Czytaj książkę: «Seewölfe Paket 22», strona 21

Czcionka:

6.

Bei gutem Nordostwind segelte die „Caribian Queen“ am nächsten Tag vormittags in den Hafen von Tortuga.

Hasard sah sich die Südbucht an, aber dort gab es nichts Auffälliges zu sehen und schon gar nichts, was verdächtig war. Im Hafen lagen lediglich ein paar harmlose Einmaster, kleine Boote, die ganz sicher nicht von Schnapphähnen bemannt waren.

Daß sich noch drei größere Zweimastschaluppen in einer Bucht bei Portugal Point befanden, die an der Ostspitze von Tortuga ankerten, konnte er nicht wissen. Er sah auch nicht den abenteuerlich gekleideten Kerl, der sie heimlich beobachtete.

„Es genügt, wenn du heute abend mit zu Diego gehst“, sagte Hasard zu Siri-Tong. „Ich werde inzwischen mit ein oder zwei Männern hinaufgehen, die Liste mitnehmen und das Zeug ordern. Den Kleinkram können wir heute stauen, das Holz, das Diego in Hispaniola ordern muß, kannst du dann auf der Rückfahrt mitnehmen.“

„Einverstanden“, sagte die Rote Korsarin und gab ihm die Liste, die Hesekiel Ramsgate zusammengestellt hatte.

„Dann sollen mich zwei Mann begleiten“, sagte Hasard.

„Aye, aye, Sir“, sagte der Profos, der wie aus den Planken gewachsen neben dem Seewolf auftauchte. „Ich suche noch einen aus. Ich schlage vor, wir nehmen Ferris mit – wegen des Holzes, Sir.“

„So, du schlägst vor“, entgegnete Hasard. „Wer hat überhaupt gesagt, daß du mich begleiten sollst?“

„Das ist doch Tradition, Sir“, sagte Carberry erstaunt. „Man kann doch nicht einfach Traditionen über den Haufen werfen. Aber wenn du mich nicht willst, Sir, dann schließe ich mich eben solange in der Vorpiek ein und gräme mich. Ich armes Rübenschwein muß ja immer leiden.“

„Du siehst auch genau wie ein vergrämtes armes Rübenschwein aus. Aus gewissen Gründen wollte ich eigentlich auf deine Begleitung verzichten – du kennst ja diese gewissen Gründe.“

Der Profos blickte so mitleidheischend, daß er Hasard schon wieder leid tat. Er sah todunglücklich aus, als müßte er alle seine Freunde persönlich beerdigen. Dagegen war Mac Pellew ein lebenslustiger Springinsfeld. Nein, dieses Leiden-Christi-Gesicht konnte Hasard nicht länger ertragen.

„Geheiligt sei die Tradition. Dann sage Ferris Bescheid, und schlage dir gleichzeitig eine Sauferei aus dem Kopf, denn daraus wird jetzt nichts. Wir ordern nur das, was wir brauchen.“

„An Saufen hätte ich nie gedacht“, entrüstete sich der Profos, „doch nicht jetzt, am hellen Vormittag.“

„Es gibt Leute, die saufen auch am hellen Vormittag, die nehmen auf die Tageszeit überhaupt keine Rücksicht.“

„So was von Unanständigkeit, pfui Teufel. Gegen ein winziges Bierchen am Abend ist ja nichts einzuwenden, aber am hellen Tag …“

Wer den Profos nicht kannte, hätte ihm diese Rolle gutgläubig abgenommen. Entrüstet blickte er sich um, ob etwa solche Kerle in der Nähe standen, die schon am hellen Tag soffen.

„Du würdest einen guten Schmierendrescher bei einer Wanderbühne abgeben, Ed“, sagte Hasard belustigt. „Also vorwärts, wir gehen zu Diego hinauf.“

Kurz darauf verließen Hasard, Ed und Ferris die „Caribian Queen“ und gingen den Serpentinenweg hinauf zur „Schildkröte“.

Um diese Zeit herrschte bei Diego kaum Betrieb. Die Kneipe erwachte erst am Nachmittag zum Leben, und vom Abend bis zum frühen Morgen ging es dann sehr hektisch zu, wenn sich Schnapphähne, Beutelschneider und Huren aller Schattierungen einfanden.

Der dicke Diego stand hinter dem Tresen und zapfte für zwei Gentlemen Bier, die gleich am ersten Tisch hockten. Das waren die einzigen Gäste.

Als er die drei Seewölfe sah, glitt ein freudiges Grinsen über sein Gesicht. Nur bei Carberrys Anblick zuckte er etwas zusammen, das konnte Diego nicht vermeiden. Diese wandelnde Granate flößte ihm immer wieder ein kaltes Grausen ein, obwohl er seinen lieben „Amigo Ed“ gern mochte. Man mußte sich nur immer wieder an seinen Anblick gewöhnen.

Die Begrüßung fiel trotzdem recht herzlich aus, denn die Arwenacks hatten dem Dicken schon oft aus der Patsche geholfen. Diego war so eine Art Ersatz-Plymson aus Plymouth. Er ähnelte dem feisten Wirt aus England nicht nur figürlich, er hatte auch dessen Schlitzohrigkeit und war geldgierig.

Hasard holte die Liste hervor, reichte sie Diego und verklarte ihm, was sie wollten.

Carberry schnappte sich den Bierhumpen, sah Diego an und schüttelte den Kopf.

„Das wäre nun aber wirklich nicht nötig gewesen“, sagte er verlegen, „so früh am Morgen schon. Aber da du mich jetzt schon überredet hast, dann prost, Gentlemen!“

Er nickte den beiden verdatterten „Gentlemen“ sehr freundlich zu, was die mit einem lahmen Grinsen beantworteten.

„Äh, hm“, sagte der eine lahm.

„Ja?“ fragte der Profos höflich.

„Äh, das Bier …“

„Kann ich nur empfehlen“, erklärte Ed. „Es ist frisch und kühl. Sie sollten sich auch eins bestellen, Gents.“

Hasard drehte sich um und warf dem Profos einen straf enden Blick zu.

„Diego war so freundlich“, sagte Ed trocken, „und da wollte ich ihn nicht beleidigen.“

„Ich will auch keinen Krach mit ihm haben“, sagte Ferris und griff nach dem anderen Humpen.

Die beiden Gents wurden immer kleiner, als sie die riesigen Gestalten musterten. Kleinlaut bestellten sie nochmals Bier. Diego zapfte wieder und schob auch dem Seewolf einen Humpen hinüber.

In stiller Eintracht nahmen sie einen langen Schluck, sahen sich an und grinsten sich zu.

„Alles andere habe ich da“, sagte Diego. „Das Holz muß ich ordern, das dauert. Das andere schicke ich im Laufe des Tages zu euch an Bord. Aber auch darüber wird der Abend vergehen, ich schaffe es leider nicht schneller.“

„Dann bleiben wir über Nacht hier liegen“, sagte Hasard, „und segeln erst morgen weiter. Die Kerle können sich dann heute abend noch einmal austoben.“

Der dicke Diego grinste. Dann beugte er sich vertraulich vor und flüsterte hinter der vorgehaltenen Hand: „Da habe ich was für euch, Leute. Habe ein bißchen Zuwachs an schnuckeligen Turteltäubchen gekriegt. Paradiesisch, sage ich euch, da mangelt es an gar nichts, allenfalls den Täubchen an Freiern. Da ist für jeden gesorgt.“

Der Profos begann lüstern zu grinsen. Scheinbar gedankenlos griff er nach dem nächsten frisch gezapften Bier, das wiederum für die „Gents“ bestimmt war, und nahm einen langen Zug. Diesmal hatte Hasard es zum Glück nicht bemerkt, denn er tippte wieder auf die Liste.

Kurz danach ging Hasard mit Diego in die angrenzende Küche.

Die beiden Kerle räusperten sich etwas ärgerlich, weil das bestellte Bier nie an ihrem Tisch landete, sondern immer im Magen des narbigen Kerls verschwand.

Carberry warf ihnen wieder einen schrägen Blick zu. Diese beiden Vögel gefielen ihm ganz und gar nicht, aber das war noch lange kein Grund, mit ihnen Stunk anzufangen, zumal Hasard auch immer ein wachsames Auge hatte. Der eine Kerl sah aus wie eine kranke, räudige Ratte, obwohl er das durch aufwendige Kleidung zu kaschieren versuchte. Der andere war hohlwangig, von kleiner Statur, mit unruhigen Augen und Bartstoppeln am Kinn. Seine Nase hing ihm auf eine traurige Art im Gesicht, daher erinnerte er Ed an einen beleidigten oder gekränkten Uhu.

„Wir hatten vorhin ein Bier bestellt“, sagte der eine aufsässig, wobei seine Blicke unruhig hin und her gingen.

„Das müßt ihr dem Wirt verklaren“, sagte Ed. „Das ist nicht unsere Sache.“

„Aber das Bier war für uns“, murmelte der andere bockig.

„Das Bier gehört immer dem, zu dem es hingeschoben wird“, erklärte Ed. „Das war schon zu Abrahams Zeiten so, als Moses noch mit Adam und Eva im Paradies lebte.“

„Er ist unser Bordgeistlicher“, sagte Ferris ernst, „er kennt sich genau aus. Wenn er das sagt, stimmt das auch. Er lebt streng nach dem Alten Testament, das da sagt: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Er hält auch immer die Grabreden für vorlaute Kerle, die nicht das glauben, was er predigt. Reizt ihn nur nicht“, flüsterte er. „Gebt ihm lieber noch eine Runde aus, sonst überfällt ihn der heilige Zorn. Übrigens hat er einen eigenen Friedhof auf Tortuga. Mehr brauche ich wohl nicht zu sagen.“

Die beiden Kerle schluckten hart. Sie warfen sich einen Blick zu und zuckten verstört zusammen, als der „Bordgeistliche“ rülpste. Das war wie ein Erdbeben und ging ihnen durch und durch.

Dann standen sie ziemlich schnell auf und legten zwei Silberstücke auf die Theke.

„Das reicht wohl für die nächste Runde“, sagte der Rattengesichtige eifrig.

„Das reicht, mein Sohn“, sagte der Profos. „Ich sehe, ihr seid zwei gutgläubige Menschen. Wie steht es doch geschrieben: Nehmen ist seliger denn Geben, stimmt’s?“

„Stimmt genau, Sir, alles Gute.“

„Euch sei hiermit verziehen“, murmelte Ed salbungsvoll.

Die beiden Kerle verzogen sich in erstaunlicher Eile. Der „Bordgeistliche“ war ihnen nicht ganz geheuer, der sah so aus, als würde er beim geringsten Widerspruch die Kneipe in Trümmer legen.

Als sie draußen waren, begann der Profos laut zu lachen, und auch Ferris konnte nicht mehr an sich halten und brüllte los. Ed klopfte seinem alten Freund grinsend auf die Schulter.

„Toll“, sagte er begeistert. Dann lachten sie erneut los.

Als Hasard zurückkehrte, waren sie wieder ernst. Ed spielte mit den beiden Silbermünzen und schob sie Diego hin.

„Wo sind denn die beiden Kerle geblieben?“ fragte Hasard.

„Denen wurde es zu langweilig“, sagte Ed, „deshalb sind sie gegangen. Sie haben sogar noch eine Runde ausgegeben.“

„Die sahen aus, als wollten sie etwas ausspionieren“, sagte Ferris. „Dauernd glotzten sie nach allen Seiten. Kennst du die Kerle, Diego?“

„Nie gesehen. Sie waren zum erstenmal hier.“

„Dann solltest du ein wachsames Auge haben“, riet Ed, „die Kerle waren nicht ganz sauber, aber hier treibt sich ja dauernd Gelichter aller Schattierungen herum.“

„Von dem Gelichter lebe ich nun mal“, sagte Diego, „da muß ich auch Kerle in Kauf nehmen, die mir nicht gefallen. Ich kann sie mir leider nicht aussuchen.“

Hasard ging noch einmal die Liste durch, ob sie auch nichts vergessen hatten. Punkt für Punkt war abgehakt und alles bestellt, was auf der Schlangen-Insel so gebraucht wurde.

„Noch ein kleines Bier?“ fragte der dicke Wirt.

Hasard wollte gerade ablehnend den Kopf schütteln, doch der Profos nickte freudig.

„Aber nur ausnahmsweise“, sagte er schnell, „und um dich nicht zu beleidigen.“

„Na gut, ein kleines noch“, sagte Hasard seufzend. „Das nächstemal hältst du aber rechtzeitig deine Klappe, Ed.“

„Aye, aye, Sir.“

„Gleich nachher schicke ich das erste Zeug hinunter“, sagte Diego. „Bis zum Abend dürfte alles verladen sein.“

Hasard trank nickend das Bier aus und schob den Humpen zurück. Der Profos rollte Diego die beiden Münzen hinüber.

„Stimmt so“, sagte er großzügig, „die beiden Kerle haben ja auch einen ausgegeben.“

„Ich hörte vorhin etwas von einem Bordgeistlichen“, sagte Hasard. „Was hat das zu bedeuten?“

„Die beiden Kerle hielten Ed für einen Bordgeistlichen“, sagte Ferris Tucker. „Offenbar haben sie ihn verwechselt.“

„Ja, das scheint mir auch so“, sagte Hasard spöttisch. „Obwohl Ed durchaus den Eindruck eines Bordgeistlichen erweckt. Er läßt oft so salbungsvolle Sprüche los.“

Etwas später verabschiedeten sie sich von Diego, der ihnen noch nachrief, sie möchten nicht vergessen, ihn heute abend zu beehren, und gingen den Serpentinenweg nach unten.

„Das vergessen wir ganz bestimmt nicht“, versprach Ed. „Gehst du heute abend mit, Sir?“

„Nein, ich glaube nicht. Ich werde mich mit Jean und Dan mit dem Unternehmen befassen.“

„Schade“, bedauerte Ed, „aber was sein muß, muß sein.“ Wobei er offenließ, was er nun genau meinte: daß Hasard an Bord blieb oder daß er, der Profos, unbedingt heute abend zu Diego mußte.

7.

Kurze Zeit vorher.

In der Bucht von Portugal Point ankerten seit einem Tag drei größere Zweimastschaluppen. Vom Hafen aus waren sie nicht zu sehen.

Auf den Schaluppen befanden sich etwa fünfundvierzig Schnapphähne der übelsten Sorte.

Es war ein buntgemischter Haufen aus aller Herren Länder, und er bestand aus Abenteurern, Deserteuren, entsprungenen Sklaven und Faulpelzen, die der Ansicht waren, auch ohne Arbeit das schnelle Geld machen zu können. Es waren habgierige Beutelschneider, die von einem Portugiesen angeführt wurden.

Luis Campos, wie der Portugiese hieß, lebte davon, andere zu berauben, auszuplündern oder ganz einfach zu beklauen. An größere Dinge hatte er sich noch nicht herangewagt, es lebte sich jedoch auch recht einträglich von kleineren Fischen.

Dennoch war Luis Campos ein gefährlicher Kerl, ein verschlagener, etwas größenwahnsinniger Typ, skrupellos, schnell mit dem Messer zur Hand und intelligent.

Bevor er seine einträgliche Laufbahn als Schnapphahn eingeschlagen hatte, war er auf etlichen Handelsseglern als Erster Offizier gefahren.

Aber da war nicht viel zu holen gewesen, und so hatte er es bald satt gehabt, ein braves Leben zu führen.

Es war ihm nicht schwergefallen, mit einer Horde desertierter Kerle eine Schaluppe aufzubringen. Der ersten Schaluppe war etwas später eine zweite gefolgt, dann eine dritte. Und weil es in der Karibik von Schnapphähnen aller Schattierungen nur so wimmelte, hatte er auch bald eine wilde Horde um sich geschart, die ihm den nötigen Respekt zollte.

Der Portugiese war ein eitler Stutzer, er kleidete sich gern wie ein Pfau und benahm sich ausgesprochen gespreizt. Zudem war er sehr eitel und hielt sich selbst – was Frauen betraf – für unwiderstehlich. Er war schlank und geschmeidig und hatte sich ein schwarzes Spitzbärtchen wachsen lassen, sozusagen als Krönung seiner Erscheinung, denn er glaubte, daß dieses Bärtchen auf Frauen unheimlich wirke.

Seine Mannschaften dagegen wirkten zerlumpt und abgerissen, abenteuerliche Figuren von fern betrachtet, aus der Nähe nichts anderes als Abschaum aus den Hafengossen, Kerle, die nichts mehr zu verlieren hatten als ihr Leben, rücksichtslose, brutale Halunken mit Gaunervisagen, denen die Gier nach Geld und Gold in den heimtückisch blickenden Augen stand.

Gestern nachmittag war Luis Campos, den die anderen mit „Admiral“ anzureden hatten, heimlich in die Bucht gesegelt und vor Anker gegangen.

Er wollte auskundschaften, wie sein geplanter Coup durchzuführen war, denn er hatte schlicht und einfach vor, den feisten Wirt der „Schildkröte“ auszunehmen, von dem sich herumgesprochen hatte, daß er das Geld nur so scheffelte. Der Mann sollte bereits ein Vermögen angehäuft haben, und so hatte Luis Campos beschlossen, an diesem Vermögen teilzuhaben.

Er sah das als nicht sonderlich schwierig, aber einträglich an. Mit einem Dutzend Kerle war es kein Problem, eine Kneipe zu stürmen, sich den Wirt zu schnappen und ihn auszuplündern. Zweimal hatten sie das bereits erfolgreich getan, und so sah er auch auf Tortuga keinerlei Schwierigkeiten. Die Spelunke und die Gewohnheiten des Wirtes mußten nur etwas ausgekundschaftet werden. Ein Kerl, den er deshalb losgeschickt hatte, kehrte gerade in einem kleinen Boot zurück und enterte auf.

Der Kerl war sein „Adjutant“, denn natürlich hielt der Admiral die militärische Fachsprache für angebracht. Er hatte auch einen „Stab“, der sich aus den Kapitänen der beiden anderen Schaluppen und seinem Adjutanten zusammensetzte.

Der Adjutant, zugleich Campos’ engster Vertrauter, hieß Carlos Molino und war – schlicht gesagt – ein kleiner mieser Drecksack. Er war nur auf der Welt, um andere zu beklauen, zu betrügen und zu schmarotzen. Er lebte grundsätzlich auf Kosten anderer und hurte, hungerte und soff sich durch sein erbärmliches Leben. Das war zwanzig Jahre lang gutgegangen und würde auch noch ein paar weitere Jahre gutgehen, bis Molino eines Tages in ein Messer fiel, an einem Strick aufgehängt oder von den Haien gefressen wurde.

Er war etwas kleiner als der Admiral, gerissen, durchtrieben und hinterhältig wie die meisten anderen Kerle auch.

Er stand vor dem Admiral und blickte aus rötlichen Augen zu ihm auf. Er wirkte auch noch leicht verkatert, denn er hatte die ganze Nacht durchgezecht, um auszukundschaften, wie die Spelunke am besten auszunehmen war.

„Du bist reichlich spät dran, Molino“, sagte der Admiral ungnädig. „Ich hoffe, du hast dich nur deshalb verspätet, weil du gute Nachrichten bringst.“

Auf der Gaunervisage des Adjutanten lag ein schmieriges Grinsen, als er heftig nickte.

„So ist es, Admiral, ich habe mich genau umgesehen und umgehört und dabei allerlei erfahren. Diese Spelunke da oben am Berg ist eine wahre Goldgrube. Sie ist jeden Abend bis zum Morgen brechend voll. Der Wirt heißt Diego, ein dicker, feister Kerl, der die Münzen mit beiden Händen scheffelt. Er nimmt jeden Abend ein kleines Vermögen ein. Die Münzen rollen nur so. Er hat auch eine ganze Menge Weiberchen da oben, die ihm zusätzliches Geld einbringen.“

„Hört, hört!“ sagte der Admiral grinsend. „Weiberchen also auch. Hast du auch herausgefunden, wo er die Münzen versteckt hat?“

„Er nimmt sie mit in die Küche. Offenbar versteckt er sie dort. Aber den genauen Platz werden wir schon erfahren, wenn wir ihn ein wenig ausfragen.“

„Sehr richtig, Molino. Man muß nur richtig fragen, dann singen die Vögelchen alle ganz lustig. Du bist also der Ansicht, daß es sich für uns lohnen würde?“

„Unbedingt, Admiral, unbedingt“, versicherte Molino eifrig. „Ich habe einen Blick dafür.“

„Dann schicke nachher noch zwei Mann los. Sie sollen weiter beobachten, was sich in der Spelunke tut, aber sie sollen sich unauffällig verhalten. Am besten schickst du Pablo und Escola los, die fallen nicht so sehr auf.“

„Zu Befehl, Admiral.“

Der Admiral rieb sich die Hände. Dieser Spelunkenwirt versprach eine fette Beute zu werden, wenn er das Geld nur so scheffelte.

Etwas später meldete sich ein Ausguck aus den Bergen mit der Nachricht, daß ein „ziemlich dickes Schiff“, offenbar ein Zweidecker, Kurs auf die Insel halte und wohl den Hafen anlaufe.

„Wir werden unauffällig in der Nähe des Hafens einsickern“, sagte der Admiral, „und uns einen Überblick verschaffen. Wir beide bleiben gleich bis zum Abend da. Die anderen folgen später. Man muß immer Augen und Ohren offenhalten und gut informiert sein, wenn man etwas vorhat.“

Molino gab dem Kapitän recht. Er gab ihm immer recht und kaute alles nach, was der Admiral vorkaute. So war er immer am besten gefahren und hatte keinen Streit mit dem Admiral gekriegt, der sehr biestig werden konnte, schnell mit den Fäusten und noch schneller mit dem Messer war.

Ein paar seiner Kumpane hatten diese Erfahrung bereits hinter sich, doch sie nutzte ihnen nichts mehr.

Gut eineinhalb Stunden später war der Admiral mit seinem Adjutanten am Hafen „eingesickert“, wie er das nannte. Er strich mit eitler Geste sein Bärtchen und sah einer Frau nach, die einen Wäschekorb schleppte. Schließlich pfiff er anerkennend hinter ihr her.

Die Frau drehte sich um, blieb stehen, lächelte flüchtig und ging dann weiter, während der Admiral wie ein Pfau umherstolzierte.

„Na, wirke ich nicht auf Frauen, Molino?“ fragte er stolz. „Ein Pfiff, und die Weiber bleiben stehen.“

„Sie wirken sehr anziehend auf Frauen, Admiral, ganz ungeheuer“, lobte Molino. „Alle Frauen bewundern und himmeln Sie an, Admiral.“

Luis Campos hörte solche Schmeicheleien gern. Sie gingen ihm runter wie warmes Öl, und so nickte er seinem Adjutanten wohlgefällig und gönnerhaft zu.

Sie standen etwas abseits und beobachteten den unheimlich und düster wirkenden Zweidecker, der in den Hafen einlief und mit letzter Restfahrt an die Pier ging.

„Ein tolles Schiff“, sagte der Admiral bewundernd. „Wenn ich ein solches Schiff hätte, könnte ich mir ganz große Raids leisten. Wunderbar, dieser Kasten, zum Verlieben schön.“

„Ja, das wäre ein Schiff für Sie, Admiral, das wäre genau das richtige Schiff. Aber es hat eine ziemlich starke Besatzung, da sind ja an die hundert Mann drauf“, sagte Molino verwundert.

„Ja, das fiel mir auch schon auf. Na, vielleicht bleiben ein paar Kerle hier.“

Er sah wieder zu dem düsteren Zweidecker und war fasziniert. Von oben bis unten und von vorn bis achtern musterte er das Schiff. Der Gedanke, es in seinen Besitz zu bringen, fraß sich in ihm fest und nahm konkrete Formen an. Hm, das war ein schwerer Brocken, und es waren hartgesichtige Kerle an Bord, die so aussahen, als würden sie sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Aber das Schiff ließ ihm keine Ruhe mehr, es beschäftigte ihn pausenlos.

Mit dem Schiff und seiner starken Armierung könnte er in der Karibik kräftig auftrumpfen. Da konnte er sich ohne weiteres an die spanischen Handelsfahrer heranwagen, wenn sie Gold und Silber nach Spanien brachten.

In Gedanken sah er sich auf dem Achterdeck dieses Zweideckers stehen, die Hände auf den Rücken gelegt, von einer Seite zur anderen gehen und Befehle geben. Aber dazu mußte man das Schiffchen erst einmal haben.

Molino sah, wie es hinter der Stirn des Admirals arbeitete. Vermutlich sah der sich bereits als Admiral auf dem Zweidecker, denn er starrte das Schiff verträumt und besitzergreifend zugleich an.

„Sie stellen sicher taktische Überlegungen an, wie man an das Schiff herankönnte, Admiral, und sicher haben Sie auch schon einen Gedanken“, schmeichelte Molino.

„Hm, hm, ich überlege noch. Wenn da nur nicht so viele Kerle an Bord wären. Das irritiert mich ein wenig.“

„Vielleicht ginge es draußen auf See, Admiral. Hier im Hafen können wir kaum etwas ausrichten. Aber wenn wir ihn uns draußen überraschend mit unseren drei Schiffen schnappen, dann sieht das alles schon ganz anders aus.“

„Hm, hm, das muß sorgfältig überlegt werden. Aber wenn ich mir vorstelle, daß ich da auf dem Achterdeck stehe und … Zum Teufel“, unterbrach er seinen Redeschwall, „ist das nicht eine Frau, oder sehe ich schlecht?“

Dem Achterdeck hatten sie ihr Interesse nicht sonderlich gewidmet, aber jetzt starrte Luis Campos dorthin, und da traf ihn fast der Schlag. Er schluckte hart und stierte die Frau an.

„Himmel noch mal“, murmelte er fassungslos. „Die scheint auf dem Schiff die Befehle zu geben. Ja, gibt es denn so etwas? Das ist doch gar nicht möglich.“

Siri-Tong drehte sich um und sah in ihre Richtung. Aber den Admiral sah sie nicht, der verschwand in der Menge buntgekleideter Gestalten und dem Gewimmel am Hafen.

Luis Campos fühlte, wie ihm der Hals trocken wurde. Er sah ein ebenmäßiges, unwahrscheinlich hübsches Gesicht mit zwei etwas schräggestellten kohlschwarzen Augen, eine zierliche gerade Nase und einen sinnlichen Mund. Die Frau war schlank und zartgliedrig, sie trug blaue Hosen und eine knallrote Bluse, unter der sich ihre Formen klar und deutlich abhoben. Zwei Knöpfe dieser roten Bluse standen offen, und darauf stierte der Admiral jetzt mit Triefaugen.

„Teufel, Teufel“, murmelte er entzückt und strich mit einer affig wirkenden Gebärde wieder über sein Spitzbärtchen. „Diese wunderhübsche Señorita hat der liebe Gott nach Tortuga geschickt. Ein Prachtweib“, schwärmte er, wobei er seine Fingerspitzen küßte, „ein Geschenk des Himmels. Die muß ich kennenlernen, und wenn die ganze Welt dabei untergeht.“

„Ja, wirklich eine außergewöhnliche Frau“, sagte auch Molino, und diesmal meinte er es durchaus ehrlich, denn auch ihn faszinierte die exotische Schönheit der Señorita.

Der Admiral war ganz hingerissen. Aufgeplustert stand er da, um die Aufmerksamkeit dieser Señorita aus der Ferne zu erregen, aber leider, leider – sie blickte an ihm vorbei und sah ihn gar nicht, sosehr er sich auch spreizte wie ein liebeskranker Pfau.

„Wollten wir nicht zu dem Diego hinauf, Admiral?“ fragte Molino nach einer endlos langen Weile, in der der Admiral immer noch auf das Prachtweib schielte, mal die Luft anhielt und seinen Brustkorb herausdrückte, mal mit affektierten Bewegungen einherstolzierte, sein Bärtchen strich oder an seiner vornehmen Kleidung herumfummelte. In seinen Augen loderte eine verhaltene Glut. Molino glaubte ein Feuer darin zu sehen, das sich immer mehr ausweitete. Diesmal schien es den Admiral höllisch erwischt zu haben, der war schon ganz scharf und malte sich wer weiß was alles aus.

Eigentlich war das sein übliches Getue, wenn ein „Prachtweib“ in der Nähe war. Dann plusterte er sich wie ein Gockel auf, und es fehlte nur noch, daß er laut gekräht hätte.

„Diego – wer ist Diego?“ fragte der Admiral desinteressiert.

„Der Kneipenwirt da oben, Admiral, den wir ausnehmen wollten. Ich habe Pablo und Escola hinaufgeschickt. Die werden jetzt noch da hocken und sich umsehen.“

Der Admiral schluckte wieder, strich seinen Spitzbart und stierte mit brennenden Blicken auf die Frau. Hin und wieder glitt sein Blick auch mal flüchtig über das Schiff.

Molino räusperte sich, weil der Admiral nicht geruhte, eine Antwort zu geben. Er kriegte auch keine, denn dem Admiral war es jetzt offenbar völlig gleichgültig, ob die Kerle noch in der Kneipe hockten oder nicht. Und auch der dicke Wirt schien ihn nicht mehr sonderlich zu interessieren. Er war wieder einmal weggetreten und „aufs äußerste fasziniert“, wie er gern sagte.

Molino wurmte das, denn wenn der Admiral einmal Feuer gefangen hatte, ließ ihn leider seine Intelligenz etwas im Stich, und er vergaß mitunter auch sein Vorhaben. Dann verzichtete er großzügig auf fette Beute, weil ihm das andere wichtiger war: Als sich einmal ein Kerl darüber aufgeregt hatte, war er eine Minute später tot gewesen. Seither regte sich niemand mehr öffentlich über des Admirals Amouren und Marotten auf.

Dem Adjutanten wurde es langsam zu langweilig. Schön, die Señorita war wirklich einsame Spitzenklasse, aber deshalb mußte man sie doch nicht stundenlang „aufs äußerste fasziniert“ anglotzen, sich den Hals verrenken und das Maul aufsperren.

Nach einer angemessenen Zeit wiederholte er seine Frage etwas schüchtern.

Aber der Admiral sagte nur: „Hm, hm, jaja, später“ und gab nichts Konkretes von sich. Molino hätte sich gar zu gern in irgendeinen Winkel verkrochen, um ein paar Runden zu schlafen, denn die durchzechte Nacht steckte ihm noch in den Knochen. Doch das war nicht möglich, solange der Admiral gewissermaßen auf dem Kriegsschauplatz stand, um die Lage zu sondieren.

Das Schiff hatte jetzt vertäut, die Segel waren eingeholt worden, und der Admiral ging ein paar Schritte nach vorn, um die Lage noch genauer peilen zu können. Er hielt sich jedoch etwas abseits und stellte sich nie in die wogende Menschenmasse.

Aus der Nähe betrachtet, sah die Frau noch hübscher aus. Und auch das Schiff war äußerst robust, mit starker Armierung und zwei Decks.

„Sind doch keine hundert Mann an Bord“, sagte er leise, „das hat vorhin nur so ausgesehen. Insgesamt sind das etwas siebzig oder fünfundsiebzig Kerle, mehr nicht.“

„Trotzdem noch eine gewaltige Überzahl“, gab der Adjutant zu bedenken. „Scheinen auch harte Burschen zu sein.“

„Das sagtest du bereits einmal.“

Molino entsann sich nicht, das schon einmal gesagt zu haben. Vielleicht aber hatte der Admiral das gedacht, und so schwieg er.

„Wir bleiben vorerst hier auf Position“, entschied Luis Campos. „Wir werden auskundschaften, was es mit diesem Schiff auf sich hat. Und gegen Abend gehen wir in die Kneipe. Es kann ja sein, daß die wunderschöne Señorita auch da hingeht.“

„Und der Wirt, Admiral?“

„Welcher Wirt?“

„Der dicke Kneipenwirt, den wir rupfen wollen.“

„Das wird die Lage ergeben. Jedenfalls sind mir das Schiff und diese Frau zehnmal wichtiger. Was haben wir schon bei so einem kleinen Pinscher zu holen – ein paar Münzen, mehr nicht“, sagte er, abfällig mit der Hand winkend.

Jetzt war also wieder einmal die gleiche Situation entstanden, indem der Admiral eine dicke Beute einfach sausenließ. Da war auch ein Weib im Spiel gewesen, und er hatte alles andere vergessen.

Aber so ganz steckte Molino noch nicht auf. Er durfte zwar auch keine große Lippe riskieren, aber er durfte Vorschläge unterbreiten und konnte sich ein wenig mehr herausnehmen als die anderen.

„Es sind eine Menge Münzen, Admiral. Ich habe sie gesehen. Was der Kerl an einem einzigen Tag einnimmt, ist enorm. Und er hat mit Sicherheit viele Schätze in seiner Kaschemme gehortet.“

„Ein Dreck gegen das Schiff“, sagte der Admiral wegwerfend. Dabei leckte er sich lüstern über die Lippen. „Wenn wir das Schiff haben, brauchen wir keine Kneipenwirte mehr auszunehmen. Dann gehen wir an die ganz großen Brocken heran und rupfen die spanischen Silberschiffe.“

Jetzt fängt wieder sein Größenwahn an, dachte Molino. Der Admiral war schon ein recht wankelmütiger Mensch. Vor allem hatte er immer sehr hochfliegende Pläne, auch wenn sie meist nicht realisierbar waren. Es ging ihm auch nicht um das Schiff allein. Als Dreingabe wollte er das Weib, das schien ihm fast noch mehr wert zu sein, und deshalb setzte er wieder einmal alles aufs Spiel und riskierte Kopf und Kragen.

Also war der Kneipenwirt vorerst abgemeldet. Luis Campos würde jetzt den ganzen Tag hier stehenbleiben, um alles genau zu beobachten. Dann rührte er sich nicht mehr vom Fleck.

Kurze Zeit später verließen drei Männer das Schiff, die sich der Admiral genau betrachtete. Einer sah zum Fürchten aus, der hatte ein wüstes Gesicht mit einem gewaltigen Kinn. Er war genauso ein Riese wie die beiden anderen. Der eine war rothaarig und breit wie ein Schrank. Der dritte war schwarzhaarig, breit und sehnig, mit auffallend blauen Augen. Der Schwarze warf einen Blick über die Menge, die sich um den Zweidecker scharte, und ging mit federnden, elastischen Schritten weiter. Dem Admiral entging auch nicht, daß sie den Serpentinenweg einschlugen:

„Aha, die Señores gehen saufen“, sagte er. „Der Schwarze sieht wie ein Kapitän aus, aber das Kommando über den Zweidecker hat doch wohl die Schwarzhaarige, wie ich annehme. Wie reimt sich das zusammen?“

Darauf wußte auch der Adjutant keine Antwort, und so blieben sie stehen und sahen den drei Männern nach, bis die ihren Blicken entschwanden.

Gatunki i tagi
Ograniczenie wiekowe:
0+
Objętość:
1872 str. 21 ilustracje
ISBN:
9783954397815
Wydawca:
Właściciel praw:
Bookwire
Format pobierania:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip