Czytaj książkę: «Seewölfe Paket 22», strona 11

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7.

Capitán Don Gregorio de la Cuesta war ein Mann mit Erfahrung. Er war sehr methodisch veranlagt und erledigte aus diesem Grund zuerst die eine, vordringliche Sache, dann die andere. Ruhig hörte er sich an, was O’Leary zu berichten hatte, dann wandte er sich an seinen Ersten Offizier.

„Wir nehmen zunächst die Engländer auf der Insel aufs Korn“, sagte er. „Ich hoffe für sie, daß sie sich ergeben.“

„Was geschieht danach mit ihnen?“ fragte der Erste.

„Sie werden – in bewährter Manier – ihr weiteres Leben in einem der spanischen Bergwerke verbringen.“

„Was tun wir, wenn sie nicht kapitulieren?“

„Wir eröffnen das Feuer, das ist doch logisch“, entgegnete de la Cuesta. „Sie werden noch heute ihr Leben auf diesem Eiland beenden. Anschließend widmen wir uns dem Seewolf.“

„Ist das der Mann, der seinerzeit auch in Fort St. Augustine war?“

„Ja.“

„Ein Teufelskerl, nicht wahr?“

„Soll das heißen, daß Sie Sympathien für ihn hegen?“ fragte de la Cuesta streng.

„Natürlich nicht, Señor Comandante.“

„Nach Aussage von O’Leary soll der Mann ziemlich stark verletzt sein.“

„Wäre das nicht eine gute Chance für uns, ihn zu stellen und zur Strecke zu bringen?“

„Allerdings“, sagte de la Cuesta. „Wir müssen sie entsprechend nutzen. Beeilen wir uns also. Wir brauchen einen Parlamentär.“

„Ich melde mich freiwillig für diese Aufgabe, Señor Comandante.“

„Sehr gut. Nehmen Sie Brandez mit.“

„Als Dolmetscher, jawohl, Señor“, sagte der Erste Offizier.

„Zwei Seeleute werden sie als Rudergasten begleiten“, fuhr de la Cuesta fort. „Hören Sie jetzt genau zu. Ich will, daß die Verhandlung kurz und mit aller Entschlossenheit durchgeführt wird. Wir geben den Engländern eine Gelegenheit zur Rettung und richten uns nach den Geboten der Fairneß, wie sie es nennen.“ Er sprach nur noch wenige Worte, dann entließ er den Ersten mit einem knappen Kopfnicken.

Kurze Zeit darauf wurde der Erste Offizier als Parlamentär von zwei Decksleuten in die Bucht gepullt. Ihm gegenüber saß Brandez auf der Ducht, blickte immer wieder über die Schulter zum Ufer und bereitete sich innerlich auf alles vor. Was geschah, wenn die Engländer die Gesetze der Neutralität mißachteten und den Ersten, die beiden Bootsgasten und ihn als Geiseln nahmen?

Dann hatten sie ein Faustpfand, mit dem sie de la Cuesta erpressen konnten. Freies Geleit würden sie fordern. Wie aber verhielt sich der Kommandant in diesem Fall? Ging er auf das Verlangen der Erpresser ein, oder opferte er seine vier Männer – im Interesse der Sache oder weil der Zweck die Mittel heiligte?

Alles das ging Brandez durch den Kopf, während sich die Jolle in die Bucht der Insel schob und an den aus dem Wasser aufragenden Masten der gesunkenen Galeonen vorbeiglitt. Eine leichte Brandung erfaßte das Boot, hob es ein wenig hoch und ließ es sanft auf dem Ufersand aufsetzen.

Der Erste hatte die weiße Flagge auseinandergerollt und schwenkte sie mit der rechten Hand hin und her. Als sich nichts regte, stieg er aus dem Boot auf den Strand und bewegte sich ein paar Schritte auf das dichte, verfilzt und undurchdringlich wirkende Gestrüpp zu.

„Sagen Sie Ihnen, daß wir Sie zur Übergabe auffordern, Brandez“, sagte der Erste.

Brandez rief: „Wir wissen, daß Sie sich im Urwald versteckt halten! Ergeben Sie sich! Dieses Angebot unterbreiten wir Ihnen nur einmal, dann eröffnen wir das Feuer! Wir wissen, daß Sie Engländer sind!“

Corbett wollte aus dem Dickicht treten, doch Tottenham hielt ihn am Arm zurück und verließ selbst den Schutz der Mangroven und Lianen. Er ging einige Schritte auf die beiden Spanier zu, dann blieb er stehen. Sein prüfender Blick wanderte zu den Männern im Boot. Sie schienen, soweit er erkennen konnte, unbewaffnet zu sein.

Sir Edward Tottenham sah den Ersten Offizier der spanischen Kriegsgaleone, dann den Dolmetscher an.

„Mein Name ist Tottenham“, sagte er. „Ich bin der Kapitän der ‚Orion‘ und Kommandant des Verbandes, der jetzt nicht mehr existiert. Wie sind die Bedingungen, unter denen unsere Kapitulation zu geschehen hätte?“

„Ihnen und Ihren Männern wird kein Haar gekrümmt“, erwiderte der Erste Offizier. „Sie haben unser Ehrenwort, Señor. Mein Kommandant, Capitán Don Gregorio de la Cuesta, wäre sogar bereit, Ihnen dies schriftlich zu bestätigen.“

„Was geschieht aber konkret, wenn wir uns kampflos ergeben?“

„Dann haben Sie sich als Gefangene zu betrachten.“

„Wie lange?“

„Über Ihr Schicksal beziehungsweise die Dauer der Gefangenschaft hat der Kronrat in Spanien zu entscheiden“, erwiderte der Erste Offizier. „Sie haben einen Aggressionsakt verübt, und zwar das Aufbringen und Versenken einer spanischen Galeone, der ‚Santa Cruz‘. Daher müssen Sie als Feinde der spanischen Krone betrachtet werden.“

Tottenham schwieg eine Weile. Es hatte keinen Zweck, darauf hinzuweisen, daß es schließlich Sir John Killigrew gewesen war, der die „Santa Cruz“ gekapert hatte. Immerhin hatte seine „Lady Anne“ zu dem Verband gehört, wenn er, Tottenham, inzwischen auch eingesehen hatte, daß es besser gewesen wäre, dieser unglückliche Verband hätte England niemals verlassen.

„Geben Sie mir ein paar Minuten Bedenkzeit“, sagte er zu den beiden wartenden Spaniern. „Ich muß mich kurz mit meinen Männern beraten.“

„Tun Sie das, Señor“, sagte der Erste Offizier. „Wir warten hier solange auf Sie.“

Tottenham kehrte ins Dickicht zu seinen Männern zurück.

„Das klingt alles nicht sehr gut“, sagte er. „Und alles wegen dieses verdammten Überfalls auf die ‚Santa Cruz‘, aus dem sich in der Folge diese unmögliche Situation, in der wir jetzt stecken, entwickelt hat. Gleichzeitig muß ich allerdings auch sagen, daß sich diese Spanier sehr korrekt verhalten.“

„Ja, Sir, in diesem Punkt pflichte ich Ihnen bei“, sagte Corbett. „Aber das heißt noch lange nicht, daß sie auch Nachsicht üben. Sie werden uns zur Zwangsarbeit verurteilen, und das ist noch das günstigste für uns. Im schlimmsten Fall werden wir erschossen oder erhängt.“

Daß sich die O’Leary-Bande an Bord der einen spanischen Galeone befand, hatten sie inzwischen durchs Spektiv erkennen können. Somit war alles klar. Die Spanier hatten die Goldkisten gefunden und daraus einige sehr klare Schlußfolgerungen gezogen. Außerdem hatten sie die Kerle mit Sicherheit zum Sprechen gebracht.

„Ja, damit müssen wir natürlich rechnen“, sagte Tottenham. „Andererseits können wir aber auch nicht gegen Schiffskanonen kämpfen.“

„Wir können es, Sir“, sagte Corbett. „Wir haben den Dschungel als Deckung. Wenn sie an Land kommen, greifen wir sie aus dem Hinterhalt an.“ Ganz kühl und sachlich erklärte er: „Ich bin für Widerstand. Wir haben genug Munition. Wir können uns halten. Aus dem Dschungelkrieg, den wir hier führen werden, ergibt sich vielleicht sogar eine Chance zum Gegenangriff und Entern der beiden Galeonen.“

„Ja, das könnte mit viel Glück klappen“, sagte Gretton. „Aber auch mit Einsatzbereitschaft. Daran mangelt es bei uns nicht, schätze ich.“

„Bestimmt nicht“, murmelten die Männer der „Orion“ und der „Dragon“. Die Kerle der „Lady Anne“ und der Adelsclique äußerten sich nicht dazu.

„Ich für meinen Teil ziehe den Kampf einer ungewissen Gefangenschaft vor“, sagte Corbett mit harter, entschlossener Miene. „Wir könnten auch auf einer Galeere landen – oder in einem Steinbruch oder in einer Silbermine. Dort geht ein Mensch innerhalb weniger Jahre elend zugrunde. Sir, ich ziehe es vor, hier zu sterben, im Kampf. Das entspricht eher der Würde eines englischen Seeoffiziers.“

„Im übrigen ist die Insel durchaus zu verteidigen“, sagte Gretton.

„Richtig. Sie können nur mit Booten landen“, fügte Corbett hinzu.

„Die müssen wir vorher durchlöchern.“

„Darauf kommt es an.“

„Damit hindern wir sie am Landen“, fuhr Gretton fort. „Wer dann noch ans Ufer schwimmt, der kann keine Schußwaffen mehr verwenden, sondern ist auf seine Blankwaffen angewiesen. Dann folgt der Dschungelkampf, wie Corbett gesagt hat.“

„Wir müssen unsere besten Schützen für das Feuer auf die Boote absetzen“, sagte Marc Corbett. „Wenn die Spanier keine Boote mehr haben, ist bereits ein Unentschieden erreicht.“

Tottenham sagte: „Da muß ich Ihnen recht geben. Auch ich lege keinen Wert darauf, mich in spanische Kriegsgefangenschaft zu begeben.“

Dem stimmten auch die übrigen Offiziere, die Seesoldaten und die Decksleute beider Schiffe zu.

„Wir haben durchaus eine gute Chance, die Spanier abzuwehren“, sagte Gretton. „Zumal durch die Crew der ‚Orion‘ und dank der Umsicht von Corbett ja tatsächlich Pulver und Schußwaffen in genügender Menge vor dem Untergang der Schiffe an Land gebracht worden sind.“

„Dann sind wir uns also einig?“ fragte Corbett.

„Natürlich“, erwiderte Tottenham. „Ich teile es jetzt dem Parlamentär mit, und der Dolmetscher wird es ihm übersetzen. Danach sollten wir uns schleunigst tiefer in Deckung zurückziehen.“

„Aus dem Kinken treten“, sagte Corbett. „Alle Mann in den Urwald – bis auf freiwillige Beobachter beziehungsweise die Scharfschützen an der unmittelbaren Front, das heißt, in jenem Bereich, den die Spanier unter Kanonenbeschuß nehmen werden.“

Er veranlaßte alles Erforderliche, während Tottenham das Gebüsch verließ und zu dem wartenden Ersten Offizier und dem Dolmetscher Brandez zurückkehrte. Er blieb ziemlich dicht vor ihnen stehen und sagte: „Leider können wir eine Übergabe nicht akzeptieren.“

„Also Kampf?“ fragte der Erste Offizier.

„Ja.“

„Sie wissen nicht, welchen Fehler Sie begehen.“

„Ich weiß genau, was ich tue“, sagte Tottenham ruhig. „Verlassen Sie sich darauf. Bestellen Sie Ihrem Capitán einen Gruß und richten Sie ihm aus, daß wir bis zum letzten Blutstropfen kämpfen.“ Er grüßte militärisch knapp, dann sah er ihnen nach, wie sie sich umdrehten und zu ihrem Boot eilten. Sie pullten durch die Bucht zu den Schiffen zurück, die wie zwei graue Schatten unter dem greller werdenden Licht der Sonne wirkten.

Ich weiß auch, was ich zu tun habe, wenn ich als einziger übrigbleibe oder euch in die Hände falle, Señores, dachte Tottenham. Dann drehte er sich auf dem Absatz im weichen, weißen Sand um und gesellte sich zu seinen Männern.

Don Gregorio de la Cuesta reagierte genauso, wie Marc Corbett von ihm erwartet hatte. Die spanischen Kriegsgaleonen begannen zu manövrieren und legten sich in die Einfahrt der Bucht, wobei die Mündungen ihrer Kanonen durch die offenen Stückpforten drohend auf das Ufer gerichtet waren. Rufe waren zu vernehmen, gebrüllte Befehle, die bis zur Insel schallten.

Corbett, Gretton und die besten Männer der „Orion“ und „Dragon“ lagen zu diesem Zeitpunkt längst in ihren Stellungen, die sie sich als die strategisch besten ausgewählt hatten.

„Jetzt geht es los“, sagte Corbett zu Bush, dem Decksältesten der „Orion“, der links neben ihm platt auf dem Bauch lag. „Sie eröffnen ein hübsches Breitseitenfeuer auf die Hütten.“

„Der Teufel soll sie holen.“

„Es tut mir leid um die Hütten, Mister Bush.“

„Ach, mir eigentlich nur um die Arbeit, die wir darauf verwendet haben“, brummte Bush, dann spähte er über den Lauf seiner Muskete hinweg zu den Galeonen. Kommt bloß her, ihr Hunde, dachte er, dann werdet ihr schon sehen, was ihr davon habt.

In diesem Moment begannen die Kartuschenladungen in den Rohren der Geschütze zu explodieren, ein heißer Gluthauch, begleitet von Rauch, schoß aus den Mündungen. Schwerer Donner grollte, wie ein Eisengewitter rasten die Siebzehnpfünder-Kugeln heran. Zwei volle Breitseiten – sie hagelten in die gesamte Strandregion und zerhackten als erstes die Hütten, die wie morsches Holz auseinanderbrachen. Trümmerteile wirbelten durch die Luft. Sandfontänen stoben hoch. Es dröhnte und prasselte, und eine fette schwarze Rauchwolke wälzte sich von den Schiffen zur offenen See davon.

Von den Hütten blieb nicht mehr viel übrig. Nur ein paar Balkenreste ragten noch wie anklagend aus dem Sand auf. Der Strand hatte Löcher, und hier und da war eine Kugel zu sehen, die dicht vor den Mangroven gelandet war. Das war alles.

Ross, der sich als Melder betätigte, kroch zu Corbett und Bush.

„Alles klar hier?“ fragte er. „Bei uns keine Verletzten. Wir können über die Dons nur lachen.“

„Wir sind auch in Ordnung“, erwiderte Corbett. „Aber ich hoffe, daß sie feuern, bis die Rohre glühen. Damit verpulvern sie ihre Munition und haben, wenn es wirklich darauf ankommt, nicht mehr allzuviel.“

Die Masse der beiden englischen Schiffsmannschaften hatte sich auf Corbetts genaue Anweisungen hin aus dem gefährdeten Bereich zurückgezogen. Somit war sie nicht gefährdet. Die Beobachter und Scharfschützen hingegen lagen gut getarnt an der West- und Ostseite der Bucht. Auch die Boote waren gesichert, Corbett hatte sie noch tiefer in den Urwald schleppen und zurren lassen.

Im Dickicht der Südseite der Bucht hatten sich nur ein paar wenige Männer eingegraben und ließen den Kugelhagel stoisch über sich ergehen. Abwarten war Trumpf – und nicht die Beherrschung verlieren. Das hatten Tottenham, Corbett und Gretton ihnen so richtig eingehämmert.

Wieder dröhnten die Schiffskanonen, wieder schlugen die Kugeln in den Sand. Doch da gab es inzwischen schon nichts mehr, was zerstört werden konnte. Ein paar Kugeln lagen höher und flogen ins Dickicht, doch sie trafen keinen der Männer.

„Weiter so“, sagte Corbett grimmig. „Sie erzielen keinen einzigen Treffer. Die Dons schießen wirklich mit Kanonen nach Spatzen.“

„Die Holzhütten sind total zu Bruch gegangen“, sagte Bush.

„Später bauen wir eben wieder neue auf.“

„Wenn es nötig ist.“

„Eben“, sagte Corbett. „Vielleicht haben wir es aber gar nicht nötig. Wenn wir die Galeonen kapern, sind wir fein raus. Aber darauf mag ich noch nicht hoffen.“

Stewart war unterdessen noch ein wenig tiefer in den Inseldschungel geschleppt worden, genau wie die Boote. Starr blickte er vor sich hin. Ihm war es ziemlich egal, wer hier siegte. Für ihn war die Partie so oder so verloren, das hatte er endgültig eingesehen.

Jetzt erwies es sich fast als ein Segen, daß die „Orion“ und die „Dragon“ als Wracks gewissermaßen die Bucht versperrten oder einengten.

„Das ist ein echter Vorteil für uns“, murmelte Corbett, während die dritte Breitseite aus den Kanonenrohren röhrte. „Unsere Schiffe verhindern ein Einlaufen der beiden Kriegsgaleonen.“

„Und auch deren Manövrierbarkeit“, sagte Bush.

„Sollten wir uns dafür bei der Korsarin bedanken?“

„Bei dem Höllenweib?“ Bush mußte unwillkürlich grinsen. „Auf gar keinen Fall. Ich schätze, sie ahnt auch gar nicht, was hier gerade passiert.“

„Sie würde sich sehr wundern.“

Daß die Rote Korsarin unerwartet wieder auftauchen sollte, konnten hingegen die Männer der „Orion“ und der „Dragon“ nicht ahnen. Sie rechneten nicht damit, daß sie sich wieder mit dem Zweidecker zeigte, denn nach ihrer Ansicht hatte es genügt, daß Stewart, O’Leary und die Jollen-Meute auf der Insel der Pensacola Cays zurückgeschlagen worden waren. Damit gaben sich, so glaubten sie, Siri-Tong und der derzeitige Kapitän der „Isabella“ zufrieden.

Corbett betrachtete die Schäden am Ufer. Die Hütten waren völlig zerlegt, die Mangroven am Rande des Dickichts zerrupft und zersplittert. Jetzt schien aber auch dem Kommandanten der beiden Kriegsgaleonen aufzugehen, daß er auf diese Art nichts erreichte. Darum änderte er seine bisherige Taktik und ging zur zweiten Phase des Gefechts über, die Corbett auch wieder einkalkuliert hatte.

Je drei Boote wurden – so konnten Corbett, Gretton und die anderen mühelos durch ihre Kieker verfolgen – von jeder Galeone auf der Seeseite abgefiert und mit Landungstrupps besetzt. Corbett sah, wie die Boote ausgeschwenkt wurden und dann verschwanden. Er beobachtete die Männer, die auf den Hauptdecks zusammentraten und dann abenterten.

„Noch haben sie Schutz durch die Schiffe“, murmelte er. „Aber das wird gleich anders.“

„Vor allen Dingen müssen die Kanonen ihr Feuer einstellen“, sagte Francis Bush grinsend.

„Wenn sie jetzt feuern, gefährden sie ihre eigenen Männer“, sagte Corbett.

„Da – jetzt erscheinen die Boote!“

Die Jollen schoben sich hinter den Schiffen hervor, änderten den Kurs mit Richtung auf die Bucht und hielten unter zügigem Riemenschlag auf das Ufer zu.

Corbett lag auf der Westseite der Bucht. Er ließ Gretton und dessen Trupp, der sich an der gegenüberliegenden Seite aufhielt, durch Ross mitteilen, daß unbedingt mit dem Schießen gewartet werden sollte, bis sich die Jollen auf einer Höhe mit den Musketen und Tromblons befanden. Corbett gab seinen Leuten ein Zeichen, und sie rückten aus der Deckung etwa zehn Yards hinter Corbett und Bush vor.

„So, jetzt geht’s um die Wurst, Kerls“, sagte Bush. „Oder besser – um die Pulle. Wer die meisten Treffer erzielt, erhält eine Flasche Whisky aus der Geheimreserve von Sir Edward.“

„Ich schlage vor, wir hören mit dem Reden auf“, sagte Corbett.

„Aye, Sir“, brummten die Männer, legten sich flach auf die Bäuche, schoben ihre Musketen und Blunderbusses vor und zielten auf die anrückenden Boote.

„Noch etwas warten“, sagte Corbett. „Ich zähle rückwärts. Haltet auf die Wasserlinie.“

Jeder hatte mindestens zwei Waffen, die meisten drei, vorwiegend Musketen mit langen Läufen, die eine besonders starke Pulverladung hatten. Die Männer wußten, daß alles stimmte, Distanz und Ladung. Wenn nicht irgendein Unglück geschah, mußte es ihnen gelingen, zumindest einen Teil der Jollen zum Sinken zu bringen.

„Achtung“, flüsterte Corbett. „Drei, zwei, eins – Feuer!“

Gleichzeitig krachten die Musketen, und auch drüben, auf der Ostseite, blitzten jetzt im Dickicht die Mündungsfeuer auf. Ein Hagel von Kugeln prasselte im Knattern der Waffen auf die Boote ein, und die Insassen – Seeleute und Seesoldaten – begannen mörderisch zu schreien.

8.

Corbett vertauschte die erste Muskete, die er leergefeuert hatte, mit einer zweiten und gab, ohne lange zu zögern, den nächsten Schuß auf die Jolle ab, die er sich als Ziel ausgewählt hatte. Auch dieses Mal traf er, das Boot zog Wasser und begann zu sinken. Gleichzeitig nahm auch der Tiefgang der anderen Jollen zu. Einige der Seesoldaten und Seeleute warfen die Arme hoch und sanken zusammen, weil sie von den Ladungen der Tromblons getroffen worden waren.

Wieder knallten die Waffen. Corbett selbst hatte noch eine dritte Muskete, die er zum Einsatz brachte. Die Wirkung blieb nicht aus, und sie war besser, als man zu erwarten gehofft hatte: Alle sechs Boote sanken.

„Sie blubbern ab!“ rief Francis Bush und stieß dabei seinen Nebenmann mit dem Ellenbogen an. „Recht so! Aus der Traum!“

„Wer weiß, ob sie alle schwimmen können“, sagte der Nachbar.

„Ist mir egal. Weißt du, wie piepegal mir das ist?“

„Keine Zeit verlieren!“ zischte Corbett ihnen zu. „Los, weg!“

Sie krochen davon, sprangen – tiefer im Dickicht – auf und eilten davon. Der Spuk hatte nur wenige Minuten gedauert, doch jetzt gellten von Bord der Schiffe wieder Flüche und Schreie herüber. Don Gregorio de la Cuesta ging zur nächsten Aktion über, er zog alle Register, die er zur Verfügung hatte. Aber auch das hatten Corbett und Gretton in ihr Kalkül mit einbezogen. Sie nahmen einen fliegenden Stellungswechsel vor.

„Jetzt setzen sie die Drehbassen ein!“ rief Corbett.

Tatsächlich behielt er recht: Die Schwenkgeschütze der beiden spanischen Kriegsgaleonen krachten, und heulend flogen die Kugeln heran. Sie schlugen dort ins Dickicht, wo die Scharfschützen eben noch gelegen hatten.

Corbett und seine Männer warfen sich wieder in Deckung, und Gretton und der Ostseiten-Trupp verfuhren genauso.

„Teufel!“ sagte Gretton schwer atmend. „Sie beharken das Dickicht nicht schlecht. Trotzdem erwischen sie uns nicht.“

Corbett sah Bush an und grinste. „Immerhin, das eine steht fest. Dieses Landeunternehmen ist für die Spanier zu einer dicken Pleite geworden. Die Bootsinsassen dürfen jetzt zu ihren Schiffen zurückschwimmen. Sie wagen sich nicht ans Ufer. Wir könnten sie einen nach dem anderen abknallen, und das wissen sie.“

Sie schüttelten sich die Hände und nickten sich wie Verschwörer zu. Eins ist sicher, dachte Corbett, diese Männer sind mehr als Gold wert.

Wieder ließ de la Cuesta die Schiffskanonen sprechen. Der Donner dröhnte in den Ohren der Männer und wälzte sich davon. Die Kugeln schlugen wieder ohne jede Wirkung in das Ufer der Bucht.

Die Schiffbrüchigen im Wasser hatten Mühe, zu ihren Schiffen zurückzuschwimmen, in erster Linie die Seesoldaten. Die Brustpanzer und Helme behinderten sie schwer. Sie wirkten wie Gewichte, die sie in die Tiefe zogen. Manch einer entledigte sich seines Helmes, aber auch das nutzte nicht viel.

So versuchten einige denn doch – wegen der geringeren Entfernung – das Ufer zu erreichen. Aber hier lauerten wieder die Scharfschützen auf sie, die noch einige Blunderbusses zur Verfügung hatten. Schreiend fielen die Spanier im gezielten Beschuß, und keiner von ihnen richtete sich wieder auf.

„Hölle, Tod und Teufel“, sagte Barba mit seiner tiefen, grollenden Stimme. „Ja, da soll doch nun wirklich der Blitz dreinschlagen. Was in aller Welt hat das wieder zu bedeuten?“

Er stand am Ruder der „Caribian Queen“ und blickte verblüfft voraus. Siri-Tong stand direkt rechts neben ihm und hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

„Ich weiß genauso wenig wie du“, sagte sie.

„Aber in dieser verdammten Gegend scheint eine Menge Schiffsverkehr zu herrschen.“ Er lauschte dem Kanonendonner und fügte hinzu: „Das sind nicht nur Schiffsgeschütze, das sind auch Drehbassen.“

„Und Musketen“, sagte sie. „Wir sehen nach, was da los ist.“

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die „Caribian Queen“ der Insel von Südosten her genähert. Normalerweise hätte sie schon am Vormittag dort eintreffen müssen, doch sie war in einem Flautenloch hängengeblieben. So hatten Siri-Tong und ihre Crew wertvolle Zeit verloren, Zeit, in der wieder die Ungewißheit über Hasards Schicksal zunahm.

Jetzt aber wurden die Rote Korsarin und ihre Männer von dem Kanonendonner und den Geschehnissen auf der kleinen Insel der Grand Cays abgelenkt. Was ging dort vor? Noch befanden sie sich an der Grenze der Sichtweite, aber schon stellte Bill the Deadhead, der im Großmars Ausguck ging, fest, was sich dort abspielte.

„Backbord voraus!“ schrie er. „Bei der Nordbucht! Zwei spanische Kriegsgaleonen!“

„Sie sind damit beschäftigt, ihre Breitseiten auf die Bucht zu entladen?“ rief Siri-Tong.

„Ja! Als gelte es, die ganze Insel in Stücke zu schießen!“

Siri-Tong war darüber höchst verwundert. Seit sie auf diesen Verband von englischen Schiffen gestoßen waren, gerieten sie von einer Überraschung in die andere.

„Wer oder was hat die Spanier nur auf den Plan gerufen?“ fragte sie.

„Das weiß der Henker“, erwiderte Barba. „Aber welche Rolle spielt das schon? Sie sind da, und sie heizen den Engländern ein, die da festhocken und nicht wegkönnen.“

„Das geschieht denen recht“, sagte Juan.

„Gleichviel“, sagte die Rote Korsarin. „Wir müssen uns um unsere Freunde kümmern.“

„Welche?“ fragte Barba grinsend. „Die Dons oder die verdammten Engländer?“

„Ja, das ist die Frage“, erwiderte sie. „Eigentlich sind ja weder die einen noch die anderen Freunde, die Spanier aber natürlich noch weniger als die Engländer.“

„Warum halten wir uns nicht raus?“ fragte Barba grinsend. Er wußte aber sehr genau, daß er Siri-Tong dadurch nur provozierte.

„Hör auf“, sagte sie. „Ich bin jetzt zu Späßen nicht aufgelegt. Wägen wir die Dinge einmal ab. Bei den Engländern ist es im Grunde nur diese verdammte Adels-Clique, die wir zum Teufel wünschen, weil sie Hasard zur Strecke bringen wollte.“

„Ja, die hätten es verdient, daß man sie langsam erwürgt“, sagte Juan mit finsterer Miene.

„Aber die anderen, die sind gar nicht so schlecht, was?“ sagte Barba zur Roten Korsarin. „Oh, ich weiß schon, auf was du hinauswillst.“

„Es gehört ja auch kein Scharfsinn dazu.“

„Du willst ihnen helfen?“

„Die Engländer allgemein liegen ja mit den Spaniern in einer Art Dauerfehde“, sagte sie mit nachdenklicher Miene. „Ohne offiziell Krieg gegeneinander zu führen.“

„Und dort, auf der Insel, sind sie sich wieder mal in die Haare geraten“, sagte Juan. „Was haben wir damit zu tun? Sollen die sich doch gegenseitig umbringen.“

„Auf diesem Standpunkt könnte auch ich stehen“, sagte sie. „Aber ich tue es trotzdem nicht. Das ist eine ganz miese Art, die Dinge zu betrachten, Juan, laß dir das gesagt sein.“

„Und was ist die richtige Art?“

„Diese Engländer sind bis auf Sir Johns Lumpenkerle und die Adelsaffen sowie diesen wüsten Kapitän von der ‚Dragon‘ alles in allem recht prächtige Leute.“

„Ich komm da nicht mehr mit“, sagte Juan. „Sind sie nun unsere Feinde oder nicht? Liegt ihretwegen der Seewolf im Sterben oder nicht?“

„Er liegt nicht im Sterben“, sagte Barba.

„Seht den Dingen doch ins Auge!“ stieß Juan wütend hervor. „Warum gaukeln wir uns gegenseitig was vor? Was für Kerle sind wir eigentlich? Irgendwann erwischt es jeden von uns!“

„Ja“, entgegnete Siri-Tong. „Und ich weiß, was du sagen willst, Juan. Wir sollen uns schon mal auf das Schlimmste vorbereiten. Auch das ist richtig, ich widerspreche dir nicht. Aber denke bitte auch sachlich.“

„Das tue ich. Diese Engländer können mir gestohlen bleiben.“

„Sicher, mir auch. Aber die Fairneß?“

„Die gibt’s nicht mehr. Clifford hat Hasard in den Rücken geschossen“, sagte Juan aufgebracht.

„Kaum einer seiner Kameraden war damit einverstanden“, sagte die Rote Korsarin. „Und zwei Kapitäne hatten sich mit ihren beiden Schiffen ja bereits von dem Verband abgesondert und getrennt, weil sie mit der Jagd auf den Seewolf nicht einverstanden waren.“

„Das waren die klügsten Kerle von allen“, sagte Barba.

„Paradox ist das alles schon“, sagte sie. „Wir sind hierher zurückgesegelt, um den Engländern die Leviten wegen des nächtlichen Überfalls mit ihrer einen Jolle zu lesen – und jetzt stellt sich eine Situation dar, ihnen eventuell aus der Klemme zu helfen.“

„Das löse mal“, sagte Juan. „Das ist doch alles Mist.“

Sie lächelte plötzlich ein wenig. „Erst kümmern wir uns um unsere spanischen Freunde und dann um die englischen. Den Spaniern gebührt der Vorrang, die Engländer sind das kleinere Übel. Einverstanden?“

„Voll und ganz“, entgegnete Barba.

„Ich auch“, erklärte Juan. „Aber laß bloß deine Kuh nicht wieder fliegen, sonst platzt mir noch der Kragen.“

Gereizt waren sie alle. Sie hatten den Verband besiegt, aber sie hatten immer noch das Problem mit Hasard, dessen Fieber nicht mehr zu sinken schien. Wie sollte es weitergehen? Von Stunde zu Stunde nahm das, was Juan bereits prophezeit hatte, mehr und mehr Gestalt an. Der Seewolf war am Ende – so sah es jedenfalls aus.

So ließ diese Crew von Teufelskerlen einen Teil ihrer Wut an den „verfluchten Dons“ aus, die ja auch mit Schuld hatten, daß Hasard ein gehetzter Mann war, der von einer Legion von Gegnern verfolgt wurde. Im übrigen waren spanische Kriegsschiffe sowieso stets das „rote Tuch“ für den Bund der Korsaren.

„Na, dann mal los“, sagte Barba grinsend. „Da werden sich unsere lieben englischen Freunde aber gewaltig freuen, schätze ich.“

„Klarschiff zum Gefecht!“ sagte die Rote Korsarin.

„Aye, aye“, sagten die Männer und begaben sich auf ihre Posten. Gefechts- und Manöverstationen wurden besetzt, und bald öffneten sich die Stückpforten des Zweideckers wie gähnende Mäuler. Die schweren Geschütze wurden ausgerannt.

Gefechtsklar pirschte sich die „Caribian Queen“ von Südosten her an die beiden Galeonen des Don Gregorio de la Cuesta heran, die inzwischen hintereinander vor der Bucht der Insel ankerten. Hier, an Bord der Schiffe, war man völlig auf die Ereignisse in der Bucht konzentriert und vernachlässigte daher das Umfeld. Auch wurden eben noch die letzten Schiffbrüchigen des gescheiterten Landeunternehmens aus dem Wasser geborgen. So erfolgte der Angriff der Roten Korsarin wie aus heiterem Himmel.

Sie hatte das Überraschungsmoment voll auf ihrer Seite. Wie ein Raubtier, das in eine Herde von Kühen oder Schafen einfällt, war sie plötzlich heran und schlug zu. Die „Caribian Queen“ war ein Spukwesen, das sich lautlos näherte und dann in ein feuer- und eisenspuckendes Monstrum verwandelte.

Um den vollen Schußwinkel zu haben, lagen die beiden spanischen Galeonen genau in West-Ost-Richtung, den Bug nach Westen gerichtet. Achtern hatten Heckanker ausgebracht werden müssen, denn der Wind wehte nach wie vor aus Südwesten.

So kam nun der Teufel über die beiden Galeonen, deren Mannschaften mit den Backbordbreitseiten beschäftigt waren und die Steuerbordkanonen demzufolge nicht gefechtsbereit hatten. Als de la Cuesta und seine Offiziere bemerkten, was die Stunde geschlagen hatte, war es bereits zu spät. Sie konnten nur noch entsetzte Rufe ausstoßen und sich in Deckung werfen.

In einem Anlauf von achtern aufsegelnd, schob sich die „Caribian Queen“ heran, und ihre Geschützmündungen spien jäh die todbringenden Ladungen aus. Geifernde Dämonenmäuler, flammende Rachen – jede Art von Vergleich bot sich an. Das drohende Unheil gaukelte den schreienden Spaniern die furchtbarsten Bilder vor.

Sie war da, und der Hagel ihrer Kanonenkugeln fegte in einem einzigen Höllengewitter die Decks der östlich ankernden Galeone buchstäblich sauber. Auch die Drehbassen krachten und donnerten, und dann war der Spuk schon vorbei und zog weiter und wandte sich dem nächsten Gegner zu, auf dessen Decks ebenfalls schreiender Zustand herrschte. Die untere Batterie der „Caribian Queen“ dröhnte, und auch die westlich versetzt ankernde Galeone empfing schwere Treffer.

Von dieser Salve wurden die Ankertrossen zerschossen. Die Galeone trieb achteraus und verfing sich in der hinter ihr ankernden Galeone. Wieder gellten die Schreie der Männer.

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