
„Das zeigt mir nur, daß du Idiot nicht denken und schon gar nicht überlegen kannst. Wir werden natürlich um eine Jolle bitten und nur so tun, als geben wir uns unterwürfig und geschlagen. Oder glaubst du etwa, ich lasse das Gold sausen?“
Die anderen wurden jetzt hellhörig und starrten Acosta an. Der Vorschlag schien gar nicht mehr so verrückt zu sein, wie er sich anfangs angehört hatte.
Selbst Prado blickte den selbsternannten Kapitän der „San Jacinto“ überrascht und verwundert an.
„Ach so“, sagte er gedehnt. „Ich dachte schon, wir sollten wie die Feiglinge auf Nimmerwiedersehen verschwinden.“
„Das tun wir ja auch, aber nur vorerst, damit die Kerle in Sicherheit gewiegt sind. Alles andere können wir später immer noch genau besprechen. Die Hauptsache ist, daß wir erst einmal freien Abzug erhalten. Dann findet sich alles andere.“
„Das Gold haben wir dann aber immer noch nicht“, maulte Santos.
„Alles kann man auch nicht auf einmal haben“, mußte er sich von Acosta belehren lassen. „Aber wenn man noch das Leben hat, dann kann man wesentlich mehr unternehmen, als wenn einem die Rübe fehlt. Oder geht das nicht in deinen verquasten Schädel?“
„Doch“, sagte Santos, „klar kapier ich das.“
Acostas Führungsnimbus hatte mittlerweile stark gelitten. Nach den letzten Ereignissen ging niemand mehr für ihn durchs Feuer. Der selbsternannte Kapitän war angeschlagen, und er wußte das auch. Er hatte sich zu viele Fehler geleistet. Da sie von dem Gold immer noch nicht einen einzigen Barren hatten und nicht einmal wußten, wo es versteckt war, stand Acosta in keinem guten Ansehen mehr.
Außerdem hatte er kaltblütig eigene Männer erschossen. Einer der letzten, der über die Klinge gesprungen war, war Hongo, der Giftpilz, gewesen. Allerdings, so fanden die meisten, hatte er es auch verdient, denn durch seine Schuld waren die beiden Beiboote von den „Bastarden“ in einer nächtlichen Aktion geklaut worden. Der Kerl hatte auf Ankerwache gepennt.
„Wer geht denn nun freiwillig nach achtern und teilt unseren lieben Freunden mit, daß wir uns ergeben?“ fragte Prado höhnisch. „Ich gehe jedenfalls nicht, ich will meinen Schädel noch behalten.“
„Sicher, du brauchst ja auch einen Hutständer. Ohne deinen Schädel würde es dir ja ständig in den Hals regnen. Hast du schon mal an eine andere Möglichkeit gedacht?“
Acosta gab sich ganz überlegen, doch das änderte nichts an den Tatsachen, daß die Kerle immer aufmüpfiger gegen ihn wurden. Was er einmal an Nimbus verloren hatte, war schlecht wieder aufzuholen.
„Du bist doch hier der Klugscheißer“, sagte Prado. „Wenn du schon alles besser weißt, dann überlege es dir doch selbst.“
Ein Kerl namens Senona begann meckernd zu lachen. Aus seinem Kinn wuchsen ein paar lange schwarze Fransen, und auf der Oberlippe befand sich das passende Gegenstück. Da hingen auch nur Fransen hinunter, die an eine abgenutzte Bürste erinnerten. Sein Gesicht war hager und eingefallen mit vorstehenden Wangenknochen. Er hielt zu Prado und konnte Acosta nicht ausstehen, weil der einen seiner Freunde kurzerhand umgelegt hatte.