Czytaj książkę: «Seewölfe Paket 22», strona 23

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In der Kneipe tobte mittlerweile eine prächtige Schlacht. Gerade als Carberry am Schott war, flog ihm ein Mann hart ins Kreuz. Der Riese Barba hatte die Kuh fliegen lassen, einen Kerl am Schlafittchen gepackt und nach alter Manier einfach quer durch die Kneipe gefeuert.

„Nun mal langsam“, brummte Ed, „immer einer nach dem anderen und nur nicht drängeln.“

Er feuerte den Admiral schwungvoll nach draußen und kümmerte sich dann um den Kerl, der ihm ins Kreuz geflogen war. Der wackelte ein bißchen mit dem Kopf und blickte nicht ganz durch. Er grinste auch etwas verzerrt.

„Da geht’s raus“, sagte der Profos, packte den Kerl am Genick und am Hosenboden und feuerte ihn schwungvoll hinterher.

Jetzt war die Holle los. Die Frauenzimmer hatten kreischend das Weite gesucht oder sich in den Nischen verkrochen. Die Kerle des Admirals waren keineswegs zimperlich, aber sie hatten sich ein wenig übernommen, wie sie jetzt feststellen mußten, denn hier kämpften wahre Teufel, die erbarmungslos einen nach dem anderen abräumten und nach draußen beförderten.

Diego jammerte und stöhnte, als ein paar Tische zu Bruch gingen, Barba sich eine Bank griff und damit rundum säbelte. Gleich mehrere Kerle flogen wie Strohpuppen durch die Kneipe.

Mac Pellew klatschte begeistert in die Hände. Die Idee Carberrys, mit Kakteen zu hantieren, fand er geradezu genial. Die Kerle quiekten immer wie die Schweinchen, wenn sie damit drangsaliert wurden, und sie waren auch immer höllisch überrascht, wenn ihnen so ein stachliges Ding unversehens am Hintern hing.

Matt Davies prügelte sich gerade mit einem geiergesichtigen Kerl herum. Er hatte ihm mit seinem Haken schon das Hemd bis zum Gürtel aufgeschlitzt, aber jetzt zog der Kerl ein Messer und hampelte vor der Nische herum, in der Mac Pellew mit seinen stacheligen Wurfgeschossen Aufstellung genommen hatte. Da waren so prächtige Kakteen, die sich „Schwiegermutterstuhl“ nannten und tatsächlich wie ein runder Hocker aussahen. Allerdings war das Sitzen darauf nicht empfehlenswert, denn das Ding bestand fast nur aus üblen Stacheln.

Der Geiermann stieß nach Matt, verfehlte ihn aber.

Mac Pellew hatte den Stachelhocker einladend hingestellt, und als der Geiermann jetzt davorstand, griff Mac nach dem Rest seines aufgeschlitzten Hemdes und zog daran wie an einem Fall.

Der Kerl setzte sich auch prompt. Aber wie! Mac Pellew staunte über die vielseitige Mimik des Mannes. Der brüllte erst einmal wie am Spieß, laut und gellend, dann wurde sein Gesicht faltig und welk, dann wieder ganz glatt und schließlich so verrunzelt wie altes Leder. Er warf auch gleich sein Messer weg, doch damit er nicht auf dumme Gedanken verfiel, stauchte Mac ihn noch ein bißchen, indem er beide Hände auf den schmierigen Schädel drückte.

Der Kerl hampelte, zappelte, kreischte und brüllte. Er schrie immer lauter und griff mit beiden Händen an seinen Achtersteven, wobei er natürlich in die Stacheln griff.

Mac Pellew fand das ausgesprochen lustig. Das war noch prächtiger, als mit Bratpfannen oder Kochlöffeln zu schlagen.

Was ein erwachsener Mann dabei so alles an Tönen von sich gab, war einfach unglaublich. Nicht mal Babys kreischten so laut, wenn sie im eigenen Kielwasser schwammen.

„Jetzt hast du aber lange genug drauf gesessen“, sagte Mac grämlich, „geh runter, ich brauch’ das Ding noch für einen anderen.“

Der Kerl sprang auf und flitzte los, beide Hände auf die Sitzfläche gepreßt, Zeter und Mordio schreiend. Er kannte kein Ziel, er rannte einfach drauflos, bis er in der Nähe der Tür landete.

Dort lauerte der Profos, und als der Kerl heran war, trat er ihm überflüssigerweise noch mit dem Stiefel in den Hintern. Das trieb die Stacheln noch weiter in sein Sitzfleisch. Der Schreihals sauste in die Dunkelheit hinaus und verschwand. Sein Gebrüll war auf ganz Tortuga zu hören.

Molino schließlich schloß auch noch Bekanntschaft mit der stacheligen Flora Tortugas. Er war an Paddy Rogers geraten, der ihn mächtig durchgeklopft hatte. Jetzt rannte er auf Mac Pellew zu, an dem fast alle vorbeimußten, und wollte noch einmal drauf schlagen.

Der zweite Koch der „Isabella“ hielt schnell die Schale vor sein Gesicht. In der Schale befand sich ein recht übler Geselle, klein von Wuchs, aber sehr breit und stachlig. In den schlug Molino mit letzter Kraft hinein. Seine Faust bohrte sich mitten in den Kaktus und blieb darin stecken.

Mac ließ die Schale los und besah sich das Unglück. Molino trug den Kaktus wie einen stacheligen Handschuh. Er riß das Maul auf und brachte es vor Schmerzen nicht mehr zu. Seine Augen waren hervorgequollen, sein Blick total glasig.

„Hilfe“, gurgelte er erstickt.

„Hilf dir selbst, so hilft dir Gott“, sagte Mac. „Was haust du auch in den unschuldigen Kaktus!“

Der Profos beförderte Molino schließlich hinaus zu dem Haufen, der bereits vor der Kneipe lag. Dann blickte er sich bedauernd um.

„Schade“, sagte er, „aber das war das letzte Rübenschwein. Ging ein bißchen zu schnell, findest du nicht auch?“

„Ja, leider, und dabei sind hier noch so viele von den Stacheldingern. Ich hab’ die Idee von dir übernommen, Ed. Du hast doch hier schon mal einem Kerl einen Kaktus zu fressen gegeben.“

„Ja, ein Soldat war das. Hat ihm gar nicht geschmeckt, das Ding, obwohl es ein Melonenkaktus war. Ich fragte ihn noch höflich, ob es ihm auch schmecke, aber das hat er mit Kopfschütteln verneint. Undank kennt eben keine Grenzen.“

„Ja, da ist was dran“, sagte Mac Pellew tiefsinnig. „Wir sollten ein paar mit aufs Schiff nehmen.“

In der Kneipe sah es wüst aus. Ein paar Bänke waren zu Bruch gegangen, und ein paar Kakteen lagen zermatscht am Boden. Humpen und Flaschen waren umgekippt, und unter einer Bank lag noch ein Kerl, dem beide Klüsen dichtgehauen waren. Er stöhnte leise und begann auf allen vieren durch die Kneipe zu kriechen.

Der Profos goß ihm aus einem Humpen kühles Bier über den Schädel. Der Kerl schlabberte und erkundigte sich dann mit wehleidiger Stimme, ob noch jemand einen ausgebe. Er schien nicht den geringsten Durchblick mehr zu haben.

„Ich“, sagte Ed. „Ich begleite die Gäste immer bis zur Tür.“

Etwas später war auch der Kerl draußen, und die anderen, die sich draußen noch versammelt hatten, machten sich humpelnd und fluchend auf den Weg. Aus weiter Ferne war immer noch ein dünnes, kreischendes Stimmchen zu hören. Es gehörte zweifellos dem Kerl, der auf Mac Pellews „Schemel“ Platz genommen hatte.

„Das muß gefeiert werden“, sagte Ed, „ich denke, wir bleiben bei Lage laufend, wenigstens vorerst.“

„Aber nur bis Mitternacht, Ed“, sagte die Rote Korsarin, „dann brechen wir auf, denn morgen früh segeln wir. Da können wir keine Brummschädel gebrauchen.“

„Aye, aye, Madame“, sagte der Profos grinsend. „Das ist ein Wort. Dann bleiben wir doch bei Lage laufend. Lieber wäre mir allerdings langes Saufen gewesen.“

Diego ging händeringend durch seine Kneipe und besah sich die Trümmerstücke.

„Mein Gottchen“, sagte er weinerlich, „daß das nicht einmal in Ruhe vor sich geht. Immer muß geprügelt werden. Und meine schönen Kaktusse sind auch fast alle hin.“

„Kakteen heißt das“, sagte Mac Pellew. „Das ist nämlich die Mehrzahl von Kaktus.“

„Quatsch, Mehrzahl“, sagte Diego. „Es heißt ja auch Lokusse, und nicht Lokeen. Wo hat die Welt jemals solchen Quatsch gehört! Wer ersetzt mir nun den Schaden?“

„Das übernehmen wir selbstverständlich“, sagte Ribault. „So haben wir es in England immer gehalten, und so halten wir es auch hier. Um Mitternacht rechnen wir ab.“

Pünktlich um Mitternacht brachen sie auf. Zapfenstreich und Abmarsch, denn morgen früh ging es in See.

Daß der Admiral ihnen blutige Rache geschworen hatte, ahnten sie nicht. Der gab sich mit der Niederlage noch lange nicht zufrieden.

9.

Am vierten Oktober gegen neun Uhr morgens lief die „Caribian Queen“ aus und nahm Kurs auf die Windward-Passage.

Sie waren noch keine halbe Stunde lang unterwegs, als der Ausguck drei zweimastige Schaluppen meldete, die achteraus auftauchten und weit hinten im Kielwasser des Zweideckers segelten.

Die Schaluppen waren schnell und wendig, und sie holten erstaunlich schnell auf.

Siri-Tong drehte sich unbehaglich um, denn die drei Schaluppen waren mit Sicherheit nicht zufällig aufgekreuzt und befanden sich auf dem gleichen Kurs wie sie.

Barba nahm den Kieker und blickte lange hindurch. Dann drehte er sich grinsend zu der Roten Korsarin um.

„Das ist Ihr Verehrer von gestern, Madame, der Kerl, der sich Admiral nennen ließ.“

„Der aufgeblasene Gockel aus Diegos Spelunke?“ fragte Siri-Tong erstaunt.

„Ja, genau, Madame. Er steht auf dem Achterdeck der mittleren Schaluppe und beobachtet uns ebenfalls durch ein Spektiv. Sollen wir wieder mal die Kuh fliegen lassen, Madame?“

Siri-Tongs Augen blitzten zornig. Sie war nahe daran, zu explodieren, als sie ebenfalls einen Blick durchs Spektiv warf. Da stand dieser Laffe von gestern tatsächlich auf dem Achterdeck und winkte!

„Klar Schiff zum Gefecht!“ befahl sie. „Hoch mit den Stückpforten. Diesem Kerl zeigen wir es.“

Die Crew rannte auf die Stationen. Kurz darauf flogen die Stückpforten hoch, die Rohre wurden ausgerannt.

Die Rohre waren gerade ausgerannt, als die Schaluppen unvermittelt auf Distanz gingen, was Siri-Tong noch mehr ärgerte. Erregt beobachtete sie, wie die eine Schaluppe mit dem Admiral an Bord im Kielwasser zurückblieb, während die beiden anderen außerhalb der Schußweite heranzogen, als wollten sie den Zweidecker begleiten.

Sie setzten sich querab an die Seiten der „Caribian Queen“, die eine an Backbord, die andere an Steuerbord. Für die Geschütze waren sie nicht zu erreichen.

Das tat der Admiral sehr geschickt. Er hielt so weit Distanz, daß sie nichts ausrichten konnten, sich aber ständig belästigt fühlten.

Siri-Tong ließ an die Schaluppe heransegeln, die sich auf der Backbordseite befand, um den Kerlen eine Ladung zu verpassen.

Doch sobald sie auch nur etwas den Kurs änderte, wich die Schaluppe sofort aus. Drehte sie auf die andere zu, dann wurde drüben das gleiche Manöver ausgeführt. Die Schaluppen waren schneller und wendiger und nicht zu fassen. Siri-Tong sah, daß sie schwer mit Drehbassen bestückt waren.

Noch ein paar Male wiederholte sie das Manöver – immer mit dem gleichen Mißerfolg. Die Kerle auf den Schaluppen grinsten, wie sie durch den Kieker erkannte. Das ließ ihre Wut noch größer werden.

„Die wollen uns vorerst nur ein wenig ärgern“, sagte Hasard beruhigend. „Aber sie werden bei Tage wohl kaum angreifen, das werden sie eher nachts versuchen. Vermutlich wollen sie uns entern.“

„Was ist bei uns schon zu holen“, schnaubte die Rote Korsarin verächtlich.

„Eine ganze Menge. Der Gockel will den Zweidecker haben – und natürlich auch dich, dich wohl ganz besonders, nach allem, was ich von gestern abend gehört habe. Der Kerl soll ja ganz scharf auf dich gewesen sein. Mac Pellew hat mir das erzählt.“

„Dieser aufgeblasene Pfau!“ sagte sie wütend. „Was bildet sich dieses Würstchen denn ein!“

Noch zweimal wiederholten sie das Manöver, indem sie den Kurs änderten, so schnell das möglich war. Doch die Kerle waren auf der Hut und paßten höllisch auf.

Stundenlang hingen sie dem Zweidecker wie Zecken im Pelz, ohne etwas zu unternehmen.

Die Männer wurden schon ganz fuchtig und fluchten erbittert, weil die Halunken einfach nicht zu fassen waren.

„Dem hätte ich die Haut in Streifen von seinem verdammten Affenarsch abziehen sollen“, knurrte Carberry. „Aber das konnte ja keiner wissen, daß die Galgenstricke drei Schiffe besitzen. Aber wir erwischen sie schon noch, einmal werden sie einen Fehler begehen, diese dreimal verfluchten Läuse.“

Es war wirklich lästig, die Kerle immer um sich zu haben. Der Admiral nervte sie an diesem Tag ganz gehörig. Hin und wieder ließ er etwas heranstaffeln, und wenn sie auf der „Caribian Queen“ wütend reagierten und den Kurs änderten, zog er die Schaluppen sofort aus dem Schußbereich.

Das ging den ganzen Tag so und zog sich bis in die Nacht hin.

Die Kerle auf der Admiralsschaluppe sahen noch reichlich lädiert aus. Einer hatte die Augen so dicht, daß er kaum noch etwas sah. Ein anderer hatte ein faustgroß angeschwollenes Ohr und dunkelblaue Blessuren an der Stirn, wo ihn eine Faust getroffen hatte, und der Adjutant hockte mit schmerzverzogenem Gesicht an Deck und pulte sich die Stacheln aus der Hand. Die Hand war fast zu doppelter Größe angeschwollen und schmerzte fürchterlich.

Am schlimmsten aber war der Kerl dran, der sich auf Mac Pellews „Spezialschemel“ gesetzt hatte. Der mußte zu dem Schmerz auch noch den Spott ertragen, mit dem die anderen nicht geizten. Er konnte nur noch auf dem Bauch schlafen, und wenn er sich bewegte, dann verzog er jedesmal das Gesicht. Er hatte immer noch den Hintern voller Stacheln und war dementsprechend launisch. Quatschte ihn einer provozierend an, dann ging er gleich mit den Fäusten auf ihn los.

Luis Campos selbst hatte einen Brummschädel und gehörige Schmerzen auf dem Brustkasten und den Rippen. Er konnte nur ganz flach atmen. Aber er steckte voller Haß bis an die Ohren, und er hatte sich geschworen, diesen Kahn zu entern, und wenn er dabei zum Teufel ging.

Es beruhigte ihn zumindest, daß sie auf dem Zweidecker langsam, aber sicher nervös wurden. Mit seinen Kapitänskumpanen hatte er das Vorgehen genau abgesprochen, und die hielten sich daran.

„Wir werden dieses Weib kriegen“, sagte er zum Adjutanten. „Und das Schiff natürlich auch. Dieses schwarzhaarige Biest wird auf den Planken vor mir herumkriechen und um meine Gunst winseln. Und den Kerl, der mich so hinterhältig verprügelt hat, den hänge ich als ersten an die Großrah des Zweideckers.“

„Und ich bringe den Hund um, der mir diese Hand beschert hat“, schwor der Adjutant zornig. „Ich habe mir diese Schnauze ganz genau gemerkt. Der sah aus wie ein faltiger Trauerkloß, als wollte er jeden Augenblick losheulen, so richtig grämlich und verbiestert. Den hänge ich neben dem anderen Kerl an die Rah.“

Er laberte dem Admiral vor, was er alles tun würde, wenn sie den „Mistkahn“ erst einmal geentert hatten, bis es dem schließlich zu dumm wurde.

„Halt jetzt dein Maul und nerv mich nicht!“ schrie er den Adjutanten laut an. „Oder ich hau’ dir was auf die Schnauze. Ich habe andere Sorgen als dein dummes Geschwätz. Oder siehst du nicht, daß ich scharf nachdenke?“

„Verzeihung, Admiral“, murmelte Molino. Dann drehte er sich um und zupfte weiter an seinen Stacheln in der Hand herum. Es waren so viele, daß er sie nicht einmal zählen konnte.

Der Admiral aber dachte nur noch an das schwarzhaarige Teufelsweib und das Schiff. Er gab den anderen ein Zeichen, wieder etwas näher heranzustaffeln. Dann grinste er, als der Zweidecker den Kurs änderte und wütend auf die Schaluppe lossegelte. Die wich sofort aus und ging auf Distanz, während der Zweidecker wieder auf den alten Kurs zurückfiel.

Das Spielchen bereitete ihm Spaß, und sobald Manöver gefahren wurden, schnappte er sich den Kieker und blickte aufs Achterdeck, wo die schwarze Schöne stand. Deren Gesicht war vor Wut, Zorn und Hilflosigkeit knallrot angelaufen.

„So ist’s richtig“, murmelte er. „Du wirst mir noch aus der Hand fressen, das verspreche ich dir. Kurz vor Morgengrauen, wenn ihr gar nicht damit rechnet, greife ich an.“

Zufrieden beobachtete er, daß alles so lief, wie er sich das vorgestellt hatte.

In der Nacht schien der Mond hell. Auf dem Zweidecker paßten alle scharf auf und hielten die Schaluppen pausenlos im Blickfeld.

Der Wind wehte aus Nordost. Die „Caribian Queen“ stand am Ausgang der Windward-Passage und steuerte auf die Südwestspitze von Haiti zu.

Es war kurz vor der Dämmerung. Die Rote Korsarin hatte ein paar Stunden geschlafen, aber vor Wut und Ärger keine rechte Ruhe gefunden, weil die Schaluppen sie immer noch begleiteten und keine Anstalten zum Angreifen unternahmen.

Seit zwei Stunden befand sich Dan O’Flynn im Ausguck, weil er die schärfsten Augen von allen hatte, Adleraugen, denen nichts entging, wandelnde Kieker, wie der Profos das nannte.

Alle Mann waren immer noch auf Stationen. Die Rohre waren geladen und besetzt.

„Deck!“ rief Dan. „Die beiden Schaluppen staffeln von außen heran. Die letzte bleibt im Kielwasser zurück auf Distanz.“

„Na endlich“, sagte Siri-Tong wie erlöst. „Endlich tut sich etwas. Wurde auch höchste Zeit.“

„Ja, sie staffeln heran, unauffällig, aber unverkennbar“, sagte Hasard. „Der Admiral nutzt geschickt das Zwielicht aus. So dumm ist der Kerl gar nicht.“

An den Kanonen lauerten die Schützen, denn auch sie sahen jetzt, daß die Schaluppen sich näherten. Undeutlich waren die Kerle als Schemen hinter den Drehbassen zu erkennen. Nur der Admiral hielt sich mit seinem Zweimaster höflich zurück. Vermutlich wollte er wohl erst seinen Kumpanen den Vortritt lassen und sehen, wie sich das Ganze entwickelte.

In Siri-Tongs dunklen Augen blitzte ein Licht auf. Die Entfernung betrug noch etwa hundertzwanzig Yards, schließlich verkürzte sie sich auf gut hundert. Damit befanden sich die beiden Schaluppen genau im Schußbereich. Sie zögerte jetzt keine Sekunde mehr.

„Oberes Batteriedeck: Feuer frei, Breitseite!“ befahl sie.

Durch den Zweidecker ging ein wildes Aufbrüllen. In allen Planken dröhnte und knackte es, als die schweren Brocken vom oberen Batteriedeck ihre Breitseite ausspuckten.

Lange Feuerlanzen stachen durch die morgendliche Dämmerung und tauchten das Schiff sekundenlang in grelles Licht. Der Zweidecker krängte leicht über.

Eine zweite wilde Erschütterung durchlief das Schiff, als auch die andere Breitseite losdonnerte.

Der Pulverqualm wurde vom Wind verweht und trieb als langgezogene Wolke über das Wasser.

Die Kanoniere rissen die Arme hoch und brüllten.

„Treffer!“ schrien sie freudig.

Die Schaluppe, die an Backbord aufgesegelt war, hatte es erwischt. Zwar nicht schlimm, aber der vordere Mast war zersplittert und in einem Trümmerregen über das Deck verstreut. Auch Fetzen von Segeln hingen noch herum. Die Schaluppe fiel augenblicklich zurück und lief aus dem Kurs.

„Den sind wir vorerst los“, sagte Hasard. „Bis der aufgeriggt hat, vergeht eine Weile, falls wir ihn überhaupt noch wiedersehen. Aber die andere hat es leider nicht erwischt. Kein Treffer erzielt.“

Schuld an dieser Misere waren die herrschenden Lichtverhältnisse, die auf der Steuerbordseite ein genaues Zielen verhinderten. Das hatte sich auf die Richtschützen Siri-Tongs ungünstig ausgewirkt, und so war die Breitseite wirkungslos in die See gerauscht.

Die Kerle auf der Schaluppe nahmen die Fehlschüsse zum Anlaß, in wildes Freudengeheul auszubrechen. Sie standen da und rissen die Arme hoch. Ein paar riefen obszöne Worte hinüber.

„Sie sollten lieber nicht zu früh das Maul aufreißen“, sagte Jean Ribault. „Offenbar vergessen sie, daß auch die untere Batterie feuerbereit ist. Und da stehen die schwereren Stücke.“

„Dann noch einmal“, sagte Siri-Tong. „Sonst setzen sie gleich die Drehbassen ein. Feuer frei für untere Batterie.“

Die Schaluppe war dicht herangestaffelt. Die Kerle lauerten an den Drehbassen und wollten feuern.

Doch die Männer der „Caribian Queen“ waren etwas schneller.

Der Zweidecker spie erneut Rauch und Feuer und hüllte sich in dichten Pulverqualm. Ein wildes Aufbrüllen ging über die See, Feuerzungen stachen heraus wie bei einem feuerspeienden Drachen, ein schwerer Eisenhagel donnerte aus den Rohren.

Die Entfernung betrug höchstens noch neunzig Yards, und diesmal erwischten die Richtkanoniere den Zweimaster.

Im Aufblitzen, im Rauch und Feuer schlug es auf der Schaluppe krachend und mit lautem Getöse ein. Da blieb nichts mehr heil, denn mindestens vier oder fünf Kugeln hatten das Schiff getroffen.

Die Schaluppe barst auseinander. Ihre beiden Masten gingen über Bord, die Verschanzung flog in einem Splitterregen nach allen Seiten, und ein paar Kugeln zerfetzten den Rumpf.

Auch ein paar Schnapphähne hatte es erwischt. Die Auftreffwucht hatte sie über Bord gefegt und in die See gewischt. Etliche waren auf der Stelle tot. Die anderen rannten in Panik und unter wildem Gebrüll von vorn nach achtern.

„Jetzt können die Affenärsche schwimmen“, sagte Smoky, „das hat gesessen. Denen wird der Kahn gleich unter dem Hintern absaufen, und dann sind wir sie los.“

Die ersten Kerle sprangen entnervt über Bord, als die Schaluppe hart zur Seite krängte und Wasser zog. Sie war nur noch ein einziger Trümmerhaufen. Im Wasser paddelten Kerle zwischen Holzstücken und Segeltuch und schrien sich die Kehlen heiser.

Der achtere Teil der Schaluppe versank im Wasser, der andere Teil schwamm noch, und daran klammerten sich ein paar Kerle fest, denen das nackte Entsetzen in den Gesichtern stand.

Dann soff auch der Rest ab. Ein paar Fässer stiegen hoch, Holzstücke schwammen herum. Im Meer hingen immer noch die Kerle, festgekrallt an das, was sie gerade noch erwischt hatten.

Siri-Tong nickte anerkennend. Sie sah der anderen Schaluppe nach, die den Mast verloren hatte. Die hing weit achteraus und konnte nicht mehr gefährlich werden. Die Kerle hatten alle Hände voll zu tun, um ihr Schiff zu klarieren, von dem immer noch Segelfetzen und Holztrümmer über Bord hingen und mitgeschleift wurden.

„Nur noch einer“, sagte sie, „und das ist dieser aufgeblasene Admiral, der hat sich nicht herangetraut. Der wird auch nicht mehr viel unternehmen.“

„Er steuert die Untergangsstelle an“, sagte Ribault. „Offenbar will er zuerst seine Kumpane aus dem Wasser fischen, denn jetzt ist er auf jeden Mann angewiesen.“

Sie sahen, wie die Schaluppe des Admirals aus dem Kurs ging und die Stelle ansteuerte, wo die Kerle brüllend im Wasser paddelten. Der Schreck saß ihnen noch in den Knochen. Ein paar konnten wohl auch nicht schwimmen oder fürchteten sich vor Haien.

Siri-Tong kriegte ganz schmale Augen.

„Wir sollten ganze Arbeit leisten“, sagte sie, „jetzt ist die Gelegenheit günstig, um auch mit dem Admiral abzurechnen.“

Hasard gab keinen Kommentar. Aus schmalen Augen blickte er auf die Szene, die sich auf der Steuerbordseite abspielte.

„Wir luven an“, entschied die Rote Korsarin, „und gehen der anderen Schaluppe an den Kragen.“

Der Admiral hatte jetzt die Untergangsstelle der Schaluppe erreicht, um die ersten Schwimmer aus dem Bach zu fischen. Als er sah, daß der düstere Zweidecker anluvte, drehte er ein wenig ab, als wolle er die Flucht antreten.

Doch dann feuerten plötzlich seine Drehbassen los und schickten einen Blei- und Eisenhagel zur „Caribian Queen“ hinüber. Auf dem Zweimaster zuckten Blitze auf, es donnerte laut, und ein paar Yards vor der „Caribian Queen“ schossen kleine Wassersäulen hoch.

Noch konnten die Kanonen nicht eingesetzt werden, und diese Gelegenheit nutzte der Admiral noch einmal aus. Wieder überschüttete er die See mit grobem Schrot.

Die Kerle im Wasser schrien noch lauter, denn sie hatten Angst, von umherirrenden Bleibrocken getroffen zu werden.

„Es hat keinen Zweck“, sagte Hasard, „der Kerl zieht sich schon wieder zurück. Er läßt uns nicht näher heran, er weiß, was ihm sonst blüht.“

„Vielleicht erwischen wir ihn doch noch“, meinte die Rote Korsarin mit zusammengepreßten Lippen. „Ich bin es leid, daß dieser Kerl bei uns ständig im Kielwasser mitsegelt.“

„Wir werden es vorerst nicht ändern können. Er hat nun mal das schnellere Schiff und ist wendiger als wir.“

Der Admiral zog sich tatsächlich zurück. Schnell und geschickt tat er das, als er dem großen Zweidecker auswich. Etwas später befand er sich schon wieder außerhalb der Reichweite der Geschütze.

„Dann nicht“, sagte Siri-Tong ärgerlich. „Allein kann er nichts ausrichten, obwohl ich es gerade diesem Kerl zu gern gezeigt hätte. Wir gehen wieder auf den alten Kurs zurück“, befahl sie dann.

Später, als sie wieder auf Kurs lagen, näherte sich die Schaluppe erneut den Trümmern im Wasser, und der Admiral fischte die Kerle aus dem Meer.

Es hat keinen Zweck, diesem flinken Gegner hinterherzujagen, dachte Siri-Tong. Das führte zu nichts, sie würden die Schaluppe nie kriegen.

Sie wollte abwarten. Vielleicht versuchte es der Admiral doch noch einmal, denn er war ein ehrgeiziger Halunke, der sehr nachtragend war und nicht so schnell aufgab …

ENDE

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9783954397815
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